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Vor allem am Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen umfangreiche Quellenpublikationen, die eine wahre Fundgrube an gedruckten Quellen bilden. An erster Stelle sind hier die von August von Druffel herausgegebenen Beiträge zur Reichsgeschichte zu nennen,46 in denen vor allem die bayerische Überlieferung verwertet wurde. Aufschlußreich für die württembergische Politik ist der von Viktor Ernst herausgegebenen Briefwechsel Herzog Christophs.47 Wichtige Einblicke in das Handeln eines oberschwäbischen Mindermächtigen vermittelt die Korrespondenz Gerwig Blarers, des Abts von Weingarten und Ochsenhausen;48 die reichsstädtischen Aktivitäten sind in der politischen Korrespondenz der Stadt Straßburg bestens dokumentiert.49 Für die Korrespondenz Karls V. ist die Edition von Karl Lanz noch immer unentbehrlich.50 Daneben existieren spezielle Quellensammlungen zum Schwäbischen, Schmalkaldischen und Landsberger Bund.51 Herangezogen

45Diese Zweitüberlieferung ist zurückzuführen auf die Erschließung der politischen Korrespondenz Kaiser Karls V. durch Horst Rabe und seine Mitarbeiter. Sowohl die Benutzung der Konstanzer Zweitüberlieferung als auch die der Erschließungslisten der Korrespondenz stellen eine enorme Arbeits- und Zeitersparnis dar.

Vgl. dazu Horst Rabe (Hg.), Karl V. Politische Korrespondenz. Briefe und Register, 20 Bde., Konstanz 1999.

46Beiträge zur Reichsgeschichte, Bde. 1-3; Bd. 4 ergänzt u. bearb. v. Karl Brandi (= Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts mit besonderer Rücksicht auf Baierns Fürstenhaus 1-4) München 1873-1896.

47Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtemberg, 4 Bde., Stuttgart 1899-1907.

48Gerwig Blarer, Abt von Weingarten (1520-1567). Briefe und Akten, bearb. v. Heinrich Günter, 2. Bde. (=

Württembergische Geschichtsquellen 16, 17), Stuttgart 1914-1921.

49Politische Correspondenz der Stadt Straßburg im Zeitalter der Reformation, 5 Bde., Straßburg/Heidelberg 1882-1933.

50Karl Lanz (Hg.), Correspondenz des Kaisers Karl V., 3 Bde., Leipzig 1844-1846, ND Frankfurt/Main 1966. Die politische Korrespondenz des Kaisers ist durch die von Horst Rabe herausgegebenen Brieflisten erschlossen, s. o.

51Karl Klüpfel (Hg.), Urkunden zur Geschichte des Schwäbischen Bundes, 2 Bde., Stuttgart 1846-1853; Ekkehard Fabian (Hg.), Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes und seiner Verfassung 1524/29-1531/35 (=

Schriften zur Kirchen- und Rechtsgeschichte 1), 2. Aufl. Tübingen 1962; ders. (Hg.), Die Schmalkaldischen Bundesabschiede, Bd. 1: 1530-1532, Bd. 2: 1533-1536 (= Schriften zur Kirchen- und Rechtsgeschichte 7, 8), Tübingen 1958; Walter Goetz (Hg.), Beiträge zur Geschichte Herzog Albrechts V. und des Landsberger Bundes 1556-1598 (= Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts mit besonderer Rücksicht auf Baierns Fürstenhaus 5), München 1898.

werden außerdem noch die älteren Quellensammlungen der Reichspublizistik,52 in denen - allerdings sehr verstreut - viele der einschlägigen Bundesordnungen und -abschiede abgedruckt sind.

52Johann Philipp Datt (Hg.), Volumen rerum Germanicarum novum sive de pace imperii publica, Ulm 1698; Johann Christian Lünig (Hg.), Teutsches Reichsarchiv, 24 Bde., Leipzig 1710-1722; Friedrich Hortleder, Der Römischen Keyser und königlichen Majestete [...] Handlungen und Ausschreiben [...] von Rechtmässigkeit/Anfang/Fort- und endlichen Ausgang des Teutschen Kriegs etc., 2 Bde., 1. Aufl., Frankfurt/Main 1617-1618; Franz Domenicus Häberlin, Neueste Teutsche Reichs-Geschichte, Bd. 17, Halle 1785; Johann Heinrich Harpprecht, Staats-Archiv des Kayserl. und des h. Röm. Reichs Cammer-Gerichts, 6 Bde. Ulm und Frankfurt/Main 1757-1768; Nikolaus J. v. Hontheim, Historia Trevirensis diplomatica et pragmatica ..., Bd. 2, Augustae Vind. et Herbipoli 1750; Friedrich Carl Moser, Sammlung des Heiligen Römischen Reiches sämtlicher Crays-Abschiede und anderer Schlüsse etc., 1. Theil, Leipzig 1747; Johann Jacob Schmauss, Corpus Juris Publici S. R. Academicum etc., Leipzig 1774, ND Hildesheim 1973.

Kapitel II

Landfriedensbünde des 16. Jahrhunderts

A. Der Schwäbische Bund (1488-1534)

53

1. Die Gründung des Bundes und die Region Schwaben

Mitglieder des Schwäbischen Bundes waren bei seiner Gründung Adelige, Prälaten und Städte Schwabens sowie dem Bund zugewandte Fürsten; der Bund war somit eine zwischenständische Einung.

Die Initiative zur Gründung des Bundes war von Kaiser Friedrich III. ausgegangen, der am 26. Juni 1487 ein Mandat an die schwäbischen Stände erließ, wonach diese sich verbinden sollten, um den 1486 auf dem Frankfurter Reichstag beschlossenen zehnjährigen Reichslandfrieden54 in Schwaben mittels einer regionalen Einung umzusetzen. Dem Frankfurter Reichslandfrieden entsprechend sollte der Bund bis 1496 befristet sein. Die schwäbischen Stände erklärten, daß sie „one mittel“55 nur dem Kaiser untertan, also reichsunmittelbar seien,56 und der Kaiser versprach, die ständischen Rechte und Freiheiten der Städte und des Adels gemäß dem Herkommen zu bewahren.

Die Anzahl der reichsunmittelbaren Adeligen, Prälaten und Städte war im Südwesten des Alten Reiches recht groß, denn seit dem Untergang der Staufer war es keiner Macht gelungen, dieses zersplitterte insgesamt Gebiet zu beherrschen. Das so entstandene Machtvakuum konnten auch in

53Wichtigste Literatur und Quellen zum Schwäbischen Bund: Horst Carl, Der Schwäbische Bund (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 24), Leinfelden-Echterdingen 2000 (grundlegend); ders., Eidgenossen und Schwäbischer Bund - feindliche Nachbarn?, in: Die Eidgenossen und ihre Nachbarn im Deutschen Reich des Mittelalters, hg. v. Peter Rück, Marburg 1991, S. 215-265; ders., Der Schwäbische Bund und das Reich - Konkurrenz und Symbiose, in: Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Volker Press/Dieter Stievermann (= Schriften des Historischen Kollegs 23), München 1995, S. 43-63; ders., Landfriedenseinung und Standessolidarität - der Schwäbische Bund und die „Raubritter“, in: Recht und Reich im Zeitalter der Reformation. FS f. Horst Rabe, hg. v. Christine Roll, Frankfurt a. M., 2. Aufl. 1997, S. 471-492; Johann Philipp Datt (Hg.), Volumen rerum Germanicarum novum sive de pace imperii publica, Ulm 1698; Karl Klüpfel (Hg.), Urkunden zur Geschichte des Schwäbischen Bundes, 2 Bde., Stuttgart 1846-1853; Ernst Bock, Der Schwäbische Bund und seine Verfassungen. Ein Beitrag zur Geschichte der Reichsreform (=

Untersuchungen zur deutschen Staats - und Rechtsgeschichte 137), Breslau 1927, ND Aalen 1968; Helmo Hesslinger, Die Anfänge des Schwäbischen Bundes. Ein Beitrag zur Geschichte des Einungswesens unter Friedrich III., Ulm 1970; Adolf Laufs, Der Schwäbische Kreis. Studien über Einungswesen und Reichsverfassung im deutschen Südwesten zu Beginn der Neuzeit (= Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte N.F. 16), Aalen 1971; Siegfried Frey, Das Gericht des Schwäbischen Bundes und seine Richter 1488-1534, in: Mittel und Wege früher Verfassungspolitik, hg. v. Josef Engel (= Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung 9), Stuttgart 1979 S. 224-281.

54Frankfurter Reichslandfrieden vom 17. III. 1486, in: Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250-1500), hg. v. Lorenz Weinrich, Darmstadt 1983, S. 534-538.

55Entwurf der Bundesstatuten (Vergriff der Aynung) der in Eßlingen versammelten Bundesstände vom 28. VII.

1487, in: Klüpfel, Urkunden, Bd. 1, S. 2.

den Jahren vor der Gründung des Schwäbischen Bundes weder die in mehrere Linien geteilten Habsburger noch die Württemberger ausfüllen. Letztere waren nach der militärischen Niederlage gegen die Pfalz (1462) sowie aufgrund der Probleme infolge der Landesteilung vor allem mit internen Problemen beschäftigt.57 Hingegen hatte der Pfälzer Kurfürst von Norden her seinen Einfluß in den Kraichgau und an den Oberrhein vorgeschoben,58 von Osten drängten die bayerischen Herzöge nach Schwaben und ins Allgäu, während von Süden die Schweizer Eidgenossenschaft durch Beziehungen zu Reichsstädten wie Rottweil und Konstanz nach Schwaben einwirkte. Diese politische Landschaft des deutschen Südwestens wurde durch den Schwäbischen Bund nun allerdings grundlegend verändert. Die zuvor bestehenden kleinen lokalen Verbindungen, die zumeist ohne Vernetzung nebeneinander bestanden, wurden durch den Bund und dessen polarisierende Wirkung zu einem weiträumigen landschaftlichen System verbunden.59

Wesentlich blieb dabei stets der regionale Bezug des Bundes zu Schwaben auf das Land zu Schwaben,60 im damaligen Sprachgebrauch verstanden als die Landschaft zwischen dem Lech im Osten, bis zur Südgrenze des Herzogtum Württemberg im Norden und bis zum Hegau und Schwarzwald im Westen.61 Dieses Verständnis des Landes Schwaben schloß das Herzogtum Württemberg aus, umfaßte somit allein die kleinen, mindermächtigen Stände, die das freie Schwaben als Symbol gegen den fürstlichen Territorialstaat bildeten.62 Diese Region stellte zugleich ein Kerngebiet des Reiches dar:63 Hier saß in großer Anzahl der immediate geistliche und weltliche Adel, der die kaiserliche Klientel bildete und im nahe gelegenen Innsbruck, oder auch im elsässischen Regiment der Habsburger in Enisheim, in habsburgische Dienste treten konnte, hier befanden sich eine Vielzahl kleinerer und bedeutender Reichsstädte, in denen die Mehrzahl der Reichstage

56Tatsächlich präjudizierte die Zugehörigkeit zum Schwäbischen Bund die Reichsunmittelbarkeit, Carl, Eidgenossen, S. 255.

57Dazu ausführlicher Carl, Eidgenossen, S. 218-223.

58Volker Press, Die Ritterschaft im Kraichgau zwischen Reich und Territorium 1500-1623, in: ZGO 122 (1974), S. 35-98, hier S. 38.

59Polarisierend deswegen, weil die politischen Kräfte des Raumes sich entweder für oder gegen den Schwäbischen Bund entscheiden mußten, Carl, Eidgenossen, S. 226.

60Carl, Eidgenossen, S. 244; vgl. dazu Klaus Graf, Das „Land“ Schwaben im späten Mittelalter, in: Regionale Identität und soziale Gruppen im deutschen Spätmittelalter, hg. v. Peter Moraw (=ZHF Beiheft 14), Berlin 1992, S. 127-164.

61Göttmann, Die Bünde und ihre Räume, S. 466.

62Göttmann, Die Bünde und ihre Räume, S. 466f.

63Carl, Schwäbischer Bund und Reich, S. 43.

stattfanden, und hier hatten auch Institutionen des Reiches wie das Reichsregiment in Eßlingen ihren Sitz; kurzum hier waren Kaiser und Reich so präsent wie nirgends sonst im damaligen Reich.

Je nach Sichtweise war jedoch unklar, was schwäbisch sei und was nicht. Aus der Perspektive Friedrichs III. gehörte auch der Kraichgau zum Land Schwaben. Folgerichtig forderte er den Kraichgauer Adel auf, dem Schwäbischen Bund beizutreten. Der im wesentlichen zum Kurpfälzer Klientelsystem gehörende Kraichgauer Adel blieb allerdings dem Schwäbischen Bund fern,64 und so entwickelte sich im Kraichgau zunächst kein schwäbisches Bewußtsein. Erst als sich in den 1540er Jahren die Reichsritterschaft formierte, traten die Kraichgauer Ritter der schwäbischen Ritterschaft, dem institutionell am weitesten entwickelten Ritterkanton bei und nicht dem rheinischen, zu dem die pfälzische Region eigentlich gehört.65

Trotz der Betonung der schwäbischen Identität griff der Bund frühzeitig auch nach Franken aus.66 Schon 1488 wurden die fränkischen Markgrafen und der Mainzer Erzbischof aufgenommen. Die weitere Ausdehnung erfolgte ab 1500 nach Osten und Norden mit der Aufnahme Bayerns, Eichstätts, Bambergs und der Pfalz.67 Die politisch und wirtschaftlich zentralen Orte des Schwäbischen Bundes waren hingegen nach wie vor schwäbische: Ulm und Augsburg.68 Der Schwäbische Bund dehnte sich damit nur innerhalb des eigentlichen Reichsgebiets aus - bei Konzentration auf die Region Schwaben. Schon bei der Gründung des Bundes wurde mit Erzherzog Sigismund von Tirol vereinbart, daß er keineswegs Hilfe für seine Länder hinter dem Arlberg und an der Etsch, also Hilfe gegen die Welschen bekäme. Gleichwohl mußte Sigismund den Bund mit den Kräften seiner gesamten Länder unterstützen. Einen weiträumigeren Plan verfolgte dagegen Maximilian anläßlich der Verlängerungsverhandlungen des Bundes von 1500, als er die in habsburgischem Besitz befindliche elsässische Landvogtei und Mailand, um sie effektiver gegen Frankreich schützen zu können, in den Bund aufnehmen lassen wollte. Diese Erweiterungswünsche wurden jedoch von den übrigen Bundesständen abgelehnt.69 Exemplarisch erkennt man an dem Plan Maximilians die weiträumigen nach außen gerichteten dynastischen Interessen der Fürsten, die im

64Klaus Graf, Der Kraichgau. Bemerkungen zur historischen Identität einer Region, in: Die Kraichgauer Ritterschaft in der frühen Neuzeit, hg. v. Stefan Rhein, Sigmaringen 1993, S. 9-46, hier S. 27f.

65Press, Die Ritterschaft im Kraichgau, S. 45-47.

66Carl, Schwäbischer Bund und Reich, S. 46.

67Bock, Schwäbischer Bund, S. 190.

68Press, Vorderösterreich, S. 19. Die städtischen Bundeshauptleute wurden jeweils nur von Ulm und Augsburg gestellt.

69Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 123.

Gegensatz zu den mindermächtigen Bundesständen nicht nur eine regionale Binnenorientierung verfolgten.

Eine vereinheitlichende, nach innen zielende Tendenz kam vor allem dem Bundesgericht zu, das den wegen des Fehlens übergeordneter Gewalten zersplitterten und vielfältigen Rechtsraum des deutschen Südwestens rechtlich ansatzweise vereinheitlichen konnte.70

Das landschaftliche Gefüge innerhalb Schwabens blieb gleichwohl ein kompliziertes politisches, ökonomisches und soziales Geflecht. Dabei spielten die Stadt-Landbeziehungen eine wichtige Rolle.71 Die schwäbischen Städte intensivierten auf regionaler Ebene ihre wirtschaftlichen Kooperationen. So kauften beispielsweise von 1472 -1532/36 die städtischen Weberzünfte gemeinsam das regionale Garn auf und vermieden so preistreibende Konkurrenz; gleiches wurde auch für den Getreidehandel (1491-1540) und den Viehhandel (1542/43) vereinbart.72 Verstärkt wurde dabei auch die Frage nach einer Integration der Herren und Prälaten erörtert. Zu einer solchen zwischenständischen Wirtschaftsplanung kam es im Bereich des Getreidehandels jedoch nur einmal 1530/31. Dabei erwies sich der Schwäbische Bund als institutionelle Klammer, weil durch seine schiedsgerichtlichen Verfahren die Nachbarn häufig zusammen geführt wurden.73

2. Gründungspersonen und Gründungsziele

Die kaiserliche Initiative von 1487 und die damit in Aussicht gestellte Sicherung und Anerkennung der Reichsunmittelbarkeit berührte ein Grundanliegen der schwäbischen Städte und Adeligen, weil sie aufgrund des Ausgreifens der Wittelsbacher nach Schwaben befürchten mußten, den drohenden bayerischen Territorialisierungsbestrebungen zum Opfer zu fallen. Der Kaiser wiederum stärkte mit der erfolgreichen Gründung des Schwäbischen Bundes zum einen seine Autorität und seine Stellung im Reich, weil es ihm gelang, die reichsrechtliche Unabhängigkeit der schwäbischen Mindermächtigen - ohnehin einer traditionellen kaiserlichen Klientel - zu sichern, und er somit seiner originären Aufgabe nachkam, die Reichsglieder zu schützen und die drohende „Entgliederung“74 des

70Frey, Das Gericht des Schwäbischen Bundes und seine Richter, S. 227.

71Rolf Kießling, Die „Nachbarschaft“ und die „Regionalisierung“ der Politik: Städte, Klöster und Adel in Ostschwaben um 1500, in: Europa 1500, hg. v. Ferdinand Seibt u. Winfried Eberhard, Stuttgart 1987, S. 262-278, hier S. 272.

72Kießling, Nachbarschaft, S. 272f.

73Kießling, Nachbarschaft, S. 278.

74Isenmann, Integration, S. 129f.

Reiches zu verhindern. Zum anderen aber kam die Eindämmung der bayerischen Expansionsbestrebungen auch den habsburgischen Hausmachtinteressen Friedrichs III. zugute. Die Wittelsbacher beabsichtigten nämlich, die österreichischen Vorlande und Tirol zu erwerben, um so, eine Landverbindung zwischen ihren bayerischen und pfälzischen Stammländern herzustellen.

Zu der akuten bayerischen Bedrohung trat noch das latente Mißtrauen der Habsburger sowie des schwäbischen Adels (weniger der Städte) gegen die Schweizer Eidgenossenschaft hinzu, die, wie etwa deren Verbindung mit Rottweil zeigt, ebenfalls nach Schwaben einwirkte. Aus Sicht der adeligen Herrschaftsgewalten Schwabens lag diese Bedrohung vor allem in der dezidiert nicht-feudalen Sozialordnung der Schweizer Eidgenossenschaft, die den eigenen (schwäbischen) bäuerlichen Untertanen demonstrierte, daß südlich von Rhein und Bodensee eine funktionierende Ordnung auch ohne adelige Obrigkeit existierte, und zwar eine sowohl militärisch als auch in der Landfriedenssicherung äußerst erfolgreiche Ordnung, was insbesondere die Habsburger bis zum Basler Frieden (1499) immer wieder zu spüren bekamen.

Grundlage für die erfolgreiche Gründung des Schwäbischen Bundes war also die weitgehende Interessensgleichheit der schwäbischen Mindermächtigen und des Kaisers in ihrer Stellung gegen Bayern und - in abgeschwächter Form - gegen die Schweizer Eidgenossenschaft. Der Bund kam auf der einen Seite dem Sicherheitsbedürfnis der schwäbischen Mindermächtigen entgegen und konnte deren rechtlichen und sozialen Status gegen die auswärtigen Bedrohungen sicherstellen. Anderseits gelang es dem in seinen Stammlanden von dem Ungarnkönig Matthias Corvinus bedrohten Kaiser, mit der Gründung des kaiserlichen Bundes zu Schwaben, Tirol und die Vorlande - den bayerischen Bemühungen zum Trotz - bei Österreich zu halten. Des weiteren formierte Friedrich III. die kaiserliche Klientel im alten Königsland Schwaben neu und kehrte politisch aus der östlichen Peripherie in das Reich zurück.75

Auch der Zeitpunkt für die Errichtung des Bundes war unter den jeweiligen Zielsetzungen günstig gewählt: Der Kurfürst von der Pfalz und vor allem die Herzöge von Bayern hatten erst begonnen, ihren Einfluß nach Schwaben hin auszuweiten, und die neben den Habsburgern wichtigste regionale Macht, Württemberg, war nach der Niederlage gegen die Pfalz (1462) sowie aufgrund der Landesteilung mit inneren Problemen beschäftigt und trat damit nicht als Störfaktor auf.76

75Carl, Eidgenossen, S. 239, 243.

76Dazu ausführlich Carl, Eidgenossen, S. 218-223.

Im übrigen bezog sich das Motiv der Einungsmitglieder des Schwäbischen Bundes, den Frieden zu wahren, nicht nur auf den Schutz vor Friedensstörern von außen. Ziel war es auch, „in frid und gemach bey ein ander [zu] seyn“,77 also durch die Bildung einer Friedensgemeinschaft den Frieden untereinander zu wahren.78 Überhaupt lag hierin eine Kernaufgabe des Bundes.

3. Ständische und soziale Zusammensetzung

Bei dem Schwäbischen Bund handelte es sich um eine zwischenständische Einung, in der sich fast sämtliche lokalen Herrschaftsgewalten Schwabens, - Grafen, Herren, Ritter, Prälaten, Fürsten und Städte -, zusammenschlossen. Insbesondere wurden 1488 fast die gesamten Angehörigen des regionalen Adels über den St. Jörgenschild,79 der als Kristallisationspunkt für den niederen Adel fungierte, Mitglieder des Schwäbischen Bundes.80

Der Schwäbische Bund wies dennoch eine sehr hohe Fluktuation - gerade unter den niederadeligen Mitgliedern - auf.81 Möglich wurde diese Fluktuation durch die zeitliche Befristung des Bundes. Zum vereinbarten Fristende konnten Mitglieder ausscheiden; neue Mitglieder konnten freilich jederzeit beitreten.

1488 gehörten der Einung sieben Fürsten, erst 22 - etwas später 26 - Städte, 48 Grafen und Herren, 514 Niederadelige und 27 Prälaten an.82 1496, bei der ersten Verlängerung des Bundes, ging der Anteil der adeligen Mitglieder um mehr als die Hälfte zurück: 23 Grafen und Herren, 208 Niederadelige sowie 20 Prälaten und nur noch 17 Städte gehörten nun mehr der Einung an, während

77Mandat Friedrichs III. zur Gründung des Schwäbischen Bundes an die schwäbischen Stände (1487), Klüpfel, Urkunden, Bd. 1, S. 9.

78Hesslinger, Anfänge, S. 89.

79So wird die „Rittergesellschaft mit St. Jörgenschild“ hier im folgenden abgekürzt.

80Einen so hohen Organisationsgrad wie in der Einungsperiode von 1488-1496 hat der St. Jörgenschild davor und danach nie mehr erreicht, Horst Carl, Vom Appenzellerkrieg zum Schwäbischen Bund - Die Adelsgesellschaften mit St. Georgenschild im spätmittelalterlichen Oberschwaben, in: Appenzell - Oberschwaben. Begegnungen zweier Regionen in sieben Jahrhunderten, hg. v. Peter Blickle und Peter Witschi, Konstanz 1997, S. 97-132, hier S. 118.

81Carl, Eidgenossen, S. 249.

82Zahlenmaterial übernommen von Carl, Der Schwäbische Bund: Die 7 Fürsten waren: Erzhz. v. Österreich für Tirol und die Vorlande, Gf. (seit 1495 Hz.) v. Württemberg, Mgf. v. Brandenburg, Mgf. v. Baden, Bf. v.

Augsburg, Erzbf. v. Mainz, Erzbf. v. Trier. Die 22 Städte waren: Ulm, Eßlingen, Reutlingen, Überlingen, Lindau, Schwäbisch Hall, Nördlingen, Memmingen, Ravensburg, Schwäbisch Gmünd, Biberach, Dinkelsbühl, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Isny, Leutkirch, Giengen, Wangen, Aalen, Weil der Stadt, Bopfingen, nachträglich traten noch Augsburg, Heilbronn, Wimpfen und Donauwörth bei, so daß sich die Anzahl der Städte auf 26 erhöhte.

die Anzahl der Fürsten mit sieben konstant blieb.83 Bei den folgenden Verlängerungen des Schwäbischen Bundes in den Jahren 1500, 1512 und 1522 sollte die Anzahl der Städte im Bund fast gleich bleiben,84 die der Fürsten ansteigen,85 jedoch die Anzahl der sonstigen adeligen Mitglieder drastisch sinken, bei nahezu gleichbleibender Anzahl der Prälaten: 1500: 15 Grafen und Herren, 50 Niederadelige und 22 Prälaten - 1512: 6 Grafen und Herren, 31 Niederadelige und 24 Prälaten - 1522: 6 Grafen und Herren, 28 Niederadelige und 22 Prälaten.86

Ursache für diesen signifikanten Rückgang des mindermächtigen Adels im Bund war die zunehmende Dominanz der weltlichen Fürsten, die ihre oftmals weitgesteckten kostspieligen dynastischen Interessen in den Bund hineintrugen.87 Die Interessen des mindermächtigen Adels hingegen galten vor allem dem lokalen Bereich; sie wollten bei Sicherung der eigenen rechtlichen und sozialen Freiheiten mit möglichst geringem finanziellen Aufwand in Frieden nebeneinander sitzen.88 Wie unattraktiv der Bund für Teile des niederen Adels geworden war, zeigte sich schon nach der Niederlage des Schwäbischen Bundes im Schweizer- oder Schwabenkrieg (1499), als sich der Hegauadel, der besonders unter den Verwüstungen der Schweizer gelitten hatte, geschlossen aus dem Schwäbischen Bund zurückzog, weil der Bund nicht für die Sicherheit seiner Mitglieder hatte sorgen können und auch die Entschädigungsfrage innerhalb des Bundes nicht gelöst werden konnte.89

Nachdem dann 1500 sogar Albrecht von Bayern Mitglied des Schwäbischen Bundes geworden war, stellte Bayern keine akute Bedrohung mehr dar. Damit ging auch ein wesentliches Motiv des Zusammenschlusses verloren, weshalb immer weniger Adelige bereit waren, die hohen Mitgliederbeiträge zu leisten, und den Bund verließen.

83Der Erzbischof v. Trier gehörte nicht mehr dem Bund an, dafür trat der Bischof v. Konstanz bei.

841500: 27 sowie Nürnberg, Windsheim, Weißenburg und Straßburg - 1512: 27 - 1522: 29.

851500: 9 = Österreich für Tirol und Vorlande, Bayern-München, Württemberg, Mgf. v. Brandenburg, Baden, Augsburg, Mainz sowie ab 1504 ohne Stimme im Bundesrat Hessen, Trier.

1512: 9 = Österreich für Tirol und Vorlande, Bayern, Mgf. v. Brandenburg, Augsburg, Eichstätt, Bamberg, Konstanz, Mainz sowie ab 1519 ohne Stimme im Bundesrat Hessen.

1512: 9 = Österreich für Tirol und Vorlande, Bayern, Mgf. v. Brandenburg, Augsburg, Eichstätt, Bamberg, Konstanz, Mainz sowie ab 1519 ohne Stimme im Bundesrat Hessen.

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