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KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

E. K ATHOLISCHER B UND VON N ÜRNBERG (1538-1549)

2. Die Mitglieder der Einung

a) Die Gründungsmitglieder und deren unterschiedliche Ziele

Mit dem Aufbau des Bundes, insbesondere der Werbung präsumtiver Mitglieder, war Matthias Held in den Jahren 1537 und 1538 beschäftigt. Ihm war vor allem am Beitritt dezidiert altgläubiger Mitglieder gelegen. Sehr schnell gewann er die bayerischen Herzöge Ludwig und Wilhelm. Außer den beiden Habsburgern Karl und Ferdinand sagte zudem der Erzbischof von Salzburg zu. Aus Niederdeutschland schlossen sich die übrig gebliebenen Mitglieder der Hallischen Einung dem Nürnberger Bund an.

Die Hallische Einung war ein Zusammenschluß der katholisch gebliebenen Fürsten Norddeutschlands, der allerdings einige geistliche Fürsten wie der Bremer Erzbischof und die Bischöfe von Münster, Osnabrück und Hildesheim nicht beigetreten waren. Die Einung war am 21.

November 1533 in Halle von Albrecht von Magdeburg und Halberstadt, Erich und Heinrich von Braunschweig, Georg von Sachsen sowie Joachim I. von Brandenburg mit dem Ziel errichtet worden, den katholischen Glauben zu bewahren, sich gegen Angriffe gemeinsam zu verteidigen und sich gegenseitig beim Kampf gegen die Untertanen zu unterstützen, die vom Glauben abzufallen drohten.366 Nach dem Tod Kurfürst Joachims I. (1535) trat dessen Sohn, Joachim II., der

364Anderer Ansicht Volker Press, Die Bundespläne Kaiser Karls V., S. 69, der der Meinung ist, „daß Held die Gedankengänge des Kaisers gekannt haben muß und sicher nichts unternahm, was Karls Intentionen zuwider gelaufen wäre“. Press folgt hier der Interpretation Heides, Die Verhandlungen des kaiserlichen Vicekanzlers Held mit den deutschen Ständen, wonach Held in Schmalkalden im vollen Einklang mit den Intentionen des Kaisers gehandelt habe.

365Karl an Ferdinand, Brüssel, 9. VI. 1540, Cardauns, NB, I/6, S. 320f.; Anfang 1541 war Held nicht mehr für den Kaiser tätig, Pfeilschifter, ARC, Bd. 3, S. 357, Anm. 465; S. 370, Anm. 486.

366Unmittelbarer Vorläufer der Hallischen Einung war der Dessauer Bund von 1525, dessen Mitglieder dieselben waren. Zum Dessauer Bund: Walter Friedensburg, Zur Vorgeschichte des Gotha-Torgauischen

Hallischen Einung zwar bei, tendierte aber in immer stärkerem Maße zu reformatorischen oder doch konfessionell vermittelnden Ideen; sein Bruder, Hans von Küstrin, war der Hallischen Einung von vornherein nicht beigetreten.367 Folgerichtig blieben Joachim II. und sein Bruder auch dem Nürnberger Bund fern. Ihr Onkel, Albrecht von Brandenburg, trat lediglich als Erzbischof von Magdeburg und Bischof von Halberstadt, nicht aber als Kurfürst von Mainz dem Nürnberger Bund bei.368 Erich von Braunschweig-Kalenberg, der schon 1540 verstarb, war nur kurz Mitglied des Nürnberger Bundes, seine Witwe führte dann die Reformation ein.369 Aber mit den beiden Herzögen Georg von Sachsen und Heinrich von Braunschweig wurden entschiedene Verteidiger des alten Glaubens Mitglieder der Nürnberger Einung; diese wollten wie Held energisch gegen die Protestanten vorgehen, zugleich aber mit Hilfe des Bundes ihre eigenen territorialen und machtpolitischen Interessen verfolgen.370

Deutlich wird diese Zielsetzung am Dresdener Entwurf der Bundesordnung, den die beiden Herzöge zusammen mit Held 1537 ausarbeiteten. Der katholische Bund sollte nicht nur für Religionsangelegenheiten, sondern auch für Profanangelegenheiten zuständig sein, darüber hinaus sollte mit Hilfe des Bundes die kaiserliche Autorität im Reich wiederhergestellt werden.371 Der Kaiser und sein Bruder billigten den Dresdener Entwurf372 - Bayern, insbesondere Eck, erhoben jedoch Einwände: Lediglich für Religionsangelegenheiten sollte der Bund Kompetenzen besitzen,373

Bündnisses der Evangelischen, Marburg 1884, S. 1-22; Hallische Bundesordnung bei Adolph Friedrich Riedel, Codex diplomaticus Brandenburgensis, Reihe II, Bd. 6, Berlin 1858, S. 386-392. Vgl. dazu, Rainer Täubrich, Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel, Braunschweig 1991, S. 169-178 (Hallischer Bund) und S. 104-106 (Dessauer Bund).

367Riedel, Codex diplomaticus Brandenburgensis, Bd. II/6, S. 413-415.

368Als Ebf. v. Mainz konnte Albrecht nicht Mitglied des Nürnberger Bundes werden, weil er als solcher zugleich in der Rheinischen Einung war. Er hätte dann die übrigen Mitglieder der Rheinischen Einung, somit auch Philipp v. Hessen, ausnehmen müssen. Die Bundesordnung des Nürnberger Bundes gestattete Ausnahmen jedoch nicht.

369Vgl. Brandenburg, Herzog Heinrich der Fromme, S. 293.

370Hz. Georg plante, vor allem eine ihm genehme Erbfolge mit Hilfe des Bundes sicherzustellen, Hz. Heinrich konkurrierte mit Landgraf Philipp um den Einfluß im nordwestdeutschen Raum, Robert Stupperich, Heinrich von Braunschweig und Philipp von Hessen im Kampf um den Einfluß in Westfalen (1530/35), in:

Westfälische Zeitschrift 112 (1962), S. 63-75. Damit verfestigte sich die seit Gründung des Schmalkaldischen und Hallischen Bundes erkennbare Machtkonstellation in Norddeutschland zwischen den protestantischen Sachsen und Landgraf Philipp auf der einen und den katholischen Herzögen Georg und Heinrich auf der anderen Seite, Täubrich, Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel, S. 79.

371Gerade die letzte Bestimmung stellte die Rechtsgrundlage für einen Offensivbund dar; Brandenburg, Herzog Heinrich der Fromme von Sachsen, S. 147.

372Lauchs, Bayern und die deutschen Protestanten, S. 119. Karl V. war jedoch von Held nur sehr ungenau unterrichtet worden.

373Lauchs, Bayern und die deutschen Protestanten, S. 119.

nicht jedoch für Profanangelegenheiten, und schon gar nicht sollte die Stärkung der kaiserlichen Autorität ein verbrieftes Ziel des Bundes sein. Eck befürchtete, daß Bayern in zu große Abhängigkeit von den Habsburgern geraten und zudem permanent in die Aktionen des unruhigen Heinrich von Braunschweig involviert würde.

Obwohl Held mehrfach mit den beiden norddeutschen und mit den bayerischen Herzögen verhandelte, beharrten beide Seiten auf ihren Vorstellungen. Erst im März 1538 wurde dann nach zähen Verhandlungen auf der Bundestagung in Speyer ein erster Kompromiß erzielt. Der bayerische Entwurf, wonach der Bund „allain der religionssachen verstanden sei“, wurde in „furnemlich der religionssachen“ geändert.374 Der Bündnisfall sollte ferner auch dann eintreten, wenn ein Einungsmitglied von den Protestanten aus weltlichen Gründen angegriffen würde. Damit war der geplante Bund zugleich Landfriedensbund und Konfessionsbündnis. Eine endgültige Einigung konnte in Speyer jedoch nicht erzielt werden, diese sollte erst im Juni in Nürnberg erfolgen. Einigkeit bestand in Speyer allerdings über die Erweiterung des Bundes. Dabei sollten nicht allein katholische Fürsten, sondern auch die altgläubigen Städte und die schwäbischen Mindermächtigen zum Beitritt bewogen.375

Bayern stimmte schließlich aufgrund der eigenen Sicherheitsinteressen den Speyrer Entwürfen zu, zumal Eck nicht damit rechnete, daß der Kaiser nun mit Hilfe des Bundes militärisch gegen die Protestanten vorgehen würde.376 Aber gerade die defensive Ausrichtung des Bundes und die - von Eck richtig erkannte - Ausgleichspolitik des Kaisers enttäuschten die norddeutschen Bundesmitglieder. Mit dem Bund werde man - schrieb der Rat Herzog Georgs von Sachsen, Georg von Carlowitz, während der Verhandlungen in Speyer an Heinrich von Braunschweig - den Lutheranern „kein dorf, viel weniger eine stadt abziehen, sondern vielmehr zujagen.“377 Trotz der deutlich voneinander differierenden Vorstellungen wurde schließlich am 10. Juni 1538 zu Nürnberg die Einung errichtet.378

374Zitiert nach Lauchs, Bayern und die deutschen Protestanten, S. 128.

375Bericht der habsburgischen Gesandten Held und Gaudenz v. Madrutsch, in: Cardauns, Zur Geschichte Karls V., Beilage 5, S. 364-367, hier S. 366.

376Lauchs, Bayern und die deutschen Protestanten, S. 129.

377Brief vom 26. III. 1538, zitiert nach Brandenburg, Herzog Heinrich der Fromme von Sachsen, S. 149.

378Heinrich v. Braunschweig und Ludwig v. Bayern waren persönlich anwesend; Nebenvertrag und Bundesordnung bei Hortleder, Handlungen und Ausschreiben, Bd. 1, VIII, Kap. 14 und 15, S. 1343-1358.

b) Erweiterungspläne und viele Absagen

Zwei Tage nach Errichtung des Bundes fand am 12. Juni 1538 in Nürnberg die erste Bundesversammlung statt, auf der die geplanten Beitritte zur Erweiterung des Bundes verhandelt wurden.379 Matthias Held sollte seine Bemühungen bei den vier rheinischen Kurfürsten fortsetzen, ebenso bei den Bischöfen von Würzburg, Bamberg, Straßburg und Speyer. Der von Held zu werbende Kardinal Albrecht sollte gemeinsam mit Georg von Sachsen die Stadt Erfurt zum Beitritt bewegen; Bayern war für die Werbung der Bischöfe von Augsburg und Eichstätt sowie der badischen Markgrafen zuständig, Georg von Sachsen für die der Harzgrafen und der thüringischen Städte Nordhausen und Mühlhausen; Heinrich von Braunschweig übernahm die Werbungen bei dem Erzbischof von Bremen und den Bischöfen von Minden, Paderborn, Münster und Osnabrück sowie bei den Städten Lübeck und Hildesheim; Hugo von Montfort schließlich sollte zusammen mit dem Abt von Weingarten Adel und Städte Schwabens in den Bund führen. Auch sollten der Kurfürst von Brandenburg und die Herzöge von Mecklenburg beitreten; für deren Werbung allerdings niemand namentlich vorgesehen war.

Der katholische Bund sollte also, wie die Liste der präsumtiven Kandidaten verrät, sämtliche altgläubigen Stände des Reiches umfassen. Jedoch traten von den umworbenen Reichsständen die wenigsten bei, lediglich die oberschwäbischen Adeligen,380 die katholischen Grafen von Mansfeld,381 die Stadt Mühlhausen382 sowie die Bischöfe von Meißen383 und Merseburg.

379Bundesabschied vom 12. VI. 1538, Bucholtz, Bd. 9, S. 366-370; Zettel über die zu werbenden Mitglieder, ebd., S.

370f.

380Bundesabschied Pilsen, 12. II. 1539, Bucholtz, Bd. 9, S. 371-374; die Bundesstände kamen den finanziellen Wünschen hinsichtlich der Beitragszahlungen den oberschwäbischen Adeligen weitgehend entgegen.

Namentliche Auflistung der schwäbischen Adeligen in der Beitrittsurkunde vom 15. IV. 1539, in:

Mitteilungen aus dem fürstlich fürstenbergischen Archive, Bd. 1, Tübingen 1894, S. 271f.

381Baumgarten, Karl V. und der katholische Bund, S. 294.

382Lauchs, Bayern und die deutschen Protestanten, S. 130. Nach Lauchs, ebd., trat auch der Erzbischof v. Bremen dem Bund bei. Dies ist nicht richtig, obwohl Erzbf. Christoph, ein Bruder Heinrichs v. Braunschweig, als überzeugter Katholik dem Bund gerne beigetreten wäre; der Beitritt wurde jedoch nie vollzogen. Die Beitrittsurkunde wurde zwar von Herzog Heinrich am 30. IV. 1539 zu Wolfenbüttel als Bundesoberster ausgestellt (Urkunde ist unterschrieben und besiegelt), die entsprechende Aufnahmeerklärung Erzbischof Christophs, Gandersheim, 25. VIII. 1539, ist jedoch weder besiegelt noch unterschrieben und befindet sich außerdem im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel, nicht aber in Stade, dem erzbischöflich bremischen Archiv (Wolfenbüttel Staatsarchiv, Urk Abt. 142, Nr. 46); dankenswerter Hinweis von Christoph Thoböll, der eine Biographie über Erzbischof Christoph von Bremen verfaßt. Grund für den nicht erfolgten Beitritt war die mangelnde Zustimmu ng des Bremer Domkapitels, das trotz Drängens des Kaisers bei seiner ablehnenden Haltung blieb, Brief des Kaisers an das Bremer Domkapitel, Toledo, 10. VII. 1539, erwähnt bei Pfeilschifter, ARC, Bd. 3, S. 56, Anm. 90; der Kaiser sandte am gleichen Tag einen entsprechenden Brief an den Bremer Erzbischof, vgl. Paul Fuchtel, Der Frankfurter Anstand vom Jahre 1539, in: ARG 26 (1931), S. 145-206, hier S. 191, Anm. 3. Ausführlich zu den Umständen des nicht erfolgten Beitritt des Bremer Erzbischofs demnächst in der Arbeit von Christoph Thoböll.

Bemerkenswert ist die Liste derer, die dem Bund nicht beigetreten sind. Wie kompliziert sich die Werbungen gestalteten, wird am Beispiel Kardinal Albrechts von Brandenburg deutlich: als Erzbischof von Magdeburg - nicht aber als Mainzer Kurfürst - wurde er Bundesmitglied, obwohl der Kaiser gerade die Kurfürsten zum Beitritt drängte,384 in deren Sog dann die anderen Reichsstände folgen sollten. Überhaupt ist es eine auffällige Tatsache, daß nur wenige geistliche Fürsten der Einung beitraten, obwohl diese in besonderem Maße von der Reformation bedroht waren und gerade der Nürnberger Bund sich ausdrücklich verpflichtet hatte, den geistlichen Besitz im Reich zu bewahren und Säkularisierungen zu verhindern.385 Vor dem Hintergrund, daß die weltlichen Fürsten des Bundes auf „eine Christliche reformation im reiche“ drängten, „damit die mißbreuche in der religion geistlich und weltlichen sachen in Christliche besserung gebracht werden“386, folgert Cardauns, Teile des Reichsepiskopats seien aus Angst vor dem Reformwillen der weltlichen Fürsten dem katholischen Bund fern geblieben.387 Der ausschlaggebende Grund aber, dem katholischen Bund fernzubleiben, ist letztlich in den Befürchtungen und Ängsten der geistlichen vor den protestantischen Fürsten zu sehen. Es erschien den geistlichen Fürsten insgesamt taktisch klüger, sich in eine Einung mit protestantischen Fürsten einzulassen, als sich in eine offensichtlich gegen die Protestanten gerichtete Einung zu begeben.388

Diesen Weg schlugen Würzburg, Trier und Mainz ein, als sie sich in der Rheinischen Einung direkt mit Hessen zusammenschlossen. Diese Haltung erklärt sich durch das Mißtrauen der meisten katholischen Reichsstände gegenüber dem Kaiser, dem der Mainzer Kurfürst unterstellte, lediglich den Ausbau der habsburgischen Macht voranzutreiben. Weiterhin kritisierten die geistlichen Fürsten die fehlende Bereitschaft des Kaisers, konsequent gegen die Protestanten vorzugehen und den altgläubigen Ständen ausreichenden Beistand zu gewähren; so war beispielsweise die altgläubige

383Als Oberster der sächsischen Provinz des Nürnberger Bundes beurkundete Heinrich von Braunschweig, Wolfenbüttel, 18. III. 1539, die Aufnahme Bischof Johanns VIII. und des Domkapitels von Meißen. Die Urkunde ist eigenhändig unterschrieben und besiegelt, der Beitritt wurde somit vollzogen; ediert in:

Urkundenbuch des Hochstifts Meißen, Bd. 3 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae II/3), hg. v. Ernst Gotthelf Gersdorf, Leipzig 1867, S. 350f.

384„und sonderlich Ewer Liebden als die furnemesten Christlichen Glider des heiligen Reichs sampt uns zu handthabung unser waren Christlichen Religion und Glaubens, auch Fridens und Rechtens im heiligen Reiche verpflicht sein bedencken, und Euch in obberuerte unser Christliche Pundtnus, mit uns [...]

einlassen und solchs auf vorgeubter Handlung lenger nit ansteen“, Brief Karls V., Toledo 15. IV. 1539, an die Kurfürsten von Mainz, Köln, Trier, Pfalz und Brandenburg, in: Bucholtz, Bd. 9, S. 377f., hier S. 378.

385Bundesvertrag vom 10. VI. 1538, Hortleder, Handlungen und Ausschreiben, Bd. 1, VIII, Kap. 14, § 8, S. 1345.

386Bundesabschied vom 12. VII. 1538, Bucholtz, Bd. 9, S. 366-370, hier S. 370.

387Cardauns, Zur Geschichte Karls V., S. 207-210.

388Cardauns, Zur Geschichte Karls V., S. 209; Bundschuh, Die Stellung Würzburgs zur christlichen Einung.

Hallische Einung von Karl V. nicht unterstützt worden.389 Vor allem aber lagen die geistlichen Kurfürstentümer in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hessen; sie wären somit bei einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Protestanten die ersten Leidtragenden gewesen, ohne schnelle Hilfe aus dem Süden des Reiches zu erhalten. Kaiserliche Hilfe wäre, wenn überhaupt, von den Niederlanden aus gekommen. Eine engere Anlehnung an die Niederlande aber war für die rheinischen und nordwestdeutschen Bischöfe angesichts der landesherrlichen Interessen der Habsburger prekär.

Deutlich wurde dies mit dem Erwerb der weltlichen Herrschaftsrechte des Stifts Utrecht; Anfang der 1530er Jahre kursierten sogar Gerüchte, die Regentin der Niederlande habe die Absicht, Münster zu säkularisieren.390

Insgesamt verharrte die Mehrheit der Bischöfe in reichspolitischer Passivität oder sie vertrauten - wie die Rheinische Einung zeigt - bei ihrer Absicherung auf einen gemeinsamen Bund mit Protestanten, nicht jedoch auf den Kaiser, obwohl dieser ihr traditioneller Schutzherr war und als solcher bei ihnen für einen Bundesbeitritt werben ließ.

Aber ihren Beitritt verweigerten nicht nur die Bischöfe, sondern auch weltliche Reichsstände wie Brandenburg und Pfalz. Dabei sollte der Pfälzer Kurfürst sogar - so das vertrauliche Angebot, das Ferdinand Kurfürst Ludwig 1540 in Hagenau unterbreitete - Bundesoberst der neu zu errichtenden Rheinischen Provinz werden, in die dann alle rheinischen Kurfürsten aufgenommen werden sollten.391 Wenn die übrigen Kurfürsten dem Bund beigetreten wären, hätte sich auch Kardinal Albrecht als Mainzer Kurfürst dem Bund nicht länger verschlossen.392 Aber Kurfürst Ludwig lehnte das Angebot offiziell wegen seines hohen Alters ab und auch deshalb, weil er nicht seine vermittelnde Position zwischen den Religionsparteien aufgeben wollte, wäre doch mit seinem Beitritt zum katholischen Bund der Eindruck der Parteilichkeit entstanden.393 Die noch wichtigeren Gründe aber, die König

389Wilhelm Steffen, Zur Politik Albrechts von Mainz in den Jahren 1532-1545, Diss. phil. Greifswald 1897, S. 56f.

390Dieses Gerücht wurde wohl von dem Hz. v. Geldern in Umlauf gesetzt, nachdem der Bischof v.

Münster mit Königin Maria Verhandlungen über die gemeinsame Bekämpfung umherziehender Landsknechte geführt hatte. Vgl. dazu Ernst Laubach, Die Habsburger und der deutsche Nordwesten im Zeitalter Karls V., in: Westfälische Zeitschrift 147 (1997), S. 19-36, bes. S. 24f.

391Entwurf der Antwort an Ferdinand der pfälzischen Räte nach einer Konferenz mit dem Kurfürsten v. 22. VII.

1540, in: Pfeilschifter, ARC, Bd. 3, S. 162-164.

392Instruktion der Mainzer Räte für die Hagenauer Verhandlungen, Aschaffenburg, 20. V. 1540, Pfeilschifter, ARC, Bd. 3, S. 115.

393Entwurf der Antwort der pfälzischen Räte, ebd., S. 163. Generell zur vermittelnden Position der Pfalz:

Luttenberger, Glaubenseinheit und Reichsfriede, passim.

Ferdinand in dem Pfälzer Antwortschreiben freilich nicht genannt wurden, waren jedoch machtpolitischer und finanzieller Natur und wurden von den kurpfälzischen Räten dem Konzept des Antwortbriefes gesondert beigefügt: Demnach würden durch den Eintritt in den katholischen Bund die Beziehungen zu Hessen, Württemberg und Sachsen Schaden nehmen. Und da der Kurfürst schon Mitglied der Rheinischen Einung war, wäre es finanziell beschwerlich, sich zusätzlich in eine

„widderwertig eynung“ einzulassen. Zudem habe der Kurfürst im Schwäbischen Bund genügend schlechte Erfahrungen gemacht, in dem er hohe Anschläge zahlen mußte, ohne über hinreichende Mitbestimmung und Vorteile verfügt zu haben.394

Grundsätzlich stand die Einung zwar auch Protestanten offen,395 doch traten ihr keine bei.

Entsprechende Werbungen wurden von den Bundesständen auch nie in Erwägung gezogen.

c) Fehlender Bündniswille der altgläubigen Stände

Eine Tendenz zu umfassender Vereinigung läßt sich also bei den altgläubigen Ständen nicht ausmachen - im Gegensatz zu den protestantischen, die sich weitgehend im Schmalkaldischen Bund verbunden hatten. Die Gründung des Nürnberger und des Schmalkaldischen Bundes führte somit nicht zu einer völligen konfessionellen Polarisierung des Reiches mit einem katholischen und einem protestantischen Block. Es gab viel mehr noch eine dritte, relativ große Gruppe, die sich, wie die Kurfürsten von Brandenburg und der Pfalz,396 reichspolitisch neutral verhielten und die religiösen Vermittlungsbemühungen aktiv unterstützten, ohne sich allerdings dem Kaiser anschließen zu wollen, obwohl ihre religionspolitischen Positionen nicht sehr weit von den habsburgischen Absichten entfernt lagen; der Frankfurter Anstand und die Religionsgespräche Anfang der 1540er Jahre liefern dafür deutliche Belege.

Ein wesentlicher Grund für den mangelnden Willen vieler altgläubiger Reichsstände, sich in ein dezidiert katholisches Bündnis zu begeben, dürfte darin liegen, daß bei den allermeisten von ihnen eine katholische Konfessionalisierung (noch) nicht erfolgt war.397 Anders als im Protestantismus bestand in der altgläubigen Kirche bis zum Tridentinum Unklarheit über die fundamentalen

394Anhang zum Entwurf der Antwort der pfälzischen Räte, ebd., S. 164, Anm. a).

395Bundesabschied vom 12. VI. 1538 § 6, Bucholtz, Bd. 9, S 368.

396Dazu gehörten zumindest nach Ansicht Philipps v. Hessen noch Jülich, Köln und Trier, Brief an die Stadt Straßburg, Eppenberg, 26. V. 1540, in: Winckelmann, Politische Correspondenz der Stadt Straßburg, Bd. 3, S. 54f. Generell dazu: Luttenberger, Glaubenseinheit und Reichsfriede.

397Zur Auseinandersetzung in der Forschung um die Periodisierung der einzelnen Phasen der Konfessionalisierung vgl. Heinrich R. Schmidt, Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert (= EDG 12), München 1992, bes. S. 110-115.

Glaubenssätze, die erst in der theologischen Auseinandersetzung mit dem Protestantismus entwickelt wurden. Diese vorkonfessionelle Unsicherheit galt sogar für die Bischöfe398 und auch für Karl V.

selbst.399 Gerade aber das Fehlen einer gesicherten Glaubenslehre erleichterte das Abschließen von Kompromissen, wie sie die Kurfürsten von Brandenburg, Mainz und der Pfalz in Übereinstimmung mit dem Kaiser in den 1530er Jahren anstrebten.

Als weiter Grund für den fehlenden Bündniswillen kam die bereits angesprochene Überlegung vieler geistlicher Fürsten hinzu, daß es zur Sicherung des eigenen Bestands taktisch klüger wäre, sich - wie in der Rheinischen Einung - in eine Einung mit protestantischen Fürsten einzulassen, anstatt sich in eine gegen die Protestanten gerichtete Einung zu begeben.

d) Beitrittsverhandlungen mit dem Papst

Seit 1540 wurde über die Aufnahme des Papstes in den Nürnberger Bund verhandelt,400 nachdem Paul III. schon 1539 in Aussicht gestellt hatte, er werde den Bund im Falle eines Krieges gegen die Protestanten mit Geld unterstützen.401 Für den Beitritt des Papstes hatten sich vor allem die bayerischen Herzöge sowie die päpstlichen Legaten eingesetzt - letztere mit der Begründung, daß man den Kaiser aufgrund seiner nachgiebigen Haltung gegenüber den Protestanten nicht kritisieren könne, solange der Papst nicht selbst in ausreichendem Maße die deutschen Katholiken unterstütze.402 Aber auch Karl V. selbst wünschte den Beitritt des Papstes, den er auf diese Weise von Frankreich trennen wollte und dessen finanzielle Hilfe er für einen möglichen Krieg gegen die Protestanten benötigte.

398Bezeichnende Beispiele für die dogmatische Unbestimmtheit der altgläubigen Kirche im Reich vor dem Tridentinum finden sich in den Berichten des kaiserlichen Gesandten Cornelius Schepper an Karl V. über seine Verhandlungen mit den Bischöfen von Speyer und Augsburg (3. und 9. VII. 1531), in: Lanz, Correspondenz, Bd. 1, S. 460-468, 472-478. Allg. dazu: Erwin Iserloh, Der Kampf um die Messe in den ersten

398Bezeichnende Beispiele für die dogmatische Unbestimmtheit der altgläubigen Kirche im Reich vor dem Tridentinum finden sich in den Berichten des kaiserlichen Gesandten Cornelius Schepper an Karl V. über seine Verhandlungen mit den Bischöfen von Speyer und Augsburg (3. und 9. VII. 1531), in: Lanz, Correspondenz, Bd. 1, S. 460-468, 472-478. Allg. dazu: Erwin Iserloh, Der Kampf um die Messe in den ersten

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