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3.4 Partizipation und Partnerschaft

3.4.2 Partizipative Ansätze

3.4.2.5 Bemerkungen zur Partizipativen Technologieentwicklung

Schon BLIEK & VELDHUIZEN (1993, Anh. F,4), wesentliche Befürworter des Ansatzes, weisen auf einige Schwachpunkte von PTD hin, die auch heute noch gelten:

- Er ist nur auf Probleme landwirtschaftlicher Technologie konzentriert; andere, einschließlich sozio-ökonomische Probleme, laufen Gefahr, übersehen zu werden;

- Die entwickelten Technologien haben nur lokale Gültigkeit;

- Der Ansatz ist ziemlich arbeitsintensiv (hinsichtlich der Forscher) in den Anfangsphasen; das erreichte Gebiet kann daher begrenzt sein, wenn nicht methodisch sehr darauf geachtet wird, daß der Prozeß auch nach dem Ausscheiden der externen Unterstützung erhalten bleibt;

- Die PTD-Praktiker sollten offen für die Bedürfnisse der Bauern und ihr Wissen sein und sowohl landwirtschaftliche Kenntnisse als auch kommunikative Fähigkeiten und Erfahrungen in Gruppendynamik haben.

Der entscheidende Beitrag von PTD139, an dem sich eine zukünftige Arbeit zwischen Forschern, Beratern und Bauern orientieren muß, ist das gemeinsame Experimentieren. Dabei wird eindeutig Wert auf den dialektischen Prozeß zur Erzeugung eines neuen "Dritten Wissens" gelegt und weder die wissenschaftliche Arbeit höher angesehen, noch das Volkswissen überschätzt. Die genaue Beschreibung der Etappen und damit der Verantwortung für ihre Durchführung sehe ich als einen wichtigen Beitrag des PTD-Ansatzes an. Diese positive Beurteilung läßt jedoch zahlreiche Fragen offen, wie dieser Ansatz jenseits von Ausnahmesituationen mit besonders qualifizierten Kräften in der Praxis verwirklicht werden kann, damit das Ziel des Ansatzes, und insgesamt des Partizipationsgedankens, erreicht wird, eine möglichst große Anzahl von bäuerlichen Betrieben zu erreichen.

Ein wesentlicher Problemkomplex entsteht durch die Konflikte, die die unterschiedlichen Rollen des Moderators (Fazilitator, PTD-Praktiker) einerseits und des Bauern (Forscher, Diffusionsagent) hervorrufen können. Der Beitrag des Moderators wird ab dem ersten Kontakt sehr zurückgenommen dargestellt. Dies täuscht darüber hinweg, daß die Methode eine erhebliche externe Unterstützung in den verschiedenen Etappen des Prozesses benötigt.

Dieser Bedarf und seine Lösung bleiben somit verdeckt. Der Moderator nimmt jedoch sehr gegensätzliche Rollen ein: er kann Geldgeber sein, er ist der Wissenschaftler, der neue Methoden und Kenntnisse einbringt, er soll zur Systematisierung der Versuche beitragen, etc.

139 Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnt, beziehe mich in dieser Darstellung vor allem auf VELDHUIZEN et al. (1997b), da diese Anleitung als vorläufiger Abschluß einer langen Debatte um die Entwicklung des Ansatzes gelten kann.

Die Bauern sollen nun bei der Diagnose die führende Rolle haben. Nach meiner Erfahrung bedarf es einer erfahrenen Moderation, selbst wenn es sich statt der Bauern um Agrartechniker oder Berater handelt, um mit dieser Methode zu einem Ergebnis zu gelangen.

Bereits mit Beratern ist es schwer, ohne eindeutige Vorgaben solche Untersuchungen durchzuführen. Falls die Vorgehensweise jedoch vorher feststeht, ist es nicht überzeugend, von Untersuchung unter Führung der Bauern (farmer led) zu sprechen. In der Tat sind die Diagnosemethoden vor allem auf die Fachkräfte zugeschnitten. Die "Teilnahme am Dorfleben" und die dabei durchgeführte Beobachtung ist in jedem Fall nur für die Externen gedacht (falls sie die Zeit dazu mitbringen). Die übrigen vorgeschlagenen Methoden wie teilstrukturierte Interviews, die in der Praxis häufig ohne Leitfaden stattfinden, Gruppeninterviews, besonders auch mit Visualisierung, müssen gut vorbereitet werden. Das entscheidende Problem ist anschließend die Systematisierung der Informationen, was selbst Führungspersönlichkeiten der Bauern und Agrartechnikern schwer fällt. Insofern dürfte es sich eher um eine Teilnahme der Bauern bei der Durchführung halten, in der sie mit Informationen und Rat partizipieren und schließlich Entscheidungen bei der Bedarfsidentifizierung treffen. Dabei handelt es sich dann um eine Untersuchung mit zwei Zielsetzungen, eine auf die Bauern und eine andere auf die Externen ausgerichtet. Der Diskurs von der führenden Rolle des Bauern verhindert die Behandlung der wirklichen Probleme bei der Durchführung, beispielsweise wie im einzelnen Fachkräfte und Bauern zusammenarbeiten sollen, wie Schwachpunkte überwunden werden können, etc.

Eines der wesentlichen Anliegen von PTD ist die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft. Gerade die partizipative Vorgehensweise wird dafür als besonders geeignet angesehen. Häufig ist dies jedoch zunächst nur die Idee der PTD-Praktikern, mit der die Bauern konfrontiert werden und die sie eventuell gar nicht wollen, wie im Fall eines PRA mit Bauern und Fischern im Rahmen eines munizipalen Planungsprozesses in der Nähe von Belém, bei dem sich die Bauern keineswegs auf eine Landwirtschaft ohne Mineraldünger und Pestizide festlegen lassen wollten (SCHMITZ et al. 1995). Der Wechsel der Rolle von Moderator zu Forscher und Berater, der seine eigene Erfahrung und Ansicht in die Waagschale einbringt, müßte in diesem Fall problematisiert werden.

Ein zweiter Problemkomplex ist die Stärkung der Bauern (empowerment) in ihren verschiedenen Varianten und die damit eng verknüpfte Frage des Umgangs mit vorhandenen Machtbeziehungen. Die Art der ersten Kontaktaufnahme, die möglichst mit allen relevanten Autoritäten stattfinden und alle Dorfbewohner einbeziehen soll, nicht nur die Anfrager, ist gewagt, da man häufig die Geister, die man rief, nicht los wird und behindert werden kann140. In einem partizipativen Vorhaben, daß den Einfluß der wohlhabenden Bauern und besonders der Mächtigen zurückdrängen will, kann diese anfängliche Offenheit entscheidende Auswirkungen auf das Projekt haben. Es dürfte nicht leicht sein, ohne eine gewisse Vorauswahl (Analyse der Anfrager, vorherige Zielgruppendefinition) eine partizipative Arbeit in einer Gesellschaft mit signifikanter sozialer Differenzierung zu beginnen und ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, wie sich im weiteren mit partizipativen Methoden der Themenkreis der Zusammenarbeit herauskristallisieren soll. Dies erfordert eine einseitig Vorgabe von Kriterien seitens der Externen und viel Fingerspitzengefühl, um nicht wesentliche Teile der Bevölkerung zu verprellen. Dies wiederum setzt eine gewisse Kenntnis des Kontextes oder die Einbeziehung von Kennern der Situation voraus.

Die PTD-Verfechter gehen durchaus davon aus, daß gegensätzliche Interessen innerhalb der verschiedenen sozialen Gruppen und sogar innerhalb der Familien bestehen können. Es wird

140 EHRET (1997,72-73) beschreibt die Schwierigkeiten einer Implementation, die über die traditionellen Führer versucht wurde.

auch die Gefahr gesehen, daß das Vorhaben von anderen Kräften als der Zielgruppe übernommen und dominiert wird. So kann bereits die Anfrage an Außenstehende das Interesse einiger weniger Individuen repräsentieren, die nicht notwendigerweise zu der Zielgruppe des Programmes zählen. VELDHUIZEN et al. (1997b,61-62) gehen auch davon aus, daß die PTD-Praktiker mit ihren Unterstützungsorganisationen eine neue organisatorische Struktur mit relativ großem Einfluß innerhalb des lokalen Zusammenhang darstellen, die sie unvermeidlich Teil der lokalen Machtspiele werden läßt. Unter diesen Umständen führt eine gemeinsame Beteiligtenanalyse sicher nicht zu einer offenen Aussprache über die jeweiligen Interessen und zur Diskussion von Strategien für das angemessene Verhalten in dem Netz von Machtbeziehungen. Die partizipative Bedarfsidentifizierung könnte das Vorhaben dann endgültig in eine nicht beabsichtigte Richtung führen.

Diese Schwierigkeiten werden durch einen dritten Problemkomplex verstärkt, der sich aus dem Fehlen einer Charakterisierung der landwirtschaftlichen Betriebssysteme und der geringen Behandlung der Frage, wie mit der sozialen Differenzierung umgegangen werden soll, ergibt. Probleme, die bereits im PRA auftauchten, übertragen und verstärken sich so in PTD. Dieses Defizit kann dazu führen, daß die Zielgruppe nicht klar identifiziert wird.

VELDHUIZEN et al. (1997b,102-103) problematisieren diese Frage.

Die Anerkennung der Bedeutung bäuerlicher Experimente ermöglicht drei Optionen der Zusammenarbeit: Beteiligung der Bauern an Forschung und Beratungsprogrammen, Beteiligung der Forscher und Berater an den Experimenten der Bauern oder gemeinsames Forschen. Die Frage ist, wie die Kooperation zustande kommen kann, um eine möglichst große Synergie zwischen formaler Forschung und bäuerlichem Experimentieren zu bewirken.

PTD will vorrangig die bäuerliche Art zu experimentieren verbessern und die Bauern anleiten bei Versuchsdesign, Durchführung und Auswertung, unter anderem in der Systematisierung durch Wiederholung der Versuche. Unklare Begriffe, wie Bauern als Forscher, sollten dabei vermieden werden. Kritische Stimmen meinen, daß durch die Einführung einer vermeintlichen Objektivität der spezielle Beitrag des bäuerlichen Experimentierens geschmälert wird und ein grundsätzlicher Mangel von Vertrauen in die lokalen Fähigkeiten zum Ausdruck kommt (OKALI et al. 1994,4-8).

Zur Überwindung des wesentlichen Einwandes, der fehlenden Übertragbarkeit der lokalen Lösungen auf einen größeren Maßstab141, wird von den Verfechtern das Modell des Diffusionsagenten (farmer extensionist) vorgeschlagen. Es soll noch einmal an die Bewertung des T&V-Systems erinnert werden, in der feststellt wurde, daß der Ansatz des 'Kontaktbauern' nicht wie vorgesehen funktioniert: die Auswahl ist problematisch, speziell wenn schon eine signifikative soziale Differenzierung existiert, und die Kenntnisse werden nicht an den Rest der Zielgruppe weitergegeben, was zu einer stärkeren Segregation zwischen Bauern mit und ohne Kontakt führt (ALBRECHT 1992b,132; BAUER 1996,53-61). Sind es nicht letztlich schlecht (oder gar nicht) bezahlte und schlecht ausgebildete Berater? Wird die ländliche und landwirtschaftliche Entwicklung ohne dauerhafte Institutionen angestrebt, beispielsweise ohne landwirtschaftliche Beratungsdienste - die ja nicht notwendigerweise beamtenähnliche staatliche Strukturen haben müssen? Wie häufig bei der partizipativen Arbeit wird die wesentliche Aufmerksamkeit auf die direkte Zusammenarbeit zwischen Externen und Bauern gerichtet, während die institutionelle Absicherung des Ansatzes als fast gegeben angenommen wird. Ihr wird wenig Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl sie von Prozeßbeginn an verfolgt werden müßte (vgl.SCHEUERMEIER 1994).

141 Diese Beschränkung wurde in BLIEK & VELDHUIZEN (1993, Anh. F,4) noch deutlich gesehen.

VELDHUIZEN et al. (1997b) sehen sie offensichtlich im wesentlichen als überwunden an.

PTD setzt bei der Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsstruktur an. Andere Aufgaben landwirtschaftlicher Beratung werden nicht berücksichtigt. VELDHUIZEN et al.

(1997b,132) meinen dazu lediglich: "Das PTD-Team muß eventuell auf damit verbundene Unterstützungsstrukturen hinweisen, die erforderlich sind, um eine bestimmte Möglichkeit zu einem Erfolg zu machen: Transport, Kredit und Vermarktungsmöglichkeiten." Ob periodische Stakeholder-Analysen ausreichen, um die Beteiligung aller relevanten Organisationen an dem Prozeß sicherzustellen, ist zu bezweifeln. Für die Herstellung der erforderlichen Bündnisse sind erhebliche Anstrengungen notwendig.

Die Aufrechterhaltung von PTD ist sehr teuer ist. Für die Fortsetzung der Dienstleistungen von farmer-to-farmer extension nach Abzug der externen Fachkräfte sowie für kleinere Projekte, die aufgrund der Experimente entstehen, wird ein Fond benötigt, dessen längerfristige Finanzierung aber unsicher ist (VELDHUIZEN et al. 1997b,195, 208).

Bei PTD, stärker als bei PRA, führt der Methodeneklektizismus zu manchen Unstimmigkeiten. Langzeitbeobachtungen (die PTD-Praktiker mischen sich unter das Volk), die Ethnographien nahekommen, stehen den Anforderungen an Kurzzeiterfolge gegenüber;

Erwähnung des Farming-Systems-Ansatzes, ohne dessen Methoden anzuwenden; die Forscher sind Beobachter, obwohl sie eigentlich nur facilitators sein sollen.