• Keine Ergebnisse gefunden

3.5 Perspektiven der Partizipation

3.5.1 Verwirklichung der Partizipation in den Ansätzen

Die Forderung nach Partizipation ist nicht neu, weder in der Entwicklungspolitik, noch im Bereich der landwirtschaftlichen Beratung der letzten Jahrzehnte. Seit der Gründung der ersten Beratungsdienste existierte die Idee, die Probleme der ländlichen Bevölkerung an die Forschung rückzumelden. Diese mußten also in irgendeiner Form über ihren Bedarf informieren, um wiederum die Forschung zu beeinflussen. Viele der hier vorgestellten Ansätze ziehen die Partizipation der Bauern in ihre Überlegung mit ein. BIGGS (1989; zitiert nach: OKALI et al. 1994,22) berichtet sogar, daß bereits die Kolonialforscher die Mitarbeit der Bauern schätzten, wobei es in diesem Fall wohl mehr darum ging, das landwirtschaftliche Wissen der Kolonialbehörden zu mehren.

Einer stärkeren Beteiligung der bäuerlichen Familien an den Entscheidungen über die Orientierung von Forschung und Beratung stand jedoch, beispielsweise in Brasilien, die paternalistische Einstellung der Behörden gegenüber: während der Phase des klassischen Modells das Bedürfnis, die Bauern über die Agrarkredite zu kontrollieren, und in der Phase des innovativen Diffusionsmodells die Idee, die Bauern zu erziehen, ihre "rückständigen"

Methoden und Lebensweise aufzugeben. Kommunitäre Alternativen waren ein anderes Schlüsselelement der Phase des innovativen Diffusionsmodells. Den Zielen, zur Entwicklung von Individuen und Führungspersönlichkeiten beizutragen, oder dem Volk zu helfen, sich selbst zu helfen, stand die überredende Kommunikationsarbeit des Beraters zur Verhaltensänderung des Bauern im Wege. Ländliche Familien und Führungspersönlichkeiten waren zwar aufgerufen, sowohl bei der Planung und Durchführung der Beratungsprogramme der ACAR mitzuwirken. Sie sollten Probleme aufzeigen und Prioritäten festlegen, woraufhin der Dienst dann die Projekte festlegte. Die Mission war jedoch klar: den Fortschritt zu den ländlichen Familien zu bringen und den Widerstand dagegen zu brechen.

Der Technologietransfer-Ansatz brach mit manchen dieser Widersprüche, indem er die integrierte Arbeit einstellte und auf Produktionssteigerung sowie produktorientiertes Vorgehen setzte. Forschung und Beratung wurden als getrennte Aktivitäten angesehen. Die sozialen und ökonomischen Veränderungen der ländlichen Gesellschaft wurden durch technische Neuerungen angestrebt. Das T&V System beispielsweise sah keine explizite Partizipation vor, initiierte aber Forschungs- und Beratungskomitees, die bereits Versuche zusammen mit den Bauern durchführten. Die Arbeit sollte über 'Kontaktbauern' verwirklicht werden, etwa 10% der Zielgruppe, die als Beispiel und Animatoren für die übrigen Mitglieder der Zielgruppe dienten. Unterschiede zum späteren farmer extensionist in PTD erscheinen angesichts vieler gemeinsamer Problempunkte relativ gering.

In der landwirtschaftlichen Beratung hatte die Partizipation immer einen sehr ambivalenten Stellenwert, der auf die Natur der Beratung zurückzuführen ist, gleichzeitig ein Instrument geplanter Intervention und auf die freiwillige Mitarbeit des Bauern angewiesen zu sein. Die Beratungsdienste waren nicht frei von hoheitlichen Aufgaben und paternalistischen Einstellungen ihrer Mitarbeiter zu den Bauern. Erst klientenzentrierte Dienste konnten dieses prinzipielle Hemmnis überwinden. Der von ihnen angewandte Problemlösungsansatz ging nicht mehr von vorformulierten Zielen aus, sondern betonte die Notwendigkeit einer gemeinsamen, offenen Bedarfsdefinition zwischen Bauer und Berater.

Wichtige neue Elemente wurden mit der Idee des Landwirtschaftlichen Wissenssystems eingeführt: die Service-Funktion der Dienste, der Austausch zwischen allen Beteiligten und die Überlappung der Verantwortung über die direkten Aufgaben eines jeden Teilsystems hinaus. Lange Zeit vermißte man organisatorische Strukturen auf seiten der Bauern, was zu dem Vorschlag führte, daß der Beratungsdienst beziehungsweise NROs die Vertretung der Bauern wahrnehmen sollten, zumindest bis zur Entstehung repräsentativer Strukturen. Die Beratung sollte dazu beitragen, die Kapazität der Bauern, ihre Interessen einzubringen, zu verbessern (NAGEL 1979,148; MERRILL-SANDS & COLLION 1992; zitiert nach: OKALI

1994,86). Im Prinzip geht das Konzept des Landwirtschaftlichen Wissenssystems bereits von der Partnerschaft im Sinne dieser Arbeit aus.

Die homogene Sicht von der ländlichen Gesellschaft, die unwesentlich durch die Unterteilung in kleine, mittlere und große Betriebe durchbrochen wurde, ließ die Akteure im Dunklen. Wie konnten sie teilnehmen, wenn sie nicht gesehen wurden und ihre Interessen nicht bekannt waren? Dies änderte sich erst mit dem Ansatz der Entwicklungsorientierten Forschung, die von Beginn an den Bauern einbezog. Bereits die ersten Modelle betonten die Notwendigkeit, die Arbeit auf die Zielgruppe auszurichten und die Entscheidungslogik der Bauern zu verstehen.

Die Entwicklungsorientierte Forschung wurde bald als partizipativ hingestellt, da sie die Analyse der landwirtschaftlichen Betriebssysteme in Zusammenarbeit mit den Bauern als einen wesentlichen Schritt vorsah. Aber der Forscher blieb der prinzipelle Akteur. Auf der Ebene der internationalen Agrarforschungsinstitute führten diese Bemühungen zu "... mehr klientenorientierten (client-led) Forschern, aber nicht zu mehr klientenorientierten Forschungsinstitutionen" (MERRILL-SANDS 1992; zitiert nach: OKALI et al. 1994,31). Dies führte wiederum zur Kritik, daß die Charakterisierung des Ansatzes als partizipative Methode vor allem die Sichtweise oder Aktion der Forscher legitimieren sollte (CHAMBERS 1992;

zitiert nach: OKALI et al. 1994,30). Von manchen Autoren mit weitergehenden Partizipationsvorstellungen wurde die Entwicklungsorientierte Forschung daher als grundsätzlich verschieden von den partizipativen Ansätzen angesehen, obwohl sie sich in vielen Fällen bereits weiterentwickelt hatte und beide Ansätze eine gemeinsame Basis hatten (ALBALADEJO & CASABIANCA 1997b,141-142; OKALI et al. 1994,22, 32-33). In mancher

Hinsicht scheinen die Arbeiten mit partizipativen Methoden daher häufig hinter den Stand der Entwicklungsorientierten Forschung zurückzufallen, deren wesentliche Erkenntnis die soziale Differenzierung im ländlichen Raum war und die Entwicklung von Methoden zur besseren Charakterisierung der Zielgruppen.

Partizipative Forschung und Technologieentwicklung ist nicht nur für marginale agrarökologische Regionen geeignet, sondern wird auch in begünstigten Gebieten und zur Entwicklung einer ökologisch orientierten Landwirtschaft eingesetzt. Es besteht sicher Spielraum für Verbesserungen, da die partizipative Forschung nur zu einem geringen Anteil in Projekten mit Forschungscharakter stattfindet, sondern mehr ein Element in umfassenderen Entwicklungsprojekten darstellt, deren Mitarbeiter im allgemeinen weder über Forschungserfahrung verfügen, noch dafür trainiert wurden (OKALI et al. 1994,7).

Folgt man der Definition der Weltbank, so bleibt die Partizipation der Bauern in vielen Etappen der vorgestellten Ansätze auf einem "teil-partizipativen" Niveau. Dies gilt sowohl für Beratungsansätze (vor allem die Methoden der Beeinflussung durch lineare Kommunikation), genauso wie für viele Projekte Entwicklungsorientierter Forschung, besonders in ihrer

"absteigenden" Form (MERRILL-SANDS & KAIMOVITZ 1989; zitiert nach: RIBEIRO et al.

1997a,8; ALBALADEJO & CASABIANCA 1997b,142). Dagegen steht die Partizipation bei den Methoden der Beeinflussung durch nicht-lineare Kommunikation (Problemlösungsansätze;

klientenorientierte Ansätze) und der Aktionsforschung (mit dem Ziel, gleichzeitig Probleme zu lösen und Wissen zu erzeugen) im Vordergrund. Deutliche Unterschiede der Partizipation lassen sich in der Anwendung durch verschiedene Organisationen und zu unterschiedlichen Momenten der Methodenentwicklung feststellen (PILLOT 1987, 1992). Dies macht die Analyse jedes einzelnen Falles erforderlich. Demgegenüber erscheint der Versuch von ALBALADEJO & CASABIANCA (1997b,142), die Tendenz der verschiedenen Ansätze bezüglich der Partizipation in einer Matrix anzuordnen, simplifizierend. Man vermißt beispielsweise eine Erläuterung für das Ergebnis, daß Farming Systems Research partizipativer als Recherche-Développement sei.

Mit der Einführung der Partizipation sollten sowohl Forschung, Beratung als auch die Situation der Bauern verbessert werden. In Bezug auf die ländliche Bevölkerung versprach man sich "Fortschritte" hinsichtlich Organisation, Bewußtsein, Fähigkeiten und Kapazität, ihre Angelegenheiten in die eigene Hand zu nehmen. Inzwischen äußern sich selbst Verfechter des Partizipationsgedankens kritisch. "'Partizipation der Bauern' ist eines der am häufigsten benutzten und mißbrauchten Konzepte der Entwicklungsrhetorik der vergangenen Dekade" (VELDHUIZEN et al. 1997b,41). BIGGS (1995,11) kritisiert die Tatsache, daß die neuen partizipativen Ansätze sich rasch als generelle Lösung für die Entwicklungsprobleme anpreisen als "neue partizipative Orthodoxie". Während sie viel Wert auf Managementmethoden und -techniken legt, fehlt dieser neuen Orthodoxie eine kritische und reflexive Sichtweise, was wie schon bei anderen, früher vorherrschenden Konzepten dazu führen kann, eine Serie von "Notausgängen" zu entwickeln, um zu erklären, warum die versprochenen Resultate nicht eingetroffen sind. Es ist ein besseres Verständnis der Einflußfaktoren des technischen und sozialen Wandels, der Machtstrukturen und der Kontrolle von Ressourcen wie der Information notwendig. CHAMBERS (1998,xii) bestätigt:

"Und wie gewöhnlich im Fall von Konzepten, die sich verbreiten, ging die Rhetorik sehr weit, weit dem Verständnis voraus und ließ die Praxis allein." Die partizipativen Methoden werden teils rezeptartig auf die Benutzung der "PRA-Toolbox" reduziert, wobei es stärker um die Visualisierung im Kontakt mit "der Bevölkerung" geht, als um den Aufbau einer Beziehung zwischen den Beteiligten. NETZWERK (1998,33) stellt fest: "... nach ca. zwei Jahrzehnten Partizipationsdebatte werden die Schwierigkeiten der Umsetzung offensichtlicher, der Begriff 'Partizipation' durch inflationären Gebrauch so verwässert, daß man zögert, ihn überhaupt

noch zu verwenden." Und BLACKBURN & HOLLAND (1998,2) drücken die Besorgnis aus, daß die Partizipation zu einer Technik reduziert wird, die von ihrem politischen Kontext getrennt werden kann.