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Status als Merkmal

Teil 2: Diskriminierung – Begriffsbestimmung

A. Diskriminierungsrelevantes Verhalten

II. Status als Merkmal

Menschen können Träger von Merkmalen sein, deren Vorhandensein sie zwar beeinflussen können, die aber in einer Weise mit ihren Trägern verknüpft sind, daß sie in die Nähe der unbeeinflußbaren Merkmale rücken.

106 Die sexuelle Identität als vom einzelnen beeinflußbares Merkmal betrachtend: Adomeit, der in diesem Zusammenhang von unentschiedenen Gemütern spricht (Adomeit, NJW 2002, S. 1622 (1622)); als dem Willen des einzelnen entzogenes Merkmal betrachtend: v. Hoyningen-Huene/Linck, die darauf hinweisen, daß die Homosexualität allenfalls ein personenbedingter, nicht aber verhaltensbedingter Kündigungsgründ sein kann. (v.

Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, § 1, Rn. 258); Geck und Schimmel meinen, es sei heute unstreitig, daß die sexuelle Identität nicht zur Disposition des erwachsenen Menschen steht. (Geck/Schimmel, ArbuR 1995, S. 177 (183)).

107 Bei Krankheiten, die nach derzeitigem medizinischen Stand als unheilbar gelten, ist Art. 3 III 2 GG zu beachten, dessen Schutzbereich auch chronisch Kranke regelmäßig erfaßt, nicht aber vorübergehend Erkrankte mit voller Genesungserwartung. (Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 127) Unheilbare Krankheiten lassen sich demnach auch als Behinderung einstufen.

108 Wegen der besonderen Dringlichkeit des Schutzes in diesem Bereich beschränkt Schiek ihre Betrachtungen auf askriptive Persönlichkeitsmerkmale, ohne jedoch zu behaupten, nur diese Merkmale verdienten Diskriminierungsschutz. (Schiek, Differenzierte Gerechtigkeit, S. 27).

Beispiele: Religionszugehörigkeit,109 Familienstand,110 Staatsangehörigkeit

1. Status und statusbedingtes Verhalten

Im Gegensatz zu dem bereits angesprochenen „Kopftuchfall“ knüpft der Arbeitgeber, der die Einstellung des Bewerbers von einer bestimmten Religionszugehörigkeit abhängig macht, nicht an ein Verhalten des Bewerbers – Tragen des Kopftuchs –, sondern an den Status

„Religionszugehörigkeit“ an.

Die Unterscheidung zwischen Status und Verhalten einer Person ist im Arbeitsrecht bekannt. So lasse sich aus der Trennung zwischen personen- und verhaltensbedingter Kündigung die Unterscheidung zwischen Status und Wahlhandlung gewinnen.111 Knüpft der Arbeitgeber eine Sanktion an das (Nicht-)Vorhandensein eines bestimmten Status, stehe im Zentrum seines Vorwurfs weniger ein einmaliges Handeln wie z. B. der Eheschließung, als vielmehr der dadurch herbeigeführte Zustand.112

Doch selbst wenn man auf die einmalige Handlung der Heirat abstellt, stelle selbige weniger eine Wahlentscheidung als vielmehr schicksalhaftes Verhalten dar:113 „[...] aber die Liebe wählt man sich ja nicht, man wird davon angesteckt, gerät in ihre Fänge, sie kommt über einen wie eine Krankheit, wie ein Unglück.“114

Für die Unterscheidung zwischen Status und Verhalten spricht die Tatsache, daß der Status als solcher auf die ordnungsgemäße Erfüllung vertraglicher Pflichten in der Regel keinen bzw. weniger (negativen) Einfluß hat als ein bestimmtes Verhalten. Daß eine Arbeitnehmerin Muslimin ist, berührt das Arbeitsverhältnis in keiner Weise. Ein bestimmtes Verhalten beeinflußt dagegen in aller Regel das Vertragsverhältnis. So ist denkbar, daß sich die nach außen manifestierte Religionszugehörigkeit – beispielsweise durch Tragen eines Kopftuchs – (negativ) auf das Betriebsklima auswirkt oder zu Umsatzeinbußen des Arbeitgebers führt.115 Das Beispiel zeigt, daß der Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer ein bestimmtes statusbedingtes Verhalten verbietet, nicht unbedingt den Status als solchen ablehnen muß.

109 Nussberger spricht im Zusammenhang mit dem religiösen Bekenntnis von einer verfügbaren Eigenschaft.

(Nussberger, JZ 2002, S. 524 (524)).

110 Gemäß Art. 11 lit. a des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau müssen die Vertragsstaaten u.a. Maßnahmen ergreifen, die das „Verbot der Diskriminierung aufgrund des Familienstands bei Entlassungen“ durchsetzen. (BGBl. 1985 II 1, S. 648 ff.).

111 Geck/Schimmel, ArbuR 1995, S. 177 (183).

112 Geck/Schimmel, ArbuR 1995, S. 177 (183).

113 Weiss, ArbuR Sonderheft 1979, S. 28 (31); zustimmend Geck/Schimmel, ArbuR 1995, S. 177 (183).

114 Amos Oz in „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“.

115 Das BAG hat in seinem Urteil festgestellt, daß betriebliche Störungen oder Umsatzeinbußen entscheidende Faktoren für die Beantwortung der Frage sein können, ob das religiös bedingte Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz zulässig ist. (BAG, NJW 2003, S. 1685 (1687)).

Die Ausführungen haben gezeigt, daß der Status als solcher nicht als verhaltensbedingtes Diskriminierungsmerkmal eingestuft werden kann, selbst wenn er durch ein Verhalten, wie beispielsweise dem Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft, begründet wurde.116 Es muß unterschieden werden zwischen dem Status einerseits und dem auf dem Status beruhenden Verhalten andererseits. Diese Unterscheidung führt beispielsweise zu der Konsequenz, daß in der Kündigungssituation der Status als solcher ein personenbedingter Kündigungsgrund, das statusbedingte Verhalten dagegen ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund sein kann.117 Diese Unterscheidung ist wichtig, unterliegt die personenbedingte Kündigung doch strengeren Rechtfertigungsanforderungen als die verhaltensbedingte Kündigung.118

2. Staatsangehörigkeit

Eine Sonderstellung unter den Statusmerkmalen nimmt die Staatsangehörigkeit ein. Gemäß Art. 3 II betrifft die Richtlinie 2000/43/EG

„nicht unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und berührt nicht [...] eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen ergibt.“119

Laut Erwägungsgrund 13 läßt die Richtlinie unter anderem Vorschriften über den Zugang von Drittstaatsangehörigen zu Beschäftigung und Beruf unberührt.120

Beispiel: Dürfen Gastwirte Schilder aufstellen, auf denen sie Ausländern untersagen, das Lokal zu betreten?121

In scheinbarem Widerspruch zu den bisherigen Ausführungen hebt Erwägungsgrund 13 der Richtlinie hervor, daß das Diskriminierungsverbot grundsätzlich auch gegenüber Drittstaatsangehörigen gilt. Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß die Ausnahmenvorschrift des Art. 3 II grundsätzlich nicht im Privatrechtsverkehr gilt, die Norm vielmehr deshalb eingeführt wurde, um spezielle Vorschriften beispielsweise bzgl. der Einreise und des Aufenthaltsrechts von Drittstaatsangehörigen nicht als Diskriminierung und damit als rechtwidrig qualifizieren zu

116 Hier zeigt sich eine Parallele zu den unbeeinflußbaren Merkmalen, die vorsätzlich herbeigeführt wurden.

Schiek qualifiziert dagegen Merkmale wie Weltanschauung, Religion und politische Orientierung als verhaltensbezogene Diskriminierungsmerkmale. (Schiek, Differenzierte Gerechtigkeit, S. 26)

117 In diesem Sinne Geck/Schimmel, ArbuR 1995, S. 177 (183).

118 Geck/Schimmel, ArbuR 1995, S. 177 (183); Praktische Relevanz erlangt die Unterscheidung im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse bei der Frage, ob eine Kündigung mit der Begründung zulässig ist, der Arbeitnehmer habe eine geschiedene Person geheiratet bzw. sich als geschiedene Person neu vermählt. (Geck/Schimmel, ArbuR 1995, S.

177 (182)).

119 Eine identische Regelung findet sich auch in Art. 3 II der Richtlinie 2000/78/EG.

120 Abl. EG 2000 Nr. L 180, S. 22 (23).

121 Vergleiche dazu OVG Münster, GewArch. 1967, S. 118 f.; OLG Frankfurt, NJW 1985, S. 1720 f.; siehe auch Antwort der Bundesregierung vom 29.07.1982 auf eine Anfrage bzgl. der Diskriminierung von Angehörigen der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (BT-Druck. 9/1882).

müssen.122 Art. 3 II, der so zu lesen sei, daß nur hoheitliche Handlungen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, grundsätzlich zulässig sind, diene lediglich der Sicherung nationalstaatlicher Souveränität im Umgang mit Drittstaatsangehörigen.123

Fälle wie im Beispiel geschildert vom Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots herauszunehmen, entspricht ersichtlich nicht dem Ziel und dem Zweck der Richtlinie.124 Die pauschale Aussage, eine auf die Staatsangehörigkeit beruhende Ungleichbehandlung falle aufgrund ihres Art. 3 II nicht unter das von der Richtlinie 2000/43/EG statuierte Diskriminierungsverbot,125 ist, wenn nicht falsch, so doch zumindest ungenau und irreführend.

Im Zusammenhang mit dem Unterscheidungsmerkmal „Staatsangehörigkeit“ ist auch auf die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen126 vom 25.11.2003 hinzuweisen. Gemäß Art. 11 I der Richtlinie werden langfristig Aufenthaltsberechtigte unter anderem auf folgenden Gebieten grundsätzlich wie eigene Staatsangehörige behandelt:

„a) Zugang zu einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit, wenn diese nicht, auch nicht zeitweise, mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist, sowie Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich Entlassungsbedingungen und Arbeitsentgelt;

f) Zugang zu Waren und Dienstleistungen sowie zur Lieferung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen für die Öffentlichkeit und zu Verfahren für den Erhalt von Wohnraum;

g) Vereinigungsfreiheit sowie Mitgliedschaft und Betätigung in einer Gewerkschaft, einem Arbeitgeberverband oder einer sonstigen Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, sowie Inanspruchnahme der von solchen Organisationen angebotenen Leistungen, unbeschadet der nationalen Bestimmungen über die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit“.