• Keine Ergebnisse gefunden

3.3 Forschung in Verbindung mit entwicklungsorientierten Aktionen

3.3.2 Entwicklungsorientierte Forschung

Die Entwicklungsorientierte Forschung107 entstand etwa um das Jahr 1974, nahm ab den 80er Jahren an Bedeutung zu und traf zusammen mit der Entstehung einer neuen Sichtweise der ländlichen Entwicklung, vor allem beeinflußt von der Kritik an den Konsequenzen der Grünen Revolution (vgl. GLAESER 1987). Parallel dazu entstand aus der Kritik am Technologietransfer die Bewegung der Angepaßten Technologie (vgl. SCHUMACHER 1973;

CARVALHO 1982; BLIEK & VELDHUIZEN 1993; WILLOUGHBY 1990). Die Prinzipien der Entwicklungsorientierten Forschung waren:

- die Berücksichtigung der sozialen Differenzierung in der ländlichen Gesellschaft und, als Folge, die Notwendigkeit, homogene Gruppen zu identifizieren, um angepaßte Lösungen zu entwickeln;

- der Systemansatz;

- die Hypothese von der Rationalität des Bauern, und somit der Komplexität und Kapazität der Evolution der "traditionellen" Landwirtschaft;

- die Suche nach Erklärung der beobachteten Phänomene sowie der Strategien der Bauern und anderer Beteiligter, was einen interdisziplinären Ansatz erforderte.

Bei dem Systemansatz wird der landwirtschaftliche Betrieb als eine komplexe Einheit angesehen, die von der Familie geleitet wird und sowohl das Produktionssystem (mit den Teilsystemen Pflanzenbau, Tierhaltung, Jagd und Sammlertätigkeit, Weiterverarbeitung, etc.), als auch das Haushaltssystem (Reproduktion) umfaßt, die ökonomisch fein aufeinander abgestimmt sind. Dies kann auch als Betriebs - Haushaltssystem bezeichnet werden. Die Familie trifft ihre Entscheidungen und versucht dabei in geeignetster Weise die vorhandenen Mittel, die unter anderem von den Umweltbedingungen abhängen, miteinander zu kombinieren. Die Hypothese von der Rationalität dieser Entscheidungen wurde, unter anderen, von SCHULTZ (1995,47; erste Veröffentlichung 1964) postuliert, der auf umfangreiche Forschungs- und Beratungserfahrungen zurückblicken konnte: "Es gibt vergleichsweise wenig signifikative Ineffizienz in der Verteilung der Produktionsfaktoren in der traditionellen Landwirtschaft." Die Neuerung wird so zu einem komplexen Prozeß, der normalerweise mit tiefgreifenden Veränderungen dieser Systeme verbunden ist108. Die Untersuchung in den Betrieben (on-farm research) bedeutet die Einführung der Rückkoppelung in den Forschungsprozeß.

In der Betriebssystemforschung (recherche systemique; pesquisa sistêmica), die im weiteren als gemeinsamer Nenner eingeführt wird, um die verschiedenen Forschungsarten zu behandeln, kann man zwischen Forschung zur Erzeugung wissenschaftlicher Erkenntnisse

107 Französisch: Recherche-Développement; englisch: Farming Systems Research; portugiesisch:

Pesquisa-Desenvolvimento. Diese Ansätze sollen im weiteren gleichgesetzt werden, obwohl es Differenzierungengen wie beispielsweise Farming Systems Research/Extension (FSR/E) gibt. Ich folge hier der Analyse von PILLOT (1987; 1992) und JOUVE (1995), die keine prinzipiellen Unterschiede zwischen den Ansätzen im englischen und im französischen Sprachraum feststellen konnten. Die brasilianischen Institutionen folgen im wesentlichen der französischen "Nomenklatur".

Die deutschen Institutionen scheinen wenig in diese Frage eingestiegen zu sein und haben sich dem englischen Sprachgebrauch angeschlossen.

108 Über die wesentlichen Elemente der Betriebssystemforschung siehe: JOUVE (1995,11-13), PILLOT

(1987,13; 1992,4); METTRICK (1993,63-71).

(Forschung in Betriebssystemen; pesquisa em sistemas de produção) unterscheiden und Forschung, die auf Entwicklung abzielt (Entwicklungsorientierte Forschung). Es entstanden nacheinander zwei Arten Entwicklungsorientierter Forschung, zunächst die "Absteigende"

und später die "Aufsteigende" Entwicklungsorientierte Forschung109.

Das Ziel der Absteigenden Entwicklungsorientierten Forschung, so genannt wegen des Ansatzes von oben nach unten, ist die Verbreitung einer bereits entwickelten Technologie. In einem ersten Moment entwickelt die Forschung Technologien, und in einem zweiten Moment wird die Technologie an die Diversität der agrarökologischen Bedingungen und die sozio-ökonomischen Situation der Bauern angepaßt, wobei verschiedene Versuchstechniken auf Betriebsebene miteinander kombiniert werden, um die angepaßtesten Lösungen zu identifizieren (PILLOT 1987,17). Nach und nach gingen die Institutionen110 von der einfachen Selektion von Varietäten über zur Integration der Erforschung von Praktiken111, die an die Kombination Varietät – Ökosystem angepaßt waren (die Phase der Cropping Systems Programs), bis schließlich hin zur Erarbeitung von Rezepten für "schlüsselfertige"

Produktionssysteme mit Varietäten, Praktiken, Kredit, Vermarktung, etc. und die Bemühung um die Schaffung nationaler Verbreitungsdienste. Typisch für diesen Ansatz ist, daß die Einbeziehung anderer Bedürfnisse der Zielgruppe, beispielsweise die Rinderhaltung oder der Kreditbedarf der Zielgruppe, keineswegs die Ausrichtung auf ein Produkt ändert, im Fall des International Rice Research Institute (IRRI) die Verbesserung der Reiskultur, das prinzipielle Anliegen der Institution. Diese Art der Produktorientierung kennzeichnet in Brasilien beispielsweise die Arbeit der CEPLAC, deren Diversifizierungsprogramm niemals dem Kakao seinen Vorrang nimmt, selbst wenn andere Elemente des Produktionssystems seiner Klienten, der Kakaoproduzenten, behandelt werden.

Die Aufsteigende Entwicklungsorientierte Forschung (Ansatz von unten nach oben) ist eine Methode, um Veränderungen in den bestehenden Betriebssystemen oder auf der Ebene des Agrarsystems (Système Agraire) zu fördern. Sie ist Ergebnis der Auseinandersetzung mit der ländlichen, nicht nur mit der technischen Entwicklung zu Beginn der 80er Jahre und berücksichtigt bereits die Kritik an den ersten Programmen der Entwicklungsorientierten Forschung:

- Der strikt technische Charakter der ersten Programme.

- Die Intensivierung hinsichtlich des Kapitaleinsatzes, die die Mehrzahl der vorgeschlagenen Innovationen bedeutete. Dies ermöglichte lediglich den ökonomisch und sozial privilegierten Bauern oder Farmern eine Übernahme und eliminierte nach und nach die anderen, die die Kontrolle über ihre Produktionsmittel verloren, wie das Beispiel der "Konservativen Modernisierung" in Brasilien in den 70er und 80er Jahren zeigte (FLEISCHFRESSER 1988; SILVA 1982). Die Modernisierung war effizient, aber mit erheblichen sozialen Folgen verbunden, wie Verlust des Betriebes, Migration, etc.

- Die Programme sahen die Rahmenbedingungen der Produktion als konstant an (die Bodenfrage, die Agrarpolitik, etc.), was auf methodologischem Gebiet hinterfragt wurde.

- Der geschlossene Charakter der Technologiepakete (Größenordnung, Kapitaleinsatz, etc.).

109 Recherche-Développement "Descendante" (Top-Down) und Recherche-Développement "Ascendante"

(Bottom-Up).

110 Die Internationalen Agrarforschungszentren spielten eine wesentliche Rolle in dieser Phase.

111 Der Begriff Itinéraire (portugiesisch: Itinerário) soll hier mangels eines besseren Ausdrucks mit Praktiken übersetzt werden, und meint damit die notwendigen Schritte (bäuerliche Praktiken) zur Verwirklichung eines Produktionsprozesses, z.B. Anbau von Mais.

- Die von den Forschern vorgeschlagenen technischen Verbesserungen können sich völlig von den bevorzugten Lösungen der Bauern unterscheiden, wie zahlreiche Beispiele zeigen .

Die Aufsteigende Entwicklungsorientierte Forschung legt dagegen nicht im voraus fest, welche Innovationen im ländlichen Raum eingeführt werden sollen. Sie setzt das Mittel der

"Diagnose" ein, um Hemmnisse zu identifizieren und Prioritäten für die Erforschung angepaßter Lösungen zu definieren. Das Ziel ist nicht mehr die Verbreitung einer bestimmten Technologie. Zusätzlich zu den anfangs erwähnten Prinzipien ist dieser Typ nach CASTELLANET (1997,10, 15) durch die Orientierung am Bedarf bestimmter sozialer Gruppen, die Einbeziehung von Beobachtung, Analyse und Aktion in die Arbeit, die Praxis der Pluridisziplinarität und die dynamische Analyse (von der Vergangenheit bis zur Zukunft) gekennzeichnet.112 Er beschreibt ihren klassischen Zyklus mit folgenden Schritten, wobei der Prozeß sich durch Modifikationen iterativ der Lösung nähert:

1. Beobachtungen, Analyse der Umgebung und Diagnose der Ausgangssituation, Aufstellen von Hypothesen über die aktuellen Tendenzen.

2. Formulierung und Modellierung der Hypothesen in Bezug auf Technik und Organisation (Hinweise für Forschung und Entwicklung).

3. Definition eines Interventions- oder Versuchsplans.

4. Realisierung der in diesem Plan vorgesehenen Verpflichtungen und Beobachtungen im Verlauf der Intervention.

5. Evaluierung und Interpretation der Ergebnisse.

6. Anpassungen der Anfangsdiagnose.

7. Formulierung neuer Hypothesen und/oder Interventionsvorschläge für die Entwicklung in größerem Maßstab.

8. Verbreitung der Ergebnisse.

Die Prinzipien und die einzelnen Schritte der Entwicklungsorientierten Forschung sagen nichts über ein bestimmtes Niveau der Partizipation aus. Der Einflußbereich kann eine Lokalität113, eine Comunidade, ein Munizip oder eine Region sein (vgl. CASTELLANET

1997,16-20).

PILLOT (1987,23) identifizierte einen dritten Typ, die "Politische" Entwicklungsorientierte Forschung, die die Vorbereitung, die Durchführung und die Evaluierung von agrarpolitischen Maßnahmen zum Ziel hat und auch die Ausbildung der technischen Fachkräften für die Landwirtschaft eines Landes einbeziehen kann. In diesem Fall wird sie als "Forschung-Ausbildung-Entwicklung" bezeichnet (Recherche-Formation-Développement)114. PILLOT

(1987,23) erwähnt die Kritik an der Beschränkung auf technische Innovationen bei den anderen Ansätzen, der die Hypothese zugrunde lag, daß die Entwicklung durch die Eliminierung der technischen oder ökonomischen Engpässe auf Mikroebene erreicht werden kann. Die Politische Entwicklungsorientierte Forschung geht dagegen von der Annahme aus, daß die Projektwirkung nur erreicht werden kann, wenn ein Projekt in Synergie mit der makroökonomischen Dynamik handelt, die weitgehend den Handlungsspielraum bestimmt.

Wenn man sich jedoch auf den technischen Bereich konzentriert und gegen die vorherrschenden Tendenzen handelt, riskiert man, daß das Projekt äußerst beschränkte

112 CASTELLANET (1997,19) meint offensichtlich die Aufsteigende Entwicklungsorientierte Forschung bei seiner Feststellung, daß alle Entwicklungsorientierte Forschung sich von den von ihm genannten Basisprinzipien leiten läßt.

113 Zum Begriff der Lokalität siehe Kap. 1.5.4.

114 Als Pesquisa-Formação-Desenvolvimento (PFD) in Brasilien übernommen, bezeichnet dieser Begriff unter anderem das Programm, in dem NEAF, LAET und LASAT gemeinsam für die Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft arbeiten (vgl. Kap. 1.5.4).

Resultate erreicht, was nach PILLOT (1987,18) häufig bei dem aufsteigenden Ansatz zu beobachten ist. Nach dieser Analyse zeigt der absteigende Ansatz, der in Übereinstimmung mit den externen Kräften handelt, bessere Ergebnisse, die jedoch wahrscheinlich zur Ausgrenzung eines Teils der Bauern führt.

Die Notwendigkeit, die Makroebene zu berücksichtigen, ist unbestritten, jedoch muß dafür kein eigener unterschiedlicher Ansatz (Politische Entwicklungsorientierte Forschung) geschaffen werden. In Abhängigkeit von dem Ziel der Forschung, Veränderungen hervorzurufen oder nur die Agrarsysteme zu analysieren, kann dieser Typ entweder der Thematischen Forschung oder der Aufsteigenden Entwicklungsorientierten Forschung zugeordnet werden, wobei die verschiedenen Ebenen vom System des Pflanzenbau bis zum Agrarsystem und zum agrarökologischen System miteinander verknüpft werden. In späteren Arbeiten (PILLOT 1992; JOUVE 1995) wird die Politische Entwicklungsorientierte Forschung nicht mehr erwähnt, was diese Einschätzung bestätigt. Die "Forschung-Ausbildung-Entwicklung" hingegen ist ein Begriff, dessen Beibehaltung sinnvoll ist. Die Verbindung der Ausbildung mit der Entwicklungsorientierten Forschung bedeutet einen größeren Handlungsmaßstab hinsichtlich Raum und Zeit. Sie kann sich mit der Ausbildung der Bauern, der Jugendlichen im ländlichen Raum bis hin zur Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte mit Universitätsabschluß befassen (vgl. REYNAL et al. 1995,56-66).

Es gibt reichlich Unklarheit und Verwirrung in Bezug auf die Typen und die Eigenschaften der Methoden, die den Systemansatz benutzen. Anders als von den Autoren erwartet, existieren keine prinzipiellen Unterschiede zwischen den Ansätzen im englischen und im französischen Sprachraum, wie PILLOT (1987; 1992) und JOUVE (1995) deutlich herausarbeiten. Stattdessen können sie nachweisen, daß die Unterschiede innerhalb der einzelnen Methoden wesentlich größer sind und daß sie von den jeweiligen Zielsetzungen der einzelnen Institutionen abhängen, die die Methoden anwenden.

Ein Teil der Probleme beruht auf der Tatsache, daß die Programme Entwicklungsorientierter Forschung häufig mit Arbeiten reiner (landwirtschaftlicher) Systemforschung verwechselt werden, die nicht direkt Entwicklung zum Ziel haben, sondern denen es um wissenschaftliche Erkenntnisse über landwirtschaftliche Systeme geht. Im anglophonen Bereich unterscheidet man deshalb zwischen Farming Systems Research (FSR) im strikten Sinne und Farming Systems Research and Extension (FSR/E) unter Einbeziehung der Verbreitung von Innovationen. Zwei Gründe führen zu diesen Verwechslungen: erstens sind die für Entwicklungsorientierte Forschung (oder FSR/E) benutzten Methoden in der Diagnosephase die gleichen wie bei der Forschung in Produktionssystemen (Recherche-Système oder FSR), und zweitens kommt dieser Programmtyp oft nicht über die Diagnose und Versuchsphase hinaus. Generell bevorzugen die Forscher Arbeiten über neue Forschungsfragen, zum Nachteil der Identifizierung von wirklich lösbaren Engpässen (PILLOT 1987,21-22). Die Forscher haben eine Tendenz zu Arbeiten, deren Konditionen sie leichter kontrollieren können und die weder die Erfahrung der Interaktion mit anderen Akteuren, noch mit den landwirtschaftlichen Praktiken erfordern. Auch die Verpflichtung, sozial nützliche Ergebnisse zu erarbeiten, interessiert sie weniger. Die "solitäre" Aktivität selbst, "Forschung zu betreiben" im Rahmen der Institutionen, konditioniert die Forscher, deren Interaktion sich auf die existierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und die physikalischen Gegebenheiten konzentriert. In diesem Kontext ist der Austausch mit bäuerlichem Wissen komplex und erfordert andere Fähigkeiten.

In Brasilien benutzen die einzelnen Agrarforschungsinstitutionen unterschiedliche Konzepte.

Das IAPAR115 war eines der ersten brasilianischen Institute, das den Systemansatz übernahm und die Forschung in Betriebssystemen (Pesquisa em Sistemas de Produção) ab 1985 in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellte, wobei dieser Begriff unabhängig von der Zielsetzung alle Aktivitäten mit Systemansatz bezeichnet, die sowohl kognitiver Natur sein können als auch Veränderungen durch geplante Aktionen beabsichtigen können (IAPAR 1986; IAPAR, 1997; DORETTO 1998). Die EMBRAPA (1993,14) wählte den Ausdruck "Forschung und Entwicklung" (Pesquisa & Desenvolvimento), um ihre Aktivitäten zur Erzeugung von Wissen und Technologien und ihre Transformation in Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zu bezeichnen, die sie als Innovationen des Agroindustriellen Komplexes charakterisiert.

Einige Autoren benutzen etwa ab Beginn der 90er Jahre den Begriff Aktionsforschung (recherche-action), um die Aufsteigende Entwicklungsorientierte Forschung oder generell die mit einer Aktion verbundene partizipative Forschung zu charakterisieren (PILLOT 1992,12, 14; ALBALADEJO & CASABIANCA 1997a; GUERRA & CASTELLANET 2001), sogar im Widerspruch zu eigenen früheren Publikationen, ohne dies zu problematisieren. Meiner Meinung nach berücksichtigt dieser Gebrauch des Begriffes nicht ausreichend die Ursprünge und Differenzen zwischen den beiden Methoden:

- Die Entwicklungsorientierte Forschung arbeitet mit definierten Schritten, um ihre Ziele zu erreichen. Die Aktionsforschung definiert einen Ausgangspunkt (Explorationsphase) und einen Endpunkt (die Verbreitung der Ergebnisse) und ist offen hinsichtlich der intermediären Vorgehensweise, wobei sie von einem Leitfaden ausgeht. Das Experiment beispielsweise gehört nicht unbedingt zur Aktionsforschung.

- Die Entwicklungsorientierte Forschung basiert auf dem Systemansatz, die Aktionsforschung kann eklektisch hinsichtlich der Methodenwahl sein.

- Die Aktionsforschung hat ein doppeltes Ziel: neben der Veränderung der Realität sollen Kenntnisse über den Ablauf der Transformation selbst produziert werden, indem beispielsweise die Probleme, Entscheidungen, Aktionen, Konflikte, Veränderungen und Bewußtwerdungsprozesse der Akteure während des Transformationprozesses studiert werden, was normalerweise nicht Bestandteil der Entwicklungsorientierten Forschung ist.

- Der Forscher muß seine eigene Rolle dabei reflektieren.

- Die Aktionsforschung ist durch die breite und ausdrückliche Interaktion zwischen Forschern und den anderen Forschungsteilnehmern von Beginn bis zum Ende gekennzeichnet. Im Fall der Entwicklungsorientierten Forschung kann diese Interaktion sehr viel funktionaler sein und die Partizipation kann unterschiedliche Niveaus in den einzelnen Etappen annehmen.

Die "Inflation" des Begriffs Aktionsforschung für alle Methoden, die eine Aktion als Mittel zur Veränderung einsetzen, läßt offen, was nun eigentlich Entwicklungsorientierte Forschung ist, und weist ihr einen marginalen, unklaren Platz zu. Daher schlage ich folgende Definition vor:

115 Unter anderem langjährige Zusammenarbeit mit der GTZ über Bodenfruchtbarkeit und Direktsaat (vgl. DERPSCH et al. 1988). Ich selbst habe meine ersten brasilianischen Berufserfahrungen im IAPAR gemacht.

Kasten 8: Die Entwicklungsorientierte Forschung

Die Entwicklungsorientierte Forschung ist eine Methode, die den Systemansatz benutzt und die Verknüfung zwischen der Erzeugung von Wissen und der Entwicklung einer bestimmten Zielgruppe mittels geplanter Aktivitäten zum Ziel hat. Dazu geht sie von der Diagnose der Realität aus und erarbeitet Vorschläge für identifizierte technische und/oder soziale Veränderungen. Die Art der Partizipation der Beteiligten in den einzelnen Etappen des Prozesses wird verhandelt.

Meiner Meinung nach sind Aktionsforschung und Entwicklungsorientierte Forschung verschiedene Ansätze. Sie können nicht als untergeordnetes Element der jeweils anderen Methode angesehen werden, zum Beispiel die die Entwicklungsorientierte Forschung (untergeordneter Begriff) als eine unter mehreren Formen der Aktionsforschung (übergeordneter Begriff) oder umgekehrt. Falls wirklich eine Notwendigkeit besteht, eine übergeordnete Methode zu definieren, dann sollte dafür ein anderer Begriff (nicht Aktionsforschung) vorgeschlagen und die theoretischen und methodologischen Grundlagen dafür konstruiert werden.116

Eine andere Methode ist die ebenfalls gelegentlich mit Entwicklungsorientierter Forschung oder Aktionsforschung verwechselte "Testaktion" (action-test; ação-teste). Sie kann Teil des Elements "Experimentieren" im Prozeß der Entwicklungsorientierten Forschung sein oder zu Beginn einer Zusammenarbeit ermöglichen, auf unmittelbare Bedürfnisse der Bauern einzugehen, die Partner besser zu definieren und die Risiken von Mißverständnissen zu verringern. Sie kann als eine Vorlaufphase für die Diagnose dienen und eine Tür öffnen, um anschließend komplexere Aktivitäten miteinander zu verwirklichen (CASTELLANET 1997,26-27; REYNAL et al. 1995,62, iii). Die Forschung in landwirtschaftlichen Betrieben (on-farm research) kann ebenfalls eine Etappe des Experimentierens im Prozeß der Entwicklungsorientierten Forschung sein und eine Phase der Validierung von Technologien einschließen (vgl. RIBEIRO et al. 1997b,88; JOUVE 1991).