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3.4 Partizipation und Partnerschaft

3.4.2 Partizipative Ansätze

3.4.2.3 Bemerkungen zur Partizipativen Kurzuntersuchung

Die positive Einschätzung der Methode, die ich ebenfalls teile, ist weit verbreitet. Deshalb soll hier mehr auf kritische Aspekte eingegangen werden, die zur Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen Forschern, Beratern und Bauern, dem Anliegen dieser Arbeit, beitragen können.

Um die Möglichkeiten des Ansatzes wirklich zu nutzen, müssen die Veranstalter über kommunikative Fähigkeiten verfügen, eine Notwendigkeit, die nach OKALI et al. (1994,107) in keiner PRA-Dokumentation ernsthaft angesprochen wird. Die Autoren stellen fest, daß mehr Gewicht auf das Erlernen des Umgangs mit den "Tools", als auf die Organisierung und Moderierung von Versammlungen gelegt wird, ein Defizit bei zahlreichen Forschern und Beratern. Die Moderation bedarf spezifischer Kenntnisse und erfordert erfahrene Personen.

SCHÖNHUTH & KIEVELITZ (1993,19, 27) lassen keinen Zweifel, daß die Qualität der Untersuchung steht und fällt mit der persönlichen und beruflichen Erfahrung der PRA-Equipe, ihrer Empathie und Begeisterung, was sowohl Anforderungen hinsichtlich der

Einstellung der externen Untersucher als auch hinsichtlich ihrer fachlichen Kompetenz stellt und Fachkräfte (externe Spezialisten) erfordert.

Ein wesentlicher Punkt, sowohl bei RRA als auch PRA, ist die notwendige Vorbereitung durch Kräfte vor Ort, damit der Ansatz funktioniert. Eine Kurzuntersuchung im Kleinen Walsertal beispielsweise bedurfte erheblicher Vorbereitung, damit die 30 Teilnehmer die Ergebnisse des RRA am zweiten Abend bereits den Beteiligten, vor allem den befragten Bauern, zur Diskussion stellen konnten (SCHEUERMEIER et al. 1991). Zur Vorbereitung gehörte unter anderem: Mobilisierung von Experten, die die Region kannten, Vorbereitung für die Einführung in die Problematik der Region, Zusammenstellung der Sekundärdaten, Auflistung der Adressen und Information der Bauern, Organisierung durch mit der Methode vertraute Personen bis hin zur Reservierung eines Saales. Selbst bei schnellen Methoden muß ausreichend Zeit einkalkuliert werden, um die Untersuchung überhaupt durchführen zu können.130

Ein Kennzeichen von PRA ist die Interaktion zwischen den Externen und der Zielgruppe, vermittelt durch Führungspersönlichkeiten oder Organisationen, die vorbereitet werden muß, um das Treffen zwischen diesen Akteuren zu garantieren. Besonders wenn die externen Vertreter von Institutionen ohne eine feste Arbeitsbasis in der Region sind, muß der Kontakt von Organisationen vor Ort hergestellt werden. Eine Gruppendiskussion kommt auch nicht von alleine zustande. MOSSE (1993; zitiert nach: OKALI et al. 1994,106) stellt fest, daß die Kurzuntersuchung sich im allgemeinen auf die Interaktion mit einer begrenzten Zahl von Personen stützt, die als Makler oder Vermittler zwischen der Gemeinschaft und Außenstehenden dienen. Er argumentiert weiter, daß in öffentlichen Veranstaltungen das Allgemeine über das Besondere dominiert, während gerade letzteres wichtig ist, um neue Lösungen zu finden131. Abweichende und Minderheitsmeinungen werden selten in Versammlungen zum Ausdruck gebracht, was häufig dazu führt, daß die Ansichten der mächtigeren Gemeinschaftsmitglieder dominieren, während besonders die Meinungen der Frauen in der Öffentlichkeit wenig vorgebracht werden (vgl. KUMAR 1993c,63-65). MOSSE

widerspricht der Ansicht, daß die PRA-Werkzeuge, im Gegensatz zu wissenschaftlichen Methoden, nicht kulturgebunden seien.132 NETZWERK (1998,19, 21) stellt fest, daß über die interkulturelle Tauglichkeit des Instrumentariums bisher zu wenig nachgedacht worden sei. In kulturellen Umgebungen, in denen sich die Bauern vor allem über die Sprache ausdrücken, dürfte die Vorgehensweise zunächst als befremdlich wahrgenommen werden wegen ihres

"Gesellschaftsspielcharakters".

Die Untersuchung findet nicht in einem historischen, politischen, institutionellen oder kulturellen Vakuum statt, sondern das Ergebnis wird erheblich von Faktoren dieser Art beeinflußt (MOSSE 1993; zitiert nach: OKALI et al. 1994,103). Die Interpretation der Daten hängt wiederum von detaillierten Kenntnissen des sozialpolitischen Kontextes ab (POTTIER

1991; zitiert nach: OKALI et al. 1994,102). Auch die Verwendung der "Tools" ist teilweise nur mit entsprechender Vorinformation möglich (SCHÖNHUTH & KIEVELITZ 1993,21). KITZ

(1998,184) kritisiert die unüberlegte Anwendung einer Vielzahl von "Tools" in der ersten Projektphase (Analyse), was zu langen Workshops und zur Erhebung zuvieler Daten ohne

130 So wird in verschiedenen der in KUMAR (1993a) präsentierten RRAs von Problemen wegen Zeitmangels des Untersuchungsteams berichtet. Dies betrifft vor allem die externe Spezialisten.

131 Der Ansatz Analyse und Diagnose von Agrarsystemen (GARCIA FILHO 1999; DUFUMIER 1996) legt beispielsweise ausdrücklich Wert auf das Herausfinden des Besonderen, des Neuen.

132 "... Mosse vertritt den Standpunkt, daß 'partizipative Rhetorik' als fragwürdig angesehen werden kann:

Vorstellungen über Informalität sind kulturell definiert und situationsspezifisch, und das Brimborium (paraphernalia) von PRA - Diagramme, Karten, etc. - kann eher mystifizieren als zu Partizipation führen." (OKALI et al. 1994,106).

direkten Nutzen führt. Er schlägt daher die Unterteilung der "Tools" nach ihrer Anwendung für Datenerhebung, Problemanalyse und Lösungssuche sowie Aktionsplanung vor. Auch die Leitfadeninterviews bedürfen einer Vorbereitung. Nach eigener Erfahrung hat es sich als günstiger herausgestellt, die Fragen inhaltlich vorzuformulieren. Der Vorteil ist, daß die Ergebnisse vergleichbar sind, wenn mehrere Personen die Befragung durchführen oder wenn zahlreiche Personen befragt werden. Die Vorformulierung bedeutet bereits eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Befragung und verringert die Gefahr, daß wesentliche Aspekte vergessen werden. Keineswegs ist dadurch die Offenendigkeit und Flexibilität beeinträchtigt.

In der eigenen Arbeit wurde besonders der Übergang von der Erfassung der "Daten" zur Systematisierung und Identifizierung der Probleme zusammen mit den Teilnehmern, Bauern, Fischern, ländlichen Führungspersönlichkeiten, Beratern, Entwicklungsagenten und Forschern, in Arbeitsgruppen und Plenarsitzungen als schwierig empfunden, wozu eine erfahrene Moderation nötig war. Die Aufstellung von Hypothesen zusammen mit den Teilnehmern war weniger problematisch als die Erarbeitung der Schlußfolgerungen (SCHMITZ

et al. 1995).

Wenn man mehr als den punktuellen Gebrauch für Bedarfsdefinition oder Evaluierung anstrebt, bedarf es zusätzlich eines kontinuierlichen Dialogs zwischen den Partnern. FUJISAKA

(1991; zitiert nach: OKALI et al. 1994,104) vertritt die Ansicht, daß es auf die detaillierte, systematische, tägliche Kommunikation und Interaktion zwischen Forscher und Bauer ankommt, um die komplexen landwirtschaftlichen Systeme weiterzuentwickeln. OKALI et al.

(1994,104) argumentieren, daß PRA aufgrund der Entstehung als schnelle Untersuchungsmethode nicht unbedingt hilfreich ist, um einen kontinuierlichen Dialog zu etablieren, was jedoch wesentlich ist, wenn PRA nur eine Etappe innerhalb eines größeren Zusammenhangs ist, beispielsweise bei PTD.

Es wird wenig problematisiert, daß viele der für die Durchführung der Partizipativen Ansätze verantwortlichen Experten die Sprache der Zielgruppe nicht sprechen und daher Übersetzungen notwendig sind, die nicht nur mit den Schwierigkeiten der Übersetzung der Denkweise verschiedener sozialer Welten konfrontiert sind, sondern häufig auch mit Manipulation, um die Interessen der Zielgruppe zu wahren (z.B. die Fortsetzung eines nicht sinnvollen Projektes, weil es Geld in die Gemeinschaft bringt) oder die Absichten der Vermittler durchzusetzen133. Diese Tatsache macht vielleicht verständlich, warum so großer Wert auf Visualisierung in Gesellschaften gelegt wird, in denen das gesprochene Wort im Vordergrund steht (vgl. KRIBHCO, 1992; zitiert nach: OKALI et al. 1994,107). Die Problematik der Visualisierung und die Bedeutung des Dialoges bei der Erarbeitung von Urteilen und Entscheidungen dürfen nicht unterschätzt werden (HOFFMANN 1991,248, 254).

Im allgemeinen wird nicht von einer Charakterisierung der landwirtschaftlichen Betriebssysteme ausgegangen, wie zum Beispiel bei der Entwicklungsorientierten Forschung.

Die Frage, wie mit der sozialen Differenzierung umgegangen werden soll, wird insgesamt vernachlässigt (OKALI, 1994,105). Dies führt zu unklarer Beschreibung der Zielgruppe ("arme Bauern", etc.) und fehlender Vorstellung über die Repräsentativität der Teilnehmer. Dies kann noch dadurch verstärkt werden, daß trotz guten Willens ein systematischer Fehler durch die geringere Beteiligung benachteiligter, weniger durchsetzungsfähiger Gruppen bei den partizipativen Veranstaltungen entsteht. Von der Mehrheit abweichende Meinungen werden

133 HOFFMANN (1990; zitiert nach: OKALI et al. 1994,106) geht auf eine Studie von Peter Ay ein, die in detaillierter Form die Rolle dieser intermediären Personen beschreibt, eine "Illusion von Kommunikation zwischen Projekten und ihren Klientengruppen" zu schaffen.

zudem eher in Einzelinterviews als in der Öffentlichkeit geäußert. Die repräsentative Durchführung von Befragungen erfordert im allgemeinen jedoch eine größere Zeitdauer für die Erhebung der Daten (Feststellung der Grundgesamtheit, Kriterien für die Auswahl homogener Gruppen, Stichprobenbestimmung, Durchführung).

Verteidiger tiefergehender Erhebungen argumentieren, daß die schnellen Verfahren überhaupt erst auf der Grundlage langfristiger Untersuchungen möglich waren und die komplexen Zusammenhänge ohne sie nicht verstanden worden wären (JOUVE 1995,28; SCHÖNHUTH &

KIEVELITZ 1993,20-21). Dies weist auf zwei kritische Punkte der Realisierung von PRA hin:

die Erfahrung, die für die erfolgreiche Durchführung notwendig ist, und die Kenntnis der grundlegenden Zusammenhänge auf den verschiedenen Ebenen des landwirtschaftlichen Systems (système agraire). Verständnis von Gruppenprozessen, Erfahrung im Experimentieren mit Bauern und Kenntnisse über die Art der Informationsverbreitung sind erforderlich (OKALI et al. 1994,117), damit die Arbeit über die Ebene der Beschreibung und Diagnose hinausgehen und (neue) Erkenntnisse, vor allem Schlußfolgerungen, liefern kann.

Dies ist nicht mit standardisiertem Vorgehen zu erreichen. Auch die Triangulation ist kein Allheilmittel und kann zusätzliche Probleme bei unreflektiertem Gebrauch aufwerfen (Kap.

2.1.6).

Generell sollte die Kritik an manchen Kurzuntersuchungen (RRA, PRA) ernst genommen werden, die den Methoden die Gefahr des Bias (z.B. leichte Erreichbarkeit, geringe Reflexion über die Zusammensetzung der Partizipanten) sowie die im Vergleich zur Datenerhebung relativ lange Auswertungszeit vorhält (vgl. CASLEY 1993).

SCHÖNHUT & KIEVELITZ (1993,21) sehen die größte Herausforderung für den Ansatz in der

"... Etablierung des PRA-Gedankens in den Organisationskulturen bürokratisch aufgebauter Entwicklungsorganisationen. Wo die Offenendigkeit, Flexibilität, Kreativität und Ver-schiedenartigkeit von PRA auf normale bürokratische Tendenzen zu Standardisierung, Zentralisierung und Top-down-Management trifft, bleibt von seinem partizipativen Grundgedanken nicht viel übrig. Lokale Nichtregierungsorganisationen (NRO's) haben deshalb bei der Übernahme der PRA-Idee gewisse Vorteile." Dieser Gedanke wird auch von BAUER (1996,58) bezüglich der Partizipation in der Weltbank vertreten. Der Ansicht, daß NROs in dieser Hinsicht generell überlegen seien, stimme ich in dieser Form nicht zu (vgl.

EHRET 1997,222-235; OKALI et al. 1994,3). Die Gefahr, daß die Moderatoren die Methode nicht flexibel anwenden (können), entweder weil sie nicht genügend vorbereitet wurden und die Erfahrung für eine kreative Anwendung fehlt, oder weil PRA in vorgeschriebene Abläufe zwingend eingebunden wird, scheint ein generelles Problem zu sein (OKALI et al. 1994,107;

KITZ 1998,184). Sämtliche Projektbeispiele in NETZWERK (1998,12, 14, 19) erlebten die unflexible Handhabung partizipativer Methoden, die teilweise von der Bevölkerung als bürokratischer Akt erlebt wurde, um eine Finanzierung zu erreichen134.

134 Siehe dazu das Beispiel von KABUTHA et al. 1990; zitiert nach: KABUTHA et al. 1993,178-179): "PRA hat normalerweise acht klar definierte Etappen."