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Reichspolitische Bedeutung des Bundes

KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

J. H EIDELBERGER B UND (1553-1556)

6. Reichspolitische Bedeutung des Bundes

Der Heidelberger Bund diente weniger zur Ausgestaltung des Binnenverhältnisses der Bundesstände untereinander; vielmehr kam - und das entsprach der Zielsetzung seiner Gründer - dem Außenverhältnis, das heißt, der Beziehung des Bundes zu Kaiser und Reich eine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der gescheiterte Versuch der Bundesmitglieder, zwischen Albrecht Alkibiades und den fränkischen Bischöfen zu vermitteln, hat aber wesentlich einen reichspolitischen Aspekt und das Mißlingen dieses Versuchs darf nicht, wie es Bernhard Sicken tut, als Ausdruck einer passiven Haltung der Bundesmitglieder in den wichtigen Fragen der Reichspolitik mißverstanden werden - etwa weil der Bund in erster Linie dem Selbstschutz der verbündeten Fürsten und ihrer Territorien diente.805 Im Gegenteil: die Friedensinitiative und das persönliche Zusammentreffen wichtiger Reichsfürsten in Heidelberg besaß schon deswegen Gewicht, weil vom Kaiser, dessen originäre Aufgabe die Vermittlung zwischen Albrecht Alkibiades und den fränkischen Bischöfen gewesen wäre, in dieser Phase keine durchschlagenden Initiativen zur Lösung der drängenden Probleme im Reich ausgingen.806 Auch der Reichstag als Forum, auf dem die virulenten Konflikte besprochen und eventuell hätten gelöst werden können. entfiel, weil Karl V. bis 1555 keinen Reichstag einberief,807 obwohl er dies im Passauer Vertrag zugesichert hatte, und ein Reichstag bereits seit Ende des Jahres 1552 erwartet worden war. Die Bewahrung des Reichsfriedens auf der Grundlage des Passauer Vertrages aber war ja gerade ein vorrangiges reichspolitisches Ziel des Heidelberger Bundes, und der Bund dürfte damit wesentlich zur Etablierung und Anerkennung des Passauer Vertrages

Fessler, 30. X. 1555, Druffel, Bd. 4, S. 752; generell dazu: Hans Rott, Friedrich II. von der Pfalz und die Reformation, Heidelberg 1904, S. 120f.

803Vgl. dazu die württembergische Instruktion (8. IV. 1556) für den Wormser Bundestag, Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 4, S. 49. Nach dem Ende des Heidelberger Bundes verkündete Christoph v. Württemberg, sich nie mehr mit >Pfaffen oder Mönchen< in einen Bund einzulassen, Walter Goetz, Beiträge zur Geschichte Herzog Albrechts V. und des Landsberger Bundes, München 1898, S. 26f.

804Das Bundesarchiv wurde nach Frankfurt/Main verschickt, wo es von den Mitgliedern gesichtet wurde. Die Rechnungen des Bundes wurden in Frankfurt verwahrt, die übrigen Akten und Urkunden wurden verbrannt; Stumpf, Diplomatische Geschichte des Heidelberger Fürstenvereins, S. 299-302. - Nach der Liquidierung des Bundes wurde der verbliebene Rest des großen Vorrats den Bundesmitgliedern anteilig ausbezahlt. Zasius veranlaßte daraufhin, das habsburgische Geld „in den neupüntischen vorrat zu tranferieren“ (19. VII. 1556, Druffel, Bd. 4, S. 767, Anm. 1); gemeint war der Landsberger Bund.

805Sicken, Heidelberger Verein, S. 345.

806Zu den vielfältigen Problemen, über die beratschlagt werden sollte, vgl. den Brief Christophs v. Württenberg an Albrecht v. Bayern, 21. I. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 12-14, bes. S. 13.

beigetragen haben.808 Gleichzeitig verhinderte der Heidelberger Bund das kaiserliche (Memminger) Bundesprojekt und schwächte dadurch zusätzlich die kaiserliche Stellung im Reich.

Die reichspolitische Bedeutung des Bundes wird zudem erkennbar in der Tendenz der weltlichen Fürsten, anstehende Probleme untereinander, ohne die Mitsprache anderer Stände lösen zu wollen.

Die gemeinsame Verständigungsgrundlage bildete neben den ständisch-fürstlichen Interessen die Sicherung des Friedens auf der Grundlage des Passauer Vertrages.809 Insofern bezog der Heidelberger Bund reichspolitisch eindeutig und einflußreich Position.

Nach Ansicht Christophs von Württemberg war die Exekution der vom Kammergericht ausgesprochenen Acht Aufgabe der Reichskreise und nicht des Heidelberger Bundes.810 Die Nichtvollziehung der Kammergerichtsmandate entsprang jedoch weniger verfassungsrechtlichen Überlegungen über den Exekutionsvorrang der Reichskreise, sondern vielmehr dem Wunsch der Pfalz, Württembergs und Mainz`, nicht in die fränkischen Auseinandersetzungen verwickelt zu werden;811 hinzu kamen die konfessionspolitischen Überlegungen Württembergs und der Pfalz.

Diese wollten das konfessionelle Problem samt dem daraus resultierenden Mißtrauen im Rahmen des Reichstags verhandeln und lösen;812 auf diesem Gebiet reklamierte der Bund keine Kompetenzen, und er stellte in dieser Hinsicht auch keine Konkurrenz zum Reichstag dar,813 sondern war vor allem Ausdruck der Unsicherheit der meisten Reichsstände angesichts der reichspolitischen Untätigkeit des Kaisers.

807Nach dem Scheitern des Memminger Bundes wollte Karl V. dem Egerer Bund beitreten und plante, den Egerer mit dem Heidelberger Bund zu verschmelzen, vgl. dazu den Brief Karls V. an Christoph v. Württemberg, 19.

VIII. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 243f.

808Folgerichtig suchte Moritz von Sachsen den Anschluß an den Heidelberger Bund, und man beschloß eine gemeinsame militärische Zusammenarbeit zur Friedenswahrung, ohne daß jedoch Moritz, der seinen Handlungsspielraum nicht einengen wollte, dem Bund beitrat; vgl. Protokoll der Verhandlungen, die vom 2.-4. IV. 1553 in Neuschloß bei Lampertheim stattfanden, Druffel, Bd. 4, S. 106-108.

809Die Berufung auf den Passauer Vertrag stellt für Bernhard Sicken, Heidelberger Verein, S. 369, keine Neuerung dar, denn „ebensowenig war damit einer Entscheidung des seit Ende 1552 erwarteten Reichstags in der Religionsmaterie vorgegriffen, weil das Reichsrecht selbstverständlich die Bundessatzung brach“. Diese formaljuristische Betrachtungsweise, die von den heutigen Verfassungsverhältnissen ausgeht (Art. 31 GG:

„Bundesrecht bricht Landesrecht“), wird den damaligen Verhältnissen jedoch insofern nicht gerecht, weil mit der Anerkennung des Passauer Vertrages durch wichtige alt- und neugläubige Reichsstände der Kaiser die Passauer Bestimmungen schwerlich revidieren konnte; die Ergebnisse des Augsburger Reichstages von 1555 zeigen dies.

810Sicken, Heidelberger Verein, S. 383.

811Sicken, Heidelberger Verein, S. 355.

812Vgl. dazu die Verhandlungen auf dem Heidelberger Bundestag, 20.-28. III. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 72-90, hier S.

82f., 86.

Nach den Plänen Herzog Christophs freilich, sollte der Heidelberger Bund zum Kristallisationspunkt einer antikaiserlichen respektive kaiserlosen Politik der Reichsfürsten werden. So sollte der Mainzer Kurfürst in seiner Funktion als Reichserzkanzler die Kurfürsten „sampt anderen schidlichen fürsten“814 zu einem Fürstentag einberufen, auf dem die drängenden Probleme des Reiches erörtert werden sollten: Herstellung und Aufrichtung des Friedens im Reich, Bestätigung des Passauer Vertrages, Verhältnis zu Frankreich (geplant war sogar die Rückführung von Metz, Toul und Verdun ins Reich). Der bayerische Herzog sprach sich allerdings gegen die Vorschläge Christophs aus, denn ein solcher Fürstenkonvent, der ohne Beteiligung des Kaisers an die Stelle des Reichstages treten würde, würde den Kaiser brüskieren und mißtrauisch machen, und zudem wäre eine derartige Initiative dem Mainzer Kurfürsten nicht zuzumuten.815 Christoph von Württemberg, unterstützt vom Pfälzer Kurfürsten, ließ seine Pläne jedoch nicht sofort fallen, sondern wollte nun König Ferdinand dazu bewegen, den avisierten Fürstenkonvent einzuberufen.816 Deutlich artikuliert wird hier der Wille Christophs, die anstehenden Probleme des Reiches durch die mächtigen weltlichen Fürsten zu lösen, und zwar unabhängig vom Reichstag und dessen Kuriensystem.817

Insbesondere die Aufgabe der regionalen Landfriedensexekution sollte nach dem Willen Herzog Christophs maßgeblich von den weltlichen Fürsten übernommen werden. Hierbei boten sich in besonderem Maße die Reichskreise an, in denen die weltlichen Fürsten über größere Einflußmöglichkeiten verfügen konnten als auf dem Reichstag. Nach dem Ende des Heidelberger Bundes hat sich Christoph von Württemberg tatsächlich verstärkt auf den schwäbischen Reichskreis konzentriert, den er unangefochten dominieren konnte, weil die Habsburger mit ihren

813Auch Zasius faßte die Beratungen des Heidelberger Bundes, in denen sämtliche aktuellen Probleme des Reiches erörtert wurden, als Ersatz für den vom Kaiser noch immer nicht einberufenen Reichstag auf, Brief an Ferdinand, 27. III. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 98-101, hier S. 99.

814Gedacht war wohl neben Bayern, Jülich und Württemberg vor allem an Hessen, Schreiben Hz. Christophs an Hz. Albrecht, 14. II. 1554, Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 2, S. 407-410, hier S. 408.

815Hz. Albrecht an Hz. Christoph, 18. II. 1554, Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 2, S. 410, Anm. 2.

816Zasius berichtete am 19. III. 1554 sowohl Ferdinand als auch dessen Sohn Maximilian über seine Unterredung mit Hz. Christoph, wonach der Hz. vorgeschlagen habe, daß Ferdinand einen Fürstentag am Rhein abhalten solle, zu dem außer den Kurfürsten Bayern, Jülich, Württemberg, Hessen, evt. die Pfalzgrafen Hans und Wolfgang sowie die Bischöfe v. Augsburg, Münster und Speyer eingeladen werden sollten;

Druffel, Bd. 4, S. 406-410. Vgl. dazu: Philipp v. Hessen an August v. Sachsen, 28. II. 1554, über die Kurpfälzer Bemühungen um einen Fürstentag, Druffel, Bd. 4, S. 383; Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 4, S. 408, Anm. 1.

817So verwundert es nicht, daß der Heidelberger Bund insbesondere während seiner Gründungsphase durchaus skeptisch hinsichtlich seiner Rolle im Reich betrachtet wurde: „Es sicht uns schir dafür an, das dise Kur- u.

Fen für die angesehen werden wollen, die das reich hinfuro regieren oder die besten darin sein wollen, dieweil sie sich vermoten, andere Kur- u. Fen und stend im reich seien under ainander zertrent und verhast“; Brief Markgraf Albrechts Alkibiades an Moritz v. Sachsen, 21. III. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 90f.

vorderösterreichischen Gebieten nicht dem schwäbischen Reichskreis angehörten.818 Der württembergische Herzog gehörte dann auch 1554 zu den maßgeblichen Initiatoren, die dafür sorgten, daß 1555 den Reichskreisen die Landfriedensexekution übertragen wurde.819 Zugleich erwuchs dadurch den Landfriedensbünden Konkurrenz in Form einer Reichsinstitution.

818Die unangefochtene Dominanz Württembergs im schwäbischen Reichskreis hat schon Zasius 1554 beargwöhnt (Brief an Ferdinand, 16. IX. 1554), Druffel, Bd. 4, S. 529f. Generell dazu Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 236-243.

819Ausführlich dazu Kap. IV/A.

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