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4.1 Die Partnerschaft zwischen LAET und MPST

4.1.5 Die Erhebung der Erfahrungen in der Region

Für die Erhebung wählten die Partner Uruará aus, da mehr Erfahrungen im westlich von Altamira gelegenen Teil der Region identifiziert wurden und vor allem Betriebe mit weniger fruchtbaren Böden einbezogen werden sollten. Die wesentlichen Einfußfaktoren der Mechanisierung sollten mit einem Rapid Rural Appraisal (RRA) identifiziert werden. Die Forscher stellten eine Reihe von Hypothesen auf und erarbeiteten auf dieser Basis einen Fragebogen als Leitfaden für die Befragung, die darauf abzielte, die Betriebssysteme sowie die Strategien der Bauern kennenzulernen und das Wissen der wenigen Bauern mit Erfahrung in Mechanisierung voll auszuschöpfen. Als Techniken wurden neben dem Leitfadeninterview direkte Beobachtung, Betriebsbegehung (transsect walks), Anfertigung einer Karte des Betriebes, Erarbeitung eines saisonalen Kalenders der Arbeitsspitzen, Erstellung einer Rangordnung der wirtschaftlichen Situation der Bauern und ihrer Entwicklungstendenz angewendet.

Eine Agraringenieurin des MPST und ein Agrartechniker der EMBRAPA aus Uruará, also Vertreter des wichtigsten Partners des LAET und der lokalen Organisationen, wurden an der Forschung beteiligt, was gleichzeitig den Kontakt zu den Bauern erleichtern sollte. Die Betriebe wurden gemeinsam mit der Bauerngewerkschaft des Munizips sowie den Beratern der staatlichen Organisationen vor Ort ausgewählt, mit denen bei dieser Gelegenheit die Hypothesen und Untersuchungsmethoden diskutiert wurden.

Die Forscher gingen mit folgenden Hypothesen in die Untersuchungen mit den Bauern (vgl.

BOSERUP 1987; PINGALI et al. 1987; SCHMITZ et al. 1991; SCHMITZ et al. 1996). Wenn die Brachedauer abnimmt und der Boden für längere Zeit mit einjährigen Kulturen angebaut wird, wird die Erhaltung der "Umweltfruchtbarkeit"156 schwieriger. Wesentlicher Grund für die Einführung der Mechanisierung, die nicht Teil der landwirtschaftlichen Praxis in der Brachewirtschaft ist, ist der zunehmende Unkrautdruck infolge dieser Veränderungen und der damit wachsende Arbeitsbedarf, um ihn zu kontrollieren. Die Verringerung der Produktivität, die auch durch Rückgang der Bodenfruchtbarkeit hervorgerufen werden kann, wird häufig durch Vergrößerung der Anbaufläche ausgeglichen. Die Mechanisierung bietet für beide Probleme eine Erleichterung, ist aber erst ab einer bestimmten Situation wirtschaftlich, da sie selbst auch mit Arbeitsaufwand und Kosten verbunden ist. Die Bodenbearbeitung, beispielsweise durch das Pflügen, hat im allgemeinen bei den meisten Böden keine direkte Auswirkung auf die Produktivität157. Sie erhöht nicht die Bodenfruchtbarkeit, kann sie aber bei unbedeckt den Witterungseinflüssen (tropischer Regen, hohe Temperaturen) ausgesetztem Boden empfindlich beeinträchtigen.

Die Verringerung der Brachedauer hängt mit der Intensität der Landnutzung zusammen, die durch Bevölkerungsdruck oder Landkonzentration hervorgerufen werden kann.

Untersuchungen in verschiedenen afrikanischen Ländern kamen zu dem Ergebnis, daß der Übergang von der Brachewirtschaft zu einem dauerhafteren Anbau und die Einführung der Mechanisierung ab einer Bevölkerungsdichte von mehr als 60 Einwohnern/km² zu beobachten ist (PINGALI et al. 1987,27). Das traditionelle System in der Amazonasregion wird instabil ab einer Bevölkerungsdichte von 20 bis 25 Einwohnern/km² (SPENCER 1977;

SANCHEZ 1977; beide zitiert nach: KITAMURA 1982,15). Obwohl diese Werte sehr standortspezifisch sind und die Zugtieranspannung bereits bei erheblich niedrigeren Werten, zum Beispiel bei der Grasbrachewirtschaft in Afrika, beobachtet wurde, zweifelten die Forscher, daß an der Transamazônica mit niedriger Bevölkerungsdichte, tropischem Regenwald und sehr kleinen Ackerflächen, gemessen an den Betriebsflächen von 100 ha und mehr, dieser Moment der Transition schon gekommen sei.158

Nach RUTHENBERG (1980,358) gelten diese Hypothesen nur für die bäuerliche Landwirtschaft. Größere Betriebe mit genügend Ressourcen können durch Einsatz von Traktor und Mineraldünger einen abrupteren Übergang verwirklichen. Dies kann auch für gemeinschaftliche Maschinennutzung gelten, die zunehmend in bäuerlichen Betrieben im Nordosten des Bundesstaates Pará vorkommt (CONTO et al. 1996). Die Problematik der Effizienz externer Betriebsmittel, die von RUTHENBERG & ANDREAE (1982,142) betont wird, ist damit jedoch nicht aufgehoben. Die Zugtieranspannung bietet Vorteile, da sie weniger Kapital bedarf, auch auf kleineren Flächen wirtschaftlich sein kann und einfacher für die Unkrautkontrolle eingesetzt werden kann, die bei der Motomechanisierung häufig weiter mit

156 Dieser Begriff berücksichtigt, daß die "Fruchtbarkeit" nicht nur eine Funktion der physischen, chemischen und biologischen Eigenschaften des Bodens ist. Sie hängt auch von dem "Speicher" an Wald (Primär- oder Sekundärwald), der in der Brachewirtschaft durch Abbrennen genutzt wird, vom Unkrautdruck und der Menge an Laub auf dem Boden ab (zu dem Begriff Umweltfruchtbarkeit vgl.

VEIGA 1999,176; auf die Problematik des Begriffs "Unkraut", auch Spontanvegetation oder Beikraut genannt, wird hier nicht weiter eingegangen). Dennoch wird im weiteren vor allem der bekanntere Begriff der Bodenfruchtbarkeit gebraucht, wenn nicht speziell auf diese Zusammenhänge hingewiesen werden soll..

157 Ausführliche Diskussion in SCHMITZ et al. (1991).

158 Die Problematik des Rotationsfaktors (vgl. RUTHENBERG 1980; RUTHENBERG & ANDREA 1982;

PINGALI et al. 1987; SCHMITZ et al. 1991; SCHMITZ et al. 1996) in den spezifischen Bedingungen der Amazonasregion wird in einer anderen Arbeit behandelt.

der Hacke gemacht wird oder den Herbizideinsatz verlangt. Sie hat im allgemeineren auch einen schonenderen Effekt hinsichtlich der Bodenbearbeitung. Der Übergang von der Zugtieranspannung zum Traktor ist nicht einfach eine Frage der Zeit, sondern hängt neben ökonomischen Faktoren auch von den lokalen Bedingungen ab (Größe der Parzelle, Topographie, Baumstümpfe auf der Ackerfläche).

Aufgrund der Ergebnisse der Betriebserhebungen und der Hypothesen über die Evolutionsdynamik der Produktionssysteme, düfte die Mehrzahl der Bauern an der Transamazônica, besonders wenn sie über weniger fruchtbare Böden verfügen, nicht ernsthaft an der Mechanisierung interessiert sein.

Die der Forschung zugrunde liegenden Hypothesen über die Dynamik der Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebssysteme und die Einführung der Mechanisierung waren bisher nicht Gegenstand der Diskussion über die Einführung der Mechanisierung in Pará. So werden in PIMENTEL et al. (1992) als Gründe für die geringe Annahme dieser Technologie vor allem fehlende Tradition, hohe Gerätekosten und Informationsmangel genannt. Ohne vorherige Auswertung bereits vorliegender Erkenntnisse und die Erarbeitung von Hypothesen wäre die fehlende Akzeptanz dieser Technologie seitens der Bauern an der Transamazônica im Rahmen der Erhebung des LAET nicht in vollem Umfang verstanden worden. Die Einordnung in einen theoretischen Rahmen ergab eine andere Sichtweise, erleichterte die konstruktive Diskussion und das Erkennen von Möglichkeiten und Grenzen der Mechanisierung unter den Bedingungen der Region.

Zur Überraschung des Forschungsteams wurden in dem ausgewählten Munizip nur sehr wenige Bauern mit Mechanisierungserfahrung identifiziert. Von den mindestens 3.000 Betrieben identifizierten die lokalen Organisationen nur 9 (0,3%). Die befragten Bauern nannten die Bodenfruchtbarkeit als Schlüsselelement, um für längere Zeit auf der gleichen Fläche produzieren zu können und die Mechanisierung einzuführen. Die einzige in der Praxis angewandte Methode zu ihrer Erhaltung war die Brache. Die Betriebe verfügen in ihrer Mehrheit noch über eine ausreichende Fläche, um die Brachewirtschaft fortzusetzen. Die Mechanisierung wird aus diesen Gründen nur äußerst begrenzt benutzt. Es wurden Traktoren und Geräte, auch für Zugtieranspannung, angetroffen, die trotz der Erfahrung der Bauern mit Mechanisierung nicht mehr genutzt werden. Diese Situation bestätigte im wesentlichen die Hypothesen der Forscher.

Die Befragungen und Gespräche mit den Bauern ergaben, daß sie das Problem der Fruchtbarkeit als begrenzenden Faktor für den wiederholten Anbau einjähriger Kulturen auf der gleichen Fläche erkannt hatten. Sie hatten auch eine klare Meinung über das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Einsatzes von Mineraldünger. Bei den aktuellen Preisen der Nahrungsmittelkulturen (einjährige Kulturen) war ihrer Meinung nach der Anbau mit Mineraldünger nicht wirtschaftlich. Die Einschätzung der Wirkung des Mineraldüngers war völlig unterschiedlich zwischen den Beratern an der Transamazônica und den Bauern. Sowohl die mögliche Produktivitätszunahme, als auch die Mineraldüngerpreise sowie die Preise der Produkte wurden für die "Berechnung" total unterschiedlich angesetzt. In der Diskussion während der Vorstellung der Ergebnisse gingen einige Berater und Agrartechniker von total überhöhten Werten der Maisproduktion aus, die nicht einmal auf den Versuchsfeldern der EMBRAPA in Terra Roxa erzielt wurde. Sie hatten auch keine Empfehlungen für die Dosierung der Mineraldüngung, obwohl sie seit langem in der Region arbeiteten.

Die Forschung bestätigte die Fähigkeit der Bauern, eigene Experimente durchzuführen.

Mehrere Bauern machten Versuche, anzubauen ohne abzubrennen. Sie legten sogar kleine Versuchsflächen an, auf denen sie verschiedene Düngungsmethoden ausprobierten und die sie

mit einer Fläche ohne Düngeranwendung verglichen. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß dort, wo nicht abgebrannt wurde, die Erträge ohne Verwendung von Mineraldünger innerhalb kürzester Zeit empfindlich zurückgingen. Diese Ergebnisse deckten sich mit Erfahrungen, die sie vorher gemacht hatten, wenn eine gerodete Fläche wegen anhaltender Regenfälle nicht befriedigend abgebrannt werden konnte. Dabei handelte es sich jedoch nicht um systematische Versuche. Das Experiment wird nur einmal durchgeführt, ohne jedoch beispielsweise die Düngergabe zu reduzieren, um zu sehen, ob es nicht doch eine ökonomischere Lösung gäbe. Ein anderer gab immer etwas Mineraldünger zu einigen Flächen, ohne jedoch die Menge oder das Ergebnis zu registrieren. So ist es verständlich, daß sie die Begleitung durch die Forschung suchten.

Einige Bauern nutzen die Zugtieranspannung. Ihre Erfahrungen können dazu beitragen, die Hypothesen weiter zu überprüfen und günstige Bedingungen für den Übergang zur Mechanisierung zu finden. Die Forscher studierten die Praktiken dieser Produzenten, nicht nur an der Transamazônica, sondern auch in anderen Regionen des Bundesstaates Pará. So wird in den Campos159 von Bragança die Zugtieranspannung seit längerer Zeit verwendet, wobei das System der "Parcagem" eine Rolle in der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit spielt:

die Rinder werden einige Zeit vor dem Pflügen auf der Parzelle gehalten, um die spontane Vegetation zu weiden und dabei die Fläche zu düngen. Diese Technik konnte mit Erfolg in der Aktionsforschung ausprobiert werden. Ein anderer Bauer im Munizip Paragominas, der weithin als Ausnahme bekannt ist, wurde besucht. Er setzt seit Jahren Zugtieranspannung ein, wobei er als einzige Maßnahme zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit die Spontanvegetation einarbeitet. In Uruará wurde auch die Praxis der Wiederherstellung von "degradierten"

Weiden (im allgemeinen durch Viehtritt verfestigt und verunkrautet) mit Zugtieranspannnung angetroffen.

Diese Etappe wurde mit Leitfadeninterviews des Landwirtschaftsreferenten von Altamira, der regionalen Leitung der EMATER, zwei Bauern aus dem Mechanisierungsprojekt in Altamira und Forschern der EMBRAPA in Belém abgeschlossen und durch eine Preiserhebung (Mineraldünger, Geräte; Agrarprodukte) ergänzt. Anschließend wurden die Ergebnisse von den Forschern analysiert und aufbereitet. Parallel dazu wurden Betriebe in anderen Regionen des Bundesstaates aufgesucht. Im allgemeinen handelte es sich dabei um Ausnahmesituationen, die die Ergebnisse bestätigten, aber auch einige Hinweise für den Einsatz der Mechanisierung erbrachten.

Aufgrund dieser Resultate und der wissenschaftlichen Kenntnisse über die Dynamik der Landwirtschaftlichen Betriebssysteme kamen die Forscher zu dem Schluß, daß die Mehrheit der Bauern mit weniger fruchtbaren Böden unter den regionalen Bedingungen160 kein Interesse haben dürfte zu mechanisieren.

159 Campos sind waldfreie Flächen, die früher auch eine wichtige Rolle als Weide für den Transport mit Lasttieren gespielt haben.

160 Bevölkerungsdichte, Verfügbarkeit von Primär- und Sekundärwald, Preise für Produkte und Betriebsmittel, Betriebsfläche, Bedeutung der einjährigen Kulturen, Entfernung zur nächsten größeren Stadt, etc.

4.1.6 Die Reaktionen der Bauern und die Vermutungen der