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Den „werktätigen Bauern die Leitung“ – Im Konflikt mit den Verbandshonoratioren Verbandshonoratioren

Horlacher als Angehöriger der Agrarelite Bayerns

5. Den „werktätigen Bauern die Leitung“ – Im Konflikt mit den Verbandshonoratioren Verbandshonoratioren

Horlacher war eines der hauptsächlichen Objekte bauernbündlerischer Agitation. Dabei wurden die Angriffe vor allem von dem niederbayerischen Großbauern Gandorfer getragen.

Zwischen Gandorfer und Horlacher herrschte ein besonders rüder Umgangston, wie das Aufeinanderprallen der beiden Kontrahenten in der Plenarsitzung der Landesbauernkammer am 25. September 1925 deutlich zeigt. Nachdem Gandorfer den Sitzungsverlauf bereits durch zahlreiche Agitationsanträge gestört hatte, wollte Horlacher einer Kommission, die im Auftrag des Reichsfinanzministeriums die Grundlagen für die Vermögensbesteuerung der Landwirtschaft ermittelte, raten, sie solle „gefälligst in das Gebiet des Hrn. Gandorfer gehen, vielleicht würden sie da totgeschlagen, die von oben herunterreisen“. Schlagfertig wurde er daraufhin von Gandorfer an seine eigene zwielichtige Rolle im Umfeld der Einwohnerwehren erinnert: „Mit dem Totschlagen sieht es bei uns noch nicht so aus und ich möchte bloß dem Direktor Horlacher anheimgeben, mit dem Totschlagen nicht soviel zu sagen. Sonst wäre ich gezwungen, anders zu sprechen; denn Herr Direktor Horlacher weiß genau, daß er Freunde hat, die es mit dem Totschlagen nicht so genau nehmen.“254 Gandorfers Abneigung gegen

251 BayHStA, Bayerischer Landtag, Ausschuß für Aufgaben wirtschaftlicher Art, Sitzung am 5. Februar 1924.

252 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 2, Sitzung am 14. Februar 1923, 221f. Zur Hagelversicherung in Bayern vgl. BAUMANN, Hagelversicherung.

253 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 2, Sitzung am 14. Februar 1923, 221–226. Vgl. dagegen RATJEN, Bauernkammern, 128–131, der zu pauschal und ohne Binnendifferenzierung zwischen den Interessen von Plenum und Büro behauptet, dass die Landesbauernkammer mit Ausnahme der Schlachtviehzwangsversicherung jeglichen Versicherungszwang abgelehnt habe.

254 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 3, Sitzung am 25. September 1925, 73f.

Horlacher steigerte sich geradezu zum irrationalen Hass255. Gandorfer war – wohl nicht zuletzt aufgrund mangelnder Bildung und einer emotionalen Persönlichkeitsstruktur – nicht in der Lage, die unterschiedlichen Organisationsprinzipien von BV und BBB – dieser ein Honoratiorenverband, jener ein Funktionärsverband – als Ursache seiner Auseinandersetzungen mit Horlacher zu reflektieren und darauf aufbauend eine rationale politische Strategie zu entwickeln256. Gandorfers Ausdrucksform für die mehr empfundenen als erkannten strukturellen Unterschiede zwischen BV und BBB war Hass gegen die Repräsentanten des BV, insbesondere gegen Horlacher.

Für den BBB stellte Horlacher wegen seiner Abhängigkeit von der BVP einerseits eine parteipolitische Provokation dar, andererseits verletzte er als hauptamtlich besoldeter, beamtenähnlich beschäftigter und akademisch gebildeter Funktionär ohne landwirtschaftliche Berufserfahrung die Idealvorstellung des BBB von landwirtschaftlicher Interessenvertretung durch aktive Landwirte – zumal die Anhänger des BBB aufgrund der Finanzierung des Büros der Landesbauernkammer durch eine Zwangsumlage257 Horlachers agrarpolitische Tätigkeit mittragen mussten. Der BBB kritisierte deshalb die „Vorstandschaft der Doktoren und sonstiger städtischer Fachkundiger“ in der Landesbauernkammer258. Die Forderung des BBB nach Interessenvertretern, die von der Landwirtschaft existentiell betroffen waren, fand jedoch auch außerhalb des BBB Anhänger in der praktischen Landwirtschaft. Der Gutsbesitzer Benedikt Freiherr von Hermann auf Wain (1862–1932)259 lehnte es 1926 ab,

„einen Nichtfachmann aus parteipolitischen Gründen“ an der Spitze des bayerischen Landwirtschaftsministeriums zu sehen. Damit könne der Landwirtschaft „schwerlich in vollkommener Weise zum Gedeihen verholfen werden“260. Nach seiner Wahl zum ehrenamtlichen Kreisobmann des BBV musste sich der akademische Landwirt Heinz Haushofer 1950 sagen lassen: „A wirklicha Baua waar ins liaba gwen.“261 Wer ohne praktische landwirtschaftliche Berufserfahrung in der Agrarpolitik tätig war, setzte sich

255 In einem von Horlacher im Regensburger Anzeiger zum Abdruck gebrachten Brief vom 13. Juni 1927 behauptete Präsident Kirschner vom Brauerbund: „Herr Gandorfer hatte mir gelegentlich seiner Unterredung mit mir seinen ganzen inneren Haß gegen Dr. Horlacher geoffenbart.“ Gandorfer habe deshalb Kirschner zum

„Kampf gegen Dr. Horlacher“ aufgefordert (HORLACHER, Biersteuererhöhung (16. Mai 1928), 1).

256 Zur Charakterisierung Gandorfers vgl. HUNDHAMMER, Geschichte, 157: „Leicht entflammbare Begeisterung, politische Kurzsichtigkeit und gefühlsmäßige Impulse wurden zur verhängnisvollen Triebfeder seiner Handlungen.“ Dies ist der Grund, warum Gandorfer im Plenum der Landesbauernkammer deshalb letztlich nur eine Außenseiterrolle spielte und auch innerhalb der Gruppe des BBB isoliert war. Zur Stellung Gandorfers im Plenum der Landesbauernkammer vgl. RATJEN, Bauernkammern, 181f.

257 Zur Finanzierung der bayerischen Bauernkammern vgl. RATJEN, Bauernkammern, 144–149.

258 Viechtacher Zeitung vom 6. Oktober 1931.

259 Gutsbesitzer, geboren 1862, als Vertreter des Großgrundbesitzes in Escherichs Notbund Bayerischer Wirtschaftsstände zur Vorbereitung eines monarchistischen Putsches tätig, Vorsitzender des land- und forstwirtschaftlichen Ausschusses der DNVP in Bayern, 1930 Übertritt zu deren gouvernementaler Abspaltung Konservative Volkspartei, Förderer der monarchistischen Wehrorganisation Bayerischer Heimatschutz, gestorben 1932. Zu Hermann auf Wain vgl. HOSER, Münchner Tagespresse, 262 und 682; NUßER, Wehrverbände, 278f. und 320.

260 Freiherr von Hermann auf Wain zit. nach HAUSHOFER, Jahrhundert, 46.

261 HAUSHOFER, Leben, 166.

ständigem Rechtfertigungsdruck der Bauern aus262. Das Misstrauen der Bauern gegenüber Interessenvertretern, die von der Landwirtschaft nicht existentiell betroffen waren, stellt letztlich den Ausdruck eines spezifisch bäuerlichen Standesbewusstseins dar, dass in seiner Geringschätzung gegenüber unselbständiger Beschäftigung und der als weniger mühevoll empfundenen geistigen Arbeit263 seinerseits nicht weniger elitär war, als das am sozialen Status des deutschen Berufsbeamten orientierte soziale Bewusstsein eines Agrarfunktionärs wie Horlacher. Geschickt nutzten die Nationalsozialisten dieses Standesbewusstsein aus, um nach der Ausschaltung der hauptamtlichen Agrarelite im Umfeld des BV für den neuen Landesbauernführer Georg Luber (1893–1961)264 zu werben: „Der bayerische Bauer kann das beruhigende Gefühl haben, daß sein Landesbauernführer kein Mann vom ,grünen Tisch‘ ist, wie etwa die Agrarpolitiker unter der Herrschaft der Bayerischen Volkspartei, ein Oberstudiendirektor oder ähnliches, sondern ein Bauer wie er selbst, der alle Sorgen und alle Mühsale dieses Berufes kennt.“265

Den Ansatzpunkt, um dieses verbandsübergreifende Unbehagen praktischer Landwirte an der hauptamtlichen Führung der Bayerischen Landesbauernkammer parteipolitisch instrumentalisierbar zu machen, fand der BBB in deren Finanzierung. Deshalb verklammerte der BBB seine parteipolitisch motivierte Kritik an der Dominanz von Mitgliedern der BVP in der Führung der Landesbauernkammer und sein organisationspolitisches Unbehagen an der starken Stellung des hauptamtlichen Büros mit der auf die Person Horlachers konzentrierten Kritik an den Kosten der Landesbauernkammer. Dies zeigte sich bereits zu Beginn von deren Tätigkeit, als Horlacher am 8. September 1920 in Küblers Landauer Volksblatt wegen der Höhe seines Gehalts angegriffen wurde: „Ihr Bauern könnt also sehen, daß die Bauernarbeit in der Schreibstube, so etwa 2–3 Stunden täglich, etwas besser bezahlt ist, als die 12 bis 18stündige auf Hof und Acker.“ Ironisierend wurde hinzugefügt: „Weiter werden noch angestellt, damit sie dem Herrn Doktorbauern etwas von seiner schweren Arbeitsbürde abnehmen, ein literarisch-volkswirtschaftlicher Referent, zwei Fachreferenten, ein Kanzleivorstand und eine Reihe von sonstigen Hilfskräften.“ Zutreffend erblickte Kübler im bürokratischen Organisationsprinzip der Landesbauernkammer das Gegenteil des

262 Der bundesrepublikanische Ernährungsstaatssekretär Theodor Sonnemann (1900–1987) von der CDU erinnerte sich 1975: „Meine persönliche Erfahrung geht also dahin, daß, wer für die Landwirtschaft wirken will, ohne selbst Landwirt zu sein, den Mut aufbringen muß, in der Minderheit und häufig genug allein dazustehen, belächelt auch von seinen Freunden“ (SONNEMANN, Gestalten, 12).

263 Zum bäuerlichen Arbeitsethos vgl. ERKER, Abschied, 344; ZIEMANN, Front, 340–356.

264 Diplom-Landwirt, protestantisch, geboren am 6. November 1893 in Nürnberg, nach dem Besuch des Gymnasiums Studium der Landwirtschaft, Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, danach Gutsverwalter in Schlesien und Thüringen, Mitglied der thüringischen Landwirtschaftskammer, 1929 Kauf des Gutes Stocka bei Abensberg, seit 1932 MdL für die NSDAP in Bayern, am 15. März 1933 Ernennung zum Staatskommissar für Landwirtschaft durch den nationalsozialistischen Reichsstatthalter Ritter von Epp, dann zum Staatssekretär für Landwirtschaft im Wirtschaftsministerium ernannt, am 6. Dezember 1933 auf Ersuchen von Ministerpräsident Siebert seines Amtes enthoben, gestorben am 6. Januar 1961. Zu Luber vgl. Neue freie Volks-Zeitung vom 25.

September 1933; STINGLWAGNER, Chronik, 64.

265 Bayerischer Bauernkalender 89 (1934), 43.

ehrenamtlichen Organisationsprinzips des revolutionären Landesbauernrates, in dem

„werktätige Bauern die Leitung“ hatten und der deshalb nur ein Zehntel der Landesbauernkammer gekostet habe. Dabei wurde der Leser nicht im Unklaren darüber gelassen, dass sich in Küblers Kritik an der Landesbauernkammer organisationspolitisches Unbehagen am bürokratischen Organisationsprinzip mit parteipolitischer Motivation verbanden: „Der Zweck der Übung ist: ihr Bauern dürft Millionen aufbringen, damit volksparteiliche Stellenreiter angenehme und gut besoldete Stellen bekleiden können.“266 Das Bauernbundsblatt Der Bündler empörte sich am 12. Dezember 1920 nicht nur darüber, dass in der als „Landes-Ökonomierätekammer“ diffamierten Bayerischen Landesbauernkammer zwölf Inhaber von „Funktionärsstellen als Direktoren oder Sekretäre bei landw.

Genossenschaften oder sonstigen Organisationen“ saßen, während sich nur fünf Kammermitglieder als „Bauern“ bezeichneten. Besonders aufgebracht war Der Bündler über die Einstufung des „Herrn Doktorbauern“ Horlacher in die zweithöchste Gehaltsklasse, zumal er in Horlacher nur einen jener bloßen Karrieristen sah, „die in den Trägern der landwirtschaftlichen Produktion nur ein günstiges Organisationsspiel sehen“267. Im Herbst 1926 forderte der BBB in öffentlichen Versammlungen in Niederbayern die „Ausscheidung aller Dr.-Abgeordneten (Horlacher, Schlittenbauer), Ersatz durch bäuerliche Vertreter“.

Insbesondere gegen Horlacher wurden „schwere Anklagen erhoben, weil er seinen [!]

Beamtengehalt einstecke, dann die Abgeordnetendiäten und weitere Bezüge aus verschiedenen Unternehmungen“268. Wer im Bündler vom „Mann mit dem Gehalt eines Ministerialdirektors“ las269, wusste, dass Horlacher gemeint war.

Die Taktik, Horlachers starke Stellung als Büroleiter über den Umweg der Kritik an den Personalkosten zu attackieren, erschien deshalb so Erfolg versprechend zu sein, da die Kritik an den hohen Personalkosten der Landesbauernkammer – die immerhin rund ein Drittel der gesamten Ausgaben ausmachten270 – auf die verbandsübergreifende Solidarität der ehrenamtlichen Plenarmitglieder bis hinein in die Reihen des BV zählen konnte271. Am 25.

November 1925 wurden die Personalkosten des Büros der Landesbauernkammer von den praktischen Landwirten Karl Gandorfer (BBB), Friedrich Beckh jun. (Bayerischer Landbund) und Paul Baumann (BV) (1878–1950)272 als zu hoch kritisiert. Beckh behauptete, er sei in

266 Landauer Volksblatt vom 8. September 1920.

267 Der Bündler vom 12. Dezember 1920. Dagegen kommt RATJEN, Bauernkammern, 184 zu dem Ergebnis, dass die „Angehörigen des Bauernstandes“ gegenüber „angesehenen Persönlichkeiten der traditionellen landwirtschaftlichen Führungsschicht“ des Adels und der Gutsbesitzer in der Landesbauernkammer überwogen hätten, da er „eine größere Anzahl Funktionäre der freien wirtschaftspolitischen Organisationen“ als Repräsentanten der Bauern wertet.

268 BayHStA, MA 102141, Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Niederbayern, 4. Oktober 1926.

269 Der Bündler vom 24. Februar 1924.

270 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 1, Sitzung am 3. Juni 1921, 141f.

271 Dementsprechend legten auch die Kammerangehörigen stets eine zögerliche Bereitschaft zur Zahlung der Bauernkammerumlage an den Tag (BayHStA, ML 122, Horlacher an ML, 7. Juli 1922).

272 Landwirt, katholisch, geboren am 29. Oktober 1878 in Unteraich, 1906 Übernahme des elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes (68,6 Hektar), seit 1906 Mitglied des BV, zwischen 1912 und 1933 MdL für die

seiner mittelfränkischen Heimat „angerempelt worden, dass gerade die Personalkosten der Landesbauernkammer so hoch seien, daß gerade der Aufwand, der für das Personal für die Beamten usw. in der Landesbauernkammer gemacht wird, doch etwas sehr hoch sei, und es wäre doch zu erwägen, ob wir den Apparat nicht zu groß aufgebaut haben“. Er befürchtete,

„der Apparat wird immer größer, er wird immer teurer und für unsere Bauern draußen wird die Belastung immer größer“273. Vorgeblich aus Kostengründen verzichteten viele Bezirksbauernkammern deshalb auf die Anstellung hauptamtlicher Funktionäre. Dabei machte das Büro der Landesbauernkammer massiv Werbung für die Ersetzung der ehrenamtlichen Geschäftsführung bei den Bezirksbauernkammern durch das hauptamtliche Organisationsprinzip. In den Mitteilungen der Bayerischen Landesbauernkammer wurde am 15. April 1924 behauptet: „Um aber doch ihrer Bestimmung zu entsprechen, sind bereits mehrere Bezirksbauernkammern dazu übergegangen, einen Geschäftsführer mit der Durchführung oben geschilderter Aufgaben zu betrauen. Eine Persönlichkeit, die über eine entsprechende Vorbildung verfügt, wird in den betreffenden Bezirken äußerst segensreich wirken können.“274 Trotzdem erschien es dem Plenum der Landesbauernkammer, in dem das ehrenamtliche Element dominierte, stets als probates Mittel, den Haushalt durch Einsparungen bei der Verwaltung auszugleichen. Am 18. Januar 1929 beschäftigten sich Präsidium und Verwaltungsausschuss in einer gemeinsamen Sitzung bis spät abends mit dem Etat der Landesbauernkammer. Der Verwaltungsausschuss hatte Einsparungen in Höhe von 34.100 Mark beschlossen. Diese Summe wurde von Horlacher nicht akzeptiert. Er weigerte sich im Plenum, diesem Etat zuzustimmen. Er fürchtete gar um die Funktionsfähigkeit der Kammer. Horlacher konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Eine Mehrheit quer durch die ansonsten rivalisierenden Gruppierungen deckte das Sparsystem275.

Wenn es Horlacher schließlich gelang, etwa die Hälfte der Ausgaben der Landesbauernkammer aus den eigenen Einnahmen des Büros (Publikationen und Dienstleistungen der Einrichtungen der Landesbauernkammer) zu decken276, so ist dies deshalb als gelungener Versuch zu werten, das Büro der Landesbauernkammer von den ehrenamtlichen Plenarmitgliedern unabhängig zu machen. Dabei ordnen sich diese finanzpolitischen Bemühungen in Horlachers Anstrengungen ein, das Büro der

Bayerische Zentrumspartei bzw. BVP, seit 1919 Mitglied der Vorstandschaft des oberpfälzischen BV, 1920 bis 1933 Mitglied der Bayerischen Landesbauernkammer, vor 1933 Präsident der Kreisbauernkammer Oberpfalz und Vorsitzender der Bezirksbauernkammer Nabburg, seit 1924 Mitglied des Rinderzuchtverbandes, 1926 Ernennung zum Landesökonomierat, 1926 bis 1930 Stellvertretender Präsident der Bayerischen Landesbauernkammer, 1927 Stellvertretender Vorsitzender des oberpfälzischen BV, 1933 Schutzhaft, 1945 Gründungsmitglied des BBV, 1945 bis 1949 Vorsitzender des oberpfälzischen BBV, 1949 Rücktritt und Ernennung zum Ehrenpräsidenten, gestorben am 26. Juni 1950. Zu Baumann vgl. SCHUMACHER, M.d.L., 47;

KIRCHINGER, Bauernvereinstradition, 222f.

273 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 3, Sitzung am 26. November 1925, 110–113 und 120–122.

274 Mitteilungen der Bay. Landesbauernkammer vom 15. April 1924.

275 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 3, Sitzung am 19. Januar 1929, 194–197.

276 BayHStA, ML 3995, Horlacher an ML, 22. August 1931.

Landesbauernkammer gegenüber dem Plenum so weit wie möglich zu stärken und dieses auf die Akklamation der vom Büro ausgearbeiteten Beschlüsse und Anträge zu beschränken.

Denn Horlacher erblickte in den Plenardebatten eine Behinderung effizienter Büroarbeit. Als Friedrich Beckh jun. am 20. Januar 1928 im Plenum die Änderung der Tagesordnung beantragte, um die Konkurrenz der norddeutschen Großmühlen gegenüber den bayerischen Klein- und Mittelmühlen ausgiebig zur Sprache zu bringen, wehrte ihn Horlacher rüde ab. Er behauptete, dass es ihm nicht immer möglich sei, Plenarsitzungen abzuwarten, um auf agrarpolitisch relevante Entwicklungen zu reagieren: „Die Dinge werden dann in der Zwischenzeit im Büroweg ihre Erledigung finden und werden auch den zuständigen Stellen gegenüber vertreten.“ Das Plenum könne dann – in einer „schlichten Beratung“, wie er eigens betonte – diejenigen Probleme behandeln, „die momentan am vordringlichsten sind“277.

Eine erste Stärkung hatte das Büro der Landesbauernkammer gegenüber dem Plenum erfahren, als es Heim gelungen war, das Plenum von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Zahl der Plenarsitzungen angesichts der „enormen Unkosten“ einzuschränken. Heim wollte die hauptsächliche Arbeit in die Ausschüsse, das Präsidium und das Büro verlagern. Das Plenum stimmte Heims Antrag schließlich einstimmig zu. Dies konnte ihm nur deshalb gelingen, da er das von den ehrenamtlichen Plenarmitgliedern so gern gegen den Einfluss des Büros geltend gemachte Kostenargument gegen diese selbst richtete278. Diese Taktik verfolgte auch Horlacher, als er die Höhe der Kosten für den hauptamtlichen Apparat der Landesbauernkammer mit den finanziellen Belastungen begründete, die dem Büro der Landesbauernkammer gerade durch die Ansprüche der Ehrenamtlichen dauernd entstanden – da „wir alle Anträge, die an uns herantreten, erst durch die Landesbauernkammer im gewissen Sinne ausstatten und ihnen die notwendige Begründung beigeben müssen, damit sie die entsprechende Wirkung bei den Behörden erzielen“279. Dabei entsprach dem verbandsübergreifenden Misstrauen praktischer Landwirte gegenüber dem Einfluss der Funktionäre eine verbandsübergreifende Geringschätzung der Funktionäre gegenüber den taktischen Fähigkeiten und agrarpolitischen Kenntnissen der Verbandshonoratioren. So war Brügel als Geschäftsführer des Bundes der Landwirte in Bayern der Ansicht, das sich sein ehrenamtlicher Mitstreiter Beckh im Verwaltungsausschuss der Landesbauernkammer „mit den Herren Heim, Schlittenbauer und Horlacher sehr schwer tun“ werde. Deshalb wollte Brügel selbst einen Sitz im Verwaltungsausschuss einnehmen, zumal es Beckh als praktischem Landwirt überdies nicht möglich sein werde, die Sitzungen regelmäßig zu besuchen, wie Brügel zu bedenken gab280.

277 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 3, Sitzung am 20. Januar 1928, 142f.

278 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 2, Sitzung am 14. Februar 1923, 208f.

279 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 3, Sitzung am 26. November 1925, 120–123.

280 BA Koblenz, NL Weilnböck N1327/14a, Brügel an Weilnböck, 22. August 1920.

Mit dem unterschiedlichen organisationspolitischen Stellenwert, der dem Einfluss hauptamtlicher Apparate in BV und BBB zugesprochen wurde, war die unterschiedliche Radikalität der erhobenen agrarpolitischen Forderungen untrennbar verbunden, wobei jedoch betont werden muss, dass es keine konzeptionellen agrarpolitischen Differenzen zwischen den beiden Organisationen gab281. Der BBB war aufgrund des bewussten Verzichts auf eine effektive Organisation zur Mitglieder- bzw. Wählerbindung auf eine besonders populistische Agitation angewiesen. Da im Honoratiorenverband BBB die betriebsbezogene und von der existentiellen Betroffenheit von der Agrarpolitik geprägte Denkstruktur praktischer Landwirte dominierte, sollte sich der BBB nach Ansicht der führenden Politiker auf die Vertretung der bloßen ökonomischen Interessen der Landwirtschaft beschränken282. Die relative Mäßigung der agrarpolitischen Forderungen des BV wurde in der Forschung dagegen bisher sehr stark auf den Einfluss der katholischen Soziallehre auf den BV und dessen Orientierung an bayerischer Staatlichkeit zurückgeführt283. Sicher ist es deshalb zutreffend, in der Programmatik des BV den Versuch zu sehen, die Bauern „gegen das Versprechen ökonomischer Interessenbefriedigung“ für eine staatstragende Politik zu mobilisieren, „deren Inhalte keineswegs immer aus den unmittelbaren Bedürfnissen der Adressaten erwachsen waren“284. So zutreffend diese Differenzierung zwischen den beiden Agrarverbänden ist, verdeckt sie doch die verbandsübergreifende soziale Scheidelinie zwischen Funktionären einerseits, praktischen Landwirten und deren Repräsentanten in ehrenamtlichen Positionen andererseits, wie sie auch innerhalb des BV zu finden ist. Dabei ist das Rededuell, das im Plenum der Landesbauernkammer am 26. November 1925 zwischen Gandorfer (BBB) und Balthasar Eichner (BV) stattfand, kennzeichnend für die Probleme, die der Durchsetzung von agrarpolitischen Forderungen aus der Anbindung an die existentielle Betroffenheit von der Landwirtschaft erwachsen konnten. Als der Ackerbauer Gandorfer eine Erhöhung der Gerstenpreise forderte, wurde dies von dem Milchbauern Eichner mit dem Hinweis abgelehnt, dass er als Arbeitgeber zahlreicher Dienstboten kein Interesse an hohen Bierpreisen habe285. Beide Kontrahenten hatten die eigenen betrieblichen Erfahrungen auf eine Art und Weise zur Grundlage agrarpolitsicher Forderungen erhoben, die auf beiden Seiten keine weltanschauliche Bindung erkennen lassen. Stärker als bisher muss deshalb für die relative Mäßigung von Programmatik und Taktik des BV nicht so sehr dessen weltanschauliche Bindungen berücksichtig werden, sondern das soziale Bewusstsein der im BV tonangebenden Agrarfunktionäre. Dieses war bestimmt durch eine akademische Ausbildung und durch die Orientierung am Leitbild des dem Gemeinwohl verpflichteten Staatsbeamten und wies

281 Vgl. HUNDHAMMER, Berufsvertretung, 186; BERGMANN, Bauernbund, 88.

282 Zur Beschränkung des BBB auf wirtschaftspolitische Interessenvertretung vgl. BERGMANN, Bauernbund, 154f.

283 Vgl. BERGMANN, Bauernbund, 162–166; BERGMANN MEGERLE, Protest, 267–284.

284 Vgl. BERGMANN, Bauernbund, 154f.

285 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 3, Sitzung am 26. November 1925, 110.

deshalb über betriebsbezogenes Denken und existentielle Betroffenheit praktischer Landwirte hinaus. Die soziale Distanz der Funktionäre des BV zu den Bauern war größer als diejenige zur Ministerialbürokratie. Dies führte zu einer gouvernementalen Haltung, die – jedenfalls im Falle Horlachers – über die Verteidigung bayerischer Staatlichkeit deutlich hinauswies. Dabei war Horlacher schon durch seine Stellung als Geschäftsführer einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft besonders auf eine gouvernementale Haltung verpflichtet, weshalb er den Forderungen der praktischen Landwirte nicht allzu offen nachzugeben bereit war. Das wäre bei einer Vertretung der Interessen der Landwirtschaft, die wie diejenige Horlachers ihre Hauptadressaten in Behörden und Parlamenten fand, tatsächlich hinderlich gewesen. Deshalb wollte Horlacher dem Insistieren von Beckh jun. am 20. Januar 1928 nicht nachgeben und die Notlage der Landwirtschaft nicht „immer und immer wieder behandeln – das würde auch in der Öffentlichkeit seitens der amtlichen Berufsvertretung gerade das Gegenteil erreichen“286. 6. Der „geborene Feind des Sozialismus“ – Horlachers Haltung zur SPD

Stand bisher die Analyse von Horlachers organisationspolitischer Stellung innerhalb des landwirtschaftlichen Organisationswesens im Mittelpunkt der Darstellung, so soll nun die von ihm propagierte integrative Verbandsideologie in ihren Teilen in Abhängigkeit von seiner Stellung innerhalb dieses Organisationsgefüges untersucht werden, an erster Stelle in Abgrenzung vom Sozialismus als dem hauptsächlichen weltanschaulichen Gegner der etablierten Agrarverbände.

An die SPD gewandt appellierte Horlacher am 26. April 1923 im Landtagsplenum,

An die SPD gewandt appellierte Horlacher am 26. April 1923 im Landtagsplenum,

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