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Die kaiserlichen Bundesinitiativen

KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

G. M EMMINGER B UNDESPROJEKT (1552/53)

1. Die kaiserlichen Bundesinitiativen

Nachdem der geplante kaiserliche Reichsbund 1547/1548 nicht zustandegekommen war, hatte es von seiten der Habsburger für einige Jahre keine konkreten Bundesbestebungen mehr gegeben. Ein akuter Anlaß bestand auch nicht, weil die Lage im Reich relativ ruhig und die Vormachtstellung des Kaisers anscheinend unangefochten war. Oberdeutschland war nach der Eroberung von Konstanz weitgehend im kaiserlichen Sinne befriedet, und Christoph von Württemberg hatte seine antikaiserliche Politik noch nicht entfaltet. Vereinzelten Widerstand gab es jedoch in Nord- und Mitteldeutschland: Die beiden Städte Bremen und Magdeburg hatten sich dem Kaiser nicht ergeben und Graf Albrecht von Mansfeld unternahm - wohl auch konfessionell motiviert - Raubzüge in den Stiften Bremen und Verden. Um diese Probleme wirksam bekämpfen zu können, regte der kaiserliche Rat Lazarus von Schwendi an, die kaisertreuen Reichsstände Niederdeutschlands sollten sich in einem Bund zusammen schließen,548 damit nicht der Kaiser selbst gezwungen wäre, militärisch zu intervenieren.549 Karl V. griff die Initiative Schwendis auf und lud die Stände des niedersächsischen Kreises nach Hannover ein, wo unter der Leitung Schwendis über die Gründung eines norddeutschen Bundes beraten werden sollte.550 Doch der Plan Schwendis, die kaisertreuen Stände Nord- und Mitteldeutschlands zu einem festen politischen Kern mittels Bund zu vereinigen, dem dann im Laufe der Zeit die übrigen regionalen Reichsstände beitreten sollten,551 scheiterte. Denn in Nord- und Mitteldeutschland gab es - mit Ausnahme Herzog Heinrichs von

547Salomies, Die Pläne Kaiser Karls V.; August v. Druffel/Karl Brandi, Beiträge zur Reichsgeschichte, Bd. 4 (1553-1555), München 1896; Viktor Ernst, Eine kaiserliche Werbung, die Erneuerung des Schwäbischen Bundes betreffend. 1552, in: Württ. Vjhefte f. LG, N.F. 7 (1898), S. 215-223; Viktor Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtemberg, Bd. 2, Stuttgart 1900; Heinrich Lutz, Christianitas afflicta, Göttingen 1964;

Volker Press, Bundespläne; Wien HHStA, RA i.g. 17.

548Lazarus v. Schwendi an Karl V., 3. III. 1548, Druffel, Bd. 1, S. 102f.

549Generell dazu die Schwendibiographie von Thomas Nicklas, Um Macht und Einheit des Reiches, Husum 1995, S. 62-67.

550Lazarus v. Schwendi an Karl V., 19. IV. 1548, Druffel, Bd. 1, S. 107-109. Auf dem Kreistag vertreten waren:

Bischöfe v. Bremen, Verden, Münster; Herzöge Erich und Heinrich v. Braunschweig, v. Lauenburg; Grafen v. Oldenburg, Schaumburg, Hoya, Lippe, Diepholz; die Städte Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Braunschweig, Goslar, Hildesheim, Hannover; trotz Einladung fehlten: Herzöge v. Holstein, Mecklenburg und Lüneburg, Adolf Warnecke, Diplomatische Thätigkeit des Lazarus von Schwendi im Dienste Karls V., Diss. phil.

Göttingen 1890, Einbeck 1890, S. 24f.

551Nicklas, Um Macht und Einheit, S. 63.

Wolfenbüttel - kaum noch kaiserfreundliche Stände. Einen letzten - ebenfalls erfolglosen - Gründungsversuch unternahm Schwendi im Mai 1548 in Aschersleben.552

Trotz des Sieges von Mühlberg hatte Karl V. das konfessionelle und das verfassungsrechtliche Gefüge in Deutschland nicht dauerhaft in seinem Sinne umgestalten können. Der Widerstand gegen den Kaiser formierte sich gerade dort, wo Lazarus von Schwendi im Auftrag des Kaisers dessen Macht sicherstellen sollte, nämlich in Magdeburg. Von dort begann Kurfürst Moritz den Fürstenaufstand gegen den Kaiser, der mit dem Passauer Anstand endete und die kaiserliche Vormachtstellung im Reich beenden sollte.

Erst nach dem Fürstenaufstand, im Herbst des Jahres 1552, griff Karl V. erneut die Idee einer Bundesgründung auf, obwohl sein Bruder Ferdinand schon 1551 eine erneute Bundesgründung mit dem Kaiser an der Spitze nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes vorgeschlagen hatte.553 Ganz offensichtlich wollte Karl V. seine angeschlagene Stellung im Reich mit Hilfe des Bundes verbessern und stabilisieren, auch um eine Wiederholung des Fürstenaufstandes zu vermeiden.554 Als Vorbild diente dem Kaiser erneut der Schwäbische Bund.555 Bezeichnenderweise wurden die ersten Verhandlungen in Augsburg geführt. Hier trafen sich die kaiserlichen Räte Seld und Hase mit dem wichtigsten Verbindungsmann der Habsburger zu den oberschwäbischen Prälaten, dem Abt von Weingarten, Gerwig Blarer.556

Nachdem sich der Kaiser der Zusage eines wesentlichen Teils der oberschwäbischen Mindermächtigen sicher sein konnte, versuchte er nun, die mächtigen Fürsten der Region zum Beitritt zu bewegen. Als Karl V. am 3. September Christoph von Württemberg in Ulm traf, bemühten Seld und Granvelle sich um eine feste Zusage des Herzogs.557 Aber Herzog Christoph war von Anfang an gegen die kaiserlichen Bundespläne. Die potentielle Gefährdung des eigenen Fürstentums durch Kaiser und bündisch organisierte Mindermächtige hatten er und seine Familie durch den

552Hier ging es vor allem um die Durchführung der Exekution gegen Magdeburg; Lazarus v. Schwendi an Karl V., Aschersleben, 27. V. 1548, in: Bucholtz, Geschichte Ferdinand I., Bd. 9, S. 443-450.

553Ferdinand an Karl, 1551, Druffel, Bd. 3, S. 177f.

554Für Salomies, Die Pläne Kaiser Karls V., S. 153, richtet sich der geplante Memminger Bund deshalb in erster Linie gegen Moritz v. Sachsen; vgl. dazu auch den Brief von Granvelle an Königin Maria, 16. XII. 1552, Druffel, Bd. 2, S. 835-838, bes. S. 836.

555„auf mass und form, wie vor etlichen jarn der schwebisch bund gewesen“, Karl V. an Hz. Albrecht, Diedenhofen, 26. X. 1552, in: Ernst, Eine kaiserliche Werbung, die Erneuerung des Schwäbischen Bundes betreffend, S. 219.

556Briefwechsel Blarer, Bd. 2, S. 336, 339f. Für Lutz, Christianitas afflicta, S. 115f., war dies die entscheidende Initiative zur Bundesgründung

Schwäbischen Bund unmittelbar erfahren. Eine Einschränkung oder gar Gefährdung seiner fürstlichen Rechte durch einen wiedergegründeten Schwäbischen Bund wollte Herzog Christoph deshalb wenn irgend möglich verhindern. Als protestantischer Fürst hegte er zudem Vorbehalte gegen einen Zuwachs kaiserlicher Macht, solange die konfessionellen Probleme im Reich nicht hinreichend geklärt wären; vor allem solange unklar war, ob der Kaiser die Bestimmungen des Passauer Vertrages umsetzen würde. Bei den persönlichen Verhandlungen in Ulm sagte Christoph jedoch nicht definitiv ab, sondern gab ausweichende Antworten,558 die von kaiserlicher Seite allerdings als grundsätzliche Zustimmung zum Bundesplan gewertet wurden. Die kaiserliche Propaganda jedenfalls konnte mit dieser vermeintlichen Zustimmung besser um weitere Beitritte werben.559

Leichter und erfolgreicher gestaltete sich die kaiserliche Werbung bei Albrecht von Bayern.560 Der bayerische Herzog gab dem kaiserlichen Gesandten Georg Spet zwei Antworten. In der ersten, offiziellen, die er auch an Herzog Christoph sandte, versicherte er dem Kaiser seinen Gehorsam und seine Unterstützung bei der Aufrichtung des Bundes.561 In seiner zweiten vertraulichen Antwort erklärte er dem kaiserlichen Gesandten mündlich, daß der geplante Bund lediglich auf Oberdeutschland beschränkt sein sollte. Ansonsten wäre der Bund zu groß und könne nicht glücken, weil die Mitglieder dann zu weit auseinander wären, um sich bei Gefahr wirksam helfen zu können.562 Insgesamt befürwortete Bayern - anders als Württemberg - nachdrücklich das kaiserliche Bundesprojekt; Herzog Albrecht sagte sogar sein persönliches Erscheinen bei den Gründungungsverhandlungen zu. Der württembergische Herzog, der eine vom Kaiser unabhängige

557Vgl. dazu die Briefe Hz. Christophs an Albrecht v. Bayern und Friedrich v. d. Pfalz, beide 5. IX. 1552, Ernst, Briefwechsel, Bd. 1, S. 788-790.

558„Wo ir kei. mt. solhe chur- und fursten, auch stend zusammenschreiben, wolten wir uns neben inen aller gebur erzaigen und desfalls von inen nit absundern“, Hz. Christoph an Friedrich v. d. Pfalz, 5. IX. 1552, Ernst, Briefwechsel, Bd. 1, S. 788f.

559Albrecht v. Bayern etwa wurde von kaiserlicher Seite versichert, Württemberg würde dem Bund beitreten, Ernst, Eine kaiserliche Werbung, die Erneuerung des Schwäbischen Bundes betreffend, S. 220; Salomies, Die Pläne Kaiser Karls V., S. 155.

560Der kaiserliche Gesandte Georg Spet überbrachte die Werbung Karls V. an Hz. Albrecht, ausgestellt, Diedenhofen, 26. X. 1552, in: Ernst, Eine kaiserliche Werbung, die Erneuerung des Schwäbischen Bundes betreffend, S. 216-222. Der Kaiser gab als wesentlichen Grund an, daß der verordnete Landfrieden und die normale Gerichtsbarkeit keinen wirksamen Schutz böten und deshalb ein Bund nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes notwendig wäre , ebd., S. 219.

561Abgedruckt bei Ernst, Eine kaiserliche Werbung, die Erneuerung des Schwäbischen Bundes betreffend, S.

222f.

562Albrecht führte weiter aus, daß der Kaiser ja einen Parallelbund mit den niederdeutschen und sächsischen Ständen anstreben könne, nachdem der oberdeutsche Bund gegründet worden wäre. Beide Bünde sollten dann dem Kaiser und dem Kammergericht gehorchen; Georg Spet an Karl V., Augsburg 10. XI. 1552, Wien HHStA, RA i.g. 16, fol. 272r-274v (Beilage B), wiedergegeben bei Salomies, Die Pläne Kaiser Karls V., S.

157-159.

Position anstrebte, versuchte daraufhin, Albrecht von Bayern in seinem Sinne zu beeinflussen, doch Albrecht blieb vorerst bei seiner Zustimmung zum Bund.563

Neben den beiden süddeutschen Herzögen sollten auch die beiden Kurfürsten von der Pfalz und von Mainz dem geplanten Bund beitreten. Diese vertrösteten jedoch den kaiserlichen Kommissar, ohne eine eindeutige Antwort zu geben, weil sie dem geplanten Bund offensichtlich ablehnend gegenüber standen.564 Die geplante Neuauflage des Schwäbischen Bundes in Memmingen und die damit einhergehende Aufwertung der adeligen Mindermächtigen und der Städte dürfte ebensowenig wie der alte Schwäbische Bund den kurfürstlichen Interessen entsprochen haben. Denn sowohl Mainz als auch Pfalz hatten als Gründungsmitglieder der Rheinischen Einung dafür gesorgt, daß der Schwäbische Bund nicht verlängert wurde und daraufhin zerfiel.

Zum Ende des Jahres 1552 kamen die Bundespläne ins Stocken, weil der Kaiser vor allem mit der Durchführung des Feldzuges gegen Frankreich beschäftigt war. Die geplante Wiedereroberung der im Februar 1552 von Heinrich II. erbeuteten lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun sowie der Stadt Cambrai, die dem Kaiser auch im Reich wieder Ansehen und Autorität verschaffen sollte, war jedoch schon vor Metz zum Stillstand gekommen. Die verhängnisvolle Allianz mit Markgraf Albrecht Alkibiades im Oktober konnte das Scheitern des Feldzuges letztendlich auch nicht verhindern; im Januar 1553 wurde die Belagerung von Metz abgebrochen. Der Feldzug hatte mit einer erneuten Niederlage des Kaisers geendet, das Ansehen Karls V. im Reich befand sich - erst recht aufgrund der Verbindung mit dem fränkischen Markgrafen - auf einem Tiefpunkt. Um so mehr mußte der Kaiser versuchen, seine Position im Reich zu konsolidieren. Die Bemühungen um die Bundesgründung wurden deshalb wieder intensiviert.

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