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Benachteiligende Ungleichbehandlung – Unmittelbare bzw. direkte Diskriminierung

Teil 2: Diskriminierung – Begriffsbestimmung

A. Diskriminierungsrelevantes Verhalten

I. Benachteiligende Ungleichbehandlung – Unmittelbare bzw. direkte Diskriminierung

Gemäß Art. 2 II lit. a der Richtlinie 2000/43/EG

1 Vergleiche dazu Teil 4, Prüfungspunkt A. II.

2 So auch Thüsing, NZA 2001, S. 1061 (1061).

3 „Unsere Mitgliedsunternehmen fordern die Bundesregierung auf, im weiteren Gesetzgebungsverfahren dafür Sorge zu tragen, daß das Gesetz auf die EU-Vorgaben beschränkt wird und die für die Immobilienbranche inakzeptablen Folgewirkungen beseitigt werden. Ich frage: Warum muß in Deutschland immer noch eins draufgesattelt werden?

Warum reichen die drei EU-Richtlinien für ein Gesetz nicht aus?“ (Präsident der Bundesvereinigung der Landesentwicklungs- und Immobiliengesellschaften von Michaelis in FAZ vom 25.02.2005, S. 49 unter dem Titel:

„Was sagen Sie zum geplanten Antidiskriminierungsgesetz?“).

„liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“.4

Diese Definition des Begriffs der Diskriminierung deckt sich zum Teil mit seinem allgemeinen Sprachgebrauch. Danach bezeichnet Diskriminierung u. a. die Benachteiligung bzw. Zurücksetzung bestimmter Personen bzw. Personengruppen, die daraus resultieren kann, daß Personen unterschiedlich behandelt werden.5

Während das Wort Diskriminierung im allgemeinen Sprachgebrauch einen negativen Charakter erhalten hat, ist dessen ursprüngliche Wortbedeutung neutral. „Discriminare“ bedeutet trennen bzw.

absondern.6 In diesem neutralen Sinne wird der Begriff in der Fachsprache teilweise noch verwendet.7

Bevor mit den weiteren Ausführungen fortgefahren werden kann, muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß der im folgenden in unterschiedlichen Formen verwendete Begriff

„Diskriminierung“ jeweils ein bestimmtes diskriminierungsrelevantes Verhalten beschreiben soll – der terminus technicus „unmittelbaren Diskriminierung“ etwa eine Ungleichbehandlung. Dadurch soll nicht der Eindruck erweckt werden, jede Ungleichbehandlung stelle eine Diskriminierung dar.

Die Entwurfsbegründung des am 18.08.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) weist in diesem Zusammenhang zu recht darauf hin, „daß nicht jede unterschiedliche Behandlung, die mit der Zufügung eines Nachteils verbunden ist, diskriminierenden Charakter hat.“8

1. Offene Diskriminierung

Unmittelbare bzw. direkte Diskriminierungen können in offener und verdeckter Weise erfolgen.

Offen diskriminiert, wer die Ungleichbehandlung durch direkten Verweis auf das unerwünschte Merkmal begründet.9

4 Ähnliche Definitionen enthalten die Richtlinie 76/207/EWG in Art. 2 II 1. Spiegelstrich, Richtlinie2000/78/EG in Art. 2 II lit. a sowie Richtlinie 2004/113/EG in Art. 2 lit.a mit dem Unterschied, daß sie an andere Diskriminierungsmerkmale anknüpfen.

5 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 2 (Bedr – Eink), S. 828; in diesem Sinne auch Nickel, nach dem der Begriff der Diskriminierung nach heutigem allgemeinen Sprachgebrauch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bezeichnet. (Nickel, Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik, S. 69).

6 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 2 (Bedr – Eink), S. 828.

7 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 2 (Bedr – Eink), S. 828.

8 Entwurfsbegründung, BT-Druck. 16/1780, S. 30.

9 Nickel, Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik, S. 83.

Beispiel: So sollen Türsteher einer Göttinger Discothek eine Zutrittsverweigerung unter anderem damit begründet haben, daß „die Geschäftsführung die Anweisung herausgegeben hätte, keine „Schwarzköpfe“ [...] hereinzulassen.“10

Fälle offener Diskriminierung sind mittlerweile – insbesondere wenn es um den Zutritt zu Gaststätten und Discotheken geht – selten geworden.11 Inwieweit diese Entwicklung Ergebnis einer gestiegenen Akzeptanz des anderen in der Gesellschaft ist, ist allerdings fraglich. Letztlich dürfte die Tatsache, daß derartige Diskriminierungen rechtlich geahndet wurden, zu einer Dezimierung dieser Erscheinungsform der Diskriminierung geführt haben.12

2. Verdeckte Diskriminierung

Gegen die Vermutung, in der Gesellschaft sei die Akzeptanz gegenüber dem anderen gestiegen, spricht die Tatsache, daß nach wie vor – wenn auch in subtilerer Art und Weise – diskriminiert wird. Der Diskriminierende unterwirft sich nach außen dem heutzutage gesellschaftlich bestehenden Zwang, „politisch korrekt“ handeln zu müssen.13 Er begründet deshalb die Ungleichbehandlung nicht mehr durch direkten Verweis auf das unerwünschte Merkmal, sondern knüpft äußerlich an ein anderes Merkmal an.14

Beispiele: Die Türsteher einer Göttinger Discothek verweigerten – ohne auf den wahren, diskriminierenden Grund hinzuweisen – unerwünschten Personen den Zutritt, indem sie darauf hinwiesen, daß an dem betreffenden Tag nur Stammgäste zugelassen seien.15

3. Diskriminierungsdrittwirkung

Einen Sonderfall der unmittelbaren Diskriminierung stellt die sog. „Diskriminierungsdrittwirkung“

dar.16 Mit diesem Begriff verbindet man die Konstellation, daß eine Person, die in einer gewissen

10 Aus einem Brief des Geschäftsführers des Göttinger Integrationsrates an die Geschäftsleitung der Discothek

„Savoy“ vom 06.01.2003.

11 Nickel, Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik, S. 83.

12 Vergleiche dazu OVG Münster, GewArch. 1967, S. 118 f.; OLG Frankfurt, NJW 1985, S. 1720 f.; siehe auch Antwort der Bundesregierung vom 29.07.1982 auf eine Anfrage bzgl. der Diskriminierung von Angehörigen der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (BT-Druck. 9/1882).

13 Von Münch propagiert den Schutz der Meinungsfreiheit vor diesem Zwang nach „political correctness“. (v. Münch, NJW 1999, S. 260 (262)); ebenso Säcker, ZRP 2002, S. 286 (287).

14 Krebber in Calliess/Ruffert, Art. 141 EGV, Rn. 39; Nickel irrt sich, wenn er behauptet, eine verdeckte Diskriminierung liege auch dann vor, wenn der „Diskriminierende“ sein Verhalten auf eine andere Person abwälzt.

Wenn ein Gastwirt einen behinderten Gast mit der Begründung ablehnt, er könne den übrigen Gästen den Anblick einer mit Füßen essenden contergangeschädigten Frau nicht zumuten, dann verdeckt er den Grund der Ablehnung des behinderten Gastes gerade nicht. (vgl. Nickel, Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik, S. 83 u. 84, Fn. 272).

15 Aus einem Brief des Geschäftsführers des Göttinger Integrationsrates an die Geschäftsleitung der Discothek

„Savoy“ vom 06.01.2003.

16 Den Begriff der „Diskriminierungsdrittwirkung“ prägt Nickel. (Nickel, Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik, S. 191 und 193).

(z.B. Verwandtschafts-) Beziehung zu der diskriminierten Person steht, ebenfalls Auswirkungen der Diskriminierung erdulden muß.17

Beispiel: Einer Frau war der Zutritt zu einer Discothek gewährt worden, ihrem Mann sowie dessen Neffen hingegen nicht. Begründet wurde dies damit, daß Ausländer keinen Zutritt zu der Lokalität hätten. Die Frau verließ daraufhin die Discothek, da sie ohne Mann und Neffen keinen Anreiz sah, in selbiger länger zu verweilen.18

In dem Beispielsfall läßt sich eine unmittelbare Diskriminierung auch gegenüber der Frau konstruieren. Die Frau weist dadurch, daß sie mit Ausländern bzw. Personen, die für Ausländer gehalten werden, die Discothek betreten möchte, ein Merkmal auf, aufgrunddessen sie anders behandelt wird als andere Besucher, die die Einrichtung in einer Gruppe betreten möchten.

Untermauern läßt sich die Einordnung der Diskriminierungsdrittwirkung als unmittelbare Diskriminierung gegenüber dem Dritten durch folgende Überlegung: Wenn ein Vermieter keine Kinder in seiner zu vermietenden Wohnung wünscht, dann wird er nicht an Eltern mit Kindern vermieten, selbst wenn ihm die Eltern sympathisch sein sollten und er an sie vermieten würde, wenn sie keine Kinder hätten. In einem solchen Fall stellt sich die Frage einer etwaigen Diskriminierung gegenüber den Eltern, obwohl der Vermieter genaugenommen nicht sie ablehnt, sondern die Kinder.19