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3.4 Partizipation und Partnerschaft

3.4.2 Partizipative Ansätze

3.4.2.1 Vorbemerkungen

Der Partizipationstrend führte zur Entwicklung neuer Ansätze, die sich in ihrem Namen ausdrücklich auf die Partizipation beziehen, im weiteren "Partizipative Ansätze" genannt. Sie sind aufgrund der Bedeutung der Situationsanalyse in der Entwicklungsorientierten Forschung (in diesem Falle wohl speziell Farming Systems Research) entstanden, die als erste Etappe eines Projektes das Verstehen des landwirtschaftlichen Betriebssystems vorsah. Dies führte dazu, daß ausführliche Studien unternommen wurden, um die Elemente des Systems und die Gründe für die Entscheidungen der Bauern kennenzulernen. Wesentliches Ziel war, die Hemmnisse für die Steigerung der Produktion und der Produktivität kennenzulernen. Dies war sicher ein erheblicher Fortschritt, erschwerte jedoch die praktische Entwicklungsarbeit, da es oft Jahre dauerte bis die Ergebnisse vorlagen (PILLOT 1987; 1992; JOUVE 1995). OKALI

et al. (1994,101) charakterisieren diese detaillierte Datenerhebung als die Achillesferse der entwicklungsorientierten Forschung.

Ein erster Schritt, um diesen Engpaß zu überwinden, war die Entwicklung des Rapid Rural Appraisal (RRA)123, das als Kurzuntersuchung in die deutsche Sprache einging (SCHEUERMEIER et al. 1991). NAGEL (1989,1) führt seine Entstehung auf Robert Chambers124

123 Im weiteren werden die englischen Abkürzungen verwandt, da sie in diesem Bereich sehr geläufig sind.

124 Institute of Developmente Studies, University of Sussex, UK.

zurück, wobei praktische Erfahrungen von den Internationalen Agrarforschungszentren geliefert wurden.

Kasten 9: Rapid Rural Appraisal

"RRA kann definiert werden als systematische halbstrukturierte Aktivität, die vor Ort von einem multidisziplinären Team durchgeführt, darauf angelegt ist, rasch und effizient neue Informationen und Hypothesen über ländliches Leben und ländliche Ressourcen zu erwerben"

(SCHÖNHUTH & KIEVELITZ 1993,4). Im RRA wird die Ebene "Partizipation durch Rat"

erreicht.

Auf pragmatische Weise werden verschiedene Methoden zur Auswahl der Stichprobe, Datenerfassung und Dokumentation eingesetzt wie direkte (teilnehmende) Beobachtung, Leitfaden-Interview, Individuelle (Schlüsselpersonen-) und Gruppeninterviews, Erstellen von Karten, Transsects, Langzeit-Transsects der Landnutzung, Wealth Ranking, Saisonkalender der Arbeitsgänge. Die Techniken, die vor allem in der Kommunikation mit der Zielgruppe eingesetzt werden, wurden als "Tools" bekannt. Zur Vervollständigung der Erkenntnisse wird die Triangulation unter diesen Methoden eingesetzt (THEIS & GRADY 1991; SCHÖNHUTH &

KIEVELITZ 1993). KUMAR (1993b,21-22) beschreibt folgende Situationen, in denen RRA besonders geeignet ist: wenn beschreibende Information ausreichend für Entscheidungsfindung ist, wenn Verständnis der Motivationen und Haltungen der Beteiligten gefordert ist (besonders Fragen mit "warum" und "wie"), wenn verfügbare quantitative Daten interpretiert werden müssen, wenn der wesentliche Zweck der Studie die Erarbeitung von Anregungen und Empfehlungen ist und wenn die Entwicklung von Fragen, Hypothesen und Vorschlägen für umfangreichere Studien notwendig ist.

Seitdem entstanden zahlreiche Ansätze, die auf unterschiedliche Konzepte zurückzuführen und teils schwer von einander zu unterscheiden sind. KAMP & SCHUTHOF (1991) vergleichen 9 unterschiedliche partizipative Ansätze. SCHÖNHUTH & KIEVELITZ (1993) beschreiben 10 Ansätze. CORNWALL et al. (1994,104) identifizieren schließlich 29 Ansätze, zu denen sich sicher noch weitere aus dem nicht-englischen Sprachraum gesellen würden. Moden, Eigenheiten der Begründer sowie unterschiedliche historische und politische Ausgangssituationen können Gründe dafür sein, daß sie keine generelle Verbreitung fanden und ihre Anwendung auf eine Organisation, eine Region oder einen bestimmten Zeitraum begrenzt blieben. Ihre Unterscheidung und Behandlung sind nicht Gegenstand dieser Arbeit (vgl. WATERS-BAYER & BAYER 1994; EHRET 1997,169-180; LAVIGNE DELVILLE 2000)125.

125 Zum Boom der partizipativen Ansätze meint BECKMANN (1997,93), daß sie ein umfangreiches Arsenal an "Spielregeln" wie Erhebungs-, Moderations- und Visualisierungstechniken mit sich bringen, die Anlaß für Handbücher und Trainingskurse sind und somit zu einem erneuten Handlungsbedarf für Entwicklungsagenturen führen, die nun inländische und ausländische Mitarbeiter in diesen Methoden ausbilden. Die Beherrschung dieser Methoden wird als Spezialwissen angesehen, das nun einer Systemrationalität folgend, von den Agenturen und den Fachkräften ausgebaut wird, um verkauft werden zu können. Vgl. BECKMANN (1997,123) und MUTTER (1995; zitiert nach:

BECKMANN 1997,123: Mutter, Theo 1995: Kritische Rückfragen an den Methodenboom in der Entwicklungspolitik. In: PERIPHERIE, Nr. 57/58, 165-175). EHRET (1997,181) erwähnt die hohen Kosten für die Beratung in diesen Methoden, die von vielen Entwicklungsorganisationen nicht aufgebracht werden können.

Stellvertretend für die Vielzahl der Partizipativen Ansätze, werden hier zwei Ansätze vorgestellt, die Partizipative Kurzuntersuchung (Participatory Rural Appraisal - PRA) und die Partizipative Technologieentwicklung (Participatory Technology Development - PTD).

Während PRA vorwiegend für die Analyse, die Begleitung und die Evaluierung eingesetzt wird, also mehr den Planungsschritten (entscheidungsorientiert) zugeordnet werden kann, ist PTD mit einer Aktion verbunden, also eine Methode der Aktionsorientierten Forschung (vgl.

Kap. 3.3.2). Beide Ansätze werden im allgemeinen auf der mikrosozialen Ebene angewandt, also in der Diskussion (PRA) oder dem Experimentieren (PTD) mit Bauerngruppen. Beide gehen vom Methodeneklektizismus aus und verwenden die Triangulation, wobei PTD wesentlich mehr Etappen umfaßt und auch PRA einbeziehen kann.

Diese beiden Ansätze sind für die vorliegende Arbeit und ihre Fragestellung relevant, weil sie sich auf den Bereich der Zusammenarbeit mit Bauern beziehen, auch in Brasilien bekannt sind und, vor allem, bei beiden eine Methodenentwicklung auf der Basis einer relativ breiten Diskussion und Praxis stattfand oder noch stattfindet. Dies bedeutet, daß die Fehler und Schwächen der Ansätze diskutiert und Konsequenzen daraus gezogen wurden. So wurden die Partizipativen Ansätze in Brasilien vor allem durch die Publikationen der AS-PTA126 bekannt, die verschiedene bereits in anderen Sprachen erschienene Bücher übersetzte (KAMP &

SCHUTHOF 1991; REIJNTJES et al. 1994; JOUVE 1991; CHAMBERS et al. 1989b). PRA wurde in Brasilien in zahlreichen Arbeiten, auch zur munizipalen Planung, eingesetzt und weiterentwickelt (WEID 1995; HABERMEIER 1995; SCHMITZ et al. 1995; RIBEIRO et al. 1997c).

PRA scheint bereits weitgehend entwickelt zu sein. PTD dagegen entwickelt zur Zeit eine starke Dynamik mit eigener Internet-Diskussion (PTD Discussion List; Advancing PTD, Extension Bazaar)127, regelmäßige Treffen über mehrere Jahre hinweg (Treffen der St. Ulrich-Gruppe), verfügt über ein Informationsorgan (PTD Circular) und hat sich durch mehrere Veröffentlichungen, unter Beteiligung des Centre for Information on Low External Input and Sustainable Agriculture (ILEIA), einer breiten Diskussion gestellt (KAMP & SCHUTHOF 1991;

HAVERKORT et al. 1991; REIJNTJES et al. 1992; SCOONES & THOMPSON 1994; VELDHUIZEN et al. 1997a; VELDHUIZEN et al., 1997b; Zeitschrift ILEIA Newsletter, etc.). Nach den jüngsten Beiträgen will PTD den engen Rahmen der Lokalität sprengen und sich methodisch auf Ressourcenschutzmanagement zu entwickeln, was eine Ausweitung auf die regionale Ebene bedeutet.128

Beide Ansätze repräsentieren die beiden häufigsten partizipativen Aktivitäten, Diagnose und Experimentieren, und erlauben somit, wesentliche Problempunkte der partizipativen Zusammenarbeit anzusprechen. Ein weiteres Argument für die Auswahl war, daß auch eigene Erfahrungen mit den Ansätzen gemacht wurden.

126 Das Netzwerk Projeto Tecnologias Alternativas (PTA) besteht aus etwa 25 unabhängigen NROs in verschiedenen agroökologischen Regionen Brasiliens und veröffentlicht über ihre ehemalige Koordinierungsstelle Assessoria e Serviços a Projetos em Agricultura Alternativa (AS-PTA, Rio de Janeiro) Literatur für die Arbeit mit der bäuerlichen Landwirtschaft (unter anderem Übersetzungen fremdsprachiger Arbeiten).

127 Die Kontakte: Extension BAZAAR: www.viltec.ch/bazaar/welcome.html. PTD Discussion List: ptd-l@etcnl.nl; Advancing PTD: office@qetcnl.nl (Angaben aus dem Jahr 2000).

128 Diese Entwicklung kann jedoch mangels konkreter Unterlagen in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden.