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Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf

Wie bereits gezeigt, haben eine Vielzahl völkerrechtlicher Antidiskriminierungsmaßnahmen die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zum Gegenstand. Der Grund dafür dürfte zum einen darin liegen, daß die Arbeitsstelle finanzielle wie soziale Existenzgrundlage des Menschen, mithin von herausragender Bedeutung für ihn ist,123 zum anderen darin, daß es sich bei Arbeitsverhältnissen um Dauerschuldverhältnisse handelt, also einen Bereich betrifft, der – wie sich im Laufe der Arbeit zeigen wird – besonders anfällig bzw. prädestiniert für Diskriminierung ist.

In Art. 2 des Übereinkommens der International Labour Organisation (ILO) Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf124 vom 25.06.1958 verpflichten sich die Mitgliedstaaten der Organisation

„[...] eine innerstaatliche Politik festzulegen und zu verfolgen, die darauf abzielt, [...] die Gleichheit der Gelegenheiten und der Behandlung in bezug auf Beschäftigung und Beruf zu fördern, um jegliche Diskriminierung auszuschalten.“

Unter Diskriminierung versteht das Übereinkommen gem. Art. 1 lit. a

„jede Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung, die auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der politischen Meinung, der nationalen Abstammung oder der sozialen Herkunft

könnten zu der Annahme verleiten, der Behinderte habe einen Anspruch auf Einstellung gegenüber dem Arbeitgeber.

122 Kossens in Kossens/von der Heide/Maaß, § 85, Rn. 1.

123 Auf den hohen Stellenwert des Arbeitsverhältnisses im Leben eines Menschen hat u.a. das BAG hingewiesen.

(BAGE 48, S. 122 (138)).

124 BGBl. 1961 II 1, S. 97 ff.

vorgenommen wird und die dazu führt, die Gleichheit der Gelegenheiten oder der Behandlung in Beschäftigung oder Beruf aufzuheben oder zu beeinträchtigen“.

Wie bereits erwähnt, bezwecken auch die Richtlinien 76/207/EWG, 2000/43/EG sowie 2000/78/EG Diskriminierungsschutz im Bereich des Arbeitslebens, wobei die zuletzt genannte in bezug auf die geschützten Diskriminierungsmerkmale die weitreichendsten Regelungen enthält.125

Neben dem speziellen Diskriminierungsschutz der §§ 7 AGG und 81 II SGB IX gewährt das deutsche Arbeitsrecht auch allgemeinen, nicht auf bestimmte Unterscheidungsmerkmale beschränkten Diskriminierungsschutz in Form des sogenannten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.126 Der allgemeine bzw. arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der überwiegend als gewohnheitsrechtliche Umsetzung des Art. 3 I GG betrachtet wird, verbietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund von Begünstigungen auszunehmen oder ihnen Belastungen aufzuerlegen.127 Eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes soll jedoch immer nur dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber eine Regel aufstellt oder befolgt, die abstrakt an allgemeine Merkmale anknüpft und generell für eine Mehrzahl von Fällen gelten soll.128 Diese Voraussetzung sei beispielsweise dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber, ohne tarif- oder arbeitsvertraglich dazu verpflichtet zu sein, eine Weihnachtsgratifikation zahlt.129 Das Gleichheitsprinzip soll demgegenüber dann nicht betroffen sein, wenn der Arbeitgeber mit den einzelnen Arbeitnehmern echte Individualabreden vereinbart.130 Grundsätzlich könne im Einzelarbeitsvertrag sogar wirksam festgelegt werden, daß ein Arbeitnehmer bestimmte Leistungen, die der Arbeitgeber bisher nach einer bestimmten Regel gewährt hat, nicht erhalten soll.131 Eine Ausnahme gelte insofern jedoch für zwingende Differenzierungsverbote wie sie unter anderem § 611 a BGB-A aufgestellt habe.132 Dabei darf nicht übersehen werden, daß ein zwingendes Differenzierungsverbot die Gleichbehandlung nur insofern verlangt, als das verpönte Differenzierungsmerkmal nicht Anknüpfungspunkt für die unterschiedliche Behandlung sein darf. Der Arbeitgeber dürfe demgegenüber beispielsweise seinen Neffen aus familiären Gründen besser bezahlen als seine mitarbeitende Ehefrau.133 In diesem

125 Gemäß Art. 1 bezweckt die Richtlinie 2000/78/EG die „[...] Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung [...]“.

126 Es werden Überlegungen angestellt, den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ins Mietrecht zu übertragen. Der Grundsatz solle zumindest für Vermieter mit zahlreichen Mietparteien gelten. (Teichmann in Soergel, § 242, Rn. 48).

127 Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 58.

128 Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 58.

129 Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 58.

130 Otto, Einführung in das Arbeitsrecht, Rn. 167.

131 Richardi in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, § 14, Rn. 34.

132 Richardi in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, § 14, Rn. 35.

133 Otto, Einführung in das Arbeitsrecht, Rn. 167.

Beispielsfall bevorzugt der Arbeitgeber seinen Neffen nicht aus dem Grund, weil dieser im Gegensatz zu seiner Frau ein Mann ist.

Anzumerken ist, daß das Institut des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Hinblick auf § 75 I BetrVG teilweise als überflüssig angesehen wird.134 Gemäß jener Norm haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen,

„[...] daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, daß jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Sie haben darauf zu achten, daß Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden.“135

Der Arbeitgeber ist unter anderem bei allen Maßnahmen im Rahmen des Einzelarbeitsvertrages, mithin bei dessen Abschluß, inhaltlichen Gestaltung und Beendigung sowie der Ausübung des Direktionsrechts, an die Verpflichtung aus § 75 I BetrVG gebunden.136 Die Verpflichtung aus § 75 BetrVG führe indes nicht zu korrespondierenden Ansprüchen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auf eine bestimmte Behandlung.137 Allenfalls beeinflusse die Norm mittelbar das Einzelarbeitsverhältnis dadurch, daß ihre Grundsätze arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers sowie den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz mitprägten.138

Die Richtlinie 96/34/EG zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub139 vom 03.06.1996 verbietet in Art. 1140

„[...] Entlassungen, die auf einem Antrag auf Elternurlaub oder auf der Inanspruchnahme des Elternurlaubs beruhen.“

134 Otto, Einführung in das Arbeitsrecht, Rn. 165.

135 § 75 I BetrVG ist zuletzt durch Art. 3 III des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung – BGBl. 2006 I, S. 1897 ff. – modifiziert worden.

136 Kreutz in GK-BetrVG, Band II, § 75, Rn. 22; Nicht unumstritten ist jedoch, ob § 75 BetrVG schon vor Vertragsschluß Wirkungen entfaltet, da man sich nicht einig darüber ist, ob zum geschützten Personenkreis dieser Bestimmung auch Arbeitnehmer zählen, die noch nicht im Betrieb tätig sind. (Nickel, NJW 2001, S. 2668 (2669);

vgl. dazu Richardi in Richardi, § 75, Rn. 7).

137 Kreutz in GK-BetrVG, Band II, § 75, Rn. 23 f.; Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 57; Richardi in Richardi, § 75, Rn. 8; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, Betriebsverfassungsgesetz, § 75, Rn. 20.

138 Kreutz in GK-BetrVG, Band II, § 75, Rn. 25; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/ Schmidt, Betriebsverfassungsgesetz, § 75, Rn. 20; Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß § 75 I BetrVG absolute bzw.

zwingende Differenzierungsverbote statuiert. (Waas, ZIP 2000, S. 2151 (2154 f.)).

139 Abl. EG 1996, Nr. L 145, S. 4 f.; zur rechtlichen Grundlage der Richtlinie im EGV vgl. Rebhahn in Schwarze, Art.

137 EGV, Rn. 14.

140 In Verbindung mit § 2 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vom 14.12.1995 (Anhang zur RL 96/34/EG, Abl. EG 1996, Nr. L 145, S. 6 ff.).

Außerdem soll der Arbeitnehmer gem. Art. 1141 im Anschluß an den Elternurlaub das Recht haben,

„[...] an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, entsprechend seinem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einer gleichwertigen oder ähnlichen Arbeit zugewiesen zu werden.“

Bemerkenswert an der Richtlinie 96/34/EG – und Grund, sie erst an dieser Stelle zu erwähnen – ist, daß sie in ihrem Anwendungsbereich jede Ungleichbehandlung von Personen mit Kind gegenüber Personen ohne Kind verbietet. Differenzierungsmerkmal ist somit nicht allein das Geschlecht, selbst wenn dies vordergründig bezweckt sein mag,142 sondern auch der Status: „Person mit Kind“.143 Das nationale Recht Deutschlands gewährte zunächst in § 18 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) besonderen Kündigungsschutz für den Fall der Inanspruchnahme von Elternzeit. Gemäß

§ 18 I 1 BErzGG-A durfte

„[d]er Arbeitgeber [...] das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden [war], höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit, und während der Elternzeit nicht kündigen.“144

Es wurde vertreten, die Bestimmung sei in dieser Form mit den Vorgaben der Richtlinie 96/34/EG vereinbar145 und erfülle gleichzeitig die dem deutschen Gesetzgeber durch Art. 6 I GG aufgetragene Pflicht zum Schutz und zur Förderung der Familie.146 Wie im Falle der Richtlinie 96/34/EG genossen sowohl männliche als auch weibliche Arbeitnehmer den besonderen Kündigungsschutz aus § 18 I 1 BErzGG-A.147 Das liegt daran, daß die Norm nicht – zumindest nicht primär – die Geschlechterdiskriminierung unterbinden wollte, sondern vordergründig einer möglichst problemlosen Anfangserziehung des Kindes diente.148

Eine dem § 18 I 1 BErzGG-A entsprechende Bestimmung enthält nunmehr § 18 I 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), das am 01.01.2007 in Kraft getreten ist.149

141 In Verbindung mit § 2 Nr. 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vom 14.12.1995 (Anhang zur RL 96/34/EG, Abl. EG 1996, Nr. L 145, S. 6 ff.).

142 Vergleiche dazu die Präambel der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub.

143 Das BVerfG hat entschieden, daß der Gesetzgeber nicht nur im Bereich des Arbeitsrechts, sondern auch in anderen Bereichen des Privatrechts Regelungen mit besonderer Rücksicht auf Familien mit Kindern zu erwägen hat, so etwa das Verbot einer Kündigung von Mietverträgen über Wohnraum wegen der Aufnahme eines neugeborenen Kindes. (BVerfGE 88, S. 203 (260)).

144 Gemäß Art. 3 II des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes trat der „Zweite Abschnitt des Bundeserziehungsgeldgesetzes [...] am 31. Dezember 2006 außer Kraft. Im übrigen tritt das Bundeserziehungsgeldgesetz am 31. Dezember 2008 außer Kraft.“ (BR-Druck. 698/06)

145 Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeserziehungsgeldgesetz, Vor §§ 15 – 21 BerzGG, Rn. 17.

146 Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeserziehungsgeldgesetz, Vor §§ 15 – 21 BerzGG, Rn. 13.

147 Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeserziehungsgeldgesetz, Vor §§ 9 und 10 MuSchG, Rn. 5.

148 Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeserziehungsgeldgesetz, Vor §§ 9 und 10 MuSchG, Rn. 9.

149 Vergleiche dazu Art. 3 I des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes. (BR-Druck. 698/06).

Schließlich verbietet das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in seinem § 4 I die Diskriminierung eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers gegenüber einem vergleichbar vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, in § 4 II die Diskriminierung eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers gegenüber einem vergleichbar unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer.

Vor dem Hintergrund der vorgestellten Antidiskriminierungsmaßnahmen auf nationaler wie internationaler Ebene dient der folgende Teil der Arbeit dem Ziel, den Begriff der Diskriminierung zu definieren.