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O BERSCHWÄBISCHE B ÜNDE M INDERMÄCHTIGER (1530-1535)

KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

D. O BERSCHWÄBISCHE B ÜNDE M INDERMÄCHTIGER (1530-1535)

1. Mediatisierungsgefahren nach dem Ende des Schwäbischen Bundes

Die oberschwäbischen Einungen mindermächtiger Adeliger, an denen sich zum Teil auch kleinere Reichsstädte beteiligten, waren nach dem Neunjährigen Kaiserlichem Bund, der Rheinischen Einung, der Eichstätter Einung sowie dem Städtebund zwischen Ulm, Augsburg und Nürnberg die letzten unmittelbaren Nachfolgeorganisationen des Schwäbischen Bundes. Dieser hatte ja aufgrund der fürstlichen Dominanz und der hohen Kosten immer weniger den Interessen des mindermächtigen Adels entsprochen. Deshalb suchten die Städte, Prälaten und vor allem der regionale Adel Oberschwabens schon seit den 1520er Jahren verstärkt nach bündischen

„Auffangorganisationen“310, die regional auf Oberschwaben beschränkt den Landfrieden wahren und damit nicht so kostspielig wie der Schwäbische Bund sein sollten.

Die oberschwäbischen Einungen umfaßten das Gebiet des Konstanzer Viertels des Schwäbischen Reichskreises, dessen inneres Kraftfeld von den Städten Überlingen, Pfullendorf, Ravensburg und Waldsee markiert wurde, die zugleich auch die häufigsten Versammlungsorte waren.311 Geographisch konzentrierten sich die Bünde damit auf die verdichtete oberschwäbische Kernregion der Mindermächtigen.

Nach den Vorstellungen Hugos von Montfort312 sollte dieser Landfriedensbund keine reine Adelseinung sein, sondern, wie in den Gründungszeiten des Schwäbischen Bundes, eine Einung

309Grundlegend Frank Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund? Habsburg und die oberschwäbis chen Einungen zu Beginn der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts, in: Horst Rabe (Hg.), Karl V. Politik und politisches System, Konstanz 1996, S. 223-255 (Verzeichnis der Tagungen und Einungen mit Quellennachweis, S. 252-255); Volker Press, Kaiser Karl V., König Ferdinand und die Entstehung der Reichsritterschaft, Wiesbaden 1976, bes. S. 25ff.; Gerwig Blarer. Abt von Weingarten (1520-1567). Briefe und Akten, bearb. v. Heinrich Günter, 2. Bde. (Württembergische Geschichtsquellen 16, 17), Stuttgart 1914-1921; Siegmund Riezler, Graf Friedrich II. v. Fürstenberg als Stifter eines katholischen Schutzbündnis (1533, 1534), in: Z. d. Ges. f. Beförderung der Geschichts-, Alterthums - und Volkskunde v. Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften 2 (1870-1872), S. 275-306.

310Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund, S. 227.

311Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund, S. 228.

312Zur Person Hugos v. Montfort vgl. Nupke -Niederich, Habsburgische Klientel im 16. Jahrhundert: Hugo von Montfort im Dienste des Hauses Habsburg, in: Rabe, Karl V. Politik und politisches System, S. 137-161.

zwischen den Städten und dem regionalen Adel.313 Die umworbenen Städte blieben jedoch - trotz ihrer häufigen Beschwerden - bis zuletzt im Schwäbischen Bund.314

Mit der Auflösung des Schwäbischen Bundes fiel dann im Südwesten des Reiches der maßgebliche politische Ordnungsfaktor fort, mit dessen Hilfe es den Mindermächtigen und den Städten gelungen war, dem Mediatisierungsdruck der fürstlichen Nachbarn zu widerstehen und ihre Reichsunmittelbarkeit zu sichern.315 Zur Sicherung ihres Status schlossen sich die oberschwäbischen Mindermächtigen deshalb erneut in Landfriedenseinungen zusammen, denn gerade diese Organisationsform bot am ehesten einen ausreichenden Friedensschutz bei gleichzeitiger Wahrung der eigenen Herrschafts- und Besitzrechte. Diese Gründe waren angesichts des Mediatisierungsdrucks für den Zusammenschluß wichtiger als konfessionspolitische Erwägungen.

Denn obwohl fast alle Einungsmitglieder beim katholischen Glaubens verblieben waren, kam der Verteidigung des alten Glaubens keine entscheidende Bedeutung zu.316 Gleichwohl spielten auch konfessionspolitische Gründe bei der Gründung der Einungen eine gewisse Rolle. Denn in ihrer Unabhängigkeit bedroht wurden die katholisch gebliebenen Mindermächtigen Oberschwabens zum einen durch den protestantischen Herzog Ulrich von Württemberg, was in besonderem Maße für die Prälaten galt; zum anderen drohte den oberschwäbischen Mindermächtigen seit der Einführung der Reformation in fünf Orten der Schweizer Eidgenossenschaft der Export der zwinglianischen Reformation über Konstanz hinaus, was zugleich - jedenfalls in der Einschätzung mancher Adeliger - wohl auch das Ende der feudalen Sozialordnung bedeutet hätte.317 Unabhängig von der Konfession aber übten sowohl Bayern als auch die Habsburger weiterhin latenten Mediatisierungsdruck in Oberschwaben aus. Ausgangspunkt der Habsburger war dafür die von Österreich ausgeübte Landvogtei Schwaben.318 Folglich scheute der betroffene oberschwäbische Adel den direkten Bund

313Abschied der oberschwäbischen Städte des Schwäbischen Bundes, Wangen, 15. X. 1520, Klüpfel, Urkunden, Bd. 2, S. 195f.

314Überlingen konnte in den Verlängerungsverhandlungen der 11jährigen Einung von 1522 durchsetzen, nur noch die Hälfte des bisherigen Anschlages zahlen zu müssen; die anderen oberen Städte wie Ravensburg, Memmingen, Kaufbeuren oder Biberach waren jedoch nicht so erfolgreich. Vgl. Wilfried Enderle, Konfessionsbildung und Ratsregiment in der katholischen Reichsstadt Überlingen (1500-1618), Stuttgart 1990, S. 167-170.

315Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund, S. 223.

316Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund, S. 227.

317Vgl. dazu die Überlegungen Friedrichs v. Fürstenberg, ediert in: Riezler, Graf Friedrich II. V. Fürstenberg, in: Z.

d. Ges. f. Beförderung der Geschichts-, Alterthums - und Volkskunde v. Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften 2 (1870-1872), S. 287-293.

318Vgl. dazu Hans-Georg Hofacker, Die Landvogtei Schwaben, in: Volker Press/Hans Maier (Hg.), Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, Sigmaringen 1989, S. 57-74, bes. S. 60.

mit den Habsburgern, so daß trotz intensiver Bemühungen Ferdinands die habsburgischen Vorlande nie in die oberschwäbischen Bünde miteingeschlossen wurden, die Habsburger somit nicht direkt das bündische Handeln mitbestimmen konnten.

Das Dilemma der oberschwäbischen Mindermächtigen bestand darin, daß sie trotz der habsburgischen Mediatisierungsbemühungen auch weiterhin kaiserlichen Schutz gegen Bayern und vor allem gegen das protestantische Württemberg benötigten. Der dafür zu zahlende Preis war die noch stärkere Abhängigkeit von Österreich.319 Damit zeichnen sich für die oberschwäbischen Einungen zwei Entstehungszusammenhänge ab: „Auf der einen Seite Kreise eines eher autonom, sozusagen einungs- und standesbewußt aus der Tradition alter Adelsgesellschaften handelnden schwäbischen Adels, auf der anderen Seite die Formierung habsburgnaher Mindermächtiger in einem tendenziell geschlossenen südschwäbischen Raum, und zwar unter habsburgischem Einfluß.“320 Die Initiative zu den Bundesgründungen ging stets von den einflußreichen und angesehenen Adeligen der Region aus. Und gerade diese gehörten wie Schweikart von Gundelfingen, Friedrich von Fürstenberg, Hugo von Montfort oder der Abt von Weingarten, Gerwig Blarer, zur habsburgischen Klientel.

2. Innere Struktur der Einungen

Als regional beschränkte Landfriedensbünde Mindermächtiger waren die oberschwäbischen Einungen nach innen, auf polizeiliche Ordnungsmaßnahmen, ausgerichtet. Im Vordergrund stand dabei der Schutz der jeweiligen Herrschaftsrechte und Besitztümer der Herrschaftsträger, wozu auch der gegenseitige Beistand bei der Abwehr bäuerlicher Aufstände gehörte.321

Auseinandersetzungen untereinander sollten gütlich, also schiedsgerichtlich beigelegt werden. Das Schiedsgericht sollte jedoch nur fallweise zusammentreten, war also nicht institutionalisiert. An bündischem Personal waren lediglich ein Hauptmann und einige Räte vorgesehen, die sowohl für die militärischen als auch für die schiedsgerichtlichen Angelegenheiten zuständig waren. Bei der Überlinger Einung der oberschwäbischen Prälaten, Grafen, Herren und Ritter fungierten insgesamt

319Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund, S. 232.

320Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund, S. 234.

321Überlinger Einung von Prälaten, Grafen, Herren und Rittern vom 11. V. 1535, in: Blarer. Bd. 1, S. 260-265, hier S.

260-262; Entwurf einer Bundesordnung v. 1533 bei Riezler, Friedrich v. Fürstenberg, in: Z. d. Ges. f.

Beförderung der Geschichts-, Alterthums - und Volkskunde v. Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften 2 (1870-1872), S. 297-302.

sechs Räte, von denen die Prälaten, die Grafen und Herren sowie die Ritter je zwei stellten.322 Die ehemaligen Mitglieder der Adelsbank des Schwäbischen Bundes gliederten sich also nun ihrerseits in drei Bänke auf. Die Differenzierungstendenzen innerhalb des Adels, insbesondere die Trennung der Ritter von den Grafen und Herren, schritt weiter voran.323 Insgesamt war die institutionelle Verfestigung der oberschwäbischen Einungen nicht besonders ausgeprägt, was auch nicht notwendig war, weil die Bundesgenossen - bei Abstufungen im einzelnen - der gleichen sozialen Schicht angehörten und sich aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen324 und regionaler Verwurzelung325 gut kannten, wodurch sie die Möglichkeit des inoffiziellen Austauschs besaßen. Ein komplexes organisatorisches Procedere wie beispielsweise beim Schwäbischen Bund war ja in der Regel nur dann erforderlich, wenn (ständisch oder landschaftlich) unterschiedliche Interessen vieler Beteiligter ausgeglichen werden mußten. Bei den lokalen oberschwäbischen Bünden war dies nicht der Fall, sie entsprachen noch am meisten der herkömmlichen, vormodernen Einungsform als befristetem konsensualem Zusammenschluß nicht-fürstlicher Herrschaftsträger, die sich zusammenschlossen, um ihre Rechte und Autonomie zu verteidigen, indem sie ihren Lebensbereich eigenständig verfaßten.

Nicht nur geographisch, auch zeitlich wurde die Ausdehnung im Vergleich zum Schwäbischen Bund kleiner. Die verschiedenen Bünde waren auf ein oder maximal drei Jahre befristet.326 Dies belegt den institutionell wenig gefestigten Charakter der oberschwäbischen Einungen. Aufgrund des geringen Institutionalisierungsgrads der Einungen hat sich auch keine eigentliche bündische Führungsschicht herausgebildet.

3. Verhältnis der Habsburger zu den oberschwäbischen Mindermächtigen

Direkte Beziehungen der oberschwäbischen Einungen zu Institutionen des Reiches sind nicht erkennbar. Außenkontakte bestanden vor allem zu den Habsburgern als oberdeutschen

322Überlinger Einung von Prälaten, Grafen, Herren und Rittern vom 11. V. 1535, in: Blarer, Bd. 1, S. 260-265, hier S.

263f.

323Press, Kaiser Karl V., S. 31-33.

324Wegen des starken Versippung der adeligen Familien untereinander existierten für die Schiedsrichterwahl bei den Austrägalverfahren Befangenheitsregelungen, Überlinger Einung von Prälaten, Grafen, Herren und Rittern vom 11. V. 1535, in: Blarer, Bd. 1, S. 260-265, hier S. 261.

325Zur regionalen Verankerung gehört auch, daß bestimmte adelige Familien ihre nicht erbberechtigten Kinder traditionell in bestimmte Klöster oder Kapitel der Region entsandten. Zur historischen Landschaft generell Göttmann, Die Bünde und ihre Räume.

326Überlinger Bünde 1531 und 1535, Meßkircher Bund 1534, Ravensburger Einung 1530, Riedlinger Einung 1531 sowie Ehinger Einung 1532.

Territorialfürsten. In den Einungen hatten sich ja habsburgfreundliche Prälaten, wie der Abt von Weingarten, und Adelige zusammengeschlossen, ohne daß jedoch die Habsburger selbst über die österreichischen Vorlande in die Bünde miteingeschlossen waren. Wichtiger war den Habsburgern denn auch ohnehin der Erhalt des Schwäbischen Bundes, dessen dominierendes Mitglied sie waren, insbesondere um den Besitz des Herzogtums Württemberg zu sichern. Sollte dieses nicht im Rahmen des Schwäbischen Bundes gelingen, so schwebte König Ferdinand die Gründung eines neuen Bundes vor, der der Durchsetzung der eigenen territorialen Interessen dienen sollte. Ein derart ausgerichtete Einung entsprach allerdings nicht den Interessen der auf regionale Landfriedensorganisation bedachten schwäbischen Mindermächtigen. Die unterschiedlichen Zielsetzungen der Habsburger und ihrer oberschwäbischen Klientel ließen sich nicht mehr in einem Bund verbinden. Folgerichtig blieb der mindermächtige Adel auch dem von Fürsten dominierten kaiserlichen Neunjährigen Bund fern,327 obwohl Ferdinand sie zum Beitritt aufforderte.328 Die Pläne der Habsburger - entgegen dem eigentlichen Interesse der schwäbischen Mindermächtigen -, die oberschwäbischen Bünde in eine altgläubige Bastion gegen das weitere Vordringen der Reformation umzuwandeln, scheiterten ebenfalls. Die oberschwäbischen Adeligen blieben lieber unter sich. Als die Habsburger realisierten, daß sie in Schwaben zusammen mit den Mindermächtigen keinen Bund würden schließen können, der auf ihre Ziele ausgerichtet war, wollten sie jegliche Art von Einungen in Oberschwaben verhindern329 - womit sie erst recht die fundamentalen Interessen und Problemen ihrer Klientel verkannten.330

327Vgl. dazu: „Der Prelaten, grauen unnd Ritterschafft deß lands zu Schwaben abschlag, In Bundt zukomen“, Ulm, 12. IV. 1535, in: Spieß, Der Kayserliche neunjährige Bund, Beilage X, S. 142-144.

328Blarer, Bd. 1, S. 270-272.

329Von Wien und Innsbruck wurden Kommissare zu den Einungstagen der oberschwäbischen Mindermächtigen gesandt, die dort für deren Beitritt zum Neunjährigen Bund werben sollten. Falls dies nicht gelingen sollte, so hatten die Kommissare den Auftrag, den Anschluß der Oberschwaben an andere Einungen oder die Gründung eigener Bünde zu verhindern; Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund, S. 249.

330Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund, S. 243.

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