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B. F RAGESTELLUNG , M ETHODE UND S TAND DER F ORSCHUNG

3. Die Auswahlkriterien

Naturgemäß können im Rahmen dieser Arbeit nicht sämtliche Einungen und Bünde des 16.

Jahrhunderts eingehend untersucht werden.31 Die Arbeit beschränkt sich im wesentlichen auf die Betrachtung von Landfriedenseinungen und -einungsprojekten. Diese Auswahl erscheint dadurch gerechtfertigt, daß nach Reichsherkommen und gemäß den Bestimmungen der Goldenen Bulle Karls

29Vgl. dazu: Hartung, Geschichte des Fränkischen Kreises; Laufs, Der Schwäbische Kreis; sowie neuerdings Carl, Der Schwäbische Bund und das Reich; Göttmann, Zur Entstehung des Landsberger Bundes.

30Press/Stievermann, Alternativen zur Reichsverfassung; Heinz Duchhardt, Quellen zur Verfassungsentwicklung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1495-1806), Darmstadt 1983, S. 79-103, faßt den Landsberger Bund gemeinsam mit dem Schmalkaldischen Bund, Liga und Union ohne nähere Begründung als Sonderbünde zusammen. Der Schwäbische Bund hingegen wird traditionellerweise als Bestandteil der Reichsverfassung aufgefaßt, vgl. dazu den Forschungsüberblick bei Carl, Schwäbischer Bund, S. 3f.

31Vgl. dazu die Zusammenstellung der Einungen des 16. Jahrhunderts im Anhang.

IV. von 1356 sämtliche Arten von Bünden und Einungen - mit Ausnahme der Landfriedensbünde - untersagt waren, so daß Bünde, die nicht gegen Reichsrecht verstoßen wollten, die Friedenswahrung als Legitimation anzugeben hatten. Demzufolge werden innerstädtische Korporationen oder Ritter- und Turniergesellschaften überhaupt nicht untersucht. Problematischer ist die hier vorgenommene Beschränkung auf Landfriedensbünde jedoch im Falle des Schmalkaldischen Bundes und der Erbeinungen.

Obwohl der Schmalkaldische Bund zweifelsohne zu den wichtigsten Einungen des 16. Jahrhunderts zählt,32 wird auf eine eigenständige Darstellung dieser Einung im Rahmen des Kapitels II verzichtet.33 Denn der Schmalkaldische Bund - und dies ist ausschlaggebend - war keine Landfriedenseinung im eigentlichen Sinne: Die Legitimationsgrundlage des Bundes lag damit außerhalb der Reichsverfassung.

Seine Ausrichtung zielte nicht auf die Sicherung des Landfriedens, sondern auf den Schutz seiner protestantischen Mitglieder. Gleichwohl wird der Schmalkaldische Bund im Zusammenhang von Kapitel III ausführlich erörtert, im Rahmen der typologischen Einordnung der Einungen.

Einen anderen Grenzfall bilden die zahlreichen Erbeinungen der Dynastenfamilien. Sie dienten zwar in gewisser Weise auch der Friedenssicherung und wiesen entsprechende Regelungen auf,34 dennoch fehlt ihnen der konkrete Bezug auf den Landfrieden. Andere Bereiche - etwa die Festlegung des Grenzverlaufs und der Gerichtszuständigkeiten sowie der Austausch von Herrschaftsgebieten - wurden in den Erbeinungen ebenfalls vertraglich geregelt.35 Abgesehen davon besaßen Erbverbrüderungen einen rein erb- und lehnsrechtlichen Charakter. Erbeinungen sind deshalb nicht als originäre Landfriedensbünde zu bewerten, und dementsprechend werden sie in Kapitel II nicht ausführlich dargestellt. Wie der Schmalkaldische Bund werden auch die Erbeinungen in den

32Im Schmalkaldischen Bund kamen „gewissermaßen alle reichspolitischen, kirchenpolitischen und staatsrechtlichen Probleme der Zeit [...] zusammen und suchten ihre Lösung“, Bernd Moeller, Deutschland im Zeitalter der Reformation (= Deutsche Geschichte 4), 4. Aufl., Göttingen 1999, S. 132.

33Eine Darstellung innerhalb dieser Arbeit ist auch insofern entbehrlich, als in Kürze eine umfassende Gesamtdarstellung des Schmalkaldischen Bundes erscheinen wird: die Tübinger Habilitationsschrift von Gabriele Haug-Moritz. - Andere frühe konfessionelle Bündnisse wie das Christliche Burgrecht oder die Regensburger Einung werden in Kap. II ebenfalls nicht eingehend behandelt.

34Die Zusicherung des friedlichen Verhaltens und der gewaltlosen Beilegung von Streitigkeiten - insbesondere von Grenzstreitigkeiten - ging meist mit der Zusicherung gegenseitigen Wohlwollens, guter Nachbarschaft und Freundschaft einher.

35Ein wesentlicher Teil der böhmisch-sächsischen Erbeinung zwischen König Wladislaw und Kurfürst Ernst von 1482 besteht in der Festlegung des Grenzverlaufs und der Herrschaftsgebiete, Lünig, Teutsches Reichsarchiv, Bd. 5/II, S. 7-10, bes. S. 8f. Einen Austausch von Herrschaftsgebieten beschlossen Ferdinand I. und Moritz v. Sachsen am 8. VI. 1549 auf der Grundlage der böhmisch-sächsischen Erbeinung von 1546, Bittner, Österreichische Staatsverträge, Bd. 1, Nr. 79, S. 16.

systematisch-typologischen Vergleich der Einungen im Rahmen des Kapitels III miteinbezogen, um auf diese Weise zu breiter fundierten Ergebnissen zu gelangen.

Den geographischen Rahmen bildet das engere Reichsgebietes (also ohne die Schweiz und die Niederlande). Zugleich werden nur solche Landfriedensbünde behandelt, deren Größe eine allzu enge regionale Ebene überstieg, so daß Bezüge zur Reichsebene und zum Kaiser erkennbar sind.

Ein weiteres Auswahlkriterium ist die zeitliche Beschränkung vom Zerfall des Schwäbischen Bundes bis zum Augsburger Reichstag von 1555; lediglich der Landsberger Bund (1556-1598) überschreitet deutlich diesen Zeitrahmen. Ihren Grund hat diese Beschränkung darin, daß in der Mitte des 16.

Jahrhunderts das Einungswesen eine letzte Blüte erfuhr, als massive Landfriedensbrüche auftraten.

Zur Wiederherstellung des Landfriedens wurde deshalb auf die Gründung regionaler und überregionaler Landfriedenseinungen zurückgegriffen. Seit dem Augsburger Reichstag von 1555 kam es dann zu einem Funktionsgewinn der Reichskreise und entsprechend zum Zurücktreten des Einungswesens. Als gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Nordwesten des Reiches im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Spanien und den aufständischen Niederlanden (verbunden mit dem Kölner Krieg) erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde, vermochten die zuständigen Reichskreise nichts gegen die Landfriedensbrüche auszurichten - ohne daß jedoch regionale oder überregionale Einungen zur Wiederherstellung des Landfriedens aktiv wurden.36 Strukturell ähnlich gelagerte Bedrohungen des Landfriedens konnten also in der Jahrhundertmitte zumindest teilweise durch Landfriedenseinungen abgewehrt werden, am Ende des Jahrhunderts hingegen nicht mehr. Ursache dafür war der Wandel sowohl der verfassungsrechtlichen als auch der konfessionellen Strukturen nach 1555 sowie die zeitgenössische Wahrnehmung dieses Wandels. Seit dem Augsburger Religionsfrieden wurde politische Einigkeit - soweit überhaupt - ausschließlich auf den Reichs- oder Kreisversammlungen erzielt;37 dies waren die Foren, auf denen Kaiser und

36Der 1591 als protestantisches Defensivbündnis gegründete Torgauer Bund wurde am Niederrhein nicht aktiv.

Allerdings gab es 1593 in Franken, also unabhängig von den niederrheinischen Auseinandersetzungen, Versuche der dortigen Ritterschaft, einen Landfriedensbund mit Kaiser und Städten nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes ins Leben zu rufen; Constantin Höfler, Fränkische Studien, in: Archiv für Kunde österreichischer Geschichts-Quellen 8 (1852), S. 235-322, hier S. 269-273.

37Zu dieser Form der politischen Concordia vgl. Winfried Schulze, Concordia, Discordia, Tolerantia. Deutsche Politik im konfessionellen Zeitalter, in: Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v.

Johannes Kunisch (= ZHF Beiheft 3), Berlin 1987, S. 43-79, bes. S. 50f.

Reichsstände nach konsensualen Lösungen suchten,38 von dem Grundkonsens ausgehend, „daß man einen Grundkonsens haben müsse“.39 Einungen hingegen wurden nach 1555 nur noch als Ausdruck der konfessionellen Trennung und der fehlenden Einigkeit der Reichsstände wahrgenommen.40 Sie repräsentierten keinen konfessionell übergreifenden Konsens mehr wie noch die Landfriedenseinungen der Jahrhundertmitte (Heidelberger und Egerer Bund), die der Durchsetzung des Passauer Vertrages und somit der dauerhaften Anerkennung der Protestanten dienten - Ziele also, die größtenteils auch von den Reichsständen unterstützt wurden, die diesen Einungen nicht angehörten. Exemplarisch für die verstärkte Konfessionalisierung im letzten Drittel des 16.

Jahrhunderts ist die Entwicklung des Landsberger Bundes, der 1556 als überkonfessioneller Landfriedensbund gegründet wurde, den die bayerischen Herzöge jedoch zu einem konfessionellen Bündnis umwandeln wollten.

Ziel ist es also, die Geschichte des sozialen und des politischen Ordnungssystems als einer Strukturgeschichte des Objektiven mit den Ordnungsvorstellungen der Einzelnen als einer Strukturgeschichte des Subjektiven zu verbinden.41

Auf der Grundlage der genannten Auswahlkriterien werden in Kapitel II elf Landfriedenseinungen und -einungsprojekte dargestellt, um so die empirische Grundlage für die systematischen Erörterungen in den Kapiteln III und IV zu legen.42 Zu einigen der hier behandelten Landfriedensbünde liegen grundlegende Studien vor: Es sind dies die Darstellungen von Horst Carl über den Schwäbischen Bund, von Friedrich Eymelt über die Rheinische Einung, von Frank Göttmann über die oberschwäbischen Landfriedensbünde, von Horst Rabe über das Projekt des kaiserlichen Reichsbundes sowie von Bernhard Sicken über den Heidelberger Bund.43 Gleichwohl

38Dies ist vor allem deswegen von Belang, weil der Konsens, die vertragliche Übereinkunft, den letzten Grund des Rechts bildete; vgl. Dietmar Willoweit, Vom alten guten Recht. Normensuche zwischen Erfahrungswissen und Ursprungslegenden, in: Jb. d. Historischen Kollegs 1997, S. 23-52, hier S. 40f.

39Bernd Moeller, Diskussionsbericht, in: Stadt und Kirche im 16. Jahrhundert, hg. v. dems. (= SchrrVRefG 190), Gütersloh 1978, S. 177-182, hier S. 181; das Zitat bezieht sich ursprünglich auf innerstädtische Konflikte.

40Sichtbar wird dies z. B. in den Denkschriften Lazarus von Schwendis; ausführlich dazu Kap. IV.

41Vgl. dazu Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 18.

42Die elf Einungen sind: Schwäbischer Bund - Oberschwäbische Bünde in den Jahren 1530-1535 - Rheinische Einung - Katholischer Bund zu Nürnberg - Kaiserlicher Neunjähriger Bund - Reichsbundprojekt - Fränkische Einung - Memminger Bundesprojekt - Egerer Bundesprojekt - Heidelberger Bund - Landsberger Bund.

43Carl, Der Schwäbische Bund; Göttmann, Alternativen zum Schwäbischen Bund? Habsburg und die oberschwäbischen Einungen zu Beginn der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts; Eymelt, Die Rheinische

besitzt die Untersuchung der einzelnen Landfriedenseinungen und -einungsprojekte in Kapitel II einen gewissen Eigenwert.44 Zum einen, weil zu vielen der dort dargestellten Einungen neuere und fundierte Arbeiten fehlen. Zum anderen können durch die Darstellung der Landfriedensbünde die Bezüge und Verbindungen der einzelnen Einungen und Bundesprojekte untereinander deutlicher aufgezeigt werden.

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