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Gründe für das Scheitern des Bundesprojekts

KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

F. K AISERLICHES R EICHSBUNDPROJEKT (1547-1548)

4. Gründe für das Scheitern des Bundesprojekts

Ein wesentlicher Grund für das Scheitern des kaiserlichen Reichsbundprojekts lag in der sich schon in Ulm abzeichnenden Ablehnung durch die überwiegende Mehrheit der Reichsstände, insbesondere durch den geschlossenen Widerstand der Kurfürsten. Der andere Grund dürfte im unentschlossenen Agieren Karls V. zu suchen sein, beginnend mit der mangelnden Vorbereitung und Planung der Bundesverhandlungen bis hin zu der merkwürdigen Passivität des Kaisers während der Bundesverhandlungen auf dem Reichstag. Dieser Passivität lag sehr wahrscheinlich die Entscheidung Karls V. zugrunde, die dynastischen Interessen der Habsburger höher als das Kaisertum zu gewichten.

a) Ständischer Widerstand

Einen von alle ständischen Gruppen geteilten Ablehnungsgrund bildete die ungelöste Religionsfrage.

Als dringlichstes Problem wollten die Stände - im Gegensatz zum Kaiser - zuerst die konfessionelle Spaltung im Reich lösen, bevor sie bereit waren, über die Gründung einer überkonfesionellen Landfriedenseinung zu verhandeln.538 Die Vorgehensweise Karls V. erhöhte lediglich das ständische Mißtrauen.

Noch entschiedener entzündete sich der fürstliche und kurfürstliche Widerstand an der Absicht Karls V., die Machtverhältnisse im gesamten Reich zugunsten der Mindermächtigen und vor allem des Kaisers zu verschieben. Schwer wog hierbei insbesondere, daß durch eine Kreiseinteilung, wie sie vom Fürstenrat vorgeschlagen wurde, die Macht- und Einflußmöglichkeiten des Kaisers im gesamten Reich enorm gestiegen wären. Gerade dagegen wandten sich die Kurfürsten, die mit der von ihnen vorgeschlagenen Kreiseinteilung und Stimmverteilung verhindern wollten, daß der Kaiser eine

536Der Kaiser hatte die Anzahl von vier städtischen Vertretern angeordnet, die beiden oberen Kurien wollten jedoch nur zwei Vertreter der Städte zulassen. Die Städte gaben schließlich nach, um nicht die Schuld bei einem Scheitern des Projekts zu bekommen, Rabe, Reichsbund und Interim, S. 363.

537Rabe, Reichsbund und Interim, S. 365.

538Es war auch sachlich geboten, die religiösen Fragen vorab zu klären. Denn ansonsten hätte die Beurteilung vieler konfessionell umstrittener Landfriedensdelikte wie Säkularisierungen und die damit einhergehende Verletzung geistlicher Rechte und Besitzungen den Bund gespalten.

rechtlich gesicherte Durchgriffsmöglichkeit in die Kreise und damit Einfluß auf sämtliche regionalen Angelegenheiten erhielt. Vor allem aber wehrten sich die Kurfürsten gegen die drohende Relativierung der eigenen Präeminenz und Macht, wie sie in dem fürstlichen Entwurf zum Ausdruck kam und wie sie im Schwäbischen Bund praktiziert worden war. Da kein Vertreter der Habsburger der Kurfürstenkurie angehörte, konnte sich im Kurfürstenkolleg der Widerstand gegen die Bundespläne am mächtigsten entfalten, vor allem nachdem die Kurfürsten es erreicht hatten, daß über das Bundesprojekt auf dem Reichstag verhandelt wurde. Der geballte Widerstand der Kurfürsten ermöglichte es dann den Fürsten, insbesondere den weltlichen, ihre Abneigung gegen die Bundespläne ebenfalls offen zu artikulieren.

b) Ziele Karls V. und deren Umsetzung

Nach der siegreichen Beendigung des Schmalkaldischen Kriegs beabsichtigte der Kaiser, sowohl die konfessionelle Spaltung zu überwinden als auch die kaiserliche Macht und Autorität im Reich dauerhaft zu sichern.539 Letzteres sollte durch einen Landfriedensbund nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes gewährleistet werden. Allerdings waren auf dem Reichstag bereits gegen Ende des Jahres 1547 die Bundesverhandlungen völlig festgefahren, ohne daß der Kaiser selbst eingriff.540 Erst Ende Januar 1548 mahnte Karl V. einen interkurialen Ausschuß an, dessen Mitglieder sich dann mehrheitlich gegen den Reichsbund aussprachen. Auch nach diesem negativem Votum unternahm der Kaiser keinen weiteren Versuche, die Stände umzustimmen, obwohl er persönlich in Augsburg weilte, und der Reichstag noch bis zum 30. Juni 1548 dauern sollte.

In der Forschung wird die Passivität Karls V. zumeist damit erklären, der Kaiser habe in der Bundessache resigniert und sich dem ständischen Widerstand beugen müssen.541 Aber es dürfte nicht allein der ständische Widerstand gewesen sein, der zum Scheitern des Bundesprojekts führte.

Karl V. hatte inzwischen - wohl auch aufgrund der ständischen Proteste - seine Bundespläne

539Die konfessionellen Streitigkeiten sollten zunächst durch das Augsburger Interim und dann endgültig durch das Trienter Konzil beigelegt werden. Aufgrund der Erfahrungen der Religionsgespräche und Friedstände der 1530er und frühen 1540er Jahre wußte Karl V., wie beschwerlich es sein würde, zwischen Protestanten und Altgläubigen einen Kompromiß zustande zu bringen, insbesondere die Protestanten zu einer Teilnahme am Konzil und zu dessen Anerkennung zu bewegen.

540Rabe, Reichsbund und Interim, S. 361.

541Hartung, Karl V. und die deutschen Reichsstände, Halle 1910, S. 40f., konstatiert, die Kräfte des Partikularismus seien zu stark gewesen; ebenso Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, München 1999, S. 248. Überschätzt wird in diesem Zusammenhang insbesondere der Einfluß Bayerns und des bayerischen Kanzlers Eck auf das Scheitern des Bundes, vgl. bes . Press, Die Bundespläne Kaiser Karls V., S. 76, 83; dieser Ansicht schließt sich z.B. auch an Moeller, Deutschland im Zeitalter der Reformation, S.

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zugunsten anderer Projekte aufgegeben. Ursprünglich sollte ja der Reichsbund Niederösterreich und die Niederlande vor Türken und Franzosen schützen. Die Unterstützung der Reichsstände für primär habsburgische Territorialinteressen erreichte der Kaiser auf dem Augsburger Reichstag nach der faktischen Preisgabe des problematischen Bundesprojekts anderweitig. Die Reichstände verpflichteten sich, sowohl zur Grenzsicherung gegen die Türken Ferdinand das sogenannte

„Baugeld“ zu bezahlen, als auch den Schutz der Niederlande durch das Reich im Burgundischen Vertrag festzulegen.542

Hauptverantwortlich für die Aufgabe der Bundespläne auf habsburgischer Seite war Karls Schwester Maria, die Regentin der Niederlande. Sie ermahnte den Kaiser zu bedenken, daß durch die Einbeziehung der Niederlande in den Bund deren Exemtion von den Gesetzen und Institutionen des Reichs (vor allem vom Kammergericht) auf Dauer verloren ginge.543 Karl V. folgte schließlich den Einwänden seiner Schwester und begann im Frühjahr 1548, mit den Reichsständen über den Abschluß des burgundischen Vertrags zu verhandeln; ursprünglich hatte dieser Komplex wie auch das Baugeld nicht zur Reichstagsmaterie gehört.

Warum aber begnügte sich der Kaiser mit den Schutz- und Hilfeleistungen der Reichsstände für die habsburgischen Territorien? Wieso war er vorrangig an der Durchsetzung dynastischer Interessen interessiert und bestand nicht länger auf der Gründung des Reichsbundes, obwohl durch diese einschneidende Veränderung im Verfassungsgefüge des Reiches die kaiserlichen Rechte dauerhaft gestärkt worden wären? Mit der Verwirklichung des Bundes wäre das ständestaatliche Kräftemessen im Reich vermutlich zugunsten der Krongewalt ausgefallen und der stetige Prozeß der Stärkung der partikularen Territorialinteressen aufgehalten worden.544 In der Forschung wird das kaiserliche Reichsbundprojekt deshalb vor allem als Ausdruck einer monarchischen Reichsreform verstanden.545

Die Bedenken seiner Schwester Maria haben Karl V. wahrscheinlich ein grundsätzliches Problem zu Bewußtsein kommen lassen. Einerseits versprach der Reichsbund glänzende Möglichkeiten und

542Edition des Burgundischen Vertrages vom 26. VI. 1548, in: Lothar Groß/Robert v. Lacroix (Hg.), Urkunden und Aktenstücke des Reichsarchivs Wien zur reichsrechtlichen Stellung des Burgundischen Kreises, Bd. 1, Wien 1944, S. 439-447; vgl. dazu: Rabe, Reichsbund und Interim, S. 366-406.

543Rabe, Reichsbund und Interim, S. 371f.

544Rabe, Reichsbund und Interim, S. 367.

545Hartung, Karl V. und die deutschen Reichsstände, S. 41; Salomies, Die Pläne Kaiser Karls V. für eine Reichsreform mit Hilfe eines allgemeinen Bundes, passim. Auch Rabe, Reichsbund und Interim, S. 81, führt aus, daß der Verfassungstyp der Einung nicht bloß zum Werkzeug einer ständischen, sondern auch einer monarchischen Reichsreform hätte dienen können.

Aussichten für die Stellung des Kaisertums, anderseits waren damit jedoch potentielle Gefahren für den exemten Status der habsburgischen Erbländer verbunden. Diese Gefahren drohten nicht, solange ein Habsburger die Kaiserwürde besaß. Akut wurden sie allerdings mit der Wahl eines Angehörigen einer anderen Dynastie zum Kaiser. Dieser hätte dann angesichts der durch den Reichsbund gewonnenen Macht- und Einflußfülle unmittelbar auf die habsburgischen Länder einwirken können.

Letztendlich entschied sich Karl V. bei dem Zielkonflikt für die dynastischen Interessen der Habsburger und damit gegen die Aufwertung kaiserlicher Autorität im Reich.

Diese Entscheidung dürfte Karl V. um so leichter gefallen sein, als er davon überzeugt war, mit der siegreichen Beendigung des Schmalkaldischen Krieges die Ungehorsamen bestraft und dadurch das Reich beruhigt zu haben.546 Insofern verlor auch die durch den Bund angestrebte Befriedung des Reiches für den Kaiser an Bedeutung.

546Rabe, Reichsbund und Interim, S. 370.

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