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Gründungspersonen und -absichten des Bundes

KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

K. L ANDSBERGER B UND (1556-1598)

1. Gründungspersonen und -absichten des Bundes

Am 1. Juli 1556 wurde der Landsberger Bund auf zunächst sieben Jahre geschlossen. Die Initiative dazu ging von Bayern und Österreich aus; die entscheidenden Personen waren auf bayerischer Seite Wiguleus Hundt, auf habsburgischer der spätere Reichsvizekanzler Johann Ulrich Zasius.821 Beide, Hundt wie Zasius, waren ein Jahr zuvor maßgeblich an dem Zustandekommen des Augsburger Religionsfrieden beteiligt gewesen. In Augsburg dürfte ihnen die Schwäche der katholischen Position im Reich deutlich geworden sein; zumal unsicher war, ob und für wie lange der Augsburger Frieden halten würde. Insofern konnte eine Stabilisierung der katholischen Position durch einen Landfriedensbund nur von Vorteil sein.822 Um die Protestanten durch einen rein katholischen Bund nicht zu provozieren, vielleicht aber auch zur Einbindung protestantische Stände, sollte der avisierte Bund konfessionell gemischt sein. Einladungen wurden deshalb neben Salzburg auch an Württemberg sowie die Städte Ulm und Augsburg versandt,823 nicht aber an den als Protestantenhasser bekannten Kardinal von Augsburg.824 Die Gründungsmitglieder825 sahen es denn auch als wesentliche Aufgabe

820Frank Göttmann, Zur Entstehung des Landsberger Bundes im Kontext der Reichs-, Verfassungs- und regionalen Territorialpolitik des 16. Jahrhunderts, in: ZHF 19 (1992), S. 415-444.; Maximilian Lanzinner, Der Landsberger Bund und seine Vorläufer, in: Press, Alternativen zur Reichsverfassung, S. 65-79; Rudolf Endres, Der Landsberger Bund (1556-1598), in: FS Andreas Kraus, Kallmünz 1982, S. 197-212; Winfried Mogge, Nürnberg und der Landsberger Bund, Nürnberg 1976; Walter Goetz, Beiträge zur Geschichte Herzog Albrechts V. und des Landsberger Bundes, München 1898; Franz Domenicus Häberlin, Neueste Teutsche Reichs-Geschichte, vom Anfange des Schmalkaldischen Krieges bis auf unsere Zeiten, Bd. 17, Halle 1785, S. X-LXXXI; Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern I, Bd. 3/1, hg. v.

Walter Ziegler, München 1992, S. 221-241; Andreas Sebastian Stumpf, Diplomatischer Beytrag zur Geschichte des Landsberger Bundes, Bamberg/Würzburg 1804.

821Lanzinner, Der Landsberger Bund und seine Vorläufer, S. 66.

822Lanzinner, Der Landsberger Bund und seine Vorläufer, S. 67. Wie Lanzinner selber eingesteht, sind dies Vermutungen, weil keine Quellenzeugnisse existieren, die diese Sichtweise stützen können. Er macht dies aber an der Zusammensetzung des Bundes fest.

823Bayerische Werbung für Württemberg (16. V. 1556), Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 4, S. 71f. Christoph v.

Württemberg gab gegenüber Hz. Albrecht (22. V. 1556) als Gründe für seine Absage an, daß er bereits mit Kurpfalz und Hessen in einer Erbeinung verbunden sei und außerdem kein Geld habe, zumal ihn der Heidelberger Bund schon 21.000 Gulden gekostet habe; auf einen Partikularbund würde er sich deswegen nicht mehr einlassen, hoffe aber auf den gemeinen Landfrieden als Reichsbund; Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 4, S. 73, Anm. 6. Ausschlaggebend war jedoch sein Vorsatz, sich nie mehr mit „Pfaffen oder Mönchen“ in einen Bund einzulassen (an seine Räte, 19. V. 1556); Goetz, Beiträge, S. 26f. Der mit Christoph eng verbundene Pfälzer Kurfürst Ottheinrich (29. VI. 1556) bat ihn, nicht dem Landsberger Bund beizutreten; Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 4, S. 104. - Ulm sagte aus pekuniären Gründen ab, Mogge, Nürnberg und der Landsberger Bund, S. 50.

824Endres, Landsberger Bund, S. 199.

des Bundes an, die im Augsburger Landfrieden festgelegten Bestimmungen in ihrem Bund umzusetzen.826

Trotzdem wurde der Landsberger Bund von protestantischen Fürsten - wie Christoph von Württemberg - argwöhnisch beäugt; der Augsburger Religionsfriede hatte das Mißtrauen der Konfessionsparteien nicht ausräumen können.827

Neben den konfessionspolitischen Überlegungen spielte jedoch auch das Problem des allgemeinen Landfriedensschutzes eine wesentliche Rolle, denn es war ungewiß, als wie funktionsfähig sich die Augsburger Exekutionsordnung erweisen würde. Die bislang aufgetretenen Landfriedensprobleme hatten jedenfalls die Funktionsschwäche der für den Landfriedensschutz zuständigen Reichskreise offensichtlich gemacht. Im fränkischen Reichskreis lag dies an internen Streitereien zwischen dem Bamberger Bischof und dem Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach um die Ausübung des Direktoriums;828 vor allem aber wurde durch den Krieg zwischen Markgraf Albrecht Alkibiades und der fränkischen Einung die Ausbildung einer funktionstüchtigen Kreisorganisation wesentlich blockiert.829 Nicht viel anders sah die Lage in Schwaben aus. Dort hatte sich der Herzog von Württemberg zunächst geweigert, das ihm zustehende Amt des Kreisobersten anzunehmen.830 Ähnlich wie der österreichische Reichskreis, der wegen der dominierenden Stellung der Habsburger organisatorisch nie ausgebaut wurde, war auch der bayerische Reichskreis institutionell kaum verfestigt, weil der bayerische Herzog als größter politischer Machtfaktor der Region die dortige Ordnungsmacht darstellte und aufgrund seiner Möglichkeiten eine Exekutionsorganisation zunächst unnötig werden ließ. Im Ergebnis waren also diese Reichskreise um die Jahrhundertmitte nur bedingt funktionstüchtig - insbesondere bei der Wahrnehmung ihrer originären Aufgabe, des

825Gründungsmitglieder von 1556: Ferdinand I., Ebf. Michael v. Salzburg, Albrecht v. Bayern, die Reichsstadt Augsburg. Am 28. V. 1557 traten Nürnberg sowie die Bff. v. Würzburg und Bamberg dem Bund bei (entsprechenden Urkunden bei Häberlin, Bd. 17, S. LIX-LXXVI); am 26. V. 1558 Beitritt der beiden fränkischen Reichsstädte Windsheim und Weißenburg (Häberlin, Bd. 17, S. LXXIX-LXXXI).

826Abdruck der Bundesordnung bei Häberlin, Bd. 17, S. X-LI. Moderne und verbesserte Edition bei Ziegler, Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern I, Bd. 3/1, S. 221-241, hier Präambel und § I/1, S. 221f. (Zieglers Zählung wird hier übernommen) - aufgrund des überkonfessionellen Charakter des Bundes wird in der Invocatio lediglich die hl. Dreifaltigkeit angerufen.

827„Nachdem aber ich sihe, das durch disen religionsfriden der sachen gar nit geholfen, dan notorium und offembar, das nit allain das mistrauen under den stenden nit aufgehoben und erloschen, sonder noch mer sich gehauft durch disen condicionierten religionsfrieden“, eigenhändige Ausführungen Hz. Christophs (21. IX. 1556) zur konfessionellen Situation im Reich nach dem Augsburger Religionsfrieden, Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 4, S. 164f.

828Hartung, Geschichte des Fränkischen Kreises, S. 226-230.

829Zur Fränkischen Einung vgl. oben Kap. II/I.

830Herzog Christoph ließ sich erst 1563 zum Kreisobersten wählen; Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 297-339.

Landfriedensschutzes.831 Reichsrechtlich wurde dieser Zustand erst auf dem Augsburger Reichstag von 1559 behoben, dessen Beschlüsse freilich mit Verzögerungen umgesetzt werden konnten.

In der Phase der sich allmählich verfestigenden Reichskreise wurde 1556 der Landsberger Bund deshalb von seinen Gründern mit dem expliziten Ziel geschlossen, an Stelle der Reichskreise den Landfriedensschutz zu gewährleisten,832 aber nicht in grundsätzlicher Konkurrenz, sondern explizit als subsidiäre Institution für den Fall des Versagens der Reichskreise.833 Dies war um so nötiger, als, wie die Bundesstände feststellten, nach dem Ende der Rheinischen und der Heidelberger Einung keine andere, defensiv ausgerichtete Landfriedenseinung mehr bestand.834 Obwohl dem traditionellem Einungswesen entstammend, diente der Landsberger Bund damit in gewisser Weise der verfassungsrechtlichen und institutionellen Modernisierung in der Umbruchsphase der Ausgestaltung der Reichskreise, als diese noch nicht in der Lage waren, den Landfriedensschutz zu sichern. Ebenfalls praktizierte der Landsberger Bund, der den größten Teil Oberdeutschlands umspannte,835 bereits jene weiträumige Zusammenarbeit zwischen den Reichskreisen, die auch die Reichsexekutionsordnung von 1555 vorsah.

Zusätzlich wirkte der Landsberger Bund in der problematischen Phase des Herrschaftsübergangs von Karl V. auf Ferdinand I. für letzteren reichspolitisch stabilisierend und stellte zugleich ein Instrument zur Sicherung der habsburgischen Erblande und Ungarns dar.836 War Oberdeutschland

831Göttmann, Landsberger Bund, S. 424.

832Göttmann, Landsberger Bund, S. 424; dieses Ziel wurde bereits 1776 von Häberlin, Bd. 3, S. 100, genannt.

833Die Bundesstände sollten im Angriffsfalle auch um Kreis - bzw. Reichshilfe nachsuchen; der Bund leistete also zusammen und neben den Reichskreisen Hilfe, Bundesurkunde vom 1. VI. 1556, § II/2, Ziegler, Dokumente, S. 226.

834So explizit im Nebenvertrag vom 1. VI. 1556, Häberlin, Bd. 17, S. LII.

835Mit der Aufnahme von Trier und Mainz erstreckte sich der Landsberger Bund auch an den Rhein; sein geographischer Schwerpunkt lag jedoch weiterhin in Oberdeutschland, und diese Konzentration war bei der Bundesgründung ein erklärtes Ziel Bayerns gewesen (Am 16. V. 1556 hatte Hz. Albrecht gegenüber Christoph v. Württemberg erklärt, der Landsberger Bund sei wie der Heidelberger Bund aufgebaut, nur nicht so weitschweifig, Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 4, S. 71f.). Der Bund blieb auf das engere deutsche Reichsgebiet beschränkt, was u. a. darin zum Ausdruck kommt, daß Österreich nicht mit seinen sämtlichen Besitzungen dem Landsberger Bund angehörte, sondern nur mit den Gebieten, mit denen es auch schon dem Schwäbischen Bund angehört hatte (anderer Ansicht Mogge, Nürnberg und der Landsberger Bund, S. 52, wonach auch Südtirol mitsamt Trient und Brixen dem Bund angehört hätte).

Diese Konzentration auf das Reichsgebiet entsprach den Wünschen aller Bundesstände mit Ausnahme Österreichs, das eine Ausweitung der Bundesaktivitäten wünschte. So bat Maximilian II. den Bundeshauptmann um Unterstützung des Bundes im Kampf gegen die Türken, was dieser jedoch abgelehnte (Briefwechsel zw. Hz. Albrecht und Maximilian II., 12. und 21. VI. 1565), in: Ziegler, Dokumente, S. 349-353.

836Der Landsberger Bund wurde somit neben der politischen Partnerschaft zwischen Österreich und Sachsen zu einem Eckpfeiler der politischen Stabilität im Reich, Lutz, Christianitas afflicta, S. 468.

befriedet, so konnten die deutschen Habsburger ihre Mittel auf die Auseinandersetzung mit den Osmanen konzentrieren.837

Durch den Landsberger Bund sollten nicht nur bewaffnete Auseinandersetzungen verhindert werden, sondern weite Teile der gesellschaftlichen Ordnung, wozu seit 1555 auch die Religionsangelegenheiten zählten, wurden nun mehr polizeilichen Regelungen unterworfen.838 Mochte diese Tendenz vorhandene Freiräume einengen, für die konfessionellen Streitigkeiten hatte dies zunächst befriedende Wirkung. Der 1555 beschlossenen konfessionellen Neutralität des Reiches entsprach jedenfalls die ausdrücklich überkonfessionelle Ausrichtung des Landsberger Bundes.

Zugleich aber konnten durch die begriffliche Erweiterung des Landfriedens die Landesfürsten den inneren staatlichen Ausbau ihrer Territorien beschleunigen, indem sie die sogenannten Mindermächtigen, die sich nicht dem modernen Flächenstaat unterwerfen wollten, der „Zerrittung aller gueten Pollicej vnnd ordnung“839 beschuldigten und aus ihrer Sicht bestraften - aus Sicht der Mindermächtigen jedoch bekriegten. Bayern ist für diese Tendenz beispielhaft.840 Gerade diese Art der Befriedung Oberdeutschlands barg jedoch große Nachteile für das Kaisertum, die letztendlich zur Schwächung des habsburgischen Position im Reich führen sollten, weil die Fürsten - hier insbesondere Bayern - ihre Territorien auf Kosten der Mindermächtigen verdichten konnten, diese Mindermächtigen jedoch traditionell den Rückhalt, die treue Klientel des Kaisertums bildeten.

Seinen territorialen Interesse entsprechend hatte Herzog Albrecht Bedenken gegen die Aufnahme der schwäbischen Mindermächtigen,841 um deren Beitritt Zasius sich von Anfang an bemüht hatte.842 Aber es waren die schwäbischen Mindermächtigen selbst, die, obwohl anfänglich interessiert, einen Beitritt ablehnten, weil sie die hohen Beitragszahlungen scheuten, zumal sie sich fest im Rahmen des

837Göttmann, Landsberger Bund, S. 441.

838Göttmann, Landsberger Bund, S. 433.

839Bundesurkunde vom 1. VI. 1556, Ziegler, Dokumente, S. 221.

840Göttmann, Landsberger Bund, S. 436-439.

841Der Herzog befürchtete, daß die mindermächtigen Stände unangemessen großen Einfluß wie im Schwäbischen Bund (Stimmenverteilung) bekommen könnten sowie durch sie der Bund oft zu Hilfeleistungen verpflichtet würde, weil die kleineren Reichsstände (Klöster) stets als erste Opfer bei Durchzügen und Empörungen würden; Goetz, Beiträge, S. 17, 114f., 117f.; Mogge, Nürnberg und der Landsberger Bund, S, 97.

842In einem ersten Sondierungsgespräch zwischen Herzog Albrecht und Zasius am 2. April 1556, also noch vor der Bundesgründung, war bereits von der Aufnahme der schwäbischen Herren und Prälaten die Rede;

Brief von Zasius an Ferdinand, Augsburg 4. IV. 1556, Wien HHStA, RA i.g. 34, fol. 6r-12r (10r); bei Goetz, Beiträge, S. 15-18 mit der Angabe Wien HHStA, RA i.g. 34, fol. 5. Eine erneute - ebenfalls erfolglose - Werbung Ferdinands bei den schwäbischen Mindermächtigen fand im Frühjahr 1558 statt, Lupke-Niederich, Habsburgische Klientel, S. 220f.; vgl. auch Hz. Christoph an Kf. Ottheinrich, 16. VI. 1558, Ernst;

Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 4, S. 522.

schwäbischen Reichskreises organisiert hatten, also nicht vollkommen schutzlos waren.843 Die von Ferdinand zum Beitritt aufgeforderten Wetterauer Grafen blieben dem Bund ebenfalls fern.844 Letztendlich waren - wie bei der Heidelberger Einung - auch im Landsberger Bund keine mindermächtigen Adeligen vertreten, sondern lediglich Fürsten und Städte. Die großen und reichen Handelsstädte wie Nürnberg und Augsburg waren - neben den erwähnten konfessionspolitischen Erwägungen - für die Fürsten vor allem als zahlungskräftige Beitragszahler von Interesse, während die Städte von der für sie wichtigen Befriedung und Sicherung der Handelsrouten profitierten.

Insbesondere für Augsburg war es aus politischen und wirtschaftlichen Gründen (Italienhandel) wichtig,845 mit den mächtigen Nachbarn Bayern und vor allem dem Kaiser gemeinsam einer Einung anzugehören,846 was aber aufgrund der konfessionellen Konstellation seit dem Ende des Schwäbischen Bundes fast unmöglich geworden war und erst seit dem Passauer Anstand, endgültig aber seit dem Religionsfrieden von 1555 und der daraus resultierenden überkonfessionellen Ausrichtung des Landsberger Bundes wieder erreicht werden konnte.847

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