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3.4 Partizipation und Partnerschaft

3.4.2 Partizipative Ansätze

3.4.2.4 Partizipative Technologieentwicklung (PTD)

Bei der Partizipativen Technologieentwicklung (PTD) handelt es sich um eine Interaktion zwischen externen Fachkräften (facilitators135) und ländlicher Bevölkerung, deren gleichberechtigte Partizipation aus unterschiedlichen Gründen gefordert wird: pragmatisch, um die Effizienz der eigenen Arbeit zu erhöhen, ethisch, um Gleichheit und Recht auf Selbstbestimmung zu fördern, und politisch, um die Armen zu stärken (empowerment).

Kasten 11: Partizipative Technologieentwicklung

Partizipative Technologieentwicklung (PTD) ist ein Prozeß, der Wissen und Forschungskapazität der lokalen bäuerlichen Gemeinschaften mit denen der Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen in wechselseitiger Form verbindet. Ziel ist, neue Techniken und Praktiken zu identifizieren, zu entwickeln, zu testen und anzuwenden sowie gleichzeitig die vorhandenen Fähigkeiten der Bauern zu stärken, selbst Versuche durchzuführen und neue Techniken zu beherrschen (REIJNTJES et al. 1992). Die Partizipation erreicht die Stufen kollegial, interaktiv oder sogar "eigene Mobilisierung".

Zu den verschiedenen Aspekten der Partizipativen Technologieentwicklung, die auch PRA als einen Bestandteil nutzen kann, existiert eine reichhaltige Literatur. Im weiteren folge ich im wesentlichen VELDHUIZEN et al. (1997b), da diese Anleitung als vorläufiger Abschluß einer langen Debatte gelten kann, in der sich ein Kern von mit der Arbeit von ILEIA (Institute for Low External Input Agriculture) verbundenen Autoren um die Entwicklung des Ansatzes bemüht hat.

Das Konzept der Partizipativen Technologie-Entwicklung (PTD) ist aus dem Ansatz der Angepaßten Technologie hervorgegangen (BLIEK & VELDHUIZEN 1993). Während aber in der Angepaßten Technologie die verschiedene Gruppen, wie Nutzer, Produzenten, Arbeiter, Unternehmer, etc. einbezogen wurden, befaßt sich PTD vor allem mit den Nutzern, die gleichzeitig Produzenten der Technologie sind. Die Arbeitsgebiete von PTD sind daher im wesentlichen die landwirtschaftlichen Technologien und Praktiken. Insofern kann der Ansatz weniger als Weiterentwicklung, sondern eher als Vertiefung der Angepaßten Technologie für ein bestimmtes Arbeitsgebiet angesehen werden. Auch die Arbeitsebene ist beschränkt: es geht um das Dorf, die Lokalität, die Gemeinschaft (community).

Während die Angepaßte Technologie vor allem die Technik behandelte und die Partizipation der Benutzer eher untergeordnete Bedeutung hatte, stellt die Partizipative Technologie-Entwicklung den Menschen in den Mittelpunkt. Es geht darum, seine Fähigkeiten zu entwickeln, um mit den sich verändernden Situationen zurechtzukommen, und seine Kenntnisse anzuwenden, um Vorschläge für komplexe ökologische und technische Situationen zu erarbeiten, in denen einheitliche Lösungen nicht möglich sind (BLIEK &

VELDHUIZEN 1993,7)136. Dabei verwendet PTD sowohl das Volkswissen als auch die formale

135 Mit den partizipativen Ansätzen wurden verschiedene Koordinationsrollen eingeführt, wie facilitator, catalyst, moderator, mediator, etc., für die es zum Teil keine deutsche Bezeichnung gibt. Aus diesem Grund und weil die Abgrenzung nicht immer klar ist, werde ich diese Akteure im weiteren allgemein als Moderatoren bezeichnen und den speziellen Ausdruck nur gebrauchen, wenn es erforderlich ist, z.B. Mediator, wenn es um eine Konfliktbehandlung geht.

136 Eine Gegenüberstellung der beiden Ansätze findet sich in BLIEK & VELDHUIZEN (1993,35-37).

Wissenschaft und verknüpft die Erarbeitung von Lösungen für aktuelle Probleme mit der Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft. Ausgangspunkte sind die Erkenntnis, daß sich das Volkswissen von dem formalen Wissen unterscheidet, und die Einsicht, daß Wissenschaftler allein nicht die lokalspezifischen Technologien für die weite Diversität der Bedingungen ressourcenarmer Bauern überall auf der Welt, oder selbst in einem Land, entwickeln können. Formale Forschungs- und Beratungsdienste haben nur eine begrenzte Kapazität zur Erarbeitung der zahlreichen erforderlichen Technologieanpassungen (VELDHUIZEN et al. 1997b,4, 41-43).

Die gleichberechtigte Partizipation wird als ausschlaggebend angesehen, wenn Nachhaltigkeit bei der landwirtschaftlichen Entwicklung erreicht und der unkritische Gebrauch externer Betriebsmittel durch die tägliche Beobachtung und Entscheidung des Bauern über deren Einsatz zurückgedrängt werden soll. Dazu muß die Technologieentwicklung mit den intimen Kenntnissen der Bauern über die lokale Situation verbunden werden.

PTD nutzt die Methoden von PRA, das selbst ein Bestandteil des Ansatzes sein kann, integriert aber die zusätzlichen Etappen Aktion, Verbreitung und Stabilisierung des Prozesses, die jeweils in mehrere Phasen unterteilt werden, so daß insgesamt 33 Schritte zu berücksichtigen sind:

1. Beginnen (getting started)

2. Probleme verstehen und Möglichkeiten erkennen (understanding problems and opportunities)

3. Mögliche Vorschläge sammeln (looking for things to try) 4. Experimentieren (experimentation)

5. Ergebnisse austauschen und über die Bauern verbreiten (sharing the results - farmer based extension)

6. Den PTD-Prozeß nachhaltig absichern (sustaining the PTD process)

Besonderer Wert wird auf den ersten Kontakt gelegt, der ausschlaggebend für den Aufbau der Beziehung zwischen den Akteuren sein kann und nicht nur mit den Anfragern, sondern möglichst mit allen relevanten Kräften vor Ort, auch den verschiedenen Autoritäten hergestellt werden soll. Im Grunde genommen soll die gesamte Bevölkerung, besonders die Benachteiligten, an dem Prozeß teilnehmen. Von Anfang an sollen Bauern und Externe sich kennenlernen und einander vertrauen.

Die einzelnen Etappen sollen grundsätzlich von der Bevölkerung selbst ausgeführt werden, wobei die Forscher nur Unterstützung leisten. "Wo Außenstehende zur Entscheidungsfindung der Bauern beitragen, geschieht dies offen im Dialog unter Gleichgestellten" (VELDHUIZEN et al. 1997b,44). Die partizipative Situationsanalyse, bei der die Bauern die führende Rolle haben sollen, bezweckt, "... spezifische Gruppen von Bauern dabei zu unterstützen, ihre lokale Situation zu untersuchen und zu reflektieren, um Hemmnisse für eine nachhaltige landwirtschaftliche Entwicklung zu identifizieren sowie die Möglichkeiten, diese zu überwinden" (VELDHUIZEN et al. 1997b,102). Es geht also nicht mehr, wie häufig noch bei PRA, um die Einschätzung lokaler Verhältnisse nur für die Externen. Auch der Zeithorizont ist unterschiedlich: die Schnelligkeit hat ihre herausragende Rolle verloren. Dies ermöglicht, bei den Lernprozessen vor allem von den Erfahrungen der Beteiligten auszugehen und nicht vorrangig das Wissen des "Lehrers" zu vermitteln.

PTD will lokales bäuerliches Experimentieren von spontanem, unorganisiertem und individuellem Vorgehen in einen mehr zielgerichteten, systematischen und organisierten gemeinschaftlichen Prozeß der Technologieentwicklung verwandeln. Die Bauern können auch nicht alle bereits außerhalb ihres Kommunikationsnetzes entwickelten Lösungen

kennen. Wesentliches Kennzeichen von PTD ist daher das gemeinsame Experimentieren von Bauern und Forschern. Als Begrenzungen des bäuerlichen Experimentierens werden seine ungerichtete Form, die Gefahr falscher Schlußfolgerungen infolge fehlenden analytischen Ansatzes und das Fehlen einer Vergleichsbasis beim Versuchsaufbau genannt. Auf bestimmten Gebieten, die eine eher wissenschaftliche Beobachtung verlangen, hat das bäuerliche Wissen oft Defizite.137 Die Ergebnisse einzelner Bauern können angesichts dieser Schwachpunkte unsicher sein, dagegen seien aber von einer Gemeinschaft oder einer größeren Anzahl von Bauern mit gut funktionierender Kommunikation nennenswerte Neuerungen zu erwarten.

Bei PTD geht es eindeutig nur um Versuche, die von den Bauern definiert, kontrolliert, unter Verwendung eigener Mittel durchgeführt, beobachtet, festgehalten und bewertet werden.

Neben den bereits genannten Gründen für die Förderung des bäuerlichen Experimentierens (Unmöglichkeit der Anpassung an alle Situationen) wird die Stärkung des Vertrauens und der Kapazität der Bauern, die eigenen Probleme zu lösen, sowie die schrittweise Entwicklung einer lokalen Landwirtschaft angeführt. Die Experimente werden als komplementär zur der durch Wissenschaftler kontrollierten Forschung angesehen.

Die PTD-Praktiker sollen zunächst von den Bauern die Vorgehensweise bei deren Experimenten lernen. Sie beginnen, die aktiven Experimentierer (Männer; Frauen) zu ermitteln, um anschließend durch Beobachtung und Diskussionen mit ihnen die Logik ihrer Experimente, ihrer Testmethoden und die Stärken und Schwächen ihrer Vorgehensweise herauszufinden. Nach einer anfänglichen Lernphase können sie vielleicht eine Übereinkunft erreichen, wie die Ansätze und Methoden der Bauern verbessert werden können, und wie man in systematischerer Weise zusammenarbeiten kann. Die Bauern sollen die Prinzipien der Techniken und der ihnen zugrunde liegenden biologischen Prozesse lernen. Die Forscher sollen dazu beitragen, die Diskussion und die Entscheidungsfindung unter den Bauern zu verbessern, wobei klare Hypothesen und Ziele, für die Bauern nachvollziehbare Versuchsdurchführung und systematische Evaluierung wesentlich sind. VELDHUIZEN et al.

(1997b,157-158) schlagen zahlreiche Verbesserungen der Versuche vor. Dieser Prozeß kann durch den Zusammenschluß der Bauern in Experimentiergruppen verstärkt werden, die gegenseitig ihre Versuche begleiten und diskutieren. Von diesem gemeinsamen Lernprozeß erwartet man auch einen Beitrag zur Verbesserung der Versuche in den landwirtschaftlichen Versuchsstationen.

Ein zentraler Punkt für das Funktionieren des Ansatzes ist die Verbreitung der Ergebnisse durch die Bauern selbst (farmer-to-farmer extension). Diese können in Ergänzung zu bestehenden formalen Diensten arbeiten, sind aber besonders wichtig in der zunehmenden Anzahl von Regionen, die nicht durch solche Dienste erreicht werden. Der PTD-Ansatz legt Wert auf die Unterscheidung des experimentierenden Bauern als auch des Diffusionsagenten (farmer extensionist) von den Kontaktbauern und Demonstrationsbetrieben des Technologietransfer-Ansatzes, beispielsweise des T&V Systems. Während es im letzten Fall um den Austausch von Technologien in engem Kontakt zu den Beratern geht, sieht PTD die Herausforderung im Austausch von Erfahrungen und Methoden, die im Prozeß des bäuerlichen Experimentierens gesammelt wurden. Dieser Prozeß ist die Voraussetzung für eine Weitergabe an andere Bauern. Größter Wert wird darauf gelegt, daß die Erfahrungen mit anderen Gemeinschaften geteilt werden, vor allem über bereits bestehende Kommunikationsnetzwerke der ländlichen Gesellschaft.

137 Defizite werden unter anderem bei den Kenntnisse über das Insektenleben gesehen, speziell hinsichtlich ihrer Reproduktion und Vernichtung (BENTLEY 1992; zitiert nach: VELDHUIZEN et al.

1997b,156; OKALI et al. 1994,89).

Die Auswahl der Diffusionsagenten ist nicht unproblematisch, deshalb sollen die PTD-Praktiker Vorschläge zum Auswahlverfahren, zur Definition von Kriterien oder auch Empfehlungen über die Wahl von Frauen für diese Aufgabe machen. Damit soll dem möglichem Übergewicht des Einflusses der lokalen Elite begegnet und die Selektion aufgrund politischer Kriterien vermieden werden. Rolle und Aktivitäten des Diffusionsagenten schließen Verpflichtungen gleichermaßen gegenüber den Bauern und der Unterstützungsorganisation ein. Der Aufbau eines Netzwerkes von Diffusionsagenten, die Erleichterung von gegenseitigen Besuchen der Bauern und die Unterstützung bei der Erstellung von Anleitungen und audiovisuellem Material sind die geeignetsten Maßnahmen zur Unterstützung dieser Aufgabe.

In der Frage, ob es sich um eine bezahlte oder eine freiwillige Tätigkeit handeln soll, tendieren VELDHUIZEN et al. (1997b,195) zur Freiwilligkeit. Die Anforderungen an die Bauern, die als Verbreiter tätig werden, sind relativ hoch, besonders hinsichtlich Dokumentation, Messung, Benutzung von Büchern und Zeitschriften. Sie müssen über ausreichend Zeit verfügen, um den eigenen Betrieb zu verlassen und sich mit den Problemen anderer Bauern auseinanderzusetzen.

Es wird viel von den PTD-Fachkräften erwartet, und eine Organisation allein dürfte, nach Ansicht der Befürworter, kaum alle erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zusammenbringen. Auch PTD ist daher auf die Unterstützung durch andere Partner (Agrarforschungsinstitute, staatliche Beratungsdienste, NROs, Entwicklungsprojekte sowie Bauernorganisationen) angewiesen. Wo diese fehlt, wird die Durchführbarkeit von PTD als recht begrenzt angesehen. In verschiedenen Momenten wird davon ausgegangen, daß ein größerer Kreis von Beteiligten zur Verwirklichung des Ansatzes in einen Verhandlungsprozeß einbezogen wird, für den unter anderem RAAKS138 als Methode vorgeschlagen wird. Eine periodische Stakeholder-Analyse wird vorgeschlagen, um sicherzustellen, daß alle relevanten Organisationen an dem Prozeß beteiligt sind (VELDHUIZEN et al. 1997b,10, 92).

Partizipative Maßnahmen allein werden jedoch von den PTD-Vertretern als nicht ausreichend angesehen, um die Armut zu beseitigen und den Einfluß der Mächtigen gegen eine gerechtere Verteilung zurückzudrängen. Zusätzlich zu dem partizipativen Prozeß sind daher weitere Maßnahmen notwendig, um dem Bias zugunsten der männlichen, wohlhabenderen und besser ausgebildeten Bauern zu entgehen.

Neben der Problemlösung auf der landwirtschaftlichen Ebene vertritt PTD daher als wesentliche Ziele die Stärkung der ländlichen Bevölkerung (empowerment), die Anregung zur Erzeugung lokalen Wissens sowie die Verstärkung der lokalen Fähigkeiten, nachhaltige Betriebssysteme zu entwickeln. Unter den Gründen für die Förderung der bäuerlichen Experimente wird die Stärkung des Vertrauens und der Fähigkeit, die eigenen Probleme zu lösen sowie die Verringerung der Abhängigkeit von Außenstehenden genannt. Durch ihre Beteiligung in PTD-Aktivitäten verbessern sowohl Männer als auch Frauen ihre individuelle Fähigkeit, lokale Probleme zu benennen, was zu erhöhtem Selbstvertrauen und Respekt hinsichtlich des eigenen Wissens, erhöhten analytischen Fähigkeiten, besseren experimentellen Fertigkeiten und zur Fähigkeit, mit externen Organisationen zu interagieren

138 Rapid Appraisal of Agricultural Knowledge Systems (RAAKS) ist ein Ansatz, der verschiedene beteiligte Organisationen zusammenbringt, um ihre Ansicht über ein bestimmtes Anliegen einzubringen und ein gemeinsames Verständnis über ein für alle Beteiligten effizienteres Vorgehen zu erarbeiten (ENGEL 1997; SALOMON & ENGEL 1997).

und zu verhandeln, führt. Zusätzlich zum Experimentieren der Bauern soll die lokale Innovations- und Problemlösungskapazität und die Rolle und Verantwortlichkeit der Bauern und der Gemeinschaften im PTD-Prozeß gestärkt werden, was zu erhöhter Innovationskapazität bei Bauern und Forschern führen kann.

PTD kann nach dieser Beschreibung der Aktionsorientierten Forschung zugeordnet werden.

In der Regel handelt es sich nicht um eine Aktionsforschung, da es häufig um die Anpassung einer Technologie geht und weniger um verallgemeinerbare wissenschaftliche Erkenntnisse.

Die direkte Lösung steht im Vordergrund und die Veränderung der Akteure im Prozeß ist zwar beabsichtigt, aber nicht Forschungsziel.