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3.4 Partizipation und Partnerschaft

3.4.4 Partnerschaft

Die Unzufriedenheit mit dem begrenzten Ansatz der partizipativen Ansätze führte zu der Erkenntnis, daß die Erweiterung des Einzugsgebietes und die Vergrößerung des Aktionsmaßstabes nur über eine Partnerschaft zwischen den beteiligten regionalen oder nationalen Organisationen zu erreichen sei. Die Partizipation findet nicht nur zwischen Individuen oder kleinen Gruppen in informeller Weise statt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Partnerschaft zwischen Organisationen, beispielsweise zwischen Agrarforschungsinstituten und Bauernorganisationen. Sie geht damit über den individuellen,

mikrosozialen Bereich hinaus und bezieht Organisationen auf seiten aller Beteiligter ein. Ist die Reichweite der Aktion groß (z.B. ein bestimmter Teil der 40.000 Bauernfamilien der Transamazônica), erhält die Verbreitung der Ergebnisse einen großen Stellenwert. Die Partnerschaft mit den Organisationen der Bauern wird zu einer Vorbedingung, mit deren Hilfe diese Zahl von Bauern erreicht werden kann.

Kasten 12: Partnerschaft

Partnerschaft wird in dieser Arbeit als eine spezielle Art der Partizipation angesehen, deren Akteure Organisationen sind und deren Wirkungen über die mikrosoziale Ebene hinaus die meso- und makrosoziale Ebene einbeziehen.

Die Partizipation auf meso- und makrosozialer Ebene wird weitgehend über (repräsentative) Mittelspersonen realisiert (vgl. GLASL 1997,62-64). Vertreter von Forschern, Beratern und Bauern treffen aufeinander und repräsentieren informelle Organisationen (Interessengruppen von Bauern), formelle Organisationen (Assoziationen, Gewerkschaften, regionale Organisationen), lokale Regierungsorgane sowie staatliche Institutionen (Agrarforschungs-zentren, Universitäten, Beratungsdienste). Beim Übergang von der Partizipation auf der mikrosozialen Handlungsebene zur Partnerschaft auf meso- oder makrosozialer Ebene können eine Reihe von Einflüssen wirksam werden, die zwischen kleinen Forscher- und Bauerngruppen nicht auftreten.

Kasten 13: Die sozialen Handlungsebenen

Mikro-sozial: Zwei oder mehrere Einzelpersonen oder kleine Gruppen. Jeder kennt jeden und die Kontakte sind direkt, beispielsweise eine Interessengruppe von Bauern oder das Direktionsteam einer Bank, im zweiten Beispiel solange die Arena im Fall eines Konfliktes nicht ausgeweitet wird.

Meso-sozial: Soziale Gebilde mittlerer Größenordnung wie Schulen, Verwaltungs-behörden, Fabriken, lokale Bauerngewerkschaft, die sich aus mikro-sozialen Einheiten aufbauen. Zwischen diesen Einheiten sind oft keine direkten Beziehungen mehr möglich. Die Kommunikation erfolgt zumeist über Mittelspersonen, die als Exponenten ihrer jeweiligen Einheit auftreten, wie der Gewerkschaftdelegierte einer Lokalität. Zu der Komplexität der Beziehungen in Kleingruppen tritt nun die weniger persönliche Zwischengruppenbeziehung als weitere Komplexitätsebene hinzu. Zu den Interessen der Kleingruppen gesellen sich noch andere der Gruppenvertreter, die sich profilieren und ihre Machtposition ausbauen wollen.

Häufig geht es nicht darum, den Exponenten der Gegenpartei zu beeinflussen, sondern der Hintermannschaft142 deutlich zu zeigen, daß sie ihre Interessen kräftig vertreten. Es kann Streit nur zu diesem Zweck provoziert werden.

Makro-sozial: Die Einzelpersonen, die als Vertreter verschiedener Kollektive handeln, sind vielfachen Spannungen ausgesetzt. So kann ein Konflikt in einer Stadtverwaltung sich mit Konflikten aus der Tätigkeit als Stadtrat, als Parteienvertreter auf Landesebene sowie der Tätigkeit in einem landwirtschaftlichen Beratungsdienst vermischen. Ein politischer Funktionär mit mehreren Funktionen muß sich verschiedenen Hintermannschaften gegenüber

142 Zu der Beziehung der Repräsentanten zu ihren Parteien oder Hintermannschaften siehe GLASL

(1997,159-161).

verantworten, seine Partei ist mit der Landesorganisation der Partei verflochten. Information und Kommunikation gestalten sich durch öffentliche Meinungsmedien anders (nach GLASL

1997,62-64).

Die Partnerschaft erlaubt eine Verbreitung in größerem Maßstab und erleichtert die Einbringung bäuerlicher Interessen in die öffentliche Politik. Arbeitsergebnisse können aufgrund der Partnerschaft in geplanter und systematischer Art unter eine größere Zielgruppe verbreitet werden und eine größere Zahl von Bauern erreichen. Sie ermöglicht, Themen zu bearbeiten, die die Ebene des landwirtschaftlichen Produktionssystems oder der Lokalität überschreiten, zum Beispiel das Ressourcenmanagement oder die Umsiedlung von Familien, die in Agrarreformprojekten angesiedelt wurden.

Auf breiterer Ebene organisierte "Klienten" haben auch größere Chancen, das formale Forschungs- und Beratungssystem sowie die Kreditgewährung zu beeinflussen. So kann eine Partnerschaft mit Bauernorganisationen vorteilhaft sein, um die Forschungsprioritäten besser zu bestimmen und über die Technologieverbesserung hinausgehende Ziele zu verwirklichen (BELLON et al. 1985; MERRILL-SANDS & COLLION 1993; beide zitiert nach: CASTELLANET

1998,46). Andere Autoren sind der Meinung, daß erst die direkte Beeinflussung von Planungskomitees und den Institutionen in ihrer Gesamtheit zu merklichen Veränderungen in der Politik von Forschung und Beratung führen (OKALI et al. 1994,84-86). MERRILL-SANDS &

KAIMOWITZ (1990; zitiert nach: OKALI et al. 1994,84) stellen sieben Bedingungen für eine effektive Partnerschaft mit Klienten auf, unter anderem: Möglichkeiten der Interaktion schaffen, Übereinstimmung über die Aufgaben suchen, gegenseitigen Respekt pflegen, gemeinschaftliche Ziele, das Verständnis der gegenseitigen Abhängigkeit fördern, sich gegenseitig als Partner und nicht als Konkurrenten wahrnehmen, persönlicher Nutzen soll die Kosten überwiegen.

Zur Frage der Partnerschaft mit Bauerngruppen in Forschungs- und Beratungsaktivitäten betonen BEBBINGTON et al. (1994,699-703; vgl. auch BEBBINGTON 1994), daß die Einbeziehung von Bauernorganisation in diesen Prozeß eine Stärkung ihrer Kapazität in Management, Verwaltung und Mitteleinwerbung erfordert, wobei sie eine gesicherte finanzielle Basis für ausschlaggebend halten. Weitere Aktivitäten zur Stärkung der Zivilgesellschaft, die für diese Organisationen im Vordergrund stehen, sollten jedoch nicht von Forschern übernommen werden, da sie ihre Zeit am effektivsten in der Forschungsarbeit einsetzen könnten. Dies könne zwar zu Problemen im Verhältnis zwischen Forschern und Bauern führen, solle aber anderen Organisationen (NROs) überlassen bleiben. Die Bauernorganisationen könnten drei unterschiedliche Rollen übernehmen. Sie könnten den Kontakt zwischen Forschung und Bauern herstellen und über ihr eigenes Netzwerk die Beratungsaktivitäten erleichtern. Sie könnten als Nutzersysteme (vgl. RÖLING 1988,31, 144-178) tätig sein, die Druck auf die im Landwirtschaftssektor tätigen Organisationen ausüben, damit sie sich am Bedarf der Bauern orientieren. Und schließlich könnten sie eine aktive Rolle bei Schaffung und Verbreitung von Technologien übernehmen, wie farmer-to-farmer extension, Saatgut- und Betriebsmittelverteilung und Austausch über einfache (lumpy) Technologien. In Taiwan beispielsweise wird Beratung von Bauernorganisationen durchgeführt, die auf den verschiedenen Ebenen (provincial, county, township level) organisiert sind und 90% der Bauern zu ihren Mitgliedern zählen, die auch weitgehend für die Finanzierung aufkommen (NAGEL 1997,18). Unter den Problemen einer solchen Strategie sehen BEBBINGTON et al. (1994,703) die Gefahr, daß die Bauernorganisationen bestimmte Gruppen der ländlichen Bevölkerung ausschließen könnten. Sie seien keine Garantie für die demokratische Entwicklung auf dem Lande.

In den letzten Jahren hat sich der Begriff der Partnerschaft zu einem wichtigen Pfeiler der Entwicklungsrhetorik entwickelt, in der von der "Konstruktion partnerschaftlicher Beziehungen" und von "Partnern" in den Entwicklungsprojekten gesprochen wird (VIEGAS

2002,99). Auch in der traditionellen Forschung und Beratung wird der Begriff der Partnerschaft inzwischen häufig benutzt. Dabei handelt es sich jedoch eher um ein loses Netz von Kontakten zwischen unterschiedlichen Akteuren im ländlichen Raum, darunter auch die

"eigentlichen" Klienten, die Bauern. Die EMBRAPA (1998,19) unterscheidet grundsätzlich zwischen Klienten und Partnern. Klienten sind Individuen, Gruppen oder Institutionen, die im Hinblick auf den Erfolg ihrer Aktivitäten von den Leistungen der EMBRAPA und ihrer Partner abhängen, während Partner alle Individuen oder Institutionen sind, die zeitweise oder dauerhaft ein Kooperationsverhältnis mit der EMBRAPA eingehen und dabei Risiken, Kosten und Nutzen mit ihr teilen. Die Weltbank sieht die Partnerschaft als Schlüsselbegriff "... in der Beziehung zwischen Beratung, Betriebsmittellieferanten, Kreditanstalten und Entscheidungsträgern", wobei aber kein Unterschied zum Begriff der Partizipation gemacht wird (HAYWARD 1990; zitiert nach: BAUER 1996,58). Es ist daher eine Anstrengung nötig, um dem Begriff der Partnerschaft eine klare Kontur zu geben und zu verhindern, daß der unklare Begriff der Partizipation durch den noch unverbindlicheren Begriff Partnerschaft ersetzt wird.