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Anweisung zur Diskriminierung

Teil 2: Diskriminierung – Begriffsbestimmung

A. Diskriminierungsrelevantes Verhalten

IV. Anweisung zur Diskriminierung

Gemäß Art. 2 IV der Richtlinie 2000/43/EG gilt auch

„[d]ie Anweisung zur Diskriminierung einer Person aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft [...] als Diskriminierung im Sinne [der Richtlinie.]“97

94 Richardi/Annuß in Staudinger, § 611 a, Rn. 30.

95 Richardi/Annuß in Staudinger, § 611 a, Rn. 30; Edenfeld unterscheidet zwischen Benachteiligungsabsicht und dolus eventualis: Die Besonderheit der mittelbaren Diskriminierung bestehe darin, daß sie „gerade keine subjektive Benachteiligungsabsicht wegen des Geschlechts voraussetzt, sondern bei der allenfalls das Ergebnis einer objektiven Benachteiligung billigend in Kauf genommen wird.“ (Edenfeld in Erman, Band I, § 611 a, Rn. 7).

96 Richardi/Annuß in Staudinger, § 611 a, Rn. 32.

97 Ähnliche Definitionen enthalten die Richtlinie 76/276/EWG in Art. 2 IV, Richtlinie 2000/78/EG in Art. 2 IV sowie Richtlinie 2004/113/EG in Art. 4 IV.

Mit dieser Regelung dürfte die Absicht verfolgt worden sein, dem Umstand Rechnung zu tragen, daß es gesellschaftliche Bereiche gibt, in denen Aufgaben delegiert werden. Zu denken ist insofern vor allem an die Tätigkeit in großen Unternehmen.

Beispiel: Erinnert sei an den Personal-Manager, dem gekündigt worden war, weil er sich geweigert hatte, Bewerbungen von Türkinnen bei künftigen Einstellungen nicht mehr zu berücksichtigen.98

In dem Beispielsfall wurde der Personal-Manager angewiesen, türkische Bewerberinnen in benachteiligender Weise gegenüber Bewerberinnen anderer Nationalität ungleich zu behandeln.

Eine Anweisung kann freilich auch auf eine einseitig belastende Behandlung oder eine benachteiligende Gleichbehandlung gerichtet sein.

Das AGG hat in seinem § 3 V die Anweisung zur Diskriminierung nach europarechtlichem Vorbild ausdrücklich geregelt:

„Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund [ – d. h. wegen eines dort genannten Diskriminierungsmerkmals – ] gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 [ – d. h. im Rahmen von Beschäftigung und Beruf – ] insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.“

Für das Vorliegen einer Anweisung im Sinne des § 3 V AGG soll es nicht darauf ankommen, „ob die angewiesene Person die Benachteiligung tatsächlich ausführt.“99 Die Bedeutung des § 3 V AGG wird durch die Existenz der allgemeinen zivilrechtlichen Zurechnungsnormen relativiert. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt: „Im Bereich des allgemeinen Zivilrechts sind die in Absatz 5 geregelten Sachverhalte regelmäßig über die zivilrechtlichen Zurechnungsnormen zu erfassen (§§

31, 278, 831 BGB).“100

V. Zusammenfassung

Die bisherigen Ausführungen haben sich mit der Frage beschäftigt, welche Verhaltensweisen diskriminierenden Charakter haben können. Dabei wurden folgende Feststellungen getroffen: Eine Diskriminierung kann vorliegen, wenn eine Person gegenüber einer anderen in benachteiligender Weise ungleich behandelt wird, weil sie ein unerwünschtes Merkmal bzw. eine unerwünschte Eigenschaft aufweist. In Anlehnung an die Antidiskriminierungsrichtlinien wird insofern von

98 Müller-Münch in Frankfurter Rundschau vom 11.12.2003, S. 1 unter dem Titel: „Türkinnen unerwünscht – und das Gericht gab dem Chef Recht“.

99 Entwurfsbegründung, BT-Druck. 16/1780, S. 33.

100 Entwurfsbegründung, BT-Druck. 16/1780, S. 33.

unmittelbarer Diskriminierung gesprochen. Diese Form der Diskriminierung kann in offener und verdeckter Weise erfolgen. Offen diskriminiert, wer die Ungleichbehandlung durch direkten Verweis auf das unerwünschte Merkmal begründet, verdeckt dagegen, wer nach außen hin an ein anderes Merkmal anknüpft. Einen Sonderfall der unmittelbaren Diskriminierung stellt die sogenannte Diskriminierungsdrittwirkung dar. Gemeint ist damit die Konstellation, daß eine Person, die in einer gewissen (z.B. Verwandtschafts-) Beziehung zu der diskriminierten Person steht, ebenfalls Auswirkungen der Diskriminierung erdulden muß.

Es gibt Fälle, in denen eine Person aufgrund eines bestimmten Merkmals eine belastende Behandlung erfährt, ohne jedoch gleichzeitig gegenüber einer anderen Person ungleich behandelt zu werden. Es wurde diskutiert, ob in einem derartigen Fall die Frage des Vorliegens einer Ungleichbehandlung hypothetisch beantwortet werden kann. Im Ergebnis wurde festgestellt, daß es stets einer tatsächlich existierenden Vergleichsperson bedarf, daß es jedoch unerheblich ist, ob diese ihre begünstigende Behandlung gleichzeitig mit der belastenden des „Diskriminierten“ erfahren hat, davor oder danach. Schließlich wurde vorgeschlagen, auch die einseitig belastende Behandlung aufgrund eines bestimmten Merkmals als potenziell diskriminierendes Verhalten einzustufen, ist doch gerade auch mit Blick auf das in Art. 3 I GG enthaltene Willkürverbot nicht recht einzusehen, warum Diskriminierungsschutz darauf beschränkt sein sollte, das Unrecht zu vermeiden, das dadurch entsteht, daß ein an sich legitimes Verhalten durch gleichheitswidrige Unterscheidung ungerecht wird.

Auch die (sexuelle) Belästigung stellt nach den Antidiskriminierungsrichtlinien eine Diskriminierung dar. Eine Belästigung liegt etwa vor, wenn jemand aufgrund der Tatsache, daß er Träger eines bestimmten Merkmals ist, beleidigt wird. Es wurde einerseits festgestellt, daß auch die (sexuelle) Belästigung als diskriminierungsrelevante Verhaltensweise eingestuft werden kann, daß diese Form der Diskriminierung jedoch andererseits Fragen aufwirft, die nicht Gegenstand der Arbeit sein sollen. Im Rahmen des Belästigungsschutzes stellt sich – anders als beim Diskriminierungsschutz im rechtsgeschäftlichen und quasi-rechtsgeschäftlichen Bereich – nicht die Frage nach einer etwaigen Einschränkung der Privatautonomie des „Belästigenden“. Hier geht es nicht um (vor-)vertragliche Rechte und Pflichten von (potenziellen) Vertragspartnern. Die Lösung gerade dieses Spannungsverhältnisses ist aber erklärtes Ziel der vorliegenden Arbeit. Die Probleme, die im Zusammenhang mit dem Belästigungsschutz und insbesondere den insofern bestehenden europarechtlichen Verpflichtungen auftauchen, wurden deshalb lediglich in einem Exkurs kurz angerissen.

Auch eine formelle Gleichbehandlung kann sich tatsächlich unterschiedlich auswirken, je nachdem, ob man Träger eines bestimmten Merkmals ist oder nicht. Auch die benachteiligende Gleichbehandlung wirft somit die Frage nach dem Vorliegen einer Diskriminierung auf. Auf die Antidiskriminierungsrichtlinien bezug nehmend wird insofern von mittelbarer Diskriminierung

gesprochen. Das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung hängt nicht vom Nachweis einer tatsächlichen Benachteiligung ab. Vielmehr kann sie bereits dann vorliegen, wenn die Gleichbehandlung geeignet ist, tatsächlich benachteiligend zu wirken. Nicht der Vorsatz ist Abgrenzungskriterium zur unmittelbaren Diskriminierung – auch der mittelbar Diskriminierende kann vorsätzlich handeln –, sondern vielmehr das Merkmal der ausschließlichen Betroffenheit. Nur bei der mittelbaren Diskriminierung sind überwiegend die Personen, die Träger des unerwünschten Merkmals sind, von der benachteiligenden Maßnahme betroffen, nicht aber ausschließlich, wie im Fall der unmittelbaren Diskriminierung.

Die Antidiskriminierungsrichtlinien regeln ausdrücklich, daß auch die Anweisung zur Diskriminierung selbst eine Diskriminierung darstellen kann. Dies ist begrüßenswert angesichts der Tatsache, daß in vielen gesellschaftlichen Bereichen „Über-Unterordnungsverhältnisse“ bestehen, im Rahmen derer Aufgaben delegiert werden. Durch diese legitime Aufgabenverteilung soll es dem Hintermann freilich nicht möglich sein, ein sich an ihn richtendes Diskriminierungsverbot zu umgehen.

B. Diskriminierungsmerkmale

„Solange man sich auf eine Liste unzulässiger Diskriminierungsmerkmale beschränkt, wird es immer auch sachfremde Diskriminierungen geben, die zulässig bleiben.“101

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß sich die Frage nach dem Vorliegen einer Diskriminierung immer dann stellt, wenn eine Person eine sie belastende oder sich für sie belastend auswirkende Behandlung erfährt, weil sie Trägerin eines bestimmten Merkmals ist bzw. eine bestimmte Eigenschaft aufweist, welche sie von anderen Personen abgrenzt. Die Definition des Begriffs der Diskriminierung beinhaltet demnach die Beantwortung der Frage, aufgrund welcher Merkmale überhaupt diskriminiert werden kann.

Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage nach den schutzwürdigen Merkmalen bilden die untersuchten internationalen und nationalen Antidiskriminierungsmaßnahmen. Festgestellt wurde, daß der Diskriminierungsschutz dieser Maßnahmen größtenteils auf bestimmte Diskriminierungsmerkmale, wie insbesondere dem Geschlecht beschränkt ist. So ist gem. § 1 AGG

„Ziel des Gesetzes [...], Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

101 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (414).

Es konnten aber auch Diskriminierungsverbote nachgewiesen werden, die in bezug auf die zu schützenden Merkmale einen nicht abschließenden Katalog aufstellen.102 Zudem wurden Maßnahmen ausgemacht, die ein Diskriminierungsverbot statuieren, ohne sich überhaupt auf irgendwelche Merkmale festzulegen.103

Die Antidiskriminierungsmaßnahmen haben zweifellos Indizfunktion in bezug auf die Frage der Schutzwürdigkeit bestimmter Merkmale. So kann beispielsweise angesichts der Fülle von Maßnahmen, die dem Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gewidmet sind, nicht ernsthaft an der Schutzwürdigkeit dieses Merkmals gezweifelt werden.

Nicht vergessen werden darf, daß die Mehrzahl der untersuchten Maßnahmen über ihre Indizfunktion hinaus verpflichtenden Charakter haben.104 Das gilt beispielsweise für die Antidiskriminierungsrichtlinien, die dem Schutz der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität etc. dienen.

Nicht zuletzt lassen sich aus Beispielen in der Rechtsprechung Rückschlüsse über die Schutzwürdigkeit einzelner Merkmale ableiten.