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Exkurs: (Sexuelle) Belästigung

Teil 2: Diskriminierung – Begriffsbestimmung

A. Diskriminierungsrelevantes Verhalten

II. Einseitig belastende Behandlung

2. Exkurs: (Sexuelle) Belästigung

Das bestätigen die Antidiskriminierungsrichtlinien, indem sie Belästigungen unter den Begriff der Diskriminierung subsumieren. Belästigungen werden gem. Art. 2 III 1 der Richtlinie 2000/43/EG definiert als

„[u]nerwünschte Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der Rasse oder der ethnischen Herkunft einer Person stehen und bezwecken oder bewirken, daß die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird [...]“.40

Unerwünschte Verhaltensweisen in diesem Sinne sollen in Gestalt sprachlicher Äußerungen und Gesten oder durch Verfassen, Zeigen oder Verbreiten von schriftlichen Äußerungen, Bildern oder sonstigem Material vorgenommen werden können.41

Im Sinne des Art. 2 III 1 Richtlinie 2000/43/EG ist gem. § 3 III AGG eine Belästigung

„[...] eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund [ – d. h. mit einem dort genannten Diskriminierungsmerkmal – ] in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, daß die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

Auch nach allgemeinem Sprachgebrauch bezeichnet Diskriminierung unter anderem (unzutreffende) Äußerungen oder Behauptungen in der Öffentlichkeit, die geeignet sind, das Ansehen einer Person zu schädigen bzw. dessen Leistungen herabzuwürdigen, sowie die Verächtlichmachung bestimmter Personen durch das Nähren von Vorurteilen.42

Gemäß Art. 2 II 4. Spiegelstrich der Richtlinie 76/207/EWG bezeichnet sexuelle Belästigung

„jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, das sich in unerwünschter verbaler, nicht-verbaler oder physischer Form äußert und das bezweckt oder bewirkt, daß die Würde der betreffenden Person verletzt wird,

Im Zusammenhang mit dem Begriff der öffentlichen Gewalt muß angemerkt werden, daß es sich bei den in Rede stehenden Banken nicht um Privatbanken handelte, vielmehr auf der einen Seite des Vertragsverhältnisses die öffentliche Verwaltung stand, die sich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Form des Privatrechts betätigte (sog.

Verwaltungsprivatrecht). (Heinrichs in Palandt, § 242, Rn. 12).

40 Ähnliche Definitionen enthalten die Richtlinie 76/207/EWG in Art. 2 II 3. Spiegelstrich, Richtlinie 2000/78/EG in Art. 2 III sowie Richtlinie 2004/113/EG in Art. 2 lit. c.

41 Coen, AuR 2000, S. 11 (11).

42 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 2, S. 828.

insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“43

In Deutschland existierte seit dem 24.06.1994 zunächst das Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (BeSchuG). In § 2 II 1 BeSchuG-A war sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz definiert als

„jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt.“

Dazu gehörten gem. § 2 II 2 BeSchuG-A

„1. sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind, sowie

2. sonstige sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden.“ 44

Das Beschäftigtenschutzgesetz ist gem. Art. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung45 am 18.08.2006 außer Kraft getreten.46

Schutz vor sexueller Belästigung in Beschäftigung und Beruf gewährt nunmehr das AGG. Gemäß § 3 IV AGG ist eine sexuelle Belästigung

„[...] eine Benachteiligung in bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 [ – d. h. im Rahmen von Beschäftigung und Beruf – ], wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, daß die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

Die Wortlaut des § 3 IV AGG geht ersichtlich auf Art. 2 II 4. Spiegelstrich Richtlinie 76/207/EWG und § 2 II BeSchuG-A zurück.

a) Belästigungsschutz = Diskriminierungsschutz?

43 Vergleiche auch Art. 2 lit. d Richtlinie 2004/113/EG.

44 Zu den verschiedenen Formen sexueller Belästigung vgl. auch die Beispiele bei Baer, Würde oder Gleichheit?, S.

23 ff.

45 BGBl. 2006 I, S. 1897 ff.

46 Beachte in diesem Zusammenhang ist die Übergangsvorschrift des § 33 I AGG.

Teilweise wird behauptet, Belästigungsschutz habe nichts mit Diskriminierungsschutz zu tun, es sei falsch, selbigen in ein Antidiskriminierungskonzept zu integrieren.47 Das zeige sich schon daran, daß dort, wo wie in Deutschland ein Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz besteht, dieser oftmals durch eigenständige Gesetze realisiert wird.48

Eine Beleidigung werde nicht dadurch akzeptabler, daß jemand unterschiedslos jeden beleidigt.49 Das Unrecht liege hier in der Handlung selbst.50 Diskriminierungsschutz bezwecke demgegenüber, das Unrecht zu vermeiden, das dadurch entsteht, daß ein an sich legitimes Verhalten durch gleichheitswidrige Unterscheidung ungerecht wird.51

Kritik begegnet auch der Umstand, daß die Richtlinien den Belästigungsschutz auf bestimmte Diskriminierungsmerkmale beschränken. Nicht einleuchtend sei, warum eine Beleidigung beispielsweise aufgrund des Alters anders bewertet werden sollte als eine Beleidigung aufgrund eines anderen individuellen Merkmals.52 Hier wie da liege eine Beleidigung vor, die zu unterlassen sei.53 Anzumerken bleibt im Zusammenhang mit diesem begründeten Einwand, daß sich die Frage nach dem Kreis schutzwürdiger Diskriminierungsmerkmale nicht nur bei der Belästigung, sondern allgemein im Rahmen der Suche nach einem adäquaten Diskriminierungsschutz stellt.54

Bekräftigt wird die vorgebrachte Kritik dadurch, daß auch der sachliche Geltungsbereich der Richtlinien nicht alle Lebensbereiche umfaßt. Wenn nun aber im Falle der (sexuellen) Belästigung das Unrecht in der Handlung selbst liegen soll,55 dann kann doch dieselbe Handlung außerhalb beispielsweise des „Zugang[s] zu und [der] Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum“,56 nicht plötzlich erlaubt sein.

Das Beispiel zeigt, daß der sachliche Geltungsbereich der Richtlinien nicht auf den Belästigungsschutz zugeschnitten ist. Für ihn gelten eigene Kriterien.

Zwar ist auch im Falle der (sexuellen) Belästigung eine Güterabwägung vorzunehmen, um zu klären, ob überhaupt belästigt wurde, jedoch stehen sich hier insbesondere die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit des „Belästigenden“ auf der einen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des

„Belästigten“ auf der anderen Seite gegenüber.57 Es stellen sich anders als bei der „klassischen“

47 Wiedemann/Thüsing, die ihre Kritik auf eine dem Art. 2 III Richtlinie 2000/43/EG gleichlautende Norm in einem deutschen ADG-Entwurf beziehen (Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (466)).

48 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (411); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (466).

49 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (411); Thüsing, NZA 2001, S. 1061 (1064); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S.

463 (466).

50 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (411); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (466).

51 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (411); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (466); a.A. Baer:

„Diskriminierung ist nicht die schlichte Differenzierung als unterschiedliche Behandlung, sondern soziale Hierarchisierung“ bzw. Dominierung. (Baer, Würde oder Gleichheit?, S. 48 mit Fn. 238).

52 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (411 f.); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (466).

53 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (412); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (466).

54 Vergleiche dazu Teil 2, Prüfungspunkt B.

55 So Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (411); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (466).

56 Art. 3 I lit. h RL 2000/43/EG.

57 Sprau in Palandt, § 823, Rn. 95.

Diskriminierung im rechtsgeschäftlichen und quasi-rechtsgeschäftlichen Bereich nicht die Fragen nach dem „Ob“ und „Wie“ einer Einschränkung der Privatautonomie des „Diskriminierenden“.

Aufgrund der genannten Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Belästigungsschutz wird vorgeschlagen – hält man eine Gesetzesänderung im Hinblick auf die europäischen Vorgaben für erforderlich –, § 823 I BGB entsprechend der bisherigen Rechtsprechung um das Rechtsgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu ergänzen, eventuell versehen mit einem „insbesondere-Vermerk“, der die diskriminierende Belästigung ausdrücklich nennt.58 Die Belästigung stünde dann im Deliktsrecht an der systematisch korrekten Stelle.59

Trotz der genannten Widersprüchlichkeiten wird die Inkorporierung der Belästigung in ein Diskriminierungsschutzkonzept teilweise für möglich gehalten, obwohl dies über das spezifische Anliegen des Gleichheitssatzes hinausgreife.60

Es wurde an anderer Stelle vorgeschlagen, auch die einseitig belastende Behandlung einer Person als potenziell diskriminierendes Verhalten einzustufen.61 Vor diesem Hintergrund bestehen keine Einwände dagegen, auch die Belästigung als Diskriminierung zu begreifen, stellt sie doch einen besonderen Fall einseitig belastender Behandlung einer Person dar.

Außerdem sind die „klassische“ Diskriminierung im (quasi-)rechtsgeschäftlichen Verkehr und die Belästigung eng miteinander verknüpft. Erstere wird zum Teil als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit letztlich als Belästigung qualifiziert.62

Das gelte beispielsweise für die Nichtberücksichtigung einer Stellenbewerberin wegen ihres Geschlechts63 oder dann, wenn der Gastwirt einen Farbigen nicht bedient.64

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Belästigung als eine diskriminierungsrelevante Verhaltensweise eingestuft und somit grundsätzlich in ein Diskriminierungsschutzkonzept integriert werden kann, obwohl sie Besonderheiten aufweist, die sie deutlich von den bisher dargestellten Formen der Diskriminierung unterscheidet.

Der für den weiteren Gang der Arbeit wesentliche Unterschied besteht, wie bereits erwähnt, darin, daß sich im Rahmen des Belästigungsschutzes – anders als beim Diskriminierungsschutz im rechtsgeschäftlichen und quasi-rechtsgeschäftlichen Bereich – nicht die Frage nach einer etwaigen Einschränkung der Privatautonomie des „Belästigenden“ stellt. Hier geht es nicht um

(vor-58 Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (467).

59 Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (467).

60 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (412).

61 Vergleiche Teil 2, Prüfungspunkt A. II. 1. b).

62 Hager in Staudinger, § 823, Rn. C 239; Sprau in Palandt, § 823, Rn. 110.

63 BAG, NJW 1990, S. 65 (65); Hager in Staudinger, § 823, Rn. C 239; Sprau in Palandt, § 823, Rn. 110.

64 Hager in Staudinger, § 823, Rn. C 239.

)vertragliche Rechte und Pflichten von (potenziellen) Vertragspartnern. Die Lösung gerade dieses Spannungsverhältnisses ist aber erklärtes Ziel der vorliegenden Arbeit.

Aus diesem Grund wird das Problem der (sexuellen) Belästigung im weiteren Verlauf der Arbeit nicht vertieft. Nichtsdestotrotz sollen im folgenden die Probleme, die im Zusammenhang mit dem Belästigungsschutz und insbesondere den insofern bestehenden europarechtlichen Verpflichtungen auftauchen, in einem Exkurs kurz angerissen werden.

b) Tatbestandsmerkmal „bezwecken oder bewirken“

Während die Richtlinien sowie § 3 III, IV AGG eine Belästigung annehmen, wenn ein bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, daß die Würde einer Person verletzt wird, definierte § 2 II 1 BeSchuG-A die Belästigung als vorsätzliches Verhalten, das die Würde einer Person verletzt.

Nach dem Wortlaut der Richtlinien und des AGG soll eine Belästigung zum einen schon dann vorliegen, wenn die Verletzung der Würde einer Person bezweckt ist. Damit ist der Belästigungsbegriff gegenüber dem BeSchuG-A auf der einen Seite enger, auf der anderen aber auch weiter gefaßt.

Enger deshalb, weil „bezwecken“ im Sinne der Richtlinien und des AGG sicherlich mehr verlangen wird als das von § 2 II 1 BeSchuG-A verlangte vorsätzliche Verhalten – im Rahmen jener Norm sollte dolus eventualis ausreichen.65

Weiter aus dem Grunde, weil die Richtlinien und das AGG nach ihrem insofern gleichlautenden Wortlaut neben dem subjektiven Element „bezwecken“ kein objektives verlangen, um das Vorliegen einer Belästigung zu bejahen. § 2 II 1 BeSchuG-A setzte demgegenüber voraus, daß neben dem vorsätzlichen Verhalten die Würde des „Belästigten“ tatsächlich verletzt wurde.

Beispiel: Die anzügliche Bemerkung einer Frau gegenüber einem Mann, die bezweckt, den Mann in dessen Würde zu verletzen, würde nach dem Wortlaut der Richtlinien und des AGG eine Belästigung auch dann darstellen, wenn der Mann die Bemerkung als Kompliment auffassen würde. Dagegen hätte eine sexuelle Belästigung in einem solchen Fall nach dem BeSchuG-A nicht vorgelegen, da nach diesem Gesetz eine sexuelle Belästigung nur dann bejaht werden konnte, wenn das jeweilige Verhalten von dem Betroffenen erkennbar abgelehnt worden war.66

Das Beispiel zeigt, daß die Bejahung einer Belästigung unter Verzicht des objektiven Tatbestandes der Verletzung der Würde des Betroffenen, wie es die Richtlinien und auch das AGG vorsehen, zu absurden Ergebnissen führen würde.

65 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 190, § 2 BeSchuG, Rn. 5.

66 Vergleiche dazu § 2 II 2 lit. 2 a. E. BeSchuG-A.

Die Richtlinien und das deren Vorgaben übernehmende AGG sind auch insoweit zu kritisieren, als nicht einzusehen ist, warum eine Belästigung nicht schon dann vorliegen können soll, wenn der

„Belästigende“ billigend in Kauf genommen hat, daß sein Verhalten für den Betroffenen eine Belästigung darstellen könnte.

Nach dem Wortlaut der Richtlinien und des AGG soll das Vorliegen einer Belästigung zum anderen schon dann bejaht werden können, wenn ein bestimmtes Verhalten die Verletzung der Würde der betreffenden Person bewirkt. Damit gehen die Richtlinien und das AGG wiederum über den Begriff der Belästigung i.S.d. BeSchuG-A hinaus. Gegenüber jenem Gesetz verzichten die Richtlinien und das AGG in dieser Alternative auf das Vorsatzelement.

In dem Beispielsfall bezweckt die Frau mit ihrer Bemerkung nicht, den Mann in dessen Würde zu verletzen, bewirkt dies aber tatsächlich.

Der Verzicht auf das Vorsatzelement ist folgerichtig, wenn man davon ausgeht, daß eine objektiv belästigende Handlung stets zu unterlassen ist, egal auf welchem Motiv sie beruht. Unter dieser Prämisse ist für das Vorliegen einer Belästigung unerheblich, ob der „Belästigende“ vorsätzlich gehandelt hat.

In diesem Sinne wurde kritisiert, die verschuldensabhängige Struktur des BeSchuG-A sei nicht geeignet gewesen, sexueller Diskriminierung wirksam entgegenzutreten.67 Würden Benachteiligungsverbote an den Nachweis bestimmter Motive gebunden, böten sich Umgehungsmöglichkeiten geradezu an.68

c) Feindliche Umfeldprägung

Ein weiteres Problem, das sich im Zusammenhang mit dem Belästigungsschutz des Art. 2 III 1 Richtlinie 2000/43/EG stellt, besteht darin, daß die Norm eine feindliche Umfeldprägung verlangt, was dazu führen könne, daß der bisherige Schutz vor Belästigungen durch § 823 I BGB verringert wird.69 In der Tat verwundert es, daß über die Verletzung der Würde des Belästigten hinaus verlangt wird, daß ein „von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“, um das Vorliegen einer Belästigung im Sinne der Richtlinien zu bejahen.70 Dasselbe Problem stellt sich i. R. d. § 3 III AGG.

67 Baer, Würde oder Gleichheit?, S. 245 ff. (250).

68 Baer, Würde oder Gleichheit?, S. 248.

69 Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (467).

70 Der Grund für diese Einschränkung wird darin gesehen, daß sich der Richtliniengesetzgeber bei seiner Rechtsetzung vom U.S.-amerikanischen Arbeitsrecht hat leiten lassen, wo Gerichte durch Interpretation des Titel

Das deutsche Recht habe eine solche Erheblichkeitsschwelle bislang nicht gekannt.71 Außerdem sei sie nicht notwendig, da insofern das einschränkende Kriterium der Verletzung der Würde ausreiche, das in der Rechtsprechung bereits anerkannt sei.72

Anzumerken ist, daß der Wortlaut der Richtlinien in bezug auf die Notwendigkeit der feindlichen Umfeldprägung widersprüchlich ist. Während Art. 2 III 1 der Richtlinie 2000/43/EG für das Vorliegen einer Belästigung verlangt, „daß die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“,73 reicht es gem. Art. 2 II 4. Spiegelstrich der Richtlinie 76/207/EWG für das Vorliegen einer sexuellen Belästigung aus, „daß die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“74 Besonders deutlich tritt dieser Widerspruch in der Richtlinie 2004/113/EG zutage, die in Art. 2 lit. c bzw. d beide Definitionen enthält. Dasselbe gilt für das AGG und dessen § 3 III auf der einen und § 3 IV auf der anderen Seite. Warum aber bei der nicht-sexuellen Belästigung das Merkmal der feindlichen Umfeldprägung neben dem der Verletzung der Menschenwürde vorliegen muß, bei der sexuellen Belästigung die Verletzung der Menschenwürde dagegen insbesondere bei feindlicher Umfeldprägung vorliegen soll, ist nicht ersichtlich.

Anzumerken bleibt, daß im U.S.-amerikanischen Arbeitsrecht auch der Arbeitnehmer klagebefugt ist, der zwar nicht belästigt wurde, jedoch durch das feindliche Arbeitsumfeld beeinträchtigt ist, weil er zur geschützten Gruppe des tatsächlich belästigten Arbeitnehmers gehört.75

d) Zurechnung fremden Verhaltens

Besteht die Möglichkeit der Zurechnung belästigenden Verhaltens Dritter? Diese Frage stellt sich im Arbeitsrecht im Rahmen der Haftung des Arbeitgebers, wenn man davon ausgeht, daß auch die (sexuelle) Belästigung eines Arbeitnehmers gegenüber einem anderen Arbeitnehmer von den Richtlinien erfaßt ist.76

VII des Civil Rights Act die Rechtsfigur des „hostile enviroment harassment“ entwickelt haben, worunter jedes schuldhafte Verhalten des Arbeitgebers subsumiert wird, das eine Arbeitsumgebung schafft oder billigt, in der es leichter zu auf bestimmte Diskriminierungsmerkmale bezogene Belästigungen kommt. (Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (412); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (467)) Es wird gemutmaßt, der europäische Gesetzgeber habe, obwohl nicht an den Titel VII des Civil Rights Act gebunden, das Merkmal der feindlichen Umfeldprägung übernommen, weil er nur Belästigungen von einer bestimmten Erheblichkeit von der Richtlinie erfaßt wissen wollte. (Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (412 f.); Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (467)).

71 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (413).

72 Wiedemann/Thüsing, Der Betrieb 2002, S. 463 (467).

73 Hervorhebung durch den Verfasser.

74 Hervorhebung durch den Verfasser.

75 Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (413).

76 So Bauer, NJW 2001, S. 2672 (2676).

Im U.S.-amerikanischen Arbeitsrecht muß sich der Arbeitgeber das Verhalten vorgesetzter Arbeitnehmer nach Stellvertretungsregeln zurechnen lassen, für das Verhalten aller übrigen Arbeitnehmer soll er demgegenüber aufgrund Organisationsverschuldens haftbar sein, wenn er nicht geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung von Belästigungen getroffen hat.77

§ 2 I BeSchuG-A war auf Schutzpflichten des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten beschränkt, so daß ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber nur bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten in Betracht kam.78 Gemäß dieser Norm hatten

„Arbeitgeber und Dienstvorgesetzte [...] die Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen.

Dieser Schutz umfaßt auch vorbeugende Maßnahmen.“

In Anlehnung an § 2 I BeSchuG-A79 bestimmt nunmehr § 12 I AGG, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist,

„[...] die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes [ – d. h.

wegen eines dort genannten Diskriminierungsmerkmals – ] zu treffen. Der Schutz umfaßt auch vorbeugende Maßnahmen.“

Als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen diese Bestimmung kommt sowohl ein verschuldensabhängiger Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens als auch ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens in Betracht (vgl. dazu § 15 I und II AGG).80