• Keine Ergebnisse gefunden

3.4 Partizipation und Partnerschaft

3.4.1 Partizipation

3.4.1.2 Begründung und Konzept

Zur Begründung der Partizipation werden zahlreiche, teils sogar widersprüchliche Argumente angeführt. An erster Stelle wird häufig die Zweckmäßigkeit angeführt, wie im folgenden Beispiel: "Sie trägt zu höheren Adoptionsraten der von den Forschern entwickelten Technologien bei ... und reduziert die Kosten für Forschung und Beratung durch die finanzielle Beteiligung der Bauern" (VELDHUIZEN et al. 1997b,43)118. OKALI et al. (1994,1) meinen, daß die ursprüngliche Idee recht einfach war: Beteiligung würde die landwirtschaftliche Forschung effektiver gestalten.

Ein wesentliches neues Element, das erst die Partizipationsdebatte für Forschung und Entwicklung "entdeckte", ist das lokale Wissen, auch autochthones Wissen, bäuerliches Wissen oder Volkswissen (indigenous knowledge) genannt. Die Erkenntnis, daß Innovationen aus verschiedenen Quellen stammen können und daß zu diesen auch die Bauern zählen, hatte die Anerkennung der Existenz, der Bedeutung und des Potentials der bäuerlichen Experimente zur Folge.

Ein anderer Aspekt ist die Stärkung der Zielgruppe119 (empowerment), der eine besondere Bedeutung eingeräumt wird. Verbesserung technischer Fertigkeiten bis Veränderung von Machtkonstellationen werden in dieses Konzept eingebracht. Auch die Förderung der Frauen

118 Den Autoren geht es allerdings um wesentlich mehr als nur die Effizienz, wie in VELDHUIZEN et al.

(1997b,4) dargestellt.

119 Hier kann ohne Einschränkung von Zielgruppe gesprochen werden, da die Handlung von den externen Akteuren beziehungsweise den professionellen Teilnehmern des Projektes ausgeht.

ist stärker in den Vordergrund gerückt (OKALI et al. 1994,102). Dies bedeutet, daß eine Reihe sozialer und politischer Zielsetzungen mit dem Partizipationsgedanken verbunden werden.

Die entscheidende Frage ist, inwieweit diese Ziele den Beteiligten wirklich klar sind.

Die Partizipation kann auch zur Legitimation staatlicher Maßnahmen eingesetzt werden. So kann die Notwendigkeit der Legitimation entwicklungspolitischer Maßnahmen in den Geberländern ein Argument für die Beteiligung der Betroffenen sein. Sie ist immer auch ein Mittel, um Gruppen mit revolutionären oder radikalen Bestrebungen in die vorherrschende Politik einzubinden und zu kontrollieren, wie bei der Arbeitermitbestimmung120. Eine andere Begründung ist die Dezentralisierung, bei der man drei Argumentationsstränge unterscheiden kann: die Kritik an den Geberorganisationen (des eigenen Landes), die Kritik an den bürokratischen Verhältnissen und den "entwicklungshemmenden Staatsklassen" in den Nehmerländern (von außen eingebracht) und die Tendenz der Regierungen (z.B. der brasilianischen Bundesregierung), staatliche Leistungen zu verringern.

Auf der mikrosozialen Ebene lassen sich folgende Begründungen für die Partizipation der Zielgruppe an Forschung und Entwicklung zur Einführung von Neuerungen in der Landwirtschaft zusammenfassen:

1. Das Wissen des Bauern einsetzen: Entwicklung (von Technologien) mit den intimen Kenntnissen des Bauern über die lokale Situation verbinden; nur der Bauer kennt wirklich die Wechselwirkung zwischen den Teilsystemen seines Betriebs-/Haushaltssystems; der Bauer ist Beobachter, experimentiert häufig und testet verschiedene Alternativen in seiner täglichen Arbeit; von externer Seite können angepaßte Innovationsvorschläge erst gemacht werden, wenn das komplexe Produktionssystem des Bauern verstanden wurde.

2. Die Verantwortung des Bauern anerkennen: Es ist der Bauer selbst, der die Entscheidungen in seinem Betrieb trifft und bestimmt, was er mit seinen Produkten macht; er hat oft andere Prioritäten als die Forscher oder Berater, deren Vorschläge seinen Ideen entgegengesetzt sein können.

3. Den Bauern befähigen: um an seinen Kontext angepaßte externe Technologien zu identifizieren; um eigene Experimente durchzuführen; um Elemente des externen Wissens mit dem lokalen (autochthonen) Wissen zu verbinden; um die Veränderungsprozesse selbst zu gestalten sowie seine Verhandlungsposition zu stärken (empowerment).

Der Begriff Partizipation kann völlig unterschiedlich ausgelegt werden, wie KAMP &

SCHUTHOF (1991) zeigen. In seiner einfachsten Form bezieht sich die Partizipation auf die Einbeziehung der Bauern in Forschung und Beratung, ohne die Art oder den Grad der Beteiligung genau zu benennen. Es bestehen recht unterschiedliche Ansichten und Praktiken bezüglich der Partizipation der Bauern: mit welchem Ziel, in welchem Moment, in welcher Art von Projekt und mit welchem Partner. Die Definition der Weltbank (WORLD BANK

1996,xi) ist ausreichend, um die Diskussion darüber zu beginnen: "Partizipation ist ein Prozeß, in dem die Beteiligten die Kontrolle über die Entwicklungsinitiativen sowie die Entscheidungen und Ressourcen, die sich auf sie auswirken, beeinflussen und miteinander teilen." Im Prinzip ist sie durch eine ungleiche Beziehung charakterisiert: jemand ist eingeladen, an einem Prozeß teilzunehmen. Jedoch ist in dieser Definition nicht festgelegt,

120 Partizipative Methoden können zur Stärkung einer autozentrierten Entwicklung beitragen, aber auch zur Schwächung solcher Kräfte eingesetzt werden. "Je besser Handlungs- und Entscheidungsmuster und je genauer die tatsächlichen Machtstrukturen und Entscheidungsträger einer Gruppe bekannt sind, desto leichter können Externe ihre Absichten auch gegen den Willen von Betroffenen durchsetzen"

(SCHÖNHUTH & KIEVELITZ 1993,19).

wer die Initiative ergreift; sie ist insofern offen. Die Bank betont weiter, daß sie befürwortet, daß die Bauern um Rat gebeten und gehört werden, speziell im Fall der Armen und Benachteiligten, aber daß sie dies nicht mit dem "Partizipation" genannten Prozeß verwechselt.

Es existieren verschiedene Stufen der Partizipation, zum Beispiel der ländlichen Bevölkerung an Entwicklungsprojekten (PRETTY 1994; zitiert nach: PRETTY & VOLOUHÊ 1997,49):

1. Passive Partizipation: Die Bevölkerung wird nur informiert darüber, was geschieht oder schon geschehen ist.

2. Partizipation durch Information: Die Bevölkerung partizipiert, indem sie Fragen der Forscher oder Entwicklungsagenten beantwortet. Sie kann nicht deren Vorgehen beeinflussen und wird auch nicht über die Ergebnisse konsultiert.

3. Partizipation durch Rat: Die Forscher sind interessiert, die Meinung der Bauern zu hören und ihre Ansicht kennenzulernen, bestimmen aber weiterhin die Probleme, die behandelt werden sollen, sowie deren Lösungen; nur sie treffen Entscheidungen, die jedoch in Abhängigkeit von den Antworten der Bevölkerung modifiziert werden können.

4. Partizipation aufgrund materieller Anreize: Die Bevölkerung partizipiert, indem sie Ressourcen beisteuert, zum Beispiel Arbeitskraft im Austausch gegen Nahrungsmittel oder materielle Anreize. Viele Fälle des Experimentierens in bäuerlichen Betrieben (on-farm research) fallen unter diese Kategorie.

5. Funktionale Partizipation: Die Bevölkerung partizipiert, indem sie Gruppen bildet, um bestimmte Ziele im Rahmen eines bereits formulierten Projektes zu erreichen, meist in fortgeschrittenen Etappen des Vorhabens. Die entstandenen Gruppen oder sozialen Organisationen bleiben häufig von den externen Initiatoren abhängig, können aber auch von ihnen unabhängig werden.

6. Interaktive Partizipation: Die Bauern partizipieren in gemeinsamen Analysen, die zu Aktionsplänen, zur Bildung lokaler Institutionen und zu strukturierten Lernprozessen führen. Die Gruppen übernehmen die Kontrolle über die lokalen Entscheidungen.

7. Eigene Mobilisierung: Die Bevölkerung ergreift die Initiative unabhängig von externen Institutionen, mobilisiert Ressourcen und externe technische Beratung und behält die Kontrolle über deren Einsatz.

Vergleichbare Unterscheidungen wurden auch von BIGGS (1989; zitiert nach: VELDHUIZEN et al. 1997b,42) und PAUL (1986; zitiert nach: OKALI et al. 1994) vorgeschlagen, um die verschiedenen Ebenen der Partizipation zu charakterisieren. Biggs beispielsweise beschreibt den zunehmenden Grad der Einbeziehung der Bauern in die Entscheidungen und die Zunahme der Gleichheit zwischen den beteiligten Parteien mit den Ausdrücken: vertraglich, beratend, mitarbeitend und kollegial. Jenseits dieser Stufen können noch die Ebenen "kein Kontakt, Forscher entscheiden allein" nach unten beziehungsweise "Kontrolle durch die Nutzer, die Bauern entscheiden die Forschungsprioritäten" nach oben in der Skala unterschieden werden (CASTELLANET 1997,31).

Einige der zitierten Stufen, wie die passive Partizipation oder die Partizipation durch Information, bleiben noch weit hinter der von der Weltbank vorgeschlagenen Definition zurück, deren Niveau erst ab "funktionaler Partizipation" (Pretty), "Entscheidung treffen"

(Paul) oder "kollegialer Partizipation" (Biggs) erreicht wird. Dies zeigt die Schwierigkeit, ein allgemeines Konzept der Partizipation zu erarbeiten und in die Praxis umzusetzen. Die letzte Stufe von Pretty geht weiter als die Vorstellung von Partizipation als Einladung von externen Fachkräften an die Bevölkerung und verdeutlicht die Ungleichheit in den anderen Fällen. In diesem Fall handelt es sich bereits um die Partizipation der Forscher in den Projekten der

Bauern und ihrer Organisationen. Weiter kann man unterscheiden zwischen der Partizipation in Projekten, die "von der Basis" ausgehen, zum Beispiel ein Vorhaben zur Produktions-steigerung in bäuerlichen Betrieben, und der Partizipation in Projekten, die "von oben"

stammen, zum Beispiel Ressourcenmanagement zur Verringerung der Rodung von Primär-wald.

Es gibt Konzepte, die nicht von der effektiven Partizipation der Bauern zu Beginn des Projektes ausgehen, wie die Methode von World Neighbours. BUNCH (1995) unterscheidet bei der Beschreibung seiner Methode zwischen der konstruktiven und der destruktiven Partizipation, wobei er betont, daß die konstruktive Partizipation Fähigkeiten von den Teilnehmern verlangt, wie sich in der Öffentlichkeit auszudrücken, Informationen zu analysieren und zu überprüfen, Entscheidungen zu fällen und Konflikte zu lösen. Es ist auch ein Minimum an gegenseitigem Vertrauen nötig. Weiter muß gelernt werden, angemessen mit Macht umzugehen, Geld überlegt zu benutzen und Probleme mit Begünstigungen, Nepotismus, Gerüchten, Manipulation und autoritären Führungspersönlichkeiten zu vermeiden. "In den meisten Kulturen ist die Partizipation eine Kunst, die man lernen muß"

(BUNCH 1995,24). Damit weist er auf zwei wesentliche Schlüsselelemente des Partizipations-prozesses hin: die Fähigkeiten der Akteure und die notwendige Zeit für jeden Schritt.

"Die Partizipation muß immer deutlich benannt werden und auf die Situation sowie die angewandte Methode bezogen werden" (KAMP & SCHUTHOF 1991,82; VELDHUIZEN et al.

1997b,41), da sie sogar in einzelnen Etappen eines Projektes unterschiedlich sein kann.

Projekte unter Beteiligung von Forschern, Beratern und Bauern, sei es Beratung, Entwicklungsorientierte Forschung oder auch Diagnose, lassen sich in allgemeiner Form in eine Reihe von Etappen unterteilen, die vollständig oder nur teilweise ausgeführt werden können. In der Praxis sind die Etappen nicht notwendigerweise voneinander getrennt, wie im folgenden Schema, sondern sie können sich überlappen oder gleichzeitig ablaufen, und es kann Rückkoppelungen zwischen ihnen geben121.

- Wahrnehmung des Bedarfs;

- Definition der Aktion;

- Situationsanalyse;

- Problemidentifizierung122; - Diskussion von Alternativen;

- Definition von Zielsetzung, Vorschlägen und Prioritäten;

- Planung der Aktivitäten;

- Ausführung der Aktivitäten: Beratung, Technologietransfer, Experiment, angewandte Forschung, Forschung in bäuerlichen Betrieben, Validierung von Technologien, Evaluierung der Aktivitäten;

- Begleitung;

- Evaluierung der Aktion;

- Verbreitung der Ergebnisse;

- Stabilisierung der Neuerung.

121 Zahlreiche Autoren nehmen eine solche Unterteilung in Etappen vor, deren Anzahl von drei (OKALI et al. 1994,24; FARRINGTON & MARTIN 1987; zitiert nach: OKALI et al. 1994,48), über fünf (AMANOR

1990; zitiert nach: OKALI et al. 1994,49), sechs (KAMP & SCHUTHOF 1991,78-80; REIJNTJES et al.

1992; HIEMSTRA 1994; VELDHUIZEN et al. 1997b,50-51), acht (CASTELLANET 1997,15) reicht. Die Partizipative Technologieentwicklung sieht bei VELDHUIZEN et al. (1997b,50-51) in Wirklichkeit 33 Etappen vor, da die sechs Schritte nochmal unterteilt sind.

122 Situationsanalyse und Problemidentifizierung können zusammen als Diagnose bezeichnet werden; sie stellen eine kritische Bestandsaufnahme mit Problemdefinition, jedoch ohne Prognose dar.

OKALI et al. (1994,93) ordnen die "partizipativen Aktivitäten" vorwiegend zwei Etappen zu:

der Problemidentifizierung und den Versuchen in bäuerlichen Betrieben (on-farm trials). Die Partizipation der Beteiligten kann also einen unterschiedlichen Grad in jeder Etappe annehmen. In dieser Hinsicht sind unterschiedliche Situationen denkbar und in der Praxis zu beobachten. Im Fall eines von einer Bauernorganisation initiierten Projektes können die Forscher teilnehmen (oder nicht) bei den Entscheidungen der sozialen Bewegung über die Gesamtaktion. Der Bauer kann in diesem Projekt zwar bei der Identifizierung der Probleme teilnehmen, ansonsten aber wird das Vorhaben von den Forschern durchgeführt. Die Forscher können am Experiment des Bauern teilhaben. Die Gemeindebehörden können an der Verbreitung der Ergebnisse teilnehmen. Ab dem ersten Kontakt, noch ehe überhaupt die Aktion beschlossen ist, kann bereits ein Mobilisierungseffekt auftreten. Wer partizipiert und in welchem Maße hängt von dem jeweiligen Blickwinkel und der Entscheidung der wichtigsten Akteure ab. Der wirkliche Grad der Partizipation eines jeden Beteiligten kann nur aufgrund einer Gesamtbewertung des durchgeführten Vorhabens festgestellt werden. Damit wird der Weg frei, die Partizipation nicht mehr als Einbahnstraße zu betrachten (Forscher lädt Bauer ein zu partizipieren), sondern von unterschiedlicher Partizipation der Beteiligten (stakeholders) zu sprechen.

Insgesamt gebe es einen Trend zu "kollegialen Beziehungen" in der Partizipation, wird von OKALI et al. (1994,93-94) festgestellt. Erfolge bei der Veränderung der generellen Orientierung von landwirtschaftlicher Forschung und Beratung scheinen dagegen gering zu sein (OKALI 1994; LÜHE 1996). FUJISAKI (1994) sieht nach einigen Anfangserfolgen eine eher rückläufige Tendenz in den Internationalen Agrarforschungszentren.