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KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

H. E GERER B UNDESPROJEKT (1552/53)

4. Die Absichten Karls V

Der Kaiser stand dem Egerer Bundesprojekt, in dem er anfänglich ein von Moritz von Sachsen initiiertes Konkurrenzunternehmen zum Memminger Bund erblickte,658 lange Zeit ablehnend gegenüber. Die Haltung des Kaisers änderte sich allerdings, als sich abzeichnete, daß der Memminger Bund nicht zustande kommen würde.

Deutlich wird der Umschwung der kaiserlichen Politik - von der Ablehnung hin zur geplanten Ausweitung des Egerer Bundes - in dem Gutachten des Reichsvizekanzlers Georg Sigmund Seld, in welchem er dem Kaiser den Beitritt zur geplanten Einung empfahl.659 Zunächst führte Seld aus, daß der Egerer Bund weniger Kosten verursachen würde als der Schwäbische und der Katholische Bund. Außerdem würden in diesem Bund - anders als im Schwäbischen - viele Beschränkungen der landesherrlichen Macht entfallen, und weil Mindermächtige dem Egerer Bund nicht beitreten sollten, entfiele auch der „unberechtigte Einfluss der machtlosen Praelaten, Grafen, Herren und Ritter des Schwäbischen Bundes“.660 Die Hauptfrage des Gutachtens war jedoch, ob der Kaiser den Bund verhindern oder ihm beitreten solle. Ausdrücklich betont Seld, daß allein ein Bund für Ordnung in Deutschland sorgen könne. Zudem gebe es keine rechtliche Handhabe, den Egerer Bund zu verbieten, die Beteiligten seien unverdächtig. Damit aber Moritz von Sachsen und Philipp von Hessen nicht allein über einen mächtigen Bund bestimmen könnten, solle der Kaiser selbst beitreten und weitere katholische Stände wie Bayern und die Bischöfe von Salzburg, Köln, Eichstätt und Augsburg

657Zusammenfassung des Entwurfes für Karl V., Wien HHStA, RA i.g. 18/1, fol. 237r-244v, hier fol. 238v.

658Wenn überhaupt, dann sollte sich der Egerer Bund auf Norddeutschland beschränken, um die Gründung des Memminger Bundes nicht zu gefährden, Karl V. an Ferdinand, 23. III. 1553, Lanz, Correspondenz, Bd. 3, S.

559-567, hier S. 563.

659Undatierte lat. Denkschrift des Reichsvizekanzlers Seld über den Egerer Bund für Karl V., Wien HHStA, RA i.g.

18/2, fol. 288r-299r, Auszüge bei Druffel, Bd. 4, S. 144-149. Grundlage für Selds Gutachten bildet der Bundesentwurf vom 6. V. 1553; die Denkschrift muß also nach dem ersten Egerer Treffen entstanden sein, sehr wahrscheinlich, wie Brandi vermutet, kurz vor den kaiserlichen Werbungen bei Bayern und Württemberg (26. VI. 1553); für diesen Zeitpunkt spricht ebenfalls, daß damit auf kaiserlicher Seite das Scheitern des Memminger Bundesprojekts als sicher angesehen wurde. Auch Salomies, Die Pläne Karls V., S. 196, datiert das Gutachten auf „Mai/Juni 1553“.

nachziehen. Am kaiserlichen Hofe wurde Ferdinand offensichtlich nicht als ausreichendes katholisches Gegengewicht zu Sachsen und Hessen gesehen.

Gemäß dem Seldschen Gutachten ergriff Karl V. nach dem Egerer Bundestag die Initiative. Ohne weitere Absprachen mit den übrigen präsumtiven Bundesständen lud der Kaiser Salzburg, Bayern und Württemberg ein, ebenfalls dem Bund beizutreten, respektive den Heidelberger Bund, dem Württemberg und Bayern angehörten, mit der Egerer Einung zu verschmelzen.661 Karl V. griff damit über den ursprünglich avisierten sächsisch-böhmischen Raum hinaus,662 er wollte - wie bereits im Memminger Bund vorgesehen - die Einbeziehung der süddeutschen und bis auf Württemberg katholischen Fürsten. Diese geplante Ausrichtung nach Süddeutschland diente Karl V. in erster Linie als Ersatz für den gescheiterten Memminger Bund, und zugleich sollte damit das katholische Gewicht im Egerer Bund verstärkt werden. Aber der Kaiser strebte darüber hinaus sogar die Einbeziehung seiner niederländischen Erblande an mit dem Ziel, daß „die bundstend von Schwaben Bayern Osterreich Behaim Sachsen, Francken, Hessen, und Westphalen an, bis in unsre nied[erländischen]

Erblande sovil muglich, aneinand werren, und die hende raichen möchten“.663

In der aufschlußreichen kaiserlichen Instruktion vom 4. Juli 1553 werden die für Karl V.

wesentlichen Probleme der Endphase seiner Herrschaft ersichtlich: Zum einen die Wiederherstellung der kaiserlichen Autorität im Reich, zum andern die Herrschaftsabsicherung seines Sohnes und Nachfolgers Philipp. Deswegen verfolgte der Kaiser ein bündisches Maximalprogramm, das gleichermaßen sowohl die habsburgischen Reichs- als auch Territorialinteressen erfüllen sollte:

660Lat. Denkschrift Selds, Übersetzung Brandis, Druffel, Bd. 4, S. 146. - Von kaiserlicher Seite wurde hiermit das erfolgreiche Grundkonzept des Schwäbischen Bundes, nämlich die Einbindung der Mindermächtigen, aufgegeben.

661Fast gleichlautende Instruktionen Karls für Werbungen bei dem Administrator v. Salzburg, Bayern und Württemberg, Brüssel, 26. VI. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 18/2, fol. 270r-276v; die württembergische Werbung ist gedruckt in: Ernst, Briefwechsel, Bd. 2, S. 199-201; hinhaltende Antwort Hz. Christophs, ebd., S. 230f. Wilhelm Böcklin, der kaiserliche Gesandte, faßte diese Antwort jedoch fälschlicherweise als Zustimmung auf, Böcklin an Karl V., Ulm, 18. VII. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 18/2, fol. 317r-318v; Ernst, Briefwechsel, Bd. 2, S. 233f. Albrecht von Bayern zeigte sich verwundert, daß die kaiserlichen Werbungen ohne Vorwissen der übrigen Egerer Stände erfolgten, Brief an Christoph v. Württemberg, 20. VII. 1553, ebd.

S. 240. Trotz des kaiserlichen Drängens auf einen Verschmelzung der beiden Bünde (erneuter Brief Karl V.

an Hz. Christoph, 19. VIII. 1553, ebd. S. 271f) verschleppte Hz. Christoph eine Entscheidung, die seiner Ansicht nach auf dem nächsten Reichstag getroffen werden sollte (Christoph an Karl V., 11. VIII. und 6. X.

1553, ebd., S. 264f., 300f.).

662In der gemeinsamen Proposition von Moritz und Ferdinand ist von „benachtbarten churfürsten fürsten unnd stennden“ die Rede, die einen Landfriedensbund gründen wollen; österr.-sächs. Proposition für die in Eger versammelten Stände, o. Ort, o. Datum, Wien HHStA, RA i.g. 18/1, fol. 234r-235v., hier fol. 234r.

663Dem Bund sollten deshalb auch die Bischöfe von Köln und Münster sowie Jülich beitreten; kaiserliche Instruktion, Brüssel, 4. VII. 1553, für die Gesandten Hermann Gf. Neuenahr, Charles de Tisnac und Lazarus

Einerseits wollte Karl V. - wie bei allen vorherigen Bundesprojekten - seine Stellung im Reich und damit sein Kaisertum stärken; der Bund sollte mit Süd-, Mittel- und Westdeutschland sogar den größten Teil des Reiches umfassen. Anderseits sollten mit den Niederlanden (und Böhmen) habsburgische Territorien in den Schutzbereich des Egerer Bundes gestellt werden, deren Zugehörigkeit zum (und also deren Schutz durch das) Reich nicht eindeutig war. Im Gegensatz zu der Forderung seines Bruders Ferdinand, Böhmen und Niederösterreich auch gegen die Türken durch den Bund verteidigen zu lassen, wollte Karl V. die Niederlande jedoch nicht gegen Angriffe von außen (also vor Frankreich) schützen lassen; der Bündnisfall sollte lediglich bei Übergriffen durch Reichsstände eintreten.664 Hierbei galt das Augenmerk des Kaisers in erster Linie seinem Sohn Philipp, der die Niederlande erben, nicht jedoch seinem Vater als Kaiser nachfolgen sollte. Der Egerer Bund sollte also mithelfen, die Niederlande auch unter der Regentschaft Philipps abzusichern und zu stabilisieren. In der kaiserlichen Instruktion wird deshalb explizit festgestellt, daß die beiden geforderten Stimmen für die Niederlande mit dem doppelten Anschlag gerechtfertigt werden sollten - und nicht mit dem Kaisertum.665

Kurz vor seinem Tod hatte Kurfürst Moritz mehrmals mit Ferdinand über die Festsetzung eines neuen Bundestages in Zeitz zur endgültigen Errichtung des Egerer Bundes beraten. Die Termine wurden jedoch wegen des Kriegszuges gegen Markgraf Albrecht auf Oktober verschoben.666 Ferdinand unterließ es allerdings, seinen Bruder rechtzeitig über die Verschiebung in Kenntnis zu setzen, so daß die kaiserlichen Gesandten im Juli 1553 - zum großen Ärger Karls V.667 - die weite Reise von Brüssel nach Zeitz vergeblich unternahmen.668 Die Unterlassung Ferdinands

v. Schwendi, Wien HHStA, RA i.g. 18/2, fol. 300r-306r [frühere Konzeptstufe]; 307r-314v [spätere Konzeptstufe], Zitat fol. 309v-310r; Auszüge bei Druffel, Bd. 4, S. 196f.

664Kaiserliche Instruktion, Brüssel, 4. VII. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 18/2, fol. 311r. Der Schutz der burgundischen Erblande durch das Reich war 1548 im Burgundischen Vertrag garantiert worden, insofern konnte der Kaiser eher auf den Schutz der Niederlande vor Frankreich durch den Bund verzichten als Ferdinand auf den Schutz Österreichs vor den Osmanen; Edition des Burgundischen Vertrages vom 26. VI.

1548, in: Lothar Groß/Robert v. Lacroix (Hg.), Urkunden und Aktenstücke des Reichsarchivs Wien zur reichsrechtlichen Stellung des Burgundischen Kreises, Bd. 1, Wien 1944, S. 439-447; zur Entstehung des Burgundischen Vertrages vgl. Rabe, Reichsbund und Interim, S. 371-398.

665Kaiserliche Instruktion, Brüssel, 4. VII. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 18/2, fol. 312v.

666Am 31. V. 1553 schrieb Moritz an Ferdinand, man solle sich deswegen in 6 Wochen in Zeitz treffen; Druffel, Bd. 4, S. 163f. Am 7. VII. 1553 teilte Plauen Ferdinand mit, Moritz wolle den Zeitzer Tag wegen des Krieges gegen Albrecht Alkibiades auf den Oktober verlegen, Druffel, Bd. 4, S. 196-199.

667Karl V. an Ferdinand, 26. VIII. 1553, Lanz, Correspondenz, Bd. 3, S. 584-588, bes. S. 585.

668Instruktion Karls für seine Gesandten, sich am 28. VII. 1553 in Zeitz einzufinden, Brüssel, 4. VII. 1553, Wien HHStA, RA i.g. 18/2, fol. 300r-314v; Druffel, Bd. 4, S. 196f.

veranschaulicht erneut, daß die habsburgischen Brüder ihre Politik kaum noch aufeinander abzustimmen vermochten.

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