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3.2 Von der Verbreitung zur Beratung

3.2.4 Modelle der Beeinflussung mit nicht-linearer Kommunikation

4000 Dokumenten über Wissensverbreitung und - nutzung drei Basismodelle der Beratung:

- das Diffusionsmodell (Ansatz von oben nach unten);

- das Problemlösungsmodell (Ansatz von unten nach oben); und - das Modell der sozialen Interaktion.

Er kombinierte die identifizierten Modelle miteinander, den Ansatz von unten nach oben mit dem von oben nach unten, führte als neues wichtiges Element das Feedback durch die

86 HAVELOCK, R.G. 1969: Planning for Innovation through Dissemination and Utilisation of Knowledge. University of Michigan, Ann Arbor.

Kommunikation in zwei Richtungen ein und entwickelte das Kopplungsmodell ('linkage model'). Bei diesem Modell der Kommunikation in zwei Richtungen zwischen Erzeuger und Nutzer der Technologie blieb jedes Teilsystem noch getrennt und behielt seine eigenen unterschiedlichen Funktionen bei (METTRICK 1993,20). Die Anwendung des Modells ließ auf sich warten (RÖLING 1988,25).

Auf der Basis dieses Modelles und der Erkenntnis von der Notwendigkeit eines Prozesses, der der wachsenden Nachfrage an neuen Informationen gerecht würde, den die traditionellen Systeme nicht mehr anzubieten in der Lage waren, entwickelte NAGEL (1979) das Landwirtschaftliche Wissenssystem ("Agricultural Knowledge-System"87 - AKS). Wie HAVELOCK kombinierte er alle relevanten Elemente dieses Prozesses und entwickelte ein System mit Überlappungen, institutionellen Beziehungen und Rückkoppelungen zwischen den Beteiligten, das in drei wesentliche Teilsysteme eingeteilt wurde: Die Forschung als Erzeuger des Wissens, die Verbreitung als ihre Transmission und der Nutzer als Integrationselement an der Basis des Bestandes an bäuerlichen Praktiken. Die grundlegende Bedingung für Stabilität und Fluß der Information zwischen den Teilsystemen des Wissenssystems ist die Lösung von sechs funktionellen Problemen: Identifikation des Bedarfs, die Erzeugung neuer Kenntnisse, die Operationalisierung, die Verbreitung, die Anwendung seitens der Bauern und die Evaluierung der Erfahrungen. Mit dem Landwirtschaftlichen Wissenssystem wurden neue Elemente eingeführt, die bis heute beispielsweise in der Untersuchungsregion nicht selbstverständlich sind: der Systemansatz, die Orientierung an den Bedürfnissen des Landwirtes (Service-Funktion), der Austausch zwischen den Beteiligten (den Teilsystemen) und die Überlappung der Verantwortlichkeiten der Akteure, die miteinander in Beziehung stehen, aber verschiedene komplementäre Rollen übernehmen.88 Der Wissenssystemansatz öffnete einen Raum für die Entwicklung anderer Methoden des "Wissensmanagements" (vgl. Kap. 5.8.1).

Die Problemlösungsmodelle gehen nicht von vorformulierten Zielen aus, sondern stellen die Zielgruppe und andere Beteiligte in den Mittelpunkt ihrer Aktivität. Die Definition der Probleme und der Ziele ist miteinander verknüpft. Dazu gehört die Partnerzentrierte Beratung, die in der landwirtschaftlichen Beratung und der internationalen Zusammenarbeit Deutschlands verbreitet ist.

Kasten 6: Das Konzept der Partnerzentrierten Beratung

Eines der Problemlösungsmodelle ist die Partnerzentrierte Beratung. Dieses Modell geht vom Klienten aus, wobei der zentrale Punkt bei der Planung und Ausführung von Beratungsprojekten die Definition des Problems in der Wahrnehmung des Klienten ist und nicht die Ziele oder Vorschläge, wie im Fall anderer Modelle (BAUER 1996,21).

87 Der Ausdruck war bereits vorher von Coombs und Ahmed benutzt worden. Nagel wählte ihn wegen seiner deutlichen Verküpfung von Wissen und landwirtschaftlicher Produktion (NAGEL 1979,148).

88 Die Unterscheidung zwischen Wissen und Information (RÖLING 1988,33) führte später zu dem Begriff des Landwirtschaftlichen Wissens- und Informationssystems ("Agricultural Knowledge and Information-System" - AKIS), der jedoch meines Erachtens keine so wesentliche Verbesserung bringt, daß der unhandliche Begriff übernommen werden müßte. Da es jedoch nicht nur um Information und Wissen, sondern auch um soziale Interaktion geht, und der Bauer heute ebenfalls als Quelle des Wissens angesehen wird, wäre eine Überarbeitung des Konzeptes nötig, was nicht Thema dieser Arbeit ist. Daher wird der Begriff Landwirtschaftliches Wissenssystem hier weiter im Sinne der ursprünglichen Definition benutzt (vgl. LÜHE 1996,12; KNIERIM 2000,13; RÖLING 1994b,288;

RÖLING & WAGEMAKER 1998,16-17).

"Beratung ist ein Vorgang, in dem der Berater versucht, seine Beratungspartner durch geistige Hilfe zu solchem Handeln zu motivieren und zu befähigen, das geeignet ist, ihre akuten Probleme zu lösen. Die Betroffenen erhalten bessere Einsicht in den Problemzusammenhang und erkennen die verfügbaren Lösungsalternativen. Sie gewinnen daraus sowohl den Antrieb als auch die Orientierung über die Richtung für problemlösendes Handeln. Ansonsten brachliegende Kräfte werden durch die Vermittlung von Beratung freigesetzt und nutzbar. Die dazu notwendige Beziehung zwischen Berater und Beratungspartner sollte partnerschaftlich89 sein, wobei der Berater dem Wohl seines Gegenübers verpflichtet ist. Die Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortlichkeit des Partners muß dabei voll gewahrt bleiben, weil dieser schließlich auch die Verantwortung für die Folgen seiner Handlung allein tragen muß" (ALBRECHT et al. 1987,36). Das Modell kennt nicht die beabsichtigte Einflußnahme (Überredung) auf den Willen anderer Menschen (vgl.

BOLLNOW 1959; zitiert nach: BAUER 1996,16). So zeichnet sich die Beratung von anderen Formen der Beeinflussung durch folgende Eigenschaften (BAUER 1996,18):

- Der Klient steht im Mittelpunkt des Geschehens;

- Der Berater verpflichtet sich dem Wohl des Klienten; das Interesse des Beraters (und seiner Organisation) soll dagegen zurückstehen;

- Die Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortlichkeit des Klienten bleiben gewährleistet.

Der Berater soll den Klienten vorrangig dabei unterstützen, Einsichten in die Problemzusammenhänge zu gewinnen und Lösungsalternativen abzuleiten und zu bewerten sowie deren Chancen und Risiken zu erkennen. Der Erkenntnisprozeß und das Erlernen der notwendigen Techniken sind ebenso wichtig wie die Ergebnisse selbst. Wenn der Klient dies lernt, so ist ihm weit nachhaltiger geholfen, als durch den Vorschlag einer noch so guten Lösung (BAUER 1996,21).

Partnerzentrierte Ansätze können als Ansätze 'von unten' angesehen werden. Der Unterschied zu anderen Modellen liegt darin, daß der Ansatz sich auf die Person und nicht auf das Problem konzentriert, und der Berater dahinter zurücksteht. Zielgruppenorientierung, Partizipation und schrittweise Planung und Ausführung sind wesentlichen Eigenschaften (ALBRECHT et al. 1987,46-59).

Die Wurzeln dieses Ansatzes sind die Gestaltpsychologie, die von Kurt Lewin ausging, die Verhaltenspsychologie und die humanistische Psychologie mit der

"klientenzentrierten Therapie" von Carl ROGERS (1985; 1992; vgl. BAUER 1996,26; SCHULTZ

& SCHULTZ 1981). ROGERS stellt das Individuum in den Mittelpunkt des Interesses und nicht das Problem. Das Ziel ist also nicht, ein bestimmtes Problem zu lösen, sondern dem Individuum zu helfen, sich zu entwickeln, damit es ihm gelingt, das aktuelle Problem und später andere Probleme zu überwinden. ROGERS betont mehr als den intellektuellen Aspekt die emotionalen Aspekte der Situation, die in Beratungssituationen wie auch bei der Konfliktlösung (vgl. GLASL 1997) und der Verhandlung wichtig sind (vgl. FISHER et al.

1996). Sich auf den Klienten zentrieren bedeutet eine Haltung anzunehmen, die durch die

"fünf Imperative von Rogers" (MUCCHIELLI, R., o.D.; zitiert nach: HOFFMANN 1996,27-28) gekennzeichnet ist:

1. Annahme des Klienten, und nicht Initiative.

2. Zentrierung auf sein Erleben und nicht auf äußere Tatsachen.

3. Zentrierung auf die Person des Klienten und nicht auf sein Problem.

4. Respektierung seiner Persönlichkeit und echte Wertschätzung, anstelle einer Demonstration unseres Scharfsinns oder unserer Überlegenheit.

5. Suche nach besserer Verständigung und nicht nach Deutungen.

89 Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff Partnerschaft nicht im Sinne dieser Methode, also auch für das Individuum, benutzt.

Der Ansatz der Partnerzentrierten Beratung entwickelte sich ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts und wurde zu Beginn der 80er Jahre durch die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit übernommen (ALBRECHT et al. 1987).