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KAPITEL II............................................................................................................................................................................... 24

4. Aufbau und Organisation des Bundes

Der Wandel der Mitglieder- und Machtstrukturen und ein damit verbundener Mangel an Kontinuität spiegelt sich auch in der Verfassungsentwicklung des Schwäbischen Bundes wider. Sichtbar wird dies vor allem an den Verfassungsänderungen zu Beginn jeder neuen Einungsperiode.91 Gleichwohl zeichnete sich der Schwäbische Bund durch eine konstant hohe Institutionalisierung aus, mit Kommissionen, Ausschüssen, Pfennigmeister,92 eigener Gerichtsbarkeit, Steuerwesen und Militärorganisation.

In seiner ersten Verfassung von 1488 bildeten zwei Teile, die schwäbischen Reichsstädte und die im St. Jörgenschild vereinigten Adeligen, den Schwäbischen Bund.93 Oberstes Leitungsgremium war der Bundesrat, der paritätisch von einem Hauptmann des Adels und einem der Städte sowie je neun städtischen und adeligen Bundesräten gebildet wurde. Vorbild für diese erste Verfassung des Schwäbischen Bundes waren die Statuten des St. Jörgenschilds, von denen einzelne Passagen fast wörtlich übernommen wurden.94 Im Zuge der Gründung des Schwäbischen Bundes kam es auch zu einer Neuorganisation des St. Jörgenschilds, der sich in die vier Kantone Hegau/Bodensee, Neckar, Donau und Kocher aufgliederte, deren jeweilige Bundesbriefe wörtlich übereinstimmten.95

Die bundesverwandten Fürsten waren dem Schwäbischen Bund nur mittels Einzelverträgen verbunden und, weil sie dementsprechend keine Räte oder Hauptleute stellten, institutionell nicht in

90Vgl. dazu unten Abschnitt D: Einungen der oberschwäbischen Mindermächtigen.

91Einungsperioden sind: 1) 1488-1496, 2) 1496-1500, 3) 1500-1512, 4) 1512-1522, 5) 1522-1534.

92Das Amt des Pfennigmeisters ist seit 1519 nachweisbar, Carl, Schwäbischer Bund und Reich, S. 58.

93Sowohl der Adel als auch die Städte Südwestdeutschlands besaßen seit dem Untergang der Staufer eine reiche bündische Tradition; vgl. dazu: Herbert Obenaus, Recht und Verfassung der Gesellschaften mit St.

Jörgenschild in Schwaben (= Veröffentlichungen MPI Geschichte 7), Göttingen 1961; Jörg Füchtner, Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390 (= Veröffentlichungen MPI Geschichte 8), Göttingen 1970.

94Hesslinger, Anfänge, S. 65.

der Bundesorganisation verankert. Der Schwäbische Bund war deshalb bis zur vollständigen verfassungsrechtlichen Integration der Fürsten (1500) kein homogenes Gebilde mit einer einheitlichen Rechtsgrundlage, sondern bestand aus einzelnen aufeinander abgestimmten Einungsverträgen.96 Die reichsrechtliche Verankerung des Schwäbischen Bundes war durch den Frankfurter Reichslandfrieden gegeben, und wie dieser war der Bund zunächst bis 1496 befristet. Während jedoch auf Reichsebene 1495 der Ewige Landfrieden beschlossen wurde, blieb der Schwäbische Bund zeitlich befristet, auch wenn Maximilian I. 1496 von den Wormser Beschlüssen ausgehend eine unbefristete Verlängerung in Erwägung zog.97 Das Prinzip der Befristung besaß den Vorteil, daß innerbündische Konflikte durch Austritt am Ende einer Einungsperiode gelöst werden konnten und aufgrund der Verlängerungsverhandlungen eine Fort- und Weiterentwicklung der Verfassung möglich war.98 Der daraus resultierende Mangel an Kontinuität wurde, so urteilt Horst Carl, durch die intensive Verfassungsentwicklung kompensiert.99 An dem Fortbestand der schwäbischen Einung waren insbesondere die Habsburger interessiert, so daß Verlängerungen mittels kaiserlicher Mandate geboten wurden, wie ja auch die Gründung durch kaiserliche Verfügung erfolgt war.

Neue Mitglieder wurden per Eid in die Einung aufgenommen, Hauptleute und Räte auf das Wohl des Bundes vereidigt. Neben den administrativen Leitungsaufgaben war der Bundesrat zunächst auch für die schiedsgerichtlichen Austräge des Bundes zuständig, was die Gerichtshoheit der ordentlichen kaiserlichen Gerichte in Schwaben (in Rottweil und auf der Leutkircher Heide) beschnitt.100 Ein eigenes Finanz- und Steuersystem wurde ebenfalls entwickelt; die Mitglieder wurden in einem kompliziertem Verfahren mit einem Prozent ihres Vermögens veranschlagt wurden.101

Seit den 1490er Jahren gewannen die Fürsten die Oberhand im Bund; sie hatten sich schon 1489 separat untereinander mit dem Ziel verbunden,102 den Frankfurter Landfrieden von 1486 zu wahren, und ab 1496 setzte zudem der merkliche Schwund der adeligen Mitglieder im Schwäbischen Bund ein. Bei der Erneuerung des Bundes 1496 wurde vor allem eine neue Gerichtsverfassung mit einem

95Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 86f.

96Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 98.

97Auskunft von Horst Carl.

98Carl, Eidgenossen, S. 247.

99Carl, Eidgenossen, S. 249.

100Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 92. Ausführlich zum Konkurrenzproblem s. unten I. 6.

101Kompliziert war das Verfahren wegen der Kommunen, die nicht wollten, daß ihre Vermögenssituation öffentlich werden würde, Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 101-104.

10211. IV. 1489, Einung der dem Bund zugewandten Fürsten: Baden, Württemberg, Mgf. v. Brandenburg, Tirol, Ebf. v. Mainz. Hesslinger, Anfänge, S. 156f.

Bundesrichter an einem festen Ort beschlossen. In diese Bundesgerichtsbarkeit waren auch die Fürsten mit einbezogen.103 Gemäß dem älteren deutschen Recht führte der Richter am Bundesgericht während der Einungsperiode von 1496 bis 1500 nur die Verhandlungen; die Rechts- und Urteilsfindung oblag - wie am Kammergericht - den Urteilern.104

Ab 1500 waren dann die Fürsten vollständig im Bund integriert, sie bildeten nunmehr neben Adel und Städten die dritte ständische Bank und stellten einen eigenen Hauptmann und eigene Räte. Der paritätischen Verteilung entsprechend wurde auch das Gerichtswesen geändert. Nicht mehr ein, sondern drei ständige Bundesrichter (von jeder Bank einer) wurden mit der Rechtsprechung beauftragt. Die Gerichtsverfassung von 1500 stellte zugleich den Endpunkt einer immer stärkeren Institutionalisierung und Verfestigung dar. In der ersten Phase (1488-1495) besaß das Gericht nur vage, unausgeformte Kompetenzen, von 1496-1499 gab es mit Burkhard von Ehingen einen ständigen Richter,105 ab 1500 dann drei Richter, die stets gelehrte Juristen, also römischrechtlich ausgebildet waren.106 Daß das Schiedsgericht des Schwäbischen Bundes - anders als das Kammergericht - ausschließlich mit gelehrten Richtern besetzt war, mag erstaunen, denn das rationale, zur Vereinheitlichung tendierende System des römischen Rechts kam in der Regel den landesherrlichen Interessen der Fürsten entgegen und nicht den Mindermächtigen, die ja gerade mit Hilfe des Bundes ihre Eigen- und Sonderrechte bewahren wollten.

Das Bundesgericht war seiner Anlage gemäß ein Schieds- oder Austrägalgericht. Es wurde aber aufgrund der skizzierten Entwicklung zu einem institutionellen Schiedsgericht, kam also nicht erst im Bedarfsfall zusammen. Als das Gericht 1512 durch Maximilian I. das kaiserliche Privileg erhielt,107 Zeugen inner- und außerhalb des Bundes zu vernehmen und, wenn nötig, auch Zwang anzuwenden, nahm es in verstärktem Maße den Charakter eines ordentlichen Gerichts an.108 Denn im Gegensatz zur üblichen bündischen Schiedsgerichtsbarkeit besaß der Gerichtszwang seit 1512 nicht nur für Einungsmitglieder Geltung, sondern wurde in verstärktem Maße auch auf Nichtmitglieder des Schwäbischen Bundes ausgeübt. Die Kompetenzerweiterung des Gerichtes wurde nochmals vorangetrieben, als der Bundesrat 1514 beschloß, daß alle Streitfälle, die dem Bundesgericht

103Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 113f.

104Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 115.

105Zu Burkhard v. Ehingen vgl. Carl Holzherr, Geschichte der Reichsfreiherren von Ehingen bei Rottenburg a./N., Stuttgart 1884 (ND Rottenburg 1997), S. 34f.

106Frey, Das Gericht des Schwäbischen Bundes und seine Richter, S. 228.

107Maximilian I. bestätigte dieses Privileg 1515, Karl V. 1522.

vorgelegt würden, auch verhandelt werden sollten.109 Die ursprüngliche Beschränkung auf Rechtsfälle, die im weitesten Sinne zum Landfriedensrecht gehörten, wurde damit aufgegeben. Das Bundesgericht genoß zudem wegen seiner Exekutionsmöglichkeiten durch das Bundesheer im Gegensatz zu anderen ordentlichen weltlichen Gerichten hohe Autorität,110 hinzu kam die große Flexibilität und Effizienz, die es ebenfalls von den starren und schwerfälligen ordentlichen Gerichten abhob.111

1512 fand mit der Installierung des Kriegsrats eine weitere institutionelle Ausdifferenzierung des Bundes statt. Die von den Bundesständen ernannten sechs Kriegsräte koordinierten und leiteten gemeinsam mit dem von den Habsburgern ernannten Feldhauptmann die Feldzüge des Bundes.

Diese Institution wurde später übrigens - im Gegensatz zu dem Bundesgericht - vom schwäbischen Reichskreis beibehalten.112

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