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5.5 Organisationen

5.5.2 Die Spiele der Lumiar-Akteure

Ein Beispiel für die komplexen Beziehungen unter den beteiligten Akteuren und deren Spiele ist die Erfahrung mit dem Kakaoforschungsinstitut CEPLAC als Träger des Lumiar-Projektes an der Transamazônica. Der wesentliche Verfechter dieser Idee war ein Berater des Superintendenten der Organisation in Belém (im weiteren als Protagonist bezeichnet), der die Möglichkeiten des Lumiar-Projektes für die CEPLAC erkannt hatte. Sein Ziel war, neue Ansätze in die Arbeit zu integrieren und die sozialen Bewegungen als Unterstützung für die Erhaltung der Organisation zu gewinnen, die bereits mehrfach von der Auflösung oder der Umwandlung in ein Institut mit anderen Aufgaben bedroht war.

Die ursprüngliche Idee des Lumiar-Projektes hinsichtlich der Trägerschaft war die Bildung von Kooperativen der Lumiar-Berater oder die Übernahme durch private Beratungsorganisationen. In einigen Staaten273 funktionierte das Lumiar-Projekt auf diese Weise. Dies ließ sich in Pará nicht verwirklichen. Einerseits gab es keine privaten Träger mit der notwendigen Infrastruktur und die Beratung erfolgte bis zur Einrichtung von Lumiar ausschließlich durch die staatlichen Dienste. Andererseits waren die meist jungen Berater nicht bereit, in die Infrastruktur, vor allem Fahrzeuge, zu investieren, wobei das mangelnde Vertrauen in die noch unbekannten Kollegen und die unsichere Zukunft des Lumiar-Projektes ausschlaggebend waren.

273 Die Beratungsarbeit des Lumiar-Projektes im benachbarten Bundesstaat Tocantins wurde von einer einzigen Kooperative angeboten, die somit über 30 Berater einstellen konnte und über erheblichen Spielraum durch die Gesamtsumme der Mittel und die Möglichkeit einer gemeinsamen Verwaltung verfügte.

Die Supervisionsequipe ergriff daher die Initiative, zusammen mit der CEPRO, der Vertretung der Bauern (FETAGRI), interessierten NROs und den staatlichen Diensten den ursprünglichen Vorschlag des Lumiar-Projektes an die Realität der Region Norden anzupassen. Schließlich wurden FASE, UNIAGRO und CEPLAC274 als Träger unter Vertrag genommen. Das MPST wurde trotz seiner Bewerbung nicht als Träger für die Transamazônica berücksichtigt. Die CEPRO bevorzugte die CEPLAC, unter anderem weil diese ihre Infrastruktur anbot, was die Kosten im Vergleich zu anderen Trägern in Pará um 15% senkte275. Die EMATER-Pará konnte ihre Dienstleistungen nicht anbieten wegen eines arbeitsrechtlichen Prozesses mit ihren Funktionären, durch den ihre Mittel blockiert waren.

Sie wäre wohl auch in eine kritische Situation geraten, wenn unter dem gleichen Dach die vorwiegend jungen Lumiar-Berater für ein erheblich höheres Gehalt als ihre langjährigen Mitarbeiter gearbeitet hätten. Die CEPLAC hatte dieses Problem nicht, aber sie war als Bundesinstitut nicht befugt, zusätzliche Mitarbeiter für die Beratung der Lumiar-Klienten einzustellen. Dieses Hindernis wurde umgangen durch die Einbindung der FADESP (Fundação de Amparo e Desenvolvimento da Pesquisa), einer Einrichtung der UFPA für die Verwaltung von Projektmitteln, die die Verantwortung für die Anstellung der Berater, die finanzielle und administrative Abwicklung übernahm. Die CEPLAC übernahm die Beratungsdienstleistung in den ihr zugewiesenen Ansiedlungsgebieten, unter Beachtung der generellen Anweisungen des Lumiar-Projektes, und verpflichtete sich, die drei Lokalequipen zu koordinieren, die ihre Arbeit in der Region der Transamazônica mit 14 Beratern in den Munizipien Uruará, Medicilândia und Anapu zwischen August und November 1997 begannen, ihnen Arbeitsplatz in ihren Lokalbüros und alle Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Da die Vereinbarung unter Zeitdruck abgeschlossen wurde, nahmen nur wenige führende Mitarbeiter der CEPLAC Kenntnis von der Beteiligung am Lumiar-Projekt. Die Berater in den Lokalbüros, die die Lumiar-Equipen aufnehmen sollten, wurden von ihrer Ankunft überrascht. Ihre Erwartung war, daß diese sich in die Routinearbeiten des Instituts integrieren würden.

Bis zu diesem Moment hatte die Supervisionsequipe etwa ein halbes Jahr am Aufbau des Lumiar-Projektes mitgewirkt, woran ich selbst in der Funktion eines durch das MPST benannten externen Supervisors beteiligt war. Die praktische Arbeit mit den Lokalequipen unter meiner Zuständigkeit (Medicilândia, Uruará276) begann in Medicilândia zusammen mit den CEPLAC-Mitarbeitern, dem Protagonisten, dem Regionalkoordinator und einem Agraringenieur (Ex-Präfekt eines der Munizipien), der von dem Protagonisten als zukünftiger interner Koordinator für die Beteiligung am Lumiar-Projekt vorgestellt wurde. Die Vorbereitung der Diagnose wurde zwischen Supervisor und Protagonist aufgeteilt, die bezüglich der verwendeten Methode ("Analyse und Diagnose von Agrarsystemen"; vgl.

GARCIA FILHO 1999; DUFUMIER 1996) übereinstimmten. Unmittelbar vor Beginn des

274 Beschreibung der Träger in Kap. 4.2.1.

275 MPST hatte seine Dienste als Träger zunächst zusammen mit LAET angeboten. Dies war eine äußerst interessante Konstellation: ein Beratungsdienst gemeinsam getragen von einer Bauernorganisation und einer Forschungs- und Entwicklungsorganisation. Vermutlich wegen des gespannten Klimas unter den Partnern wurde der gemeinsame Vorschlag nicht weiter verfolgt.

276 Die Lokalequipe von Medicilândia nahm am 23.08.97 ihre Arbeit auf, während die Equipen von Uruará und Anapu erst am 27. bzw. 28.11.97 unter Vertrag genommen wurden, wobei die Equipe von Anapu etwa ein halbes Jahr später aufgrund schwerwiegender Konflikte nach Pacajá transferiert wurde (siehe Kap. 5.4.2). Die Verantwortung für die dritte Equipe wurde erst gegen Ende des Jahres 1998 in der Praxis übernommen, als sichtbar wurde, daß kein weiterer Supervisor eingestellt würde und es für die Glaubwürdigkeit des Lumiar-Projektes und der COODESTAG notwendig wurde, die Orientierung und Begleitung für das Gebiet der Transamazônica anzugleichen.

Diagnose wurde jedoch ein enormer Druck auf die Lokalequipen ausgeübt, sofort mit der Erarbeitung der Kreditprojekte zu beginnen. Die Berater des Lokalbüros der CEPLAC, der Protagonist, der vorgesehene interne Koordinator sowie Assoziationen und STR bemühten sich, das Vorgehen in diesem Sinne zu beeinflussen. Dies wirkte sich sogar auf diejenigen Lumiar-Berater aus, die bereits vorher in diesem Munizip gearbeitet hatten. Man dürfe nicht riskieren, die noch für dieses Jahr vorgesehenen Kredite nur wegen einer Diagnose zu verlieren. Dies war ein entscheidender Moment für das neue Projekt, das nun bereits vor Beginn der Arbeit wesentliche Ideen des Ansatzes aufgeben sollte, der die Kreditprojekte als Bestandteil einer integrierten Beratungsarbeit und Ergebnis einer Prüfung von alternativen Vorschlägen für das jeweilige Betriebssystem verstand.277

Auch die Diskussion über die neuen Kreditprojekte zwischen MPST, STR und einigen der im Ansiedlungsgebiet tätigen Assoziationen und Kooperativen, die zu einem Konsens unter den Bauernorganisationen über die Realisierung der Diagnose vor der Erarbeitung der Kreditprojekte führte, konnte die Befürchtungen der Ansiedler nicht verringern. Die Lumiar-Berater waren zu dieser Versammlung der Organisationen eingeladen, hielten es aber trotz Empfehlung der Supervision nicht für wichtig, an dieser Debatte teilzunehmen, vielleicht weil sie die Bedeutung der Bauernorganisationen in dem Projekt noch nicht wahrgenommen hatten. Die fehlende Information über das Ergebnis dieser Versammlung erschwerte den Beginn der Projekttätigkeit. Der Druck ließ erst nach, als die CEPRO eine schriftliche Garantie gab, daß die Mittel für die spätere Anwendung entsprechend den Diagnosen und Entwicklungsplänen gesichert seien. Gleichzeitig wurden alle Operationen der Kreditlinie Procera in den Ansiedlungsprojekten im Bereich der Superintendenz, in denen Lumiar tätig war, vorläufig eingestellt, um den geplanten Ablauf des Projektes zu sichern.

Zu Beginn des Arbeit von Lumiar nahmen einige Berater der CEPLAC an den Diskussionen während der Präsenz des Supervisors und einigen Versammlungen mit den Bauern teil, jedoch an der Erarbeitung der Diagnose und der technisch-betrieblichen Beratung der Bauern wirkten sie nicht mit. Bei der Erarbeitung der Kreditprojekte und der Durchführung der Kontrollbesuche wurden die Lumiar-Berater von der CEPLAC angeleitet und konnten auch an verschiedenen Kursen des Instituts teilnehmen. In der täglichen Arbeit waren die Berater der CEPLAC-Lokalbüros jedoch vor allem mit der Erarbeitung von Kreditprojekten beschäftigt, so daß die Lumiar-Berater keine Beratungsarbeit der CEPLAC im Bereich der Anbaupraktiken oder Betriebsführung kennenlernten. Während der vorgesehene interne Koordinator anfangs häufig partizipierte und sogar bei der Lösung eines Konfliktes innerhalb einer Lokalequipe half, wurde seine Anwesenheit zunehmend schwieriger, da der Regionalkoordinator seine Ernennung nicht akzeptierte. Auch der Protagonist zog sich nach kurzer Zeit zurück, als er die Opposition zum Lumiar-Projekt im eigenen Institut zu spüren bekam, die vor allem auf Mangel an vorheriger Vorbereitung (Information, Diskussion) zurückzuführen war. Das Projekt war von oben beschlossen worden und die Funktionäre ließen ihn ihre Unzufriedenheit spüren. So arbeiteten die beiden Equipen, abgesehen von Kontakten im Kreditbereich, im wesentlichen nebeneinander her.

Diese Situation verschlimmerte sich durch die Tatsache, daß die CEPLAC in keinem Moment und auf keiner ihrer Ebenen wirklich von den Zielen des Lumiar-Projektes und ihrer Ausrichtung auf die von der Agrarreform begünstigte Zielgruppe Kenntnis nahm.

277 Verschiedene Arbeiten zeigen, daß die Konversion der Finanzierung in Vermögen bei den Kreditprojekten sehr niedrig ist, besonders bei den wenig kapitalisierten Bauern und daß die Bauern Schwierigkeit haben, ihre Schulden zu zahlen, wobei signifikative Unterschiede zwischen den Betriebstypen und den Munizipien bestehen (PEIXOTO 1999,115-116; PEIXOTO & SABLAYROLLES

1999; SOBRINHO 2000).