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Gründungpersonen und -ziele des Heidelberger Bundes

KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

J. H EIDELBERGER B UND (1553-1556)

1. Gründungpersonen und -ziele des Heidelberger Bundes

Der Heidelberger Bund wurde anläßlich einer persönlichen Zusammenkunft des Kurfürsten von der Pfalz sowie der Herzöge von Jülich, Bayern und Württemberg gegründet, als der Friede im Reich 1553 durch eine Reihe teilweise miteinander verbundener Probleme auf das schwerste gefährdet wurde: In Franken drohte der offene Kriegsausbruch zwischen Markgraf Albrecht Alkibiades und der fränkischen Einung, und es stand zu befürchten, daß dieser Krieg nicht auf Franken beschränkt bleiben, sondern auch die umliegenden Gebiete (u. a. eben Württemberg, Pfalz und Bayern sowie insbesondere Sachsen) in Mitleidenschaft ziehen würde. Hinzu kam die Unsicherheit der Lage in Sachsen - vor allem deshalb, weil sich die Ernstiner mit der Übertragung der Kurwürde auf die Albertiner nicht abgefunden hatten und deswegen auch hier Krieg drohte. In Niedersachsen führte Herzog Heinrich eine erbitterte Auseinandersetzung mit den braunschweigischen Junkern.

Aufgeschreckt wurden die deutschen Fürsten zudem durch kursierende Gerüchte über die drohende spanische Sukzession, d. h. die Absicht Karls V., seinem Sohn Philipp zur Kaiserwürde zu verhelfen. Diese kaiserlichen Pläne verstärkten das ohnehin schon vorhandene Mißtrauen der Reichsstände gegenüber dem Kaiser,729 gingen die meisten Reichsstände doch davon aus, daß Karl V. die Bestimmungen des Passauer Vertrages langfristig nicht akzeptieren würde,730 wodurch ein erneuter Krieg unvermeidlich würde. Genährt wurden diese Befürchtungen vieler Reichsstände auch durch das dubiose Taktieren des Kaisers mit dem Markgrafen Albrecht Alkibiades.731

728Grundlegend: Bernhard Sicken, Der Heidelberger Verein (1553-1556), in: ZWLG 32 (1973), S. 320-435; Andreas Sebastian Stumpf, Diplomatische Geschichte des Heidelberger Fürstenvereins 1553-1556, in: Zeitschrift für Baiern und die angrenzenden Länder 2/5 (1817), S. 137-181; 2/6 (1817), S. 265-303; die wesentlichen Aktenstücke bei August von Druffel, Beiträge zur Reichsgeschichte 1535-1555, Bd. 4, bearbeitet von Karl Brandi, München 1896 sowie Viktor Ernst (Hg.), Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtemberg, Bd.

2 (1553-1554), Bd. 3 (1555), Stuttgart 1900-1902; HHStA, Wien RA i.g. 19/3; 19/4.

729Die Ablehnung einer Vielzahl der deutschen Fürsten richtete sich insbesondere gegen den leitenden Rat des Kaisers, Antoine Perrenot de Granvelle, der für das spanische Regiment verantwortlich gemacht wurde, vgl. dazu den Brief Zasius` an Ferdinand, 20. II. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 40-45, hier S. 41; über die Unruhe im Reich wg. der span. Sukzession und das verbreitete Mißtrauen gegenüber dem Kaiser berichtet ebenfalls Zasius (Briefe an Ferdinand vom 1. II., 20. II., 6. III. 1553), Druffel, Bd. 4, S. 26f.; S. 40-45; S. 53. Zasius war als Gegner Granvelles freilich ein parteiischer Berichterstatter.

730Zum Passauer Vertrag von 1552 vgl. Luttenberger, Glaubenseinheit und Reichsfriede, S. 651-713.

731Der Bischof v. Bamberg etwa beschwerte sich gegenüber Albrecht v. Bayern über den Kaiser, er, der Bischof, sei vom Kaiser schmählich im Stich gelassen worden, weswegen er Hilfe von Bayern erbäte; Brief vom 15.

Nach einem ersten Sondierungsgespräch in Wimpfen trafen sich die vier Fürsten vom 10. März bis zum 4. April 1553 in Heidelberg, um persönlich über die skizzierten Probleme zu beraten,732 ohne daß jedoch von vornherein eine Bundesgründung verabredet gewesen wäre. Zu diesem Treffen waren ebenfalls die Kurfürsten von Trier und Mainz eingeladen worden, die man in ihrer Eigenschaft als Königswähler gewinnen wollte.733 Anwesend waren aber auch Albrecht Alkibiades sowie Würzburger und Bamberger Gesandte, weil die in Heidelberg versammelten Fürsten eine Friedensvereinbarung für die verfeindeten fränkischen Stände vermitteln wollten. Dies scheiterte jedoch an der unnachgiebigen Haltung des Markgrafen; der drohende Krieg in Franken wurde damit zur Gewißheit.

Zur gleichen Zeit bemühte sich Karl V., seine schwache Position im Reich nach der Niederlage gegen Frankreich vor Metz und wegen seiner umstrittenen Verbindung mit Markgraf Albrecht zu verbessern und hatte deshalb für Anfang April in der Absicht, über die Gründung eines Bundes zu verhandeln, auch drei der in Heidelberg versammelten Fürsten nach Memmingen eingeladen.734 Aber insbesondere Christoph von Württemberg und Friedrich von der Pfalz wollten sich nicht in einen Bund mit dem Kaiser einlassen. Auch Albrecht von Bayern, der dem Kaiser zunächst sein persönliches Erscheinen in Memmingen zugesagt hatte, schloß sich letztendlich ebenfalls der württembergischen Position an und blieb dem kaiserlichen Bund fern.735 Die genannten Fürsten strebten statt dessen eine vom Kaiser unabhängige Einung an, in der der niedere Adel und die Städte keine Einflußmöglichkeiten besitzen sollten.736

I. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 26f.; vgl. auch Zasius an Ferdinand, 1. II. 1553, ebd., S. 9; Lutz, Christianitas afflicta, S. 183.

732Die zu beratenen Punkte hat Christoph v. Württemberg schon am 21. I. 1553 dem Hz. v. Bayern mitgeteilt, Druffel, Bd. 4, S. 12-14. - Die gemeinsamen Beratungen Württembergs, Jülichs, Bayerns und der Kurpfalz setzten allerdings schon 1551 ein, vgl. dazu: Luttenberger, Glaubenseinheit und Reichsfriede, S. 566-713.

733Gemäß innerhabsburgischer Absprache sollte Karl V. sein Bruder, der römische König nachfolgen, diesem Karls Sohn Philipp, wonach dann Ferdinands Sohn Maximilian wieder an der Reihe sein sollte. Unklar war jedoch, ob die Kurfürsten diesen Plänen zustimmen würden.

734Pfalz, Bayern und Württemberg; zum geplanten Memminger Bund vgl. oben Kap. G.

735Druffel, Bd. 4, S. 105; zuvor hatte Albrecht noch erwogen, den geplanten Memminger Bund mit dem Heidelberger zu verbinden, was aber nur von Jülich (wegen der Nähe zu den Niederlanden) unterstützt worden war, Pfalz und Württemberg dagegen waren entschieden gegen diesen Plan, ebd., S. 81.

736Christoph v. Württemberg führte aus, daß „sich des Schwebischen punds kain fürst genossen, aber die stet und gaistliche dardurch ir sächle gemacht“ hätten, im Heidelberger Bund aber Äbte und Äbtissen „samt den stetten sich nachgeenz trucken muesten und der fürsten lied singen“ sollten, Brief an Albrecht v.

Bayern, 26. I. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 18; im Tenor ähnlich der Brief Christophs v. Württemberg an Albrecht v. Bayern, 15. I. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 7f. Der Pfälzer Kurfürst sagte dem Kaiser (Brief vom 26. I. 1553) direkt ab, mit der Begründung: der allgemeine Landfrieden sei wirksamer als ein besonderer Bund, das Wichtigste sei jedoch das Ausräumen des religiösen Zwiespalts, Druffel, Bd. 4, S. 17. Kurpfalz strebte also eine Lösung auf Reichsebene an.

Ausschlaggebend für die Gründung des Heidelberger Bundes am 29. März 1553 waren demnach einerseits die bewußte Distanzierung vom Kaiser und dessen Bundes- und Nachfolgeplänen sowie anderseits der Wille, die eigene fürstliche Machtstellung gegenüber den kleineren Reichsständen, die ja besonders im Memminger Bund zahlreich vertreten sein sollten, zu erhalten. Ein weiteres Ziel des Bundes war die Wahrung des Friedens im Reich und dies ausdrücklich auf der Grundlage des Passauer Vertrages. Auch damit wurde eine dem Kaiser entgegengesetzte Position ausgedrückt, weil Karl V. unterstellt wurde, er betreibe den gewaltsamen Umsturz der Passauer Vereinbarungen mit Hilfe des Markgrafen.737 Dem Kaiser wurde schließlich lediglich die Gründung des Bundes angezeigt.738 Ferner sollte der Heidelberger Bundes dem gemeinsamen Schutz vor kriegerischen Auseinandersetzungen dienen - akut vor denen in Franken. In der Präambel des Gründungsdokuments des Bundes wird sogar neben der üblichen, formelhaften Beteuerung, den Frieden im Reich wiederherstellen zu wollen und eine rein defensive Einung zu sein, direkt auf die fränkischen Auseinandersetzungen Bezug genommen:739 man habe sich zusammengeschlossen, nachdem eine gütliche Beilegung in Heidelberg nicht erreicht werden konnte.

Die Bundesurkunde selbst handelt lediglich von der gemeinsamen Abwehr gegen fremdes Kriegsvolk - auch gegen das des Kaisers;740 organisorische Vorschriften (Bundesleitung, -gremien und -gericht) fehlen völlig. Im Nebenabschied wurde festgelegt, daß der Bund auf drei Jahre geschlossen werde und die Bundeshilfe, die jeder Bundesstand im Bündnisfall zu stellen hatte, 350 Reiter und 1000 Fußknechte umfassen sollte.741

Seiner Zusammensetzung nach war der Heidelberger Bund ein überkonfessionell ausgerichteter Fürstenbund. Mit der Kurpfalz und Jülich gehörten zu seinen Mitglieder konfessionsneutrale Reichsstände, die zwischen den konfessionellen Parteien zu vermitteln suchten.742 Weniger konfessionsneutral war hingegen Christoph von Württemberg eingestellt, der sich entschieden gegen die Aufnahme von Abteien in den Bund aussprach. Dahinter ist wohl das württembergische Ziel

737Sicken, Heidelberger Verein, S. 333f.

738Fürsten des Heidelberger Bundes an Karl V., 29. III. 1553, Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 2, S. 97-99.

Diese Zielrichtung des Bundes übersieht Rolf Decot, Religionsfrieden und Kirchenreform, Wiesbaden 1980, wenn er feststellt: „Der Bund hatte keine antikaiserliche Zielsetzung“ (S. 207).

739Bundesordnung vom 29. III. 1553, Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 2, S. 89-97 (zum Markgräfler Krieg, S.

91f.; angesprochen werden ebenfalls die Auseinandersetzungen in Niedersachsen zwischen Hz. Heinrich und dem dortigen Adel); Nebenbrief vom 30. III. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 101-103; Abschrift für Kg.

Ferdinand: Wien HHStA, RA i.g. 19/3, fol. 280r-284r.

740Ernst, Briefwechsel Wirtemberg, Bd. 2, S. 95.

741Druffel, Bd. 4, S. 102f.

erkennbar, weitere südwestdeutsche Klöster durch Säkularisierung dem eigenen Kammerstaat einzuverleiben.743 Darüber hinaus machte Württemberg aber auch ständische Vorbehalte geltend. Es sollten keine Städte aufgenommen werden, Bischöfe und Adelige - wenn überhaupt - nur in sehr geringem Maße; auf keinen Fall sollten den mindermächtigen Ständen ähnliche Mitbestimmungsrechte wie im Schwäbischen Bund eingeräumt werden.744 Dieser fürstliche Vorbehalt deckte sich - ungeachtet konfessioneller Unterschiede - mit den Vorstellungen des bayerischen und des jülischen Herzogs. Die überkonfessionelle Ausrichtung des Heidelberger Bundes basierte somit neben dem gemeinsamen Wunsch nach Frieden und konfessionellem Ausgleich im Reich vor allem auf der fürstlichen Solidarität und, damit verbunden, auf der Wahrung und Durchsetzung der eigenen fürstlichen Standesinteressen - insbesondere gegenüber den mindermächtigen Reichsständen. Die Stärkung der landesherrlichen Stellung sollte beispielsweise durch Klientelbildung erreicht werden, indem mit kleineren Reichsständen Schutz- und Schirmverträge geschlossen werden sollten, ohne daß diese die Möglichkeit zur Mitbestimmung im Bund hatten.745 Diese Schutzverhältnisse konnten aber durchaus mit der Territorialisierung enden.

Auf diese, auch für die kaiserliche Stellung im Reich gefährliche Tendenz des Heidelberger Bundes hatte Zasius Ferdinand frühzeitig hingewiesen.746

Als ein weiträumiger Fürstenbund verfügte der Heidelberger Bund über keine geographische Geschlossenheit. Er erstreckte sich im Süden von Bayern, Vorderösterreich und Württemberg über das Mittelrheingebiet (Pfalz, Mainz und Trier) bis zum Niederrhein (Jülich-Kleve-Berg). Während die oberdeutschen Mitglieder und die rheinischen Kurfürsten jeweils relativ nah aneinander lagen, war der Herzog von Jülich entlegen, so daß, wie er selber konstatierte, sein Land den übrigen

742Vgl. dazu Luttenberger, Glaubenseinheit und Reichsfriede, passim.

743Im Jahr 1552 beispielsweise ließ Hz. Christoph den Abt des Klosters Königsbronn, Ambros Boxler, gefangennehmen und 1553 durch einen protestantischen Abt ersetzen, Druffel, Bd. 4, S. 92, Anm. 3.

744Sicken, Heidelberger Verein, S. 335. Dieser fürstliche Vorbehalt gegen Mitbestimmungsmöglichkeiten anderer Stände war zudem ein wesentliches Argument dafür, nicht dem geplanten Memminger Bund des Kaisers beizutreten, der nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes strukturiert werden sollte; vgl. dazu den Brief Christophs v. Württemberg an Albrecht v. Bayern, 15. I. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 7f.

745Sicken, Heidelberger Verein, S. 359.

746„Wo nun diese Heidlbergische püntnus auf ain en solchen weg gerichtet werden solte, so haben E. Ku. Mt. gnedigisten zu ermessen, wie gering es dem Hg. von Wirtemberg sein wurde, Eslingen, Reitlingen und Weil zumal gar zu verschluckn, item dem Pfgfn Kfn Speier und Wormbs in sein schuz und schirm zu dringen, auch mit den stetten der landvogtei gleichfals zu erblichem vortl der Pfalz seins gfallens enderung zu suchen. Desgleichen dem fürsten von Bayern und andern Kur- u n d Fen, ainem jeden zu seiner gelegenheit, an andern orten dergleichen zu untersteen. Des aber der Kai. und E. Ku Mt mit nichten zuzusehen, dan einmal die stet aines Römischen Kaisers stützen und sterk aine und nit die geringste ist“;

Zasius an Ferdinand, 24. VIII. 1553, Druffel, Bd. 4, S. 245-249, hier S. 247.

Bundesständen wohl „zu weit herabligt und ungelegen sey“.747 So erschienen oftmals keine jülicher Gesandten auf Bundestagen, wodurch Jülich nicht sehr stark in die Bundesaktivitäten involviert wurde, was die Distanz wiederum verstärkte.748 Das hatte zur Folge, daß Albrecht von Bayern im Zuge der Verlängerungsverhandlungen den Bund in eine ausschließlich oberdeutsche Einung - also ohne Jülich - umwandeln wollte.749

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