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9 Bestimmung der kulturellen Relevanz von Alterspotentialen

11.2 Notwendigkeiten und Möglichkeiten kultureller Intergenerationalität

11.2.2 Kulturelle Intergenerationalität unter dem Paradigma spezifischer

Konsequenterweise muss sowohl aufgrund der Ergebnisse der wissenschaftlichen For-schung wie aufgrund der kulturmanagerialen Erfahrungen die Forderung erhoben wer-den, die sog. „Seniorenkultur“ oder sogar „Seniorenkulturarbeit“ endgültig abzuschaf-fen und als historische, fremdbestimmte Kulturarbeit dem Vergessen anheim fallen zu lassen.

11.2.2 Kulturelle Intergenerationalität unter dem Paradigma spezifischer Alterskultu-ren

In Abschnitt 9.7 wurde bereits ausführlich die Notwendigkeit, die Pflicht zu einer Einbrin-gung vorhandener spezifischer kulturrelevanter Kompetenzen in die gesellschaftliche Zu-kunftsplanung begründet. In Abschnitt 11 wurde ausgeführt, weshalb und wie sich Zukunfts-planung als kultureller Akt darstellt. Kurz sei der gedankliche Zusammenhang noch einmal zusammengefasst:

Zukunftsplanung und Zukunftsgestaltung ist kultureller Akt: Sie bedürfen vielfältiger und vieldimensionaler Deutungsbeiträge als gesellschaftliche „Blickpunktvermehrung“

(Konersmann). Ohne diese würde der diskursive Prozess einer soziokulturellen Ent-wicklung stagnieren oder einspurig, durch hegemoniale Deutungsmächte in ihrer Ziel-richtung bestimmt, verlaufen.

Der spezifische alterskulturelle Beitrag aufgrund und unter der Bedingung entwickelter Weisheitsqualitäten ist deshalb verpflichtend, weil diese kulturrelevanten Kompetenzen überwiegend dem Alter vorbehalten (mit zunehmendem Alter entwickelt worden) sind.

Als solche sind sie spezifisch: Sie können von Jüngeren nicht oder nur gelegentlich in Ausnahmefällen zum notwendigen Diskurs beigetragen werden. Mit einer Zurückhal-tung der Alten würden wesentliche Aspekte vernachlässigt und zu einer gesellschaftli-chen Blickpunktverarmung und Vereinseitigung führen. Es würde in der Konsequenz

bedeuten, den Jüngeren eine Definitionsverpflichtung von Zukunft alleinverantwortlich zuzuschieben. Dabei würde ignoriert, dass ihnen ein wichtiges und damit hilfreiches Breitenspektrum von Aspekten dazu fehlt. Der „Aspekte-Vorsprung“ der Alten liegt im Besonderen in den Weisheitspotentialen des differenzierenden, problematisierenden Wertens und Urteilens, des mehrdimensionalen, zieloffenen Reflektierens, der sinner-kennenden, integrierenden Zusammenschau, des schöpferischen Denkens, der gesell-schaftskritischen Distanz, des Neubewertens von Zeit und der Entwicklung empathie-verpflichteter Beratung (vgl. Abschnitt 8.4.2.3). Der Vorsprung gilt entsprechend für die fähigkeitsorientierten Kompetenzen des Auslotens, der Synoptik, der Wertrelativierun-gen, der MehrfachdeutunWertrelativierun-gen, des Unterstützens, des „precise cut“ und der Beratung (vgl. Abschnitt 9.1 – 9.6).

Dieser zukunftsgestalterische Altersbeitrag wird von Jüngeren als notwendig und wichtig an-erkannt und deshalb auch angemahnt, dies ergab sich in den Aussagen der empirischen Um-frage unter der jüngeren Kontrollgruppe eindrucksvoll und eindeutig (vgl. Abschnitt 8.4.2.3 und 9.6), wird auch in der Literatur und seit einiger Zeit in den Medien zunehmend aufgegrif-fen und als Pflichtbeitrag des Alters eingefordert (vgl. Abschnitt 11.1). Dagegen wird von der beforschten Altengruppe ein solcher spezifischer alterskultureller Beitrag zum größeren Teil nicht als unverzichtbar, notwendig oder verpflichtend angesehen und eine Beteiligung an ei-ner kulturellen Zukunftsgestaltung häufig aus eigeei-ner, unangenehmer Erfahrung mit autoritä-ren, hierarchisch strukturierten Elternhäusern heraus abgelehnt (z.B. Pb 19a: „Besserwisser“, Pb 16a: „Von der Besserwisserei der Älteren hatten wir doch die Nase voll“, Pb 5a: „Alters-weisheiten zu quaken“).

Der Verdacht, dass ein solcher, möglicherweise unbequemer Diskussionsbeitrag von Seiten der Älteren auch aus einer Strategie der Konfliktvermeidung heraus nicht geleistet wird, wird nur selten so deutlich offenbar, wie in der Aussage der Probandin 5a: „Welcher Alte möchte sich schon Unannehmlichkeiten einhandeln?“ oder der des Probanden 17a: „Aus die-ser Position heraus aktiv zu werden, ist anstrengend, es führt mehr zur Vereinzelung und zum Rückzug“. Die Tendenz zur Konfliktvermeidung schimmert auch in Aussagen hindurch, die eine scheinbar „verständnisvolle“ Selbstrücknahme gegenüber den Jungen signalisieren (vgl.

Abschnitt 9.6), wie z. B. die des 76-jährigen Pb 8a: „Vorsicht vor Empfehlungen an die Jun-gen“ oder die des gleichaltrigen Pb 4a: „Kinder hören nicht mehr zu, wenn Vater Weisheiten zum Besten gibt“.

Als „Pseudotoleranz“ bezeichnet Nunner-Winkler diese Haltung und als „Strategie, ... gute Beziehungen mit der nachwachsenden Generation aufrechtzuerhalten“, indem der alte Mensch eine „bloße Zuschauerrolle“ einnimmt: „Diese Zurückhaltung aber dient vor allem der Bemäntelung der mangelnden Bereitschaft, für die eigene Haltung einzutreten und notfalls auch Konflikte zu riskieren“ (Nunner-Winkler 2000: 331).

Gerade bei den Älteren ist nach Beck diese Tendenz festzustellen, sich den anstrengenden Prozess der Verständigung zu Gunsten eines freundlichen Aus- und Zurückweichens zu erspa-ren: „Das wechselseitige Zugeständnis des ‚eigenen Raumes‘ entspricht einer Konfliktökono-mie: Den ... anderen machen zu lassen, was er will, ist letztlich billiger, effektiver", beschreibt Beck eine solche scheinbar generöse, tatsächlich aber ausweichende Haltung des „Machen-Lassens“, des Laissez-faire. Die Alten „erkaufen sich so ihre eigene Freiheit, ihr eigenes Le-ben. Wer seinem Nachwuchs dasselbe gönnt, erspart sich die Peinlichkeit ... des Besserwis-sens“ (Beck 1998: 215). Was den Eindruck des Partnerschaftlichen („Nicht-Bevormundens“) machen soll, von den beforschten Älteren teilweise auch so begründet, wird von den Jüngeren als Rückzug aus der Verantwortung verstanden, dies zeigt sich in dieser Untersuchung deut-lich in deren Aussagen wie auch in den zunehmenden Einforderungsklagen in den Medien.

Denn Partnerschaftlichkeit bei der Lösung und Gestaltung von Zukunft kann eben nicht im Rückzug eines Partners gesehen werden, sondern nur im gemeinsamen solidarischen

Disput um die besten Lösungsmöglichkeiten, auch wenn dieser heftig und keinesfalls harmonisch verläuft: Dem kulturellen Diskurs ist eigen, dass er oft konfliktreich, kon-trovers und spannungsgeladen erfolgt. Er lebt von der Auseinandersetzung.

In den Worten von Pb 6a zeigt sich die dafür notwendige konfliktbewusste und konfliktge-willte Verantwortungsbereitschaft: „Man muss nicht wissen, wem, wann und wie man seine Erfahrungen weitergeben kann, sondern die Offenheit konservieren: es auch dann zu versu-chen, wenn man es selbst für angemessen hält und bereit sein, dass diese Angemessenheit nicht geteilt wird“.

Diese Aussage zeugt von einer hohen Bereitwilligkeit, sich nicht in einem beliebigen, har-monischen Nebeneinander, sondern mit einer durchaus auch dissonanten, auf jeden Fall aber andersartigen, nicht sofort eingängigen, vielleicht sogar gegensätzlichen Stimme zu einem po-lyphonen Kanon beizutragen. Sie zeugt von einem antiprivatistischen, weil persönlich nicht kommoden, nicht bequemen, dafür aber gesellschaftsorientierten Willen, sich mit seinen Fä-higkeiten und seinem Wissen in den Gestaltungsprozess von Gegenwart und Zukunft einzu-bringen. Sie verdeutlicht einen Beteiligungswillen, der in der Expertise „Ressourcen älterer und alter Menschen“ unter dem Begriff der „Generativität“ verstanden wird: „Engagement und erlebte Mitverantwortung für jüngere Generationen, sowie Identifikation mit deren Ent-wicklung bilden Grundlage für die Verwirklichung der Potentiale des Alters. In den Bezie-hungen zu jüngeren Menschen können Lebenserfahrungen und Lebenswissen, die im Beruf gewonnenen Erfahrungen und ausgebildeten Strategien, sowie die eigenen Formen der Ausei-nandersetzung mit Aufgaben und Belastungen weitergegeben werden. Die gelungene Weiter-gabe ist auch in die Fähigkeit gebunden, die eigenen Erfahrungen, Überzeugungen und Werte anzubieten, jedoch nicht aufzudrängen“ (Schmitz-Scherzer et al. 1993:56).

Schlüsselformulierung dieser Aussage sind die Worte „in den Beziehungen“: Kein Erbe, kein „sachlicher“ („objektiver“) Wert wird weiter-, gar abgegeben, kein „cultural pa-ckage“ wird geschnürt und gebündelt der nächsten Generation aufgebürdet, sondern die spezifischen, kulturell relevanten Alterspotentiale werden als diskursives Angebot zur Prozessgestaltung verstanden und eingebracht. Generativität kann nur so, nur pro-zessual, d.h. in einem gemeinsamen (gedanklichen oder handelnden) Gestaltungsverlauf und nur interaktiv, also mit- oder gegeneinander, nicht aber nebeneinander wirksam werden.

„Mein kulturelles Interesse wird immer dann befriedigt, wenn ich die Gelegenheit bekomme, meine Gedanken mit denen von anderen Menschen zu vergleichen“, schreibt der junge Pro-band 1j, „Interesse und Aktivität sind ‚interaktiv‘, ... die Befriedigung ist dabei weder an Lo-kalitäten noch an bestimmte Personengruppen gebunden ... Neugier treibt voran und zündet den kreativen Funken. Kultur entsteht dabei im Kopf.“ Interessanterweise bedient er sich der sprachlich ungewöhnlichen, aber bezeichnenden Wendung des Gedanken -„Vergleiches“ und nicht der sprachlich üblicheren Wendung des Gedanken -„Austausches“, der zunächst nur die Bedingung, die Voraussetzung (vgl. Veelken, s.u.) zu einem „Vergleich“ darstellt: Über Ge-dankenaustausch (Kommunikation), so erkennt der junge Mann, kann ein „Vergleich“ von höher- oder geringerwertigen Lösungen stattfinden, kann ein kulturelles Interesse befriedigt werden, etwas Schöpferisches („kreativer Funke“) , Fortschrittliches („treibt voran“) entste-hen: Nur der interaktive Prozess generiert Kulturelles „im Kopf“. Dieser „interaktive Prozess“

wird bei Hoffmann als „verständigungsorientiertes Handeln“ beschrieben (vgl. Abschnitt 11):

Im solidarischen Disput zwischen den Generationen wird Unterschiedliches „verglichen“, auf der Suche nach den besten Lösungen unter einer Vielfalt von Aspekten. Das verlangt von den Älteren, sich den intergenerationellen Auseinandersetzungen zu stellen, ihre Spezifika an Kompetenzen nicht für sich, und so gesellschaftlich nutzlos zu reservieren, sondern sich, mit-samt ihrem „Schatz“ an Alterskompetenzen zu öffnen. Das bedeutet, die Alten müssen sich

mit einem definierenden Teil ihrer ureigenen Persönlichkeit zur Verfügung, zur Kritik stellen:

„Die tiefere persönliche Kommunikation verlangt eine Auseinandersetzung mit Ambivalen-zen und Aggressionen. Das bedeutet Mühe, Berücksichtigung der anderen Person, Arbeit an sich selbst und die Selbstexposition im Dialog“ (Rosenmayr 1996:15). Selbstexposition – das ist eine Aufgabe, die auch und vor allem psychische Kraft erfordert: Mit einer Selbstexpositi-on wird ein sichernder Selbstschutz aufgegeben, es bedeutet, angreifbar und verletzbar zu werden. Doch kann nur so, im „selbstdarstellenden“, „selbstäußernden“ Akt der intergenerati-onellen Kommunikation eine Generativität vermittelt werden. Nur die „Selbstexposition im Dialog“ kann Voraussetzung sein zu einem Gedanken-Vergleich. In der distanzierten „Reser-viertheit“ eines (Selbst-)Schutzschildes kann keine Entwicklung stattfinden, weil keine inner-persönlichen, spezifischen Gedanken-Anstöße gegeben und auch nicht angenommen werden können. Nur in der Selbstexposition „können die einzelnen, im Leben gemachten Erfahrungen sinnvoll zusammengeführt werden, um auch Mitmenschen profitieren zu lassen“. Wie bei Ro-senmayr mit dem Aspekt der Selbstexposition schwierige und anspruchsvolle persönliche Qualitäten verbunden sind, so verlangt auch die junge Probandin 14j von den Alten gleich ganz konkret eine ganze Reihe von Eigenschaften, die ihrer Meinung nach für einen solchen Kommunikationsprozess notwendig sind. Dieser funktioniert ihrer Meinung nach dann, wenn die Alten sich zeigen als „... Menschen, die wissbegierig, mutig, lebensfroh, spontan, flexibel und offen für Neues sind“.

Anders beschrieben werden die Qualitätsvoraussetzungen für ein intergeneratives kommuni-katives Verhältnis beschrieben bei Veelken, sie werden hier nicht nur einseitig den Alten ab-gefordert. Veelken sieht deutlich den notwendigen und gefürchteten Moment der „Selbstex-position“ im intergenerationellen Prozess als eine beidseitige Forderung und fasst ihn unter ein System der „Entgrenzung“ aller an der Kommunikation Beteiligten: „Lebende Organis-men sind der Umwelt gegenüber nicht verschlossen, sondern offen und brauchen diesen Aus-tausch. Der Austausch mit der Umwelt ist Voraussetzung für Umwandlung von Energie, Ma-terie und auch von Informationen. Geschlossene Systeme sind isoliert, ihre Energie nimmt ständig ab“ (Veelken 1990: 111). Als ein biologisch-energetischer Prozess wird hier die inter-generative Auseinandersetzung verstanden – mit der Abkapselung eines daran beteiligten Or-ganismus könnte kein Energiefluss, also keine weitere Entwicklung mehr stattfinden. Der da-raus folgende Status wäre Entwicklungsstillstand, Stagnation. Eine solche Vorstellung wäre für den jungen Probanden Pb 4j eine unangenehme Vorstellung: „Allerdings wünsche ich kei-nen statischen ‚Zustand‘ zu erreichen“, schreibt er in Hinsicht auf seikei-nen Wunsch nach eige-ner Alterkompetenz, „sondern zu permanenter geistiger Aufnahmefähigkeit und Weiterent-wicklung fähig zu sein“. Wie Veelken sieht auch er einen gegenseitigen Austausch zwischen den Generationen als Notwendigkeit an und wird darin unterstützt von Pb 7j: „Erst wenn bei-de ihre Erfahrungen austauschen und zusammenbringen, wird es interessant“. Die junge und die alte Generation werden hier als durchaus gleichberechtigte Partner empfunden, die beide (bereits) Erfahrungen gemacht haben, die erst in der Konfrontation Interessantes bewirken.

Nicht also ist einer (der Alte) der Geber, der andere (der Junge) der Profiteur. In einem sol-chen Fall einer eingleisigen Weitergabe wäre nicht nur der Prozess selbst, sondern damit zu-gleich die Entwicklung der einzelnen Beteiligten beendet – sowohl die Weiterentwicklung des Alten wie des Jungen sind gleichermaßen Voraussetzung und Ziel eines offenen Kommunika-tionsprozess. Pb 13j bezeichnet die Aufnahmebereitschaft der Alten als wesentlich, als „es-sentiell, sich weiter zu entwickeln, nicht still zu stehen und weiter hinzuzulernen.“ Auch Pro-bandin 5j mahnt an, die Weitervermittlung von Lebenserfahrenem nicht als „Paketabgabe“ zu verstehen, sondern den beidseitigen Prozess darin zu erkennen: „Nicht Lebenserfahrung ...

sondern Lernprozess. Lebenserfahrung hört sich irgendwie so endgültig an und so fest/ unbe-weglich. Ich denke, es sollte eher einen Prozess beschreiben, (in der) die Person ... fortwäh-rend lernbereit ist und ihn durch Eigeninitiative unterstützt.“ Im Falle der Nicht-Entgrenzung,

des Nicht-Austausches entsprächen die Alten dem von 10j geschilderten, für einen Kommu-nikationsprozess untauglichen Bild. „Trotz ihrer Lebenserfahrung sind sie engstirnig gewor-den, haben sich an bestimmte Handlungsmuster und eingeschränkte Denkweisen gewöhnt ...

können nur eingleisige Urteile fällen, sind also nicht in der Lage, die verschiedenen Einfluss-faktoren ... zu gewichten und ... zu beurteilen.“ Ein solcher, gegenüber der Umwelt abge-schlossener Organismus wäre vermutlich nicht willens zur intergenerationellen Kommunika-tion (d.h. nicht offen zur Annahme vergleichender Gedanken mit jüngeren GeneraKommunika-tionen), er wäre aber auch dazu nicht in der Lage, denn die Voraussetzung zu intergenerationeller Kom-munikation „liegt in der Überwindung von Selbstabsorption und Stagnation“ (Staudinger/

Baltes 1996: 65).

Diese „Arbeit an sich selbst“ (Rosenmayr) – Selbstexposition, Entgrenzung, Überwindung von Selbstabsorption und Stagnation – ist vermutlichst das schwierigste, was für die Alten im intergenerationellen Disput zu leisten ist.

„Es ist mir ehrlich zu anstrengend“ schreibt - wahrhaftig ehrlich - Pb 17a, und Pb 15a be-fürchtet: „Ich kann es offenbar nicht“. Nicht ganz so endgültig und abschließend, doch sehr skeptisch gegenüber der eigenen Leistungsfähigkeit im anstrengenden intergenerationellen Prozess bekennt Probandin 12a: „... dass ich diesen Dingen auf der Spur bin, sie aber noch nicht unbedingt in meinem eigenen Leben umsetzen kann“ und Probandin 10a schränkt ihre Aussage „Ich bin neugierig auf die Menschen“ selbstkritisch ein mit den Worten ein: „... aber ich bin in diesem Bereich auch wählerischer geworden ... ich möchte auch gehört werden...

Ich meide Menschen, die mir nicht gut zuhören und nicht auf mich eingehen können“.

Das „Outen“ (Selbstexposition, Entgrenzung) stößt dort rasch an Grenzen, wo der Beitrag nicht auf Offenheit stößt, sondern unzufriedenstellend ist, wo er Selbstkorrektur erfordert oder aber auf Gleichgültigkeit stößt.

Entgegen dem verständlichen Wunsch, angesichts eines sich nähernden Lebensendes „Kon-flikte aufzulösen oder mit ihnen Frieden zu schließen“ (Staudinger/ Dittmann-Kohli 1992:

428) müssen, so formuliert auch Schmitz-Scherzer, „die Träger von Lebensjahren ... durchaus weiter an sich arbeiten. Vor jeder besserwisserischen Ratgebung an die Jüngeren ist Selbstre-flexion und Bereitschaft zum Überdenken eigener Positionen erforderlich“, denn die generati-ve Rolle ist nicht „per se gegeben, auch sie muss sich interaktiv bewähren“ (Schmitz-Scherzer 1993: 101).

Eine solche interaktive Bewährung kann nicht, das liegt dem Begriff bereits inne, allein für die Aktion der Alten gelten, sondern gilt für alle Prozessbeteiligten, auch für die jüngeren Ge-nerationen. Ihre Aufgabe ist nicht nur die des „Annehmens“, des „Neugier“-entgegen-brin-gens (Pb 3j). Der intergenerative Austauschprozess, der Kommunikationsprozess beinhaltet selbst-verständlich eine Exposition von „jungen“ kulturellen Haltungen und Gedanken ebenso wie von „alterspezifischen“ – denn sonst könnte kein „Gedanken-Vergleich“ (Pb 1j) stattfin-den. „Jüngere, Mittelalterliche und Ältere haben zugleich Gebende wie auch Nehmende zu sein“ (Lehr 1998: 43). Intergenerationelle Zukunftsplanung und –gestaltung besteht für alle beteiligten Generationen eben „nicht ausschließlich darin, die eigenen Ideen und Handlungen anderen ... zu vermitteln“ (Höpflinger 2001: 5), sondern in der Offenheit, die eigenen Vorstel-lungen zu überprüfen und möglicherweise zu korrigieren. Im kulturellen, intergenerationellen Prozess „geht es nicht primär darum, unverbindliches Verständnis zu artikulieren“, sondern Intergenerationalität „lebt von Diskrepanzerlebnissen, Kontroversen und vom Streit ... alters-heterogen ... können Jüngere von Älteren lernen; aber selbstverständlich auch die heute Alten von den heute Jungen“ (Eierdanz 1997: 229/230).

11.2.3 Zusammenfassung: Bedingungen der Verwirklichung von kultureller

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