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An der Art der Partnerschaft zwischen LAET und MPST läßt HÉBETTE233 (1996,51) keinen Zweifel. Es "... handelte sich nicht darum, sich zusammenzuschließen, um einige punktuelle Aktivitäten zu unternehmen, wie es eine bestimmte Forschung wäre, ein Projekt der Agrarmechanisierung oder der Aufbau einer Kooperative. Es ging darum, zusammen einen Prozeß zur Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft zu bewirken, zur Förderung der Bauernschaft ... Für das CAT kam man sogar dazu, einen Mindestzeitraum von 25 Jahren - eine Generation - zur Verwirklichung seiner Ziele festzulegen." Die Notwendigkeit eines langen Zeitraumes und einer umfassenden Zielsetzung wird ausdrücklich von dem Autor auch auf die Zusammenarbeit im Rahmen des PAET bezogen. Von Anfang an zeigte sich das MPST deutlich reserviert und weigerte sich, den Begriff "Partnerschaft" zu gebrauchen. Es verteidigte dagegen seine Autonomie und sogar eine als bedroht angesehene Hegemonie (HÉBETTE 1996,50). Um einen Spielraum zu bewahren, wurde der Begriff der privilegierten Partnerschaft geprägt, der andere unabhängige Beziehungen oder Abkommen nicht ausschloß.234 HÉBETTE235 ebenso wie GUERRA & CASTELLANET (2001,131-132) bezeichnen dieses Bündnis als Allianz und verstehen darunter eine sehr enge Form der Zusammenarbeit.

Man kann zwischen verschiedenen Bündnisformen unterscheiden. Unter Allianz wird im allgemeinen ein Zusammenschluß gegen einen gemeinsamen Feind verstanden, der auseinander fällt, wenn der Gegner (oder ein anderes Ziel) wegfällt (SIMMEL 1995,111;

GLASL 1997,244). "Koalitionen bilden sich, um durch einen längerfristigen Integrations- und Austauschprozess gemeinsame Ziele zu verfolgen. Die koalierenden Parteien erwarten sich vom Bündnis eine Nutzenmehrung für alle Partizipanten, ohne dass sie ihre Selbständigkeit aufgeben brauchen." Im Fall der Symbiosen suchen Menschen oder Gruppen, "... Anlehnung an andere, weil sie sich von ihnen Kompensation für bestimmte Bedürfnisse erhoffen. Der Partner wird dabei ... innerlich assimiliert. Es wird Konfluenz angestrebt. 'Zusammen sind wir eine starke Persönlichkeit!' ... Die Beziehungen zwischen den Partnern solcher symbiotischer Zusammenschlüsse werden von starken gegenseitigen Bindungen geprägt, welche die persönliche Selbständigkeit stark untergraben" (GLASL 1997,244-245). Die engste Form der Partnerschaft wäre demnach die Symbiose. Meines Erachtens handelte es sich bei dem Bündnis von LAET und MPST um eine Koalition mit Tendenzen zur Symbiose.

Die Partnerschaften können also unterschiedlich eng gestaltet werden. Die enge Bindung, die das LAET etwas überstürzt anstrebte, sowie die schriftlichen Vereinbarungen weckten hohe Erwartungen und führten zu einigen Schwierigkeiten. Das MPST war nicht mit dieser engen

233 Hébette war Leiter des LAET zum Zeitpunkt der Gründung 1993.

234 Dokument: MPST-LAET 1993: Convênio entre o Movimento Pela Sobrevivência na Transamazônica (MPST) e o Laboratório Agro-ecológico da Transamazônica (LAET). Altamira. 2p.

235 Die über die Partnerschaft hinausgehende Allianz schließt ein, daß grundlegendes Vertrauen und Recht zu Kritik besteht, wie bei Kampfgenossen (HÉBETTE 1996,55).

Partnerschaft einverstanden.236 Die Reaktionen gegen Einmischungen des LAET kamen immer wieder zum Ausdruck. Mehrfach wurde größere Distanz gefordert. Andererseits erzeugte diese Art der Partnerschaft auf der Seite des MPST das Gefühl, daß das LAET ausschließlich ihm zu Diensten stehe, als seine Forschungsorganisation. Aufgrund dieses Besitz- oder Zugehörigkeitsgefühl wurden die Forscher des LAET zeitweise als mögliche Verbündete seines politischen Projektes angesehen (HENCHEN 2002,86). Damit wuchs die Möglichkeit von Enttäuschungen, insbesondere da das LAET hinsichtlich seines Verhältnisses zum MPST gespalten war (vgl. 5.2.1.7), obwohl von seiner Leitung offiziell klargestellt wurde, daß das LAET nur die Entwicklungspolitik, aber keine Parteipolitik unterstützen könne (CASTELLANET 1998,79-80).

Eine dritte Idee war die Hervorhebung des Entwicklungsgedankens im Gegensatz zu akademischen Verpflichtungen. Die Bedeutung der Entwicklung wurde in der täglichen Arbeit seitens der Leitung des LAET betont, von dem Partner eingefordert und in der internen Auseinandersetzung im Rahmen von NEAF237 vehement vertreten. Andererseits bot das LAET jedoch keine längerfristige Perspektive und die Integration in die Universität, die sowohl institutionell (Unterstützung der Kurse von NEAF) als auch individuell (Kandidatur für Professorenstellen) verfolgt wurde, privilegierte die Sichtweise der Forschung, zu der auch die Charakterisierung des LAET als Forschungseinrichtung beitrug (vgl. HENCHEN

2002,79).238 CASTELLANET (1998,105) sah daher bei den (jungen) Forschern des LAET häufig eine große Distanz zwischen Rhetorik und Realität. In ihrem Diskurs bekundeten sie ihre Verbundenheit mit der Entwicklung der bäuerlichen Familien, versprachen technische und politische Unterstützung zur Stärkung ihrer Organisationen und beteuerten, daß sie nicht an höheren Gehältern und Titeln (Master, Doktor) interessiert seien. Tatsächlich nutzten sie jedoch sofort die Gelegenheit, als sich die Möglichkeit bot, einen Master- oder Doktorkurs zu machen beziehungsweise die Universität Professorenstellen anbot. Er kritisiert weiter, daß sie eine Abneigung zeigten, wenn es um regelmäßige Kontakte mit Bauern ging, zum Beispiel die vereinbarte Begleitung einer Bauerngruppe, die monatelang wegen immer wieder anderer Prioritäten des Forschers nicht wahrgenommen wurde. Er führt dies einerseits auf Unsicherheit zurück, technische Beratung anzubieten, da Fehler schnell offensichtlich werden können. Auch die Schwierigkeiten des Transportes, für den oft ein Tag nur für die Hinfahrt bzw. Rückfahrt angesetzt werden mußte, spielten eine Rolle. Andererseits aber hatte Forschung einen höheren Status als Beratung, und die beruflichen Aussichten als Forscher waren vom Gehalt wesentlich attraktiver als diejenigen des schlecht bezahlten Beratungsdienstes oder einer NRO. Weiter meinte CASTELLANET, daß es die jungen Forscher bereits als ein Opfer ansahen, in Altamira zu wohnen und ihre Wochenenden in der Stadt verbringen wollten, anstatt die Möglichkeit zu intensiverem Kontakt mit den Bauern zu nutzen, die zu diesem Zeitpunkt mehr Zeit für den Dialog haben. Die älteren Mitarbeiter gaben familiäre Gründe an, um längeren Feldaufenthalt zu vermeiden.

Das Lumiar-Projekt ging auf den Aspekt Verbundenheit mit der Zielgruppe ein, indem es vorsah, daß die Berater von den Bauernorganisationen vorgeschlagen würden. Sie mußten

236 Seitens des LAET wird deutlich darauf hingewiesen, daß dem MPST vielleicht die Bedeutung und die Implikationen dieser Partnerschaft nicht klar waren (CASTELLANET et al. 1996,144).

237 Núcleo de Estudos Integrados sobre Agricultura Familiar (Fachgebiet für Studien über bäuerliche Landwirtschaft)

238 Entwicklungsorientierte Forschung wurde von den Forschern als unterschiedlich zu Beratung verstanden, während die Gewerkschafter später diese Methode mißverständlich als Forschung und Entwicklung ansahen, wobei sie den zweiten Begriff mit extensão (Verbreitung und Ausbildung von Bauern) gleichsetzten, deren Leitung sie forderten, während dem LAET nur die Forschung bleiben sollte (vgl. Dokument: Fetagri 1999: Reflexões sobre a experiência de pesquisa e desenvolvimento na Transamazônica. Belém. 5p.).

nahe bei oder in den Ansiedlungsprojekten wohnen. Die Lumiar-Berater waren bereit, in einfachen Verhältnissen zu wohnen. Sie übernachteten jedoch sehr selten bei den Bauern, was angesichts der Straßenverhältnisse die Wirkung des Projektes erhöht hätte.

5.2.1.7 Rollenprobleme

Die mit den partizipativen Ansätzen eingeführten Koordinationsrollen bedeuten eine Erhöhung der Zahl möglicher Rollen für Forscher und Berater (Diversifizierung der Rollen), auf die sie im allgemeinen nicht vorbereitet sind. Normalerweise können die Menschen verschiedene Rollen gleichzeitig relativ mühelos einnehmen. Nach DEUTSCH & KRAUSS

(1997,179-183) nimmt jede Person innerhalb einer Vielzahl von "Statussystemen" Positionen ein. Der Status charakterisiert eine Person durch eine Reihe von Rechten und Pflichten hinsichtlich ihrer Interaktion mit Personen eines anderen Status, beispielsweise den Vater gegenüber seinen Kindern oder den Gewerkschaftsführer gegenüber den Mitgliedern. Der Begriff der Rolle ist nun auf die Erwartungen an die Verhaltensweisen bezogen, die von einem Menschen in einer bestimmten Position gezeigt werden sollen. So kann es vorkommen, daß eine Person Positionen mit unvereinbaren Rollenanforderungen innehat. Es kommt aber erst dann zum Rollenkonflikt, wenn diese potentiell konfliktiven Rollen sich überlappen.

Dies ist der Fall, wenn es sich um das gleiche Publikum handelt. So kann es zu Problemen kommen, wenn die Berater beispielsweise vom Experten zum Fazilitator wechseln sollen. Der inflationäre Gebrauch des Begriffs Fazilitator verdeckt, daß sich dahinter weitere Funktionen verbergen können, wie Koordinator, Forscher, Berater oder Repräsentant des Projektträgers, der verantwortlich für die Projektmittel ist. So schreiben ENGEL et al. (1994,299): "Die Untersuchung und die Resultate sind in der Hand der Betroffenen selbst. Sie sind diejenigen, die den Untersuchungsprozeß gestalten, während die Forscher mehr die Fazilitatorenrolle haben."239 Eine solche "Rollenkonfusion" trägt weder zur Seriösität der Methode bei, noch erleichtert sie deren Anwendung. Auch wenn diese unterschiedlichen Rollen ihrem "Inhaber"

bewußt sind, ist es nicht leicht, ihnen gerecht zu werden, so daß es zu Defiziten in einigen Bereichen kommt.

Die Lumiar-Berater waren einem schwierigen Rollenkonflikt durch die Vermischung der Aufgaben der Beratungstätigkeit mit der Kontrolle der Bauern im Rahmen der Kreditprojekte ausgesetzt. Dies erschwerte den Aufbau einer Vertrauensbeziehung und erforderte von den Beratern erhebliches Fingerspitzengefühl. Im T&V-Ansatz der Weltbank wurden daher ausschließlich Beratungsaufgaben übertragen und Regierungsfunktionen, Verwaltungsaufgaben (Kontrolle) oder Datenerhebung (für andere Behörden) kategorisch ausgeschlossen, da diese Funktionen unvereinbar und sogar kontraproduktiv hinsichtlich der zentralen Aufgabe seien, die Beratung der Bauern in technischen und betrieblichen Fragen (BAUER 1996,46-55; ITESP 1998,15; NAGEL 1997,15). Im Lumiar-Projekt wurde diese Erkenntnis ebensowenig berücksichtigt wie in den staatlichen Beratungsdiensten.240

239 Das Original in der niederländischen Sprache macht dies noch deutlicher, da es von Untersuchung (onderzoek) und Untersuchern (onderzoekers - Forschern) spricht: "Het onderzoek en de resultaten zijn in handen van de betrokkenen self. Zij zijn degenen die het onderzoeksprocess inrichten, terwijl de onderzoekers meer faciliterende rol hebben." (ENGEL et al. 1994,299).

240 Selbst der Beratungsdienst des Instituto de Terras do Estado de São Paulo "José Gomes da Silva"

(ITESP), der diesen Konflikt anspricht (ITESP 1998,15), macht keine Ausnahme in dieser Hinsicht.

Traditionell sind die Bauern der Kontrolle der Mittelanwendung durch die Berater unterworfen. Auch wenn die Kontrolle seitens der staatlichen Dienste häufig nicht erfolgt, besteht die Ungewißheit und damit eine Machtbeziehung. Der Bauer wird als unreif und unfähig angesehen, die Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen. Dies wird durch die Praxis des "gebundenen" Kredits verstärkt, wobei bis zu 70% der Mittel unmittelbar an den Agrarhandel überwiesen werden, der dem Bauern die vorgesehenen Produkte liefern soll (SOBRINHO 2000,213-217). Es ist schwer zu begründen, warum der Handel Vertrauen verdient und der Bauer nicht. Diese Praxis reduziert den Verhandlungsspielraum des Bauern auf Null, während die Aushandlung besserer Preise die Wirkung der Kreditprojekte erhöhen würde. Daher muß das Modell des "überwachten" Kredites in der bäuerlichen Landwirtschaft in Frage gestellt werden, das in anderen Wirtschaftszweigen und in der unternehmerischen Landwirtschaft in dieser Form nicht existiert.

Vor diesem Hintergrund wurde ein Diskussionsprozeß mit den Bauern über die Funktion der Beratung und die Problematik der Aufkündigung der Kreditprojekte eingeleitet. Die Bauern verstanden, daß die Berater unter diesem Rahmenbedingungen die Kontrolle ernst nehmen mußten, wenn sie glaubhaft bleiben wollten. Entscheidend war, ob die Berater bei Unvereinbarkeit der Wünsche des Bauern mit den technischen Fakten in der Lage waren, den Dialog mit den einzelnen Bauern zu suchen und zu führen, um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu gelangen. Aber selbst, wenn die Zahl der aufgekündigten Projekte gering war, blieb immer eine Verärgerung zurück. Die Tatsache, daß andere Institutionen, beispielsweise lokale Repräsentanten von INCRA, die Anwendung der vorgeschriebenen Kriterien seitens der Lumiar-Berater "denunzierten", komplizierte die Situation noch weiter. Es konnte der Eindruck entstehen, daß die Soziale Bewegung mehr Mittel für die Region erkämpfte und das Lumiar-Projekt, sein Partner, diese "kürzte". Damit konnte das Projekt in eine heikle Situation geraten, noch verstärkt dadurch, daß die anderen Beratungsdienste nicht mit der gleichen Genauigkeit arbeiteten (seltene Feldbesuche). In allen diesen Fällen wurde durch den Dialog gesucht, um so weit wie möglich die Entscheidungen über die Erarbeitung und die Aufkündigung von Kreditprojekten mit den Repräsentanten der Bauern auf den verschiedenen Ebenen (Assoziation, STR, MPST, FETAGRI) und den Entscheidungsorganen (CEPRO, Banken, etc.) zu teilen.

Bis sich die Einstellung der Akteure rund um den Agrarkredit ändert, soll die Kontrollaufgabe den Banken übertragen werden, die ein eigenes Interesse am Erfolg der Kreditprojekte sowie einer hohen Rückzahlungsrate haben dürften.241 Dies würde die Berater entlasten, die ausschließlich das Projekt erarbeiten und den Bauern beraten sollen. Der Erfolg der Projekte könnte noch dadurch erhöht werden, daß der Berater und seine Organisation einen Teil des für die Erarbeitung gewährten Prozentsatzes des Kreditvolumens erst bei Beendigung der Rückzahlung erhält.

Die Person des Supervisors des Lumiar-Projektes verkörperte mehrere Rollen: heimlicher Vorgesetzter der Berater242, Repräsentant der Projektidee (als solcher auch Zielscheibe der Kritik), Berater in partizipativen Methoden und Analyse von Betriebssystemen, Revisor beim Berichtschreiben, Verbindungsglied zwischen Equipe und INCRA sowie CEPRO, Verteidiger bei Angriffen, Vermittler in Streitigkeiten und Coach.

241 Falls nicht andere Spielregeln vorherrschen, z.B. Ausgleich der Verluste durch die Regierung oder Unterlassung von Kontrollfunktionen.

242 Tatsächlich übernahm er mehr oder weniger alle der von ALBRECHT et al. (1987,241-242) beschriebenen Vorgesetztenfunktionen, da es sich um einen Dienst ohne Vorgesetztenstruktur handelte.

Rollenprobleme entstehen auch, wenn der soeben ausgebildete Agraringenieur dem Bauern sein "Wissen" vermitteln will, anstatt von ihm zu lernen. Es hilft nicht, den "Experten zu spielen", da der Bauer ihn subtil prüfen wird. Dazu bedarf es aber einer Hilfestellung, die beiden Seiten ermöglicht, neue Erwartungen an ihre Begegnung zu richten und in einen Dialog einzutreten, also eine Einführung in die Zusammenarbeit vor Ort.

Auch die beiderseitige Einstellung in der Partnerschaft hängt eng mit dem Rollenverständnis zusammen. Auf seiten der Forscher des LAET herrschte Unklarheit über ihre Rolle, und sie waren unter sich nicht in der Lage, ihre unterschiedlichen Positionen hinsichtlich des Verhältnisses zum MPST auszudrücken, was später zu erheblichen Konflikten führte (GUERRA & CASTELLANET 2001,131-132). Ein Teil wollte sich in den Dienst der Bauern, repräsentiert durch ihre Organisationen, stellen, ohne sich zu den internen Problemen der Organisationen zu äußern (Unterordnung), eine Mehrheit wollte gleichberechtigt zusammenarbeiten, ohne seine kritische Sichtweise zu verlieren und ohne von vornherein Tabus zu akzeptieren (Gleichberechtigung), während andere dafür plädierten, auch in den Organisationen der Bauern und den politischen Parteien politisch aktiv zu sein (Intervention).

Die dritte Position wurde anfangs auf seiten des MPST offen diskutiert, war aber etwa ab dem Jahre 1995 nicht mehr erwünscht.

Es gibt keinen generellen Ausweg aus den Rollenkonflikten, da sie zum Teil auf starke persönliche Interessen der Beteiligten zurückzuführen sind. Eine Möglichkeit ist die offene Aussprache und der Versuch, sich ihrer möglichst bewußt zu werden. Andererseits sollten die Aufgabenbeschreibungen und Erwartungen so geartet sein, daß sie von "normalen"

interessierten Berufstätigen auch erfüllt werden können. Dies muß bereits bei der Erarbeitung eines Konzeptes für einen Beratungsdienst berücksichtigt werden.

5.2.2 Analyse der Beteiligten

Um auf die Probleme der Zusammenarbeit vorbereitet zu sein, ist es entscheidend, die Partner und die Beteiligten im Arbeitsumfeld besser zu kennen und zu verstehen. Die Kenntnis der örtlichen Kommunikationsregeln und Machtstrukturen wird von ALBRECHT et al. (1987,244) als eine Voraussetzung für erfolgreiche Beratungsarbeit angesehen. KRESS (2000,197-200) schlägt vor, die Berücksichtigung externer Wirkungsfaktoren in die Aus- und Weiterbildung von Beratern zu integrieren. Er betont die Notwendigkeit eines partizipativen Umweltmonitorings. Eine Analyse der Beteiligten ist grundsätzlich in vielen Projektzusammenhängen vorgesehen.243

Anregungen für den konkreten Einsatz können über die Beteiligtenanalyse der Zielorientierten Projektplanung (ZOPP) (BOLAY 1993) hinaus bei anderen Methoden gefunden werden, wie in den sogenannten "Fenstern" in RAAKS (ENGEL et al. 1994,301-309;

Kap. 5.8.1.3), die Untersuchungsetappen vor allem hinsichtlich der Handlungsfähigkeit der Betroffenen darstellen, oder in der "Multiple Stakeholder Analysis", die unter anderem mögliche Konsequenzen von Entscheidungen bezüglich natürlicher Ressourcen und die Reaktionen der verschiedenen Beteiligten untersucht (CASTELLANET 1998,18-19).

243 Es scheint jedoch, daß der Implementierungs- und Erfolgsdruck so hoch ist, daß dies kaum umfassend geleistet wird. Die dafür geeignete offene Orientierungsphase in Projekten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist in den letzten Jahren immer weniger genutzt worden (NETZWERK

1998,27-28).

Anhaltspunkte für eine solche vertiefte Analyse können sein (vgl. NETZWERK 1998,28;

HÉBETTE 1996):

1. Die Geschichte der Beteiligten und der Lokalität / Region.

2. Das politische Umfeld.

3. Die vorhandenen und potentiellen Beteiligten auf den verschiedenen Ebenen, wobei, wie bei Ressourcenschutzprojekten, auch die internationale Ebene berücksichtigt wird.

4. Die Verhaltensregeln und Strategien der Partner und anderer Beteiligter sowie ihrer Notwendigkeiten im Rahmen ihrer jeweiligen Kategorie.

5. Die Beziehungen und Interessenüberschneidungen zwischen den einzelnen Akteuren, wobei es nicht nur um deren Intensität (Bedeutung auf politischer Ebene, Einfluß auf die Zielgruppe) geht, sondern auch um ihre "Richtung" (Abhängigkeit, Unterordnung, etc.).

6. Das "partizipative" Potential der beteiligten Organisationen: Stellenwert interner Regeln und Dokumente; potentielle Bündnispartner.

7. Die Bedeutung der einzelnen Beteiligten und ihr möglicher positiver beziehungsweise negativer Einfluß auf die Projektabsichten.

8. Die Einschätzung des eigenen Spielraumes innerhalb eines Rahmens, der durch die eigenen Fähigkeiten und Wünsche, die Zwänge des Kontextes und die Erwartungen der Partner bestimmt ist.

Dabei spielt die eigene Handlungsfähigkeit und die der übrigen Beteiligten eine wesentliche Rolle (Punkte 7. und 8.), die vom "Kennen, Wollen und Können" abhängt. Um zu einer Einschätzung zu gelangen, ist die Analyse der vorangestellten Punkte erforderlich. Die Informationen über die ersten drei Punkte können wahrscheinlich relativ einfach über erfahrene Personen in der Arbeitsregion erhoben werden. Problematisch sind die nächsten drei Punkte (4. bis 6.). Die so häufig geforderte Interdisziplinarität wäre gerade für diese Aufgabe eine Priorität, wobei die Einbeziehung von Soziologen oder Anthropologen mit Erfahrung in diesem Bereich wesentlich zum Verständnis beitragen könnten. Beide Fallstudien zeigen jedoch, daß Fachkräfte mit Verständnis des jeweiligen Kontextes (z.B.

einer Gewerkschaftsbewegung) nur schwer zu gewinnen sind. In die Forschungs- und Beratungsequipen integrierte Sozialwissenschaftler mit geringerer Erfahrung leisten in dieser Hinsicht nur einen begrenzten Beitrag, vermutlich auch wegen fehlender Distanz zur eigenen Aktion.

Eine Möglichkeit, die in der Zusammenarbeit zwischen Supervision und Lumiar-Beratern praktiziert wurde, war die offene Diskussion über Interessen und Verhalten der lokalen Akteure. Da es sich bei der Mehrheit der Berater um frisch ausgebildete Fachkräfte handelte, war eine politische "Bildungsarbeit" erforderlich. Die lokalen Kräfte und ihre Interessen wurden analysiert und mögliche Aktionen diskutiert. Auch die Durchführung von Versammlungen wurde im Detail besprochen, einschließlich der Reaktion auf eventuelle Störmanöver. Auch das Verhalten in der Wahlkampfsituation wurde diskutiert. Dabei war sicher die Kenntnis der Supervision über die wesentlichen Akteure und ihre Geschichte aufgrund der bereits seit 1994 durchgeführten Arbeiten in der Region hilfreich. Die Diskussion war nicht leicht, da in den Equipen verschiedene politische Verbindungen und Verwandtschaftsverhältnisse zu einigen der institutionellen und politischen Akteure der Region bestanden. Das Interesse am eigenen institutionellen "Überleben" in diesem Machtgeflecht scheint für die nötige Motivation und notwendige Vertraulichkeit gesorgt zu haben.

Es ist sicher eine sensible Angelegenheit, eine solche Analyse durchzuführen, besonders wenn dies zusammen mit Partnern geschieht, die man noch nicht einschätzen kann. Ein Teil der Beteiligten wird sich voraussichtlich nicht politisch äußern wollen. Ein Versuch, eine

solche Analyse mit Hilfe eines Venn-Diagramms während eines PRA in einem anderen Arbeitszusammenhang durchzuführen, scheiterte rasch an den komplexen Beziehungen zwischen den etwa 25 Organisationen mit Bedeutung für die ländliche Entwicklung in dem Munizip.244 Es berücksichtigt auch nicht den Spielraum, den einzelne individuelle Akteure haben, noch daß sie in mehreren Funktionen auftreten.

5.2.3 Die Bedeutung der persönlichen Faktoren

Das erste "Element" der Partnerschaft bezieht sich auf die "persönlichen Einflußfaktoren", ausgedrückt durch die drei Faktoren Einstellung, Motivation und Fähigkeit, die mit nur einer Person verbunden sind.245 Die Vertreter des Partizipationsgedankens fordern eine Veränderung der inneren Einstellung von Forschern und Entwicklungsagenten hinsichtlich der Partizipation und der eigenen Rolle. Eine Mischung aus Empathie, Begeisterungsfähigkeit und Engagement wird für die partizipative Arbeit vorausgesetzt. Auch im Lumiar-Projekt wurden persönliche Einstellungen als entscheidend angesehen und Engagement, Hingabe und Offenheit in den Richtlinien gefordert. Empathie wurde bereits als eine notwendige Eigenschaft für die Beratung und die erfolgreiche Verbreitung von Technologien genannt.

Das erste "Element" der Partnerschaft bezieht sich auf die "persönlichen Einflußfaktoren", ausgedrückt durch die drei Faktoren Einstellung, Motivation und Fähigkeit, die mit nur einer Person verbunden sind.245 Die Vertreter des Partizipationsgedankens fordern eine Veränderung der inneren Einstellung von Forschern und Entwicklungsagenten hinsichtlich der Partizipation und der eigenen Rolle. Eine Mischung aus Empathie, Begeisterungsfähigkeit und Engagement wird für die partizipative Arbeit vorausgesetzt. Auch im Lumiar-Projekt wurden persönliche Einstellungen als entscheidend angesehen und Engagement, Hingabe und Offenheit in den Richtlinien gefordert. Empathie wurde bereits als eine notwendige Eigenschaft für die Beratung und die erfolgreiche Verbreitung von Technologien genannt.