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Erneute Bundesverhandlungen in Zeitz (September/Oktober 1553)

KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

H. E GERER B UNDESPROJEKT (1552/53)

5. Erneute Bundesverhandlungen in Zeitz (September/Oktober 1553)

Kurfürst Moritz von Sachsen verstarb am 11. Juli 1553, zwei Tage nach der Schlacht von Sievershausen. Damit war auch die Gründung des Egerer Bundes fraglich geworden, denn Moritz war der Initiator und neben Ferdinand der entschiedenste Befürworter des Bundes gewesen, und es war unsicher, ob sein Bruder und Nachfolger August seine Politik fortführen würde.

Ferdinand jedenfalls orientierte sich nach dem Tode Moritzens um. Er wollte seine Bundesaktivitäten nicht allein auf den Egerer Bund beschränken, dessen Gründung er nun als ungewiß ansah, weshalb er über Bayern den Anschluß an den Heidelberger Bund suchte.669

Karl V. hingegen war weiterhin bereit, dem Egerer Bund beizutreten.670 Seine Bundespläne zielten also nicht lediglich darauf, ein mögliches Machtinstrument von Moritz von Sachsen kontrollieren zu können. Würzburg, Bamberg und Nürnberg, die fränkischen Gegner Markgraf Albrechts, befürworteten ebenfalls die Bundesgründung.

Der zweite Bundestag in Zeitz wurde jedoch auf Wunsch des neuen sächsischen Kurfürsten auf den 20. September 1553 vorverlegt. Ende September trafen dann in der zum Stift Naumburg gehörenden Stadt die Gesandten Sachsens, Österreichs, Braunschweigs, der Bischöfe von Magdeburg, Bamberg und Würzburg sowie der Stadt Nürnberg ein.671 Die Beratungen begannen zunächst ohne die kaiserlichen Gesandten. Der Kaiser, dessen Vertreter den weitesten Weg hatten,

669Ferdinand nannte explizit den Tod Moritzens als Beitrittsgrund zum Heidelberger Bund, Instruktion Ferdinands für Zasius an Albrecht v. Bayern, Wien, 2. VIII. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 19/3, fol. 287r-293r, hier fol. 290v. Zasius teilte dem bayerischen Herzog dann auch mit, daß nach dem Tode Moritz der Egerer Bund nicht zustande kommen würde, Brief Hz. Albrechts an Christoph v. Württemberg, 13. VIII. 1553, Ernst, Briefwechsel, Bd. 2, S. 266f. Am 10. IX. 1553 unterrichtete Ferdinand schließlich den Kaiser, dem Heidelberger Bund beizutreten, Druffel, Bd. 4, S. 257.

670Der Kaiser instruierte seine Gesandten Neuenahr, Tisnac und Schwendi, sie sollten trotz Moritzens Tod versuchen, den Bund zu errichten; Brüssel, 24. VII. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 18/2, fol. 319r-v. Ähnlich an Ferdinand, 23. VII. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 214-219, hier S. 217.

671Die sächsischen Gesandten trafen erst am 25. IX. 1553 in Zeitz ein, Schriften Dr. Melchiors von Osse, hg. v.

Hecker, S. 219; namentliche Aufzählung der Gesandten ebd., S. 222f.

war wieder einmal zu spät von seinem Bruder über die erneute Verschiebung informiert worden; der

„heimliche Boykott“ Ferdinands ging weiter.672

Zu den Gründungsverhandlungen hatten - trotz ihrer Teilnahme an den Egerer Beratungen - Kurbrandenburg und Hessen keine Vertreter entsandt.673 Die im Vorfeld der Zeitzer Verhandlungen von Karl V. eingeladenen süddeutschen Fürsten nahmen ebenfalls nicht an den Verhandlungen teil.674 Lediglich der Erzbischof von Magdeburg war neu hinzugekommen. Insgesamt konnten also nur wenige Reichsstände zur Beteiligung an den Gründungsverhandlungen gewonnen werden, und auch unter den in Zeitz vertretenen Ständen hielt sich die Bereitschaft zu einem Abschluß wegen der Teilnahme des Kaisers in sehr engen Grenzen, wie Heinrich von Plauen zu berichten wußte.675

Aber nicht die kaiserliche Beteiligung an den Verhandlungen verhinderte die endgültige Bundesgründung. Vielmehr standen zwei weitere Hindernisse einer Einigung im Weg. Das eine Problem stellte das zukünftige Vorgehen der Einung gegen Markgraf Albrecht dar. Ferdinand, Herzog Heinrich von Braunschweig, die fränkischen Bischöfe und Nürnberg forderten, daß nach seiner Gründung der Egerer Bund sofort den Kampf gegen den Markgrafen aufnehmen sollte. Gegen diese Position wandten sich jedoch der sächsische Kurfürst und auch Magdeburg. Obwohl sein Bruder im Kampf gegen den Markgrafen sein Leben gelassen hatte, beendete August den Krieg gegen Albrecht, einigte sich vertraglich mit ihm und zog die sächsischen Truppen ab.676 Er wollte

672Zitat: Lutz, Christianitas, S. 213. Angesichts der vorherigen Verschiebungen und unterlassenen Informationen Ferdinands glaubte man am kaiserlichen Hof nicht mehr an Zufälle. Über die dortige erboste Stimmung vgl.

den Bericht des Brüsseler Gesandten Ferdinands, Gamez, an diesen, 1. X. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 291f.

673Einladung Ferdinands nach Zeitz auf den 1. X. 1553 an Kurbrandenburg, Bamberg, Würzburg, Braunschweig-Wolfenbüttel, Hessen, Magdeburg und Nürnberg, Wien, 20. VIII. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 29r-v. Kf. Joachim 29r-v. Brandenburg sagte die Teilnahme seiner Gesandten zunächst zu (Brief an Ferdinand, Lochau, 2. IX. 1553, ebd., fol. 32r-33v), nahm seine Zusage dann jedoch am 17. IX. 1553 mit der Begründung zurück, der Landfriedensschutz solle besser auf dem Reichstag für das gesamte Reich beraten werden, und zudem wolle er sich wg. der Erbeinung mit Sachsen und Hessen nicht in eine allgemeine Einung einlassen (Brief an die Zeitz versammelten Bundesstände, Cölln a.d. Spree, 17. IX. 1553, ebd., fol.

49r-50v). Die Absage Philipps v. Hessen an Ferdinand, 9. IX. 1553, in: Christian Gotthold Neudecker, Neue Beiträge zur Geschichte der Reformation, Bd. 1, Leipzig 1841, S. 50-52. Der Landgraf gab an, wg. der hohen finanziellen Belastung nicht beitreten zu wollen. Allerdings bemühte sich Philipp zur gleichen Zeit um die Aufnahme in den Heidelberger Bund. Ausschlaggebend für die Absage an Ferdinand dürfte die kaiserliche Beteiligung gewesen sein.

674Allerdings hatten die Fürsten des Heidelberger Bundes beschlossen, über ein Zusammengehen mit dem Egerer Bund zu beraten, vgl. Albrecht v. Bayern an Christoph v. Württemberg, 20. VII. 1553, Ernst, Briefwechsel, Bd. 2, S. 240. Aber insbesondere Württemberg stand diesen Plänen skeptisch gegenüber.

675Plauen an Ferdinand, nach dem 4. X. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 293f.

676Gegen diese Politik protestierten die alten Räte von Kf. Moritz; Milnitz, Carlowitz, Ponickau und Fachs an Kf.

August, 7. X. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 295-298. Schon am 3. X. 1553 schrieb August seinen Gesandten in Zeitz, der Bundestag solle auf den nächsten Reichstag verschoben werden, weil die meisten Stände, die dem Bund beitreten wollen, Krieg gegen den Markgrafen führen wollten, ebd., S. 292f. Über die Einigung des sächsischen Kurfürsten mit dem Markgrafen und die daraus resultierenden Schwierigkeiten für die

zunächst seine neu angetretene Herrschaft konsolidieren und war deshalb auch nicht bereit, als Bundesmitglied gegen den Markgrafen vorzugehen. Formal entzündete sich der Streit am Artikel 45 des Entwurfes der Bundesordnung.677 Sachsen und Magdeburg vertraten hierbei den Standpunkt, daß nur neue Landfriedensbrüche, nicht aber bestehende wie die des Markgrafen den Bündnisfall begründen würden.678 Die übrigen Stände wiesen jedoch darauf hin, daß man den Landfrieden nur sichern könne, wenn auch bestehende Verstöße geahndet würden. Schließlich stimmten auch die Magdeburger Gesandten dieser Argumentation zu, die sächsischen beharrten jedoch auf ihrer Position. So wurde Artikel 45 lediglich um den Zusatz ergänzt, daß man sich über diesen Artikel noch endgültig verständigen müsse.679

Der andere umstrittene Punkt betraf den Schutz der österreichischen Erbländer vor den Türken. Hier beharrten die Gesandten Ferdinands gegen alle Einwände der anderen Stände680 - nicht einmal die kaiserlichen Vertreter unterstützten die Forderung681 - auf der Festschreibung der Hilfsverpflichtung des Bundes bei türkischen Angriffen (Art. 49).682

Bundesgründung vgl. die Berichte der kaiserlichen Gesandten Tisnacq und Schwendi an Karl V., Zeitz, 8.

und 21. X. 1553, Lanz, Correspondenz, Bd. 3, S. 589-595.

677Art. 45: „Was fur sachen in diser ainigung begriefen oder außgenommen sein“ 2. Entwurf einer Bundesordnung, Zeitz, 26. X. 1553, besiegeltes Original, Wien HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 139r-165r, hier fol.

160v.

678Bericht der sächsischen Gesandten an Kf. August, 13. X. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 301f. Stellungnahme der sächsischen Gesandten bei den Verhandlungen in den Akten, die der österreichische Gesandte Griespeck seinem Bericht an Ferdinand beilegte, Zeitz, 23. X. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 117r-132v, hier fol.

130r-v.

679Bericht der sächsischen Gesandten an Kf. August, 28. X. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 313f. Da im Art. 45 geregelt wird, daß der Bündnisfall neben Landfriedensbrüchen auch bei Verletzungen des Passauer Vertrages eintreten solle, protestierten - wie schon in Eger - auch die Braunschweigischen Gesandten gegen diese Bestimmung, denn Hz. Heinrich hatte den Passauer Vertrag nicht anerkannt. Hinter diesem Braunschweigischen Protest stehen dann die sehr allgemein formulierten sächsischen Bedenken (Wien HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 161r).

680Die gemeinsame Stellungnahme von Magdeburg, Bamberg, Würzburg, Braunschweig und Nürnberg als Aktenbeilage im Bericht Griespecks an Ferdinand, Zeitz, 23. X. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 117r-132v, hier fol. 124r-126r.

681Bericht der sächsischen Gesandten an Kf. August, 28. X. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 313f. Die Niederlande waren problemlos in den Egerer Bund aufgenommen worden, weil Hilfe gegen Frankreich explizit ausgeschlossen wurde, Art. 49 Bundesentwurf, Wien HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 162r-v.

682In Art. 49 wird ausdrücklich festgehalten, daß es wegen der Türkenhilfe zwischen den „khn. Ratten und den andern Chur und furstlichen Gesanten sonderlichen Mißverstand“ gegeben habe, Wien HHStA, RA i.g.

19/1, fol. 162v.

Über diese beiden Punkte konnte auch nach fünfwöchigen Verhandlungen keine Einigkeit erzielt werden. Lediglich die in Eger noch umstrittene Stimmverteilung im Bund konnte in Zeitz abschließend geklärt werden.683

Um das endgültige Scheitern der Bundesgründung vor der Öffentlichkeit zu verdecken, wurde zum Abschluß der Verhandlungen - als Zeichen der Einigkeit684 - die Bundesordnung ausgefertigt und besiegelt.685 Als offiziellen Grund für die nicht erfolgte Gründung gab man an, daß zunächst noch weitere Stände zum Beitritt geworben werden sollten.686

Gescheitert war das Egerer Bundesprojekt vor allem an der unnachgiebigen Haltung der beiden Initiatoren, des sächsischen Kurfürsten und König Ferdinands. Ferdinand konnte es sich erlauben, bei den Zeitzer Verhandlungen auf seinen Maximalforderungen zu bestehen, nachdem feststand, daß er dem Heidelberger Bund beitreten würde. August von Sachsen wiederum verfolgte nach seinem Machtantritt eine andere Politik als sein Bruder Moritz. Der relativ problemlose und sichere Machtübergang dürfte August verdeutlicht haben, daß seine Herrschaft und Kurwürde nicht in dem gleichen Maße gefährdet war wie die seines Bruders Moritz. Deshalb konnte er es sich erlauben, den Krieg gegen Markgraf Albrecht einzustellen, um sich primär den innersächsischen Angelegenheiten zu widmen.687 Anders als Moritz benötigte August den Egerer Bund nicht zur Herrschaftssicherung.

Und auch sein reichspolitisches Hauptziel, die Errichtung eines umfassenden und dauerhaften Religionsfriedens, verwirklichte August - anders als Moritz - nicht in bündischer Kooperation mit

683Karl V. erhielt 2 Stimmen, Ferdinand ebenfalls 2, Sachsen, Bamberg, Würzburg, Braunschweig, Nürnberg und Plauen jeweils eine Stimme, Magdeburg und Halberstadt zusammen 1 Stimme (Art. 13), Wien HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 148v.

684„Und als man sich nuhen der Sachen in Zceitz nicht voreinigen konte, uf welche handlung vil leute sahen, brachte ichs [scil. der sächsische Gesandte Osse] mit großer muhe dohin, [...], daß man sich eins eintrechtigen abschids vorgliche“, Schriften Dr. Melchiors von Osse, hg. v. Hecker, S. 227.

685Das österreichische Exemplar weist neun Siegel auf, HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 165r.

686So im Eingang der Bundesordnung (HHStA, RA i.g. 19/1, fol. 139v) und im Bericht der sächsischen Gesandten an Kf. August, 28. X. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 313f. Tatsächlich wurde von sächsischer Seite nach den Zeitzer Verhandlungen bei Hans von Küstrin geworben (Instruktion von Kf. August für Laurenz Lindemann, 25. XII. 1553), Druffel, Bd. 4, S. 348. Hans von Küstrin und die pommerschen Herzöge zeigten jedoch kein Interesse an einem Beitritt (Bericht Laurenz Linnemann an Kf. August, 21. I. 1554), ebd., S.

363f. Die Habsburger wandten sich 1554 mehrmals an August v. Sachsen, um den Egerer Bund doch noch zu gründen; doch diese Bemühungen verliefen erfolglos; Ferdinand an August v. Sachsen, Wien, 23. I.

1554, Wien HHStA, RA i.g. 24/1, fol. 5r; ders. an dens., Wien, 10. VIII. 1554, ebd., fol. 20r-v; Karl V. an August v. Sachsen, Lager v. Carnieres, 24. VII. 1554, ebd. fol. 26r-27v (Konzept ebd., fol. 18r-19r);

ungenaue Auszug bei Druffel, Bd. 4, S. 516. Der sächsische Kurfürst gab nur unverbindliche Antworten;

August v. Sachsen an Ferdinand, Dresden, 4. II. 1554, ebd., fol. 6r-v; ders. an dens., Marienburg, 19. VIII.

1554, ebd., fol. 21r-v, 29r.

687Am 24. II. 1554 konnte Kf. August sich schließlich mit den Ernestiner über die Kurwürde und über die Herrschafts- und Besitzverhältnisse in Sachsen einigen; der Vertrag ist ediert in: Hermann Schulze (Hg.), Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Bd. 3, Jena 1883, S. 83-96.

Ferdinand, sondern er verständigte sich zunächst mit Kurbrandenburg und Hessen, um gemeinsam auf dem Reichstag entsprechend vorzugehen.688 Die Geschlossenheit dieser mächtigen protestantischen Fürsten trug maßgeblich dazu bei, daß der Augsburger Religionsfriede zustande kam. Erst nach 1555 festigte sich dann das Verhältnis von August und Ferdinand. Diese für das Reich stabilisierende Achse zwischen Wien und Dresden wurde 1557 in Prag durch die feierliche Erneuerung der sächsisch-böhmischen Erbeinung besiegelt689 - nicht durch einen Landfriedensbund.

688Anläßlich der Erneuerung der sächsisch-brandenburgisch-hessischen Erbeinung und Erbverbrüderung in Naumburg, am 9. und 12. III. 1555, verständigten sich die drei regierenden Fürsten darauf, dieses Ziel gemeinsam auf dem Augsburger Reichstag zu verfolgen.

689Erneuerung der sächsisch-böhmischen Erbeinung - auf der Grundlage der Erbeinung von 1546 - durch August und Ferdinand, 13. IV. 1557, Bittner, Österreichische Staatsverträge, Bd. 1, Nr. 100, S. 21.

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