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Gleichbehandlung von Menschen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit

Diskriminierungsschutz aufgrund der Staatsangehörigkeit ist ein spezifisches Phänomen des EG-Vertrages, dessen Grund darin zu sehen ist, daß die Europäische Union in einer Vielzahl von Bereichen eine Einheit der Nationalstaaten anstrebt. Der Ausländer, der Bürger eines EU-Mitgliedstaates ist, soll in diesen Bereichen nicht anders als der Inländer behandelt werden.

In diesem Sinne bestimmt Art. 12 EGV, daß

92 BGBl. 1997 II, S. 1408 ff.

93 Vergleiche in diesem Zusammenhang auch Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte: „In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“.

94 Huster in Friauf/Höfling, Band 1, C Art. 3, Rn. 14; vgl. Art. 25 BrandenbVerf; Art. 5, 6 SachsVerf; Art. 37 Sachs-AnhVerf; Art. 5 SchlHolstVerf; Art. 18 MecklVPVerf.

95 Auch der Begriff „Zigeuner“ wird in diesem Zusammenhang benutzt, der indes nicht unumstritten ist, wie die Auseinandersetzung um die Inschrift des Denkmals der während des Nationalsozialismus verfolgten und getöteten Angehörigen dieser Minderheit zeigt.

96 Hailbronner in Graf Vitzthum, 3. Abschnitt, Rn. 338, Fn. 493.

97 Befragungen des Zentrums für Türkeistudien (ZfT) aus den Jahren 1999 und 2000 haben ergeben, daß die Problemwahrnehmung türkischer Migranten in bezug auf erlebte Diskriminierung wächst. Diskriminierung sei dabei besonders in den von sozio-ökonomischer Konkurrenz geprägten Bereichen virulent und würde überhaupt viel weniger beim Kontakt mit öffentlichen Institutionen empfunden, als vielmehr in der zivilgesellschaftlichen Sphäre, namentlich auf dem freien Arbeits- und Wohnungsmarkt. (Sen/Sauer/Halm, ZAR 2001, S. 214 (216)) Auf dem Wohnungsmarkt sei die Ablehnung insbesondere gegenüber Türken und Jugoslawen gewachsen. (Hähnel, ZAR 2002, S. 356 (359) In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, daß die hohe Konzentration von Ausländern in bestimmten Stadtteilen nicht mit deren genereller Neigung begründet werden könne, sie lebten lieber unter sich. (Hoffmann, ZAR 2002, S. 63 (65, Fn. 9)).

„[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages [...] in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit [verboten ist].“98

Konkretisiert wird Art. 12 durch die sog. „Grundfreiheiten“ des EGV.99 Zu den Grundfreiheiten zählt die in Art. 39 EGV festgeschriebene Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie umfaßt gem. Art. 39 II EGV

„die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.“

Gemäß Art. 40 EGV trifft der Rat

„[...] durch Richtlinien und Verordnungen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 39 herzustellen [... ]“.100

Die auf Grundlage dieser Ermächtigungsnorm erlassene Verordnung 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft101 vom 15.10.1968 sieht in Art. 7 I – der auch im Privatrechtsverhältnis gilt102 – vor, daß

„[e]in Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, [...] auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere der im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden [darf] als die inländischen Arbeitnehmer.“

Darüber hinaus bestimmt Art. 7 IV, daß

„[a]lle Bestimmungen in Tarif- und Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Beschäftigung, Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen [...] von Rechts

98 Ähnlich formuliert es die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Art. 21 II.; Bereits jetzt soll dem Art.

12 EGV die Funktion eines Gemeinschaftsgrundrechts im Sinne des Art. 6 II EUV zukommen. (Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 477).

99 Der gegenüber besonderen Diskriminierungsverboten subsidiäre Art. 12 stellt gegenüber den Grundfreiheiten das allgemeine Diskriminierungsverbot dar. (Holoubek in Schwarze, Art. 12 EGV, Rn. 8 f.; Streinz, Europarecht, Rn.

668)

Die Grundfreiheiten werden teilweise auch als Gemeinschaftsgrundrechte bezeichnet. (siehe dazu die umfangreichen Nachweise bei Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 462 – 464).

100 Art. 12 enthält in seinem S. 2 ebenfalls eine Ermächtigungsgrundlage für den Rat, „[...] Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen [zu] treffen.“ Auf der Grundlage des Art. 12 S. 2 sind jedoch bislang keine für die vorliegende Arbeit relevanten Maßnahmen erlassen worden.

101 Abl. EG 1968 Nr. L 257, S. 2; in der jetzt gültigen Fassung Abl. EG 1992 Nr. L 245, S. 1; Art. 49 EGV a.F., der in der Präambel der Verordnung vor allem als Ermächtigungsgrundlage genannt wird, entspricht Art. 40 EGV n.F..

102 Schneider/Wunderlich in Schwarze, § 39 EGV, Rn. 71; Birk in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, § 19, Rn. 36.

wegen nichtig [sind], soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen.“

Art. 8 statuiert einen

„[...] Anspruch auf gleiche Behandlung hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Gewerkschaften und der Ausübung gewerkschaftlicher Rechte, einschließlich des Wahlrechts sowie des Zugangs zur Verwaltung oder Leitung von Gewerkschaften [...]“.103

Da es sich bei Gewerkschaften um private Verbände handelt,104 potenzielle Diskriminierungen somit im Privatrechtsverhältnis stattfinden, erlangt Art. 8 im Rahmen dieser Arbeit Bedeutung.

Schließlich bestimmt Art. 9 I, daß

„Arbeitnehmer, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt sind, hinsichtlich einer Wohnung, einschließlich der Erlangung des Eigentums an der von ihnen benötigten Wohnung, alle Rechte und Vergünstigungen [genießen] wie inländische Arbeitnehmer.“105

Anzumerken ist, daß die in Deutschland lebenden Türken, die besonders von Diskriminierung betroffen sind, nicht den Schutz der Grundfreiheiten genießen, da die Türkei bislang kein Unionsmitglied ist. Selbst wenn sie in Zukunft Mitglied sein sollte, steht nicht automatisch fest, daß ihre Bürger die Rechte aus Art. 39 EGV genießen werden. So hat die EU-Kommission im Oktober 2004 zwar die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei empfohlen, jedoch enthält die Empfehlung den Vorschlag, für türkische Staatsbürger längerfristig oder sogar auf Dauer die Arbeitnehmerfreizügigkeit einzuschränken.106

Potenziell auch bei Türken einschlägig ist hingegen die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen107 vom 25.11.2003.108 Gemäß Art. 11 I der Richtlinie werden langfristig Aufenthaltsberechtigte unter anderem auf folgenden Gebieten grundsätzlich wie eigene Staatsangehörige behandelt:

103 Der Begriff der „Gewerkschaft“ umfaßt alle Einrichtungen, die der Verteidigung und Vertretung von Arbeitnehmerinteressen dienen, also z.B. auch Berufskammern. (Brechmann in Calliess/Ruffert, Art. 39 EGV, Rn.

67).

104 Franzen in Streinz, Art. 39 EGV, Rn. 95, Fn. 357.

105 Art. 9 hat jedoch als Unterfall des Art. 7 II (Birk in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, § 19, Rn. 40), der seinerseits staatlich gewährte soziale Vergünstigungen betrifft (Brechmann in Calliess/Ruffert, Art. 39 EGV, Rn. 62), für die vorliegende Arbeit keine Bedeutung.

106 FAZ vom 07.10.2004, S. 1 unter dem Titel: „Die EU-Kommission empfiehlt Beitrittsverhandlungen mit der Türkei“.

107 Abl. EG 2004, Nr. L 16, S. 44 ff.

108 „Drittstaatsangehöriger“ ist gem. Art. 2 lit. a) der Richtlinie jede Person, die nicht Unionsbürger i.S.d. Art. 17 I EGV ist. Gemäß Art. 17 I 2 EGV ist Unionsbürger, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt.

„a) Zugang zu einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit, wenn diese nicht, auch nicht zeitweise, mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist, sowie Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich Entlassungsbedingungen und Arbeitsentgelt;

f) Zugang zu Waren und Dienstleistungen sowie zur Lieferung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen für die Öffentlichkeit und zu Verfahren für den Erhalt von Wohnraum“.