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KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

B. K AISERLICHER N EUNJÄHRIGER B UND (1535-1544)

4. Das bündische Führungspersonal

Auf dem zweiten Bundestag, im April 1535 in Lauingen, wurden die Bundesämter besetzt. Zum Bundeshauptmann wurde Leonhard Marschall von Pappenheim gewählt, der dies Amt bis 1544 inne hatte, Bundesschreiber wurde Hans Dattler,220 Dr. iur. Kaspar von Kaltenthal wurde zum Bundesrichter ernannt.221

Sowohl Kaspar von Kaltenthal als auch Leonhard von Pappenheim verfügten über hinreichende Amtserfahrung, denn beide hatten diese Ämter auch schon im Schwäbischen Bund inne gehabt:

Kaltenthal war von 1528 bis 1534 von den Fürsten nominierter Richter des Schwäbischen Bundes und Pappenheim von 1530 bis 1534 adeliger Bundeshauptmann gewesen.222 Aber nicht nur die Erfahrungen beim Schwäbischen Bund dürften für ihre erneute Ernennung ausschlaggebend gewesen sein. Entscheidend bei der Auswahl des Führungsspersonal war ebenso ihre Nähe zu den Habsburgern und zu anderen Mächtigen des Neunjährigen Bundes.

219Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, Beilage XIII, S. 148-159; Endres, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 89.

220Bei Endres, Der kayserliche neunjährige Bund, S. 93, irrtümlich Hans Schreiber.

221Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, Beilage XIII, S. 148-159.

222Zu Kaltenthal vgl. Frey, Das Gericht des Schwäbischen Bundes und seine Richter, S. 269f..

Kaspar von Kaltenthal gehörte als Offizial, Domherr, Archipresbyter, Scholastikus und Rat zum Leitungsgremium des Stiftes Augsburg. Und er war zugleich, wie seine vielen Ämter beweisen, der engste politische Vertraute des Augsburger Bischofs,223 Christoph von Stadion, mit dem er zudem mütterlicherseits verwandt war.224

Christoph von Stadion225 wiederum war ein enger Vertrauter der Habsburger, u.a. fungierte er als kaiserlicher Rat. Zugleich war auch er Funktionär des Schwäbischen Bund gewesen.226 Als kaiserlicher Kommissar schließlich hatte er 1533/34 die Verlängerungsverhandlungen des Schwäbischen Bundes sowie die Gründungsverhandlungen des Neunjährigen Bundes geführt.

Stadions Position als fürstliches Bundesmitglied und Vertrauensmann der Habsburger dürfte wohl ausschlaggebend dafür gewesen sein, seinen Vertrauten Kaspar von Kaltenthal als Bundesrichter zu etablieren. Kaltenthal gelangte auf diesem Wege sogar in habsburgische Dienste, er wurde kaiserlicher Rat227 und war, weil in Bundesangelegenheiten erfahren, im Auftrag Karls V. 1547 mit Vorbereitungsverhandlungen für die Gründung des damals geplanten Reichsbundes beauftragt.228 Auch Leonhard von Pappenheim befand sich in augsburgischen Diensten. Er war augsburgischer Rat und gehörte zu der Ehrenabordnung des Stiftsadels, die bei der Bischofsweihe Christoph von Stadions, 1517, an der Konsekration mitwirkte.229 Zwar liegt die Herrschaft Pappenheim in Franken, südlich von Weißenburg; gleichwohl waren die Pappenheimer nicht Mitglied der fränkischen, sondern der schwäbischen Ritterschaft (Kanton Kocher)230 - dies wahrscheinlich aufgrund ihrer engen Verbindung zum Schwäbischen Bund und wegen ihrer Zugehörigkeit zum Augsburgischen Stiftsadel.231

223Friedrich Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2, München/Augsburg 1969, S.

111.

224Kaltenthals Mutter war Agnes v. Stadion, Frey, Das Gericht des Schwäbischen Bundes und seine Richter, S.

270.

225Zu Christoph v. Stadion s. Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2, S. 1-172.

226Stadion war kurzzeitig, bevor er zum Bischof ernannt wurde, Beisitzer des schwäbischen Bundesgerichts gewesen.

227Frey, Das Gericht des Schwäbischen Bundes und seine Richter, S. 270, dort allerdings ohne Datumsangabe.

Kaltenthal muß vor dem März 1547 kaiserlicher Rat geworden sein, weil Karl V. ihn in einem Brief vom 10.

III. 1547 als „unnseren Rath“ bezeichnet (Wien HHStA, RA i.g. 15, fol. 1r).

228Vgl. dazu Rabe, Reichsbund und Interim, S. 135f.; 143-145.

229Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2, S. 10f., 151f.

230Max Spindler (Hg.), Handbuch der bay. Geschichte, Bd. III/1, 2. Aufl. München 1979, S. 316f.

231Neben Kaltenthal und Pappenheim fungierten mit Wilhelm v. Knöringen sowie Wilhelm Güß v. Güssenberg zwei weitere augsburgische Räte (von insgesamt 15), die als Hauptleute eine führende Stellung im Schwäbischen Bund innehatten, Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2, S.

151.

Zu diesem Personenkreis gehörte ebenfalls Marquard von Stein, neben Christoph von Stadion einer der beiden anderen kaiserlichen Kommissare bei den Gründungsverhandlungen des Neunjährigen Bundes. Stein war Dompropst von Bamberg sowie von Augsburg und entstammte ebenfalls dem Augsburger Stiftsadel.232

Der dritte kaiserliche Kommissar schließlich, Graf Wolfgang von Montfort, stand nicht nur in habsburgischen, sondern auch in bayerischen Diensten,233 was ihn aus habsburgischer Sicht als Kommissar für die Verhandlungen prädestiniert haben dürfte. Denn ein Zusammengehen mit den bayerischen Herzögen, als den wichtigsten - und katholischen - Fürsten Oberdeutschlands war für die habsburgische Stellung in Oberdeutschland wesentlich und bestimmte auch Gewicht und Schlagkraft des Bundes. Allerdings war Bayern, wie oben erwähnt, erst zu konstruktiven Bundesverhandlungen bereit, als Württemberg restituiert und damit die Stellung der Habsburger geschwächt worden war.

5. Das interne Handeln des Bundes

Wie man den bei Spieß edierten Bundesabschieden entnehmen kann, wurde der kaiserliche Neunjährige Bund hauptsächlich als ein Forum für die friedliche Streitbeilegung zwischen seinen Mitgliedern genutzt, ohne daß jedoch immer eine endgültige Entscheidung getroffen werden konnte.

Auseinandersetzungen um Herrschaftsrechte und -ausübung hat es vor allem zwischen den städtischen und fürstlichen Bundesmitgliedern gegeben; zumeist vollkommen unabhängig von konfessionellen Zugehörigkeiten. Sobald aber das bündische Handeln von der konfessionellen Problematik berührt wurde, erwies sich der Bund als handlungsunfähig.

a) Nürnberg versus Brandenburg

Ein passendes Beispiel dafür bieten die harten Auseinandersetzungen zwischen Nürnberg und Markgraf Georg von Brandenburg. Die bestehenden Streitigkeiten, die ihren Ursprung weit vor der

232Stein zu Jettingen, Jettingen liegt zwischen Günzburg und Augsburg, Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2, S. 415.

233Belegt seit 1522; dazu: Nadja Nupke-Niederich, Habsburgische Klientel im 16. Jahrhundert: Hugo von Montfort im Dienste des Hauses Habsburg, in: Horst Rabe (Hg.), Karl V. Politik und politisches System, Konstanz 1996, S. 137-161, hier S. 146 sowie die kurze biographische Skizze bei Christine Roll, Reichsregiment, S. 510-514.

Gründung des Bundes hatten,234 wurden durch Ausgleichsversuche des Bundes weitestgehend vor dem offiziellen Beitritt Nürnbergs beigelegt.235 Die Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien flammten jedoch wieder auf, und es drohten sogar militärische Auseinandersetzungen, als Nürnberg 1538/39 seine Stadtmauer und Befestigungsanlagen ausbaute, wogegen der Markgraf, der ja auch Burggraf von Nürnberg war, beim Bund protestierte, so daß Abgesandte des Bundes beauftragt wurden zu vermitteln, um eine gütliche Einigung herbeizuführen.236 Auf dem nächsten Bundestag, im März 1539 in Ingolstadt, konnte kein Kompromiß erzielt werden, die Entscheidung wurde auf den nächsten Bundestag verschoben.237 Dieser, im April 1539 in Donauwörth, verlief genauso ergebnislos, wogegen Brandenburg protestierte. Weitere Bundestage, im Juni 1539 bzw. März 1540, blieben ebenfalls erfolglos: Die Angelegenheit wurde jeweils auf die nächste Versammlung vertagt, und Brandenburg legte jeweils Protest ein. Der Bund wiederum beschwerte sich beim Markgrafen darüber, daß der Brandenburgische Bundesrat den letzten zwei Sitzungen ferngeblieben sei.238

Der Streit konnte im Rahmen des Bundes offensichtlich nicht friedlich beigelegt werden, eine militärische Lösung entfiel gleichfalls, weil der Bund durch das Aufstellen von Truppen den Markgrafen von kriegerischem Handeln abschreckte. Schließlich wurde die Angelegenheit dem Kammergericht übergeben, obwohl dieses nach Bundesrecht eigentlich nicht dafür zuständig war.239

b) Windsheim versus Brandenburg

Auseinandersetzungen aufgrund von Herrschaftsansprüchen gab es ferner zwischen Albrecht Alkibiades von Brandenburg und der Stadt Windsheim. Hier hatte der Markgraf von Dörfern Gelder eintreiben lassen, über die Windsheim das Besteuerungsrecht besaß. Als der Bund sich nach Beschwerde Windsheims daraufhin einschaltete, gab Markgraf Albrecht an, gar nicht Bundesstand zu sein, der Bund sei für ihn also nicht zuständig.240 Dieser fadenscheinige Einwand konnte schnell entkräftet werden, weil Georg von Brandenburg für sich und seinen Neffen Albrecht in den Bund eingetreten war. Da ein Pönalmandat schon vorlag, verlangte Windsheim auf dem Nürnberger

234Strittig waren Hochgerichtsbarkeit und Wildbann in den ländlichen Besitzungen Nürnbergs, Endres, Der kayserliche neunjährige Bund, S. 95f.

235Vertrag von Schwabach am 19. III. 1535, Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 13.

236Bundestag zu Ingolstadt, 16. I. 1539, Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 25.

237Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 26.

238Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 29.

239Endres, Der kayserliche neunjährige Bund, S. 96f.

Bundestag (Februar 1543) die Exekution gegen Albrecht Alkibiades. Der aber hatte bereits, um Zeit zu gewinnen, an das Kammergericht appelliert. Die Auseinandersetzung konnte durch gütliche Einung schon am 11. April 1543 beigelegt werden, allerdings wurde der Ausgleich nicht durch den Bund vermittelt, sondern durch König Ferdinand. Die Neunjährige Einung konnte die Vermittlung lediglich nachträglich, am 20. Mai 1543, billigen.

c) Andere Streitigkeiten

Wirkungsvoller agierte der Bund bei den Grenz- und Jurisdiktionsstreitigkeiten zwischen Bamberg und Markgraf Georg. Hier konnte der vom Bund als Arbiter eingesetzte Bischof von Augsburg erfolgreich vermitteln, so daß am 1. Juli 1538 in Forchheim Grenzverlauf und Hochgerichtsbezirke neu eingeteilt und dauerhaft festgelegt wurden. Zwei Jahre später einigten sich beide Parteien, ebenfalls unter Vermittlung des Augsburger Bischofs, über die Forst- und Jagdrechte. Diese vertraglichen Fixierungen der Grenzen und Herrschaftsrechte hatten bis zum Ende Alten Reiches Bestand.241

Eine andere, religionspolitisch brisante Auseinandersetzung konnte vom Bund, kurz vor dessen Ende, dagegen nicht geschlichtet werden. Ottheinrich von Pfalz-Neuburg hatte in seinem Territorium die Reformation eingeführt, und infolgedessen wurde auch in dem Dorf Unterstall der katholische Pfarrer abgesetzt. Pfalz-Neuburg hatte zwar die Oberhoheit über das Dorf inne; jedoch besaß das Eichstätter Domkapitel das Patronatsrecht über die Kirche, weshalb Eichstätt wegen der Verletzung seiner Rechte die Angelegenheit - erfolglos - vor den Bund brachte.242 Die Bundesmitglieder schlugen lediglich vor, daß Pfalz-Neuburg zugunsten Eichstätts gegen finanzielle Entschädigung auf die Oberhoheit über Unterstall verzichten solle, obwohl der Bundesrichter bereits ein Pönalmandat gegen Pfalz-Neuburg erlassen hatte.243 Der Bund scheute also die Exekution gegen Pfalz-Neuburg, denn dies wäre wahrscheinlich seitens der protestantischen Reichsstände als gewaltsame Unterdrückung der Reformation verstanden worden. Das Spannungsverhältnis von Ortsherrschaft und Patronat war freilich generell ungeklärt - und schon in dieser Frage wollte sich der Bund wohl nicht festlegen.

240Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 33.

241Endres, Der kayserliche neunjährige Bund, S. 97.

242Bundestag zu Wembdingen, 11. XII. 1543, Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 37.

243Endres, Der kayserliche neunjährige Bund, S. 99.

d) Das Ende des Bundes

Bei Auseinandersetzungen mit konfessionellem Hintergrund war der kaiserliche Bund somit weitgehend handlungsunfähig, wollte er nicht die im Schmalkaldischen Bund organisierten Protestanten herausfordern. Darüber hinaus hatte der Bund mit dem Übertritt Ottheinrichs zur Reformation aber auch seine religionspolitische Neutralität und Grundlage eingebüßt, weil in der Bundesverfassung mit Bezug auf den Nürnberger Anstand festgelegt worden war, daß Protestanten nur dann Bundesmitglied werden könnten, wenn sie die Reformation bis zum „Normaljahr“ 1532 eingeführt hätten. Dieses grundsätzliche Problem wurde aber offensichtlich innerhalb des Bundes nicht mehr angesprochen, es wird vielmehr mit dazu beigetragen haben, daß der Bund ohne intensive Bemühungen um eine Verlängerung sich Ende 1543 auflöste. Zwar war ursprünglich beschlossen worden, daß 1543 Verlängerungsverhandlungen geführt werden sollten, jedoch wurde auf der dafür vorgesehenen Bundesversammlung, auf der auch Eichstätt gegen Pfalz-Neuburg Hilfe anmahnte,244 dann festgelegt, daß die Bundesakten registriert und dem Bischof von Augsburg übergeben werden sollten.

Ferdinand bemühte sich trotzdem weiterhin um eine Verlängerung des Bundes und lud deshalb zu einem Treffen der Bundesmitglieder am 1. September 1544 nach Donauwörth ein. Es ist allerdings fraglich, ob dieses Treffen überhaupt stattgefunden hat; weder hat Ernst Spieß in den brandenburgischen Archiven einschlägige Zeugnisse darüber gefunden noch gibt es in der politischen Korrespondenz der Habsburger entsprechende Hinweise.245

Allerdings hat Ferdinand schon im Februar 1543, auf dem Nürnberger Bundestag, Pläne vorgebracht, nach denen der Neunjährige Bund im Zuge seiner Verlängerung in eine neue Einung umgewandelt werden sollte, die sich organisatorisch mit drei Bänken und drei Bundesrichtern an der Verfassung des Schwäbischen Bundes orientieren und dementsprechend auch neue Mitglieder aufnehmen sollte.246 Am 15. August 1543 sollte ein Bundestag stattfinden, der jedoch immer wieder verschoben und schließlich ganz abgesagt wurde. Die Verhandlungen sollten dann auf dem nächsten

24411. XII. 1543 in Wembdingen.

245Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 38; eine dies bezügliche Durchsicht der Reichsakten in genere im Wiener HHStA blieb erfolglos.

246Außerdem sollten dem Bund neben den Habsburgern, Bayern, Württemberg, die Pfalzgrafen Ottheinrich und Philipp, die Markgrafen Georg und Albrecht, die Städte Ulm, Augsburg, Nürnberg, den Ebf. v. Salzburg, die Bischöfe v. Würzburg, Bamberg, Eichstätt und Augsburg sowie Prälaten, Grafen und Ritter angehören;

Religionsangelegenheiten sollten ausgenommen werden, Friedrich Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte, Bd. 3, München 1907, S. 108f.

Reichstag stattfinden.247 Tatsächlich hat dann Ferdinand im März 1544 während des Reichstags in Speyer mit Württemberg, Hessen, Bayern, Ulm, Augsburg, Nürnberg und Straßburg Verhandlungen über die Weiterführung respektive die Neugründung einer Einung nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes führen lassen, jedoch ohne Erfolg, weil die präsumtiven Mitglieder ablehnten.248 Die angesprochenen protestantischen Städte hatten sich zuvor mit dem hessischen Landgrafen besprochen, der der Einung jedoch nicht beitreten wollte und deshalb auch den Städten vom Beitritt abriet.249 Allerdings scheinen sich nicht alle angesprochenen Städte so ablehnend wie Straßburg und Augsburg verhalten zu haben.250 Einige der von Ferdinand befragten Städte (unter der Führung Nürnbergs und Ulms) dürften sich, wie aus einem Brief Karls V. hervorgeht, bereit erklärt haben, einen Bundestag zu beschicken, um mit den Habsburgern über die Gründung einer neuen Einung zu verhandeln. Diese Versammlung wurde jedoch von Karl V. auf den kommenden Wormser Reichstag (1545) verschoben.251

Der Neunjährige kaiserliche Bund lief also ohne Verlängerung aus; sein Ende hatte sich schon zuvor aufgrund des einsetzenden Desinteresses seiner Mitglieder abgezeichnet, weil immer weniger Bundesstände regelmäßig an den Bundesversammlungen teilnahmen. Nach seinen Auseinandersetzungen mit Nürnberg mied Markgraf Georg seit 1540 den Bund und dessen Versammlungen überhaupt. So scheiterte beispielsweise die Aufnahme Schweinfurts in den Bund 1540 mehrfach daran, daß die Bundesversammlungen wegen des schlechten Besuchs nicht beschlußfähig waren.252 Um der notorischen Beschlußunfähigkeit zu entgehen, wurde ein Bundestag 1543 nach Nürnberg einberufen, weil dort zugleich der Reichstag tagte und sich somit ohnehin fast

247Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte, Bd. 3, S. 109.

248Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte, Bd. 3, S. 110; Stumpf, Baierns politische Geschichte, Bd. 2, S. 256-260. Bei dem Reichstagsgesandten Straßburgs, Jakob Sturm, fragte Ferdinands Rat Georg Gienger an, ob Straßburg des Friedens im Reich wegen nicht einem Bund gleich dem alten Schwäbischen Bund beitreten wolle, Brief Sturms und Geigers an das Dreizehnerkollegium vom 30. III. 1544, Politische Correspondenz der Stadt Straßburg im Zeitalter der Reformation, Bd. 3 (1540-1545), bearbeitet v. Otto Winckelmann, Straßburg 1898, S. 479f.

249Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte, Bd. 3, S. 119, Anm. 73.

250Der Rat ließ die Gesandten Sturm und Geiger am 9. IV. 1544 wissen, daß er große Bedenken gegen den avisierten Bund habe, weil die protestantischen Stände dort von den katholischen Mitgliedern wahrscheinlich majorisiert werden würden und dieser dann bei Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Straßburg und dem Bischof auf Seiten des Bischofs wäre. Außerdem würde die Stadt Straßburg durch den Bund in die Kriege der habsburgischen Erblande (Osmanen) verwickelt, Winckelmann, Politische Correspondenz der Stadt Straßburg, Bd. 3, S. 482f.

251Brief Karl V. an die Städte Nürnberg und Ulm vom 26. XI. 1544 aus Valenciennes, Wien HHStA, RA i.g. 11/5, fol. 18r-v.

252Auf den vier Bundestagen am 1. III., 1. V., 24. VIII. und 11. XI. 1540 stand jeweils die Aufnahme Schweinfurts an, Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, S. 29.

alle Mitglieder des Bundes in Nürnberg einfanden. Unter dem mangelnden Interesse litt in immer stärkerem Maße auch die ohnehin schlechte Zahlungsmoral der Bundesmitglieder, mit der Folge, daß im August 1543, kurz vor seinem Ende, der Bund zahlungsunfähig war und Rechnungen nicht mehr beglichen werden konnten.253

Die formelle Abwicklung des kaiserlichen Neunjährigen Bundes verlief gleich der des Schwäbischen Bundes.254 In gewisser Weise hatte sich der Neunjährige Bund ohnehin als Fortsetzung oder Nachfolgeorganisation des Schwäbischen Bundes verstanden.255 Zum Ausdruck kommt dies einerseits in der Namengebung des Bundes, denn im zeitgenössischen Sprachgebrauch wurde der Schwäbische Bund in dessen letzter Einungsperiode „elfjährige Einung“ genannt. Zum anderen wurde die Neunjährige Einung von ehemaligen Mitgliedern des Schwäbischen Bundes gegründet, die als solche die Verfassung der elfjährigen Einung, wenn auch mit markanten Veränderungen, sowie das Führungspersonal des Schwäbischen Bundes (Kaltenthal, Pappenheim) übernahmen. Der Neunjährige Bund hat sogar zweimal gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern des ehemaligen Schwäbischen Bundes aufgrund der Rosenbergfehde getagt.256

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