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KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

E. K ATHOLISCHER B UND VON N ÜRNBERG (1538-1549)

3. Innere Struktur des Bundes

In einem Nebenvertrag vom 10. Juni 1538 wurden die wesentlichen Ziele und Absichten der Einungsverwandten aufgeführt: Die Glaubensspaltung schwäche das Reich, was von den äußeren Feinden (namentlich werden nur die Osmanen, nicht aber Frankreich genannt) ausgenutzt werde. In dieser bedrohlichen Situation hätten die Protestanten mit der Gründung des Schmalkaldischen Bundes noch mehr Irrungen im Reich hervorgerufen. Zur Handhabung des Friedens und des Rechts sowie zur Wahrung des Nürnberger Anstands und zum Schutz der wahren christlichen Religion und Zeremonien sei deshalb die christliche Einung gegründet worden.416 Der Bund diene als „Einigung defensivè“417 nur der Verteidigung; ein Überfall auf die Protestanten sei nicht geplant. Der Verteidigungsfall trete bei religiös motivierten Überfällen ein (§ 9), aber auch bei

413Wie sehr dieses Dilemma Paul III. verfolgte, zeigte sich im Schmalkaldischen Krieg, als er seine Truppen und Gelder in dem Moment der kaiserlichen Verfügung entzog, als sich abzeichnete, daß Karl V. einen überwältigenden Sieg erringen würde.

414Von päpstlicher Seite wurde der katholische Bund als ein Instrument zur gewaltsamen Rekatholisierung Deutschlands betrachtet: Das Kammergericht solle gemäß der alten Ordnung Recht sprechen, der Bund hätte dann für die Exekution der Urteile zu sorgen, Unterredung der päpstlichen Gesandten Cervini und Farnese mit Granvelle, 12. V. 1540, Cardauns, NB, I/5, S. 241f.; S. LXXVI.

415Förmlicher Antrag Ferdinands an die Kurie, Juli 1540, anläßlich der Neubesetzungen der Bistümer Trier und Würzburg, Pfeilschifter, ARC, Bd. 3, S. 177, Anm. 247; Brief Ferdinands an Karl, Hagenau, 29. VII. 1540, Cardauns, NB, I/6, S. 356.

416Deutlich wird die spezifische gesellschaftspolitische Überzeugung der katholischen Partei: Der Protestantismus führe zur „Auflösung aller Ordnung stiftenden, vertikalen und horizontalen Beziehungen und Bindungen innerhalb eines Gemeinwesens [...]. Anders gewendet heißt dies, daß die Rechtgläubigkeit aller Mitglieder eines politischen Systems als konstitutives Element der politischen Ordnung aufzufassen war“; Luttenberger, Glaubenseinheit und Reichsfriede, S. 44.

Landfriedensbrüchen und Überfällen von Mitgliedern des Schmalkaldischen Bundes oder von eigenen Untertanen auf Angehörige des Nürnberger Bundes (§ 10). Jedoch sollten Konflikte mit dem Schmalkaldischen Bund durch die Bundesobersten und -räte zuerst versuchsweise gütlich beigelegt werden (§ 12). Als reiner Verteidigungsbund sollte von den Bundesmitgliedern mit Ausnahme bestehender Erbeinungen und Bünde niemand ausgenommen werden.418 Der Bund war auf elf Jahre befristet, organisatorisch in eine oberdeutsche und eine sächsische Provinz geteilt und auf Deutschland, ohne die Niederlande, beschränkt (§ 15). Zusammen mit den geistlichen Fürsten sollten auch deren Domkapitel den Beitritt unterzeichnen und besiegeln, damit diese die nachfolgenden Bischöfe zum Beitritt verpflichteten (§19).

Die genannten Bestimmungen des Nebenvertrags wurden in der Bundesordnung organisatorisch ausgestaltet. Festgelegt wurde hier, daß die Habsburger ein Viertel der Gesamtkosten des Bundes tragen sollten (§ 23). Neben einem Vorrat wurde eine gemeinsame Anlage eingeführt, von der sowohl die allgemeinen Kosten der Einung als auch Wartegelder für Soldaten bezahlt werden sollten (§§ 26, 27). Zu den Bundesobersten wurden Ludwig von Bayern für die oberdeutsche und Heinrich von Braunschweig für die sächsische Provinz bestimmt (§ 2).419 Wie im Neunjährigen Bund erhielt jedes fürstliche Mitglied eine Stimme und stellte damit einen Bundesrat in der Bundesversammlung.420 Mandate des Bundes sollten - wie beim Schwäbischen Bund, der explizit genannt wird - im Namen des Kaisers ergehen (§ 29). Das Stimm- und Mitspracherecht neuer Mitglieder sollte standesgemäß festgelegt werden (§ 21)421.

Anders als dem Schwäbischen standen dem Nürnberger Bund keine bestellten Hauptleute vor, sondern Fürsten im Range von Bundesobersten.422 Vorbild war hier sicherlich der Schmalkaldische

417Hortleder, Handlungen und Ausschreiben, Bd. 1, VIII, Kap. 14, § 4, S. 1344.

418Nebenvertrag vom 10. VI. 1538, Hortleder, Handlungen und Ausschreiben, Bd. 1, VIII, Kap. 14, § 13, S. 1346.

Kardinal Albrecht von Mainz trat deshalb nur mit seinen Stiftern Magdeburg und Halberstadt dem Bund bei, weil er als Mainzer Erzbischof Mitglied der Rheinischen Einung war und deren Mitglieder hätte ausnehmen müssen, insbesondere Philipp v. Hessen, Kopf des Schmalkaldischen Bundes, gegen den sich ja vor allem der Nürnberger Bund richtete.

419Mitglieder der oberdeutschen Provinz waren: Karl V., Ferdinand, der Ebf. v. Salzburg und die beiden bayerischen Herzöge; der sächsischen Provinz gehörten an: Erich und Heinrich v. Braunschweig, Georg v.

Sachsen sowie Albrecht als Ebf. v. Magdeburg und Bf. v. Halberstadt.

420Die bayerischen stellten ebenso wie die beiden braunschweigischen Herzöge nur einen Bundesrat, die Habsburger hingegen zwei. Insgesamt gab es somit sieben Bundesräte.

421Mit Beitritt der oberschwäbischen Mindermächtigen wurde den Prälaten, Grafen und Herren gemeinsam ein Bundesrat und damit eine Stimme zugestanden; die Ritter erhielten ebenfalls einen stimmberechtigten Bundesrat, Bundesabschied, Pilsen, 12. II. 1539, Bucholtz, Bd. 9, S. 373.

422Die Bundesobersten leiteten die Sitzungen des Bundesrates ihrer Provinz und waren für die Aufnahme neuer Mitglieder zuständig, Nürnberger Bundesabschied, 12. VI. 1538, Bucholtz, Bd. 9, S. 369.

Bund. Dahinter stand vor allem die Absicht der weltlichen Fürsten - anders als im Schwäbischen Bund -, permanent und direkt Einfluß auf die bündischen Entscheidungen und Strukturen nehmen zu können. Der Schwäbische Bund hatte ja eine potentielle Gefährdung des dynastischen Territorialstaates dargestellt, der von einer einheitlichen sozialen Gruppe, dem niederen Adel, geleitet wurde und die große Unterstützung des Kaisers genoß.

In den katholischen Bund konnten die Habsburger - anders als in den Neunjährigen Bund - ihre oberschwäbische Klientel nachziehen,423 deren Angehörige mit Hugo von Montfort und Ulrich von Schellenberg zudem die habsburgischen Bundesräte stellten. Die beiden Bundesräte, die die schwäbischen Prälaten, Grafen, Herren und Ritter vertraten, Marquart von Königseck und Hans Conrad von Bodman, gehörten ebenfalls zu habsburgischen Klientel. Das sechs Räte umfassende oberdeutsche Leitungsgremium des Bundes424 wurde also eindeutig von den beiden habsburgischen Bundesräten und den beiden Räten ihrer adeligen Klientel majorisiert.425

Gleichwohl sollten die Bundesräte unabhängig von ihrer Obrigkeit zum Wohle des Bundes arbeiten, weshalb sie auch ihrer Obrigkeit gegenüber der Schweigepflicht unterlagen.426 Zusammen mit den Bundesobersten waren die Bundesräte für die Streitbeilegung zwischen den Bundesmitgliedern zuständig. Es fungierte also kein institutionalisiertes Bundesgericht mit eigenem Bundesrichter, sondern ein ad hoc zusammentretendes Austragsforum; das bündische Gerichtswesen war damit kaum ausgeprägt und entwickelt.

Als Zweck des Bundes wird zwar auch die Landfriedenswahrung angegeben, die primären Ziele der Bundesfürsten waren jedoch die Erhaltung und der Schutz des katholischen Glaubens im Reich.

Dementsprechend sind die religionspolitischen Bestimmungen in Bundesvertrag und -ordnung weitaus umfangreicher als diejenigen über Landfriedenswahrung und Streitbeilegung. Aufgrund dieser

423Freilich nur in beschränktem Rahmen; mobilisiert werden konnten nur die altgläubigen Adeligen aus dem Raum Hegau-Bodensee-Allgäu, weil diese sich durch die Nähe zur Schweizer Eidgenossenschaft vom dortigen Protestantismus bedroht fühlten; Lupke -Niederich, Der katholische Bund von Nürnberg, S. 505f.

424Dem Bundesrat gehörten ferner Johann Weißenfelder als bayerischer und Eustachius von der Alm als Salzburger Bundesrat an. Als Bundessekretär der oberdeutschen Provinz fungierte außerdem Wolfgang Trainer, der bayerische Gesandte in Wien; vgl. Landsberger Bundesabschied, 3. IX. 1539, Stumpf, Urkundenbuch zu Baierns politischer Geschichte, Bd. 1, S. 75-77.

425Hugo v. Montfort war zugleich aber auch in bayerischen Dienste, Lupke-Niederich, Habsburgische Klientel im 16. Jahrhundert: Hugo von Montfort im Dienste der Habsburger, S. 146f. Die finanziellen Transaktionen des Bundes liefen über die Fugger in Augsburg, die wiederum in die adeligen Familien des habsburgischen Klientelverbandes (Montfort, Königseck, Bodman) einheirateten; vgl. dazu: Genealogie des Hauses Fugger von der Lilie. Stammtafeln, hg. v. Gerhart Nebinger und Albrecht Rieber, Tübingen 1978.

426„Und das sie vornemlich gar mith nichte gegen irer Oberkeith oder sonst eroffenen oder zuvorsteen geben wollen, was ein jeder in sonderheith geredt oder gestimpt hat“, Nürnberger Bundesabschied, 12. VI. 1538, Bucholtz, Bd. 9, S. 368.

konfessionspolitischen Zielrichtung wirkte der Bund nicht nach innen, sondern war als Verteidigungsbund nach außen gerichtet.427 Es wurde deshalb neben einem Bundesvorrat an Geld auch ein Munitionsvorrat angelegt.428

Die geographische Binnenstruktur des Bundes bestand aus der oberdeutschen und der sächsischen Provinz, die organisatorisch gleich aufgebaut und weitgehend selbständig waren. Damit waren Ober- und Niederdeutschland zwar in einer Organisation verbunden, aber doch sichtbar voneinander getrennt, obwohl aufgrund der niedrigen Mitgliederzahl eine zentrale Organisationsstruktur durchaus möglich gewesen wäre. Der geographische Schwerpunkt der Einung lag in Süddeutschland, wo sie sich mit Bayern, Salzburg, Österreich und den oberschwäbischen Mindermächtigen über ein halbwegs geschlossenenes Gebiet erstreckte, ohne aber diesen vorteilhaften Umstand in eine funktionierende Binnenstruktur umzusetzen. Allerdings war dies auch nicht angestrebt, denn insbesondere Bayern lehnte Einmischungen in die eigenen territorialen Belange - etwa auf dem Gebiet der Rechtsprechung - strikt ab.429

Im Vergleich zur oberdeutschen war die sächsische Provinz recht klein. Die Herzogtümer Sachsen und Braunschweig-Kalenberg waren nur kurz, bis 1539 respektive 1540, Bundesmitglieder. Den Bischöfen von Meißen und Merseburg wurde durch Sachsen ihre politische Gestaltungsfähigkeit genommen, so daß nach der Vertreibung Heinrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel 1542 nur noch Kardinal Albrecht als Bischof von Magdeburg und Halberstadt sowie zwei Mansfelder Grafen die sächsische Provinz bildeten.

Ferdinand plante über die zwei bestehenden Provinzen hinaus noch die Errichtung einer rheinischen Bundesprovinz, in die sämtliche rheinische Kurfürsten eintreten sollten. Diese Bundesprovinz wäre dann mit dem kurrheinischen Reichskreis identisch gewesen.430

427Deutlich wird diese Tendenz auch an der geplanten Aufnahme des Papstes, der organisatorisch der oberdeutschen Provinz angehören sollte, ohne dort verankert zu sein.

428Nürnberger Bundesabschied, 12. VI. 1538, Bucholtz, Bd. 9, S. 369.

429Bayern hatte im Rahmen der Gründungsverhandlungen darauf bestanden, daß der Bund nur für religiöse, nicht aber für Profanangelegenheiten zuständig sein sollte.

430Diesen Vorschlag hatte Ferdinand 1540 in Hagenau dem Pfälzer Kurfürsten unterbreitet, Entwurf der Antwort an Ferdinand der pfälzischen Räte nach einer Konferenz mit dem Kurfürsten v. 22. VII. 1540, in:

Pfeilschifter, ARC, Bd. 3, S. 162-164.

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