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Bruch des antirevolutionären Konsenses im landwirtschaftlichen Organisationswesen Organisationswesen

IV. Als Protagonist der Ordnungszelle Bayern (1919–1924)

6. Bruch des antirevolutionären Konsenses im landwirtschaftlichen Organisationswesen Organisationswesen

Koalitionspolitische Erwägungen und parteipolitische Rivalitäten mussten sich auch in der Politik der Bayerischen Landesbauernkammer widerspiegeln. Denn die Plenarversammlung der Landesbauernkammer setzte sich aus prominenten Politikern der Landtagsparteien zusammen. Der Bayerische Christliche Bauernverein war eng mit der BVP verbunden275, der Bayerische Bauernbund agierte als eigenständige Partei, und der Bund der Landwirte (seit 1924: Bayerischer Landbund) unterstützte die Bayerische Mittelpartei. Heim hielt die parteipolitische und weltanschauliche Bindung der Mitglieder einer gesetzlichen Selbstverwaltungskörperschaft angesichts der erwarteten gesellschaftspolitischen Entscheidungen kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges für unabdingbar: „Nachdem wir es mit politischen Parteien zu tun haben, von denen jede auch ein Wirtschaftsprogramm und ein Kulturprogramm hat, wäre eine farblose, reine Berufsvertretung der Landwirtschaft durch einen freien Verein nichts anderes als ein Messerstiel ohne Klinge. Eine solche Berufsvertretung wäre wert, von den Bauern am ersten Tag schon zum Teufel gejagt zu werden. Selbst wenn es ihr noch gelänge, die materiellen Interessen der Landwirte zu wahren, was bei Farb- und Parteilosigkeit auf wirtschaftlichem Gebiete schon eine Wunderleistung wäre, was wäre dem Bauernstand damit gedient, wenn wir gleichzeitig die ethischen Grundlagen unseres deutschen Bauernstandes ohne Widerstand erschüttern und zertrümmern ließen.“276 Trotzdem wurde die Bayerische Landesbauernkammer am Ende ihrer Ersten Wahlperiode vom bayerischen Landwirtschaftsminister Anton Fehr (1881–1954)277 am 10.

273 ACSP, Fraktionssitzungen der BVP Bd. 1, Sitzung am 8. November 1922.

274 Zur Regierungsbildung Knilling vgl. KIISKINEN, Deutschnationale Volkspartei, 192–196.

275 Zum Verhältnis zwischen BV und BVP vgl. BERGMANN, Bauernbund, 46–49.

276 StadtA Regensburg, NL Heim 903, Heim an Schlittenbauer, 3. Juni 1918.

277 Führender Bauernbundspolitiker und Agrarwissenschaftler, katholisch, geboren am 24. Dezember 1881 in Lindenberg/Allgäu als Sohn eines Hutfabrikanten, humanistisches Gymnasium in Kempten, 1901 bis 1904 Studium der Landwirtschaft an der TH München und an der Akademie für Landwirtschaft und Brauerei in Weihenstephan, anschließend Assistent am Milchwirtschaftlichen Institut in Weihenstephan, seit 1905 Wanderlehrer für den Milchwirtschaftlichen Verein im Allgäu, 1909 bis 1917 Kreismolkereiinspektor bei der Regierung von Oberbayern, 1916 bis 1922 Leiter der bayerischen Landesfettstelle, seit 1917 ordentlicher Professor in Weihenstephan, seit 1917 Mitglied des BBB, 1920 für den BBB in den Reichstag gewählt, 1921 Wahl zum Präsidenten des Milchwirtschaftlichen Landesverbandes Bayern, 31. März bis 21. November 1922 Reichsernährungsminister, 1924 bis 1930 bayerischer Landwirtschaftsminister, 1933 Eintritt in die NSDAP, 1935 Entlassung als Professor und Leiter des Milchwirtschaftlichen Instituts in Weihenstephan, 1936

Februar 1925 in bewusster Ignorierung der Realität wegen ihrer „unpolitischen Zusammensetzung“ gelobt278. Auch Horlacher vertrat die Ansicht, dass in der Landesbauernkammer „alle Meinungen und Schattierungen über parteipolitische und sonstige Fragen ausgeschlossen sein sollen“279. So sehr diese Behauptungen letztlich der parteienfeindlichen Phraseologie entsprachen, welche den Konservatismus der Weimarer Republik so stark prägte280, handelte es sich dabei tatsächlich um den stets wiederholten Gründungsmythos der gesetzlichen Selbstverwaltung der Landwirtschaft in Bayern, der gerade wegen der parteipolitischen Zerrissenheit der bayerischen Landwirtschaft zu deren Stabilisierung beitragen sollte281.

Trotzdem schien die Geschichte der Bayerischen Landesbauernkammer jedoch entsprechend diesem konservativen Ideal der unpolitischen Zweckabhängigkeit jeglicher wirtschaftspolitischer Tätigkeit zu beginnen. Der BBB war nach der Übertragung des Landwirtschaftsministeriums an den Bauernbundssympathisanten Johann Wutzlhofer (1871–

1936)282 saturiert und zeigte sich kooperationsbereit. Die Bayerische Mittelpartei – und damit der Bund der Landwirte – drängte in eine Koalition mit der BVP283. Er konnte deshalb mit Entgegenkommen rechnen, als er im Namen des Zweckverbandes der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns Einheitslisten für die Bauernkammerwahlen forderte: „Frei von parteipolitischen Gegensätzen muß die ganze Arbeit der Bauernkammern der Erhaltung eines kräftigen Bauernstandes, der Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung, dem Wiederaufbau unserer Landwirtschaft als der ersten Voraussetzung für unsere nationale, wirtschaftliche und moralische Wiedergesundung gelten.“284 Tatsächlich war sein Vorstoß erfolgreich. Die Bauernkammerwahlen fanden mit Ausnahme von Gandorfers Hochburg

unfreiwilliger Rücktritt als Erster Vorsitzender des Milchwirtschaftlichen Reichsverbandes, Kontakte zum Widerstand, 1944 Inhaftierung im KZ Ravensbrück, 1945 Gründungsmitglied des BBV, 1946 bis zu seinem Tode Dritter Vorsitzender bzw. Präsident des BBV, gestorben am 2. April 1954. Zu Fehr vgl. SCHUMACHER, M.d.R., 360f.; STINGLWAGNER, Chronik, 75; GBBE, 496.

278 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 2, Sitzung am 10. Februar 1925, 427.

279 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 1, Sitzung am 3. Juni 1921, 131.

280 Vgl. SONTHEIMER, Denken, 198–211.

281 Dieser Gründungsmythos wirkte bis hinein in die historisch-kritische Forschung. Wolfgang Ratjen behauptet in seiner grundlegenden Untersuchung zur Geschichte der bayerischen Bauernkammern, dass diese „nach außen jede politische Parteinahme vermieden“ hätten (vgl. RATJEN, Bauernkammern, 139). In diesem Urteil ist wohl aber in erster Linie der Einfluss von Ratjens Doktorvater Heinz Haushofer zu spüren, der seine agrarpolitische Karriere im Büro der Landesbauernkammer begonnen hatte. Vgl. HAUSHOFER, Leben, 31–37.

282 Lagerhausverwalter, katholisch, geboren am 17. Dezember 1871 in Obersunzing bei Straubing, seit 1900 Vorstandsmitglied des landwirtschaftlichen Bezirksvereins Straubing (Landwirtschaftlicher Verein), seit 1907 Genossenschaftsdirektor in Straubing, während des Ersten Weltkrieges in der Kommunalverbandswirtschaft tätig, vom 1. April 1919 bis 1. September 1919 Staatskommissar für Volksernährung, 1919/1920 MdL für den Bauernbund, ohne dessen Mitglied zu sein, vom 16. März 1920 bis 23. Dezember 1923 bayerischer Landwirtschaftsminister, gestorben am 22. Dezember 1936. Zu Wutzlhofer vgl. HUNDHAMMER, Geschichte, 148; LUIBLE, Vertretung 51; BERGMANN, Bauernbund, 78f.; STINGLWAGNER, Chronik, 73.

283 Vgl. KIISKINEN, Deutschnationale Volkspartei, 80.

284 BBV-Herrsching, Landwirtschaftlicher Verein KC/Unterfranken 1.667, Generalversammlung des Zweckverbandes der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns am 13. April 1920.

Niederbayern in allen Kreisen auf der Grundlage von Einheitslisten statt285. Außer Gandorfer wollte sich keiner der maßgeblichen Verbandsführer dem Vorwurf des Verbandsegoismus aussetzen.

Vor den Augen der Öffentlichkeit blieb es deshalb verborgen, dass der antirevolutionäre Konsens, der seit dem Bamberger Bauern- und Landarbeitertag im Juli 1919286 zwischen BV und Bund der Landwirte herrschte, nach dem Ende der Bauernräte brüchig geworden war. Hinter den Kulissen zeichnete sich ein Konflikt dieser beiden Organisationen um das Amt des Direktors der Landesbauernkammer ab. Bereits im Sommer 1920 erwog Friedrich Beckh (1843–1927)287, der fränkische Nestor des Bundes der Landwirte, diesem den Austritt aus dem Zweckverband der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns zu raten, da ihm Horlacher als Garant für „Centrumspolitik“ galt.

Beckh war deshalb immer weniger bereit, „daß wir Dr. Horlacher bezahlen helfen, der Mitglied der bayerischen Volkspartei ist und sein Landtagsmandat dieser Partei verdankt“288. Er machte sich deshalb im Sommer 1920 Gedanken, wie die Übernahme der Geschäftsführung der Landesbauernkammer durch Horlacher zu verhindern sei289. Nach den Bauernkammerwahlen war der BV mit seinen 21 Sitzen in der Landesbauernkammer gegenüber dem Bund der Landwirte (7), dem BBB (13) und einer neutralen Gruppe (17), die sich hauptsächlich um den Landwirtschaftlichen Verein gruppierte, in der Minderheit.

Wolfgang Brügel (Bund der Landwirte) versuchte deshalb mit Matthäus Mittermeier (BBB) zunächst wegen des Amtes des Präsidenten der Landesbauernkammer ins Gespräch zu kommen. Dieser hatte sich aber bereits mit dem BV geeinigt. Mittermeier stimmte der Wahl Heims zu, wofür er den Posten des Stellvertretenden Präsidenten bekam. Brügel gab deshalb auf, Horlacher als Direktor zu verhindern. Stattdessen versuchte er nun, einen „uns nahe stehenden brauchbaren Beamten für die Landesbauernkammer“ in Horlachers Büro einzuschleusen und dadurch Einfluss auf die Geschäftsführung zu bekommen290. Deshalb bemühte sich die Vorstandschaft des Bundes der Landwirte um Horlachers Stellvertreter Dr.

Max Wittwer (geb. 1889)291. Denn sie war „der Auffassung, daß nachdem auch die

285 BayHStA, ML 120, Bekanntmachung über das Ergebnis der Wahl zur Kreisbauernkammer 1920, undatiert;

Mitteilungen der Bay. Landesbauernkammer vom 30. November 1920.

286 Vgl. Kapitel IV.1.

287 Gutsbesitzer und führender Politiker des Bundes der Landwirte, protestantisch, geboren am 24. Oktober 1843 in Nürnberg, Gymnasialbesuch in Augsburg und Nürnberg, Studium der Rechts- und Naturwissenschaften in Erlangen, Heidelberg, Basel und Göttingen, in den Kriegen 1866 und 1870/1871 Offizier, 1875 Übernahme des elterlichen Gutes in Rathsberg bei Erlangen, 1887 bis 1918 Mitglied der Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtages für den Bund der Landwirte, Mitglied der evangelisch-lutherischen Landessynode, Gründungsmitglied der deutschnationalen Bayerischen Mittelpartei, 1920 bis 1925 Mitglied der Bayerischen Landesbauernkammer, 1924 Ernennung zum Geheimen Landesökonomierat, gestorben am 10. April 1927. Zu Beckh vgl. BAR vom 18. April 1927; KIISKINEN, Deutschnationale Volkspartei, 598.

288 BA Koblenz, NL Weilnböck N1327/14a, Beckh an Weilnböck, 10. Juli 1920.

289 BA Koblenz, NL Weilnböck N1327/14a, Beckh an Weilnböck, 30. Juli 1920.

290 BA Koblenz, NL Weilnböck N1327/14b, Brügel an Weilnböck, 31. Juli 1920.

291 Verbandsfunktionär, katholisch, geboren am 28. Juli 1889 in Wertach im Allgäu, Besuch der humanistischen Gymnasien in Kempten und Neuburg/Donau, 1909 bis 1914 Studium der Germanistik und Nationalökonomie an

Bayerische Volkspartei in der Person des Direktors Horlacher einen Direktor der bayerischen Landesbauernkammer im Landtag habe, dasselbe Recht dem Bayerischen Landbund, bzw.

einem Rechtsblock von der Landesbauernkammer zugestanden werden müßte“292. Mit Schlittenbauer als Landtagsberichterstatter zum Bauernkammerngesetz, mit Heim als Präsident der Landesbauernkammer und Horlacher als Direktor erschien die Landesbauernkammer ohnehin manchem Zeitgenossen allzu sehr als „ein Kind der Bayr.

Volkspartei“293. Aber letztlich scheiterte Brügels Versuch, Horlachers Stellvertreter für den Bund der Landwirte zu gewinnen, am Widerstand Heims. Dieser ließ Wittwer kurzerhand aus dem Büro entfernen, nachdem ihm bekannt geworden war, dass Brügels Werben um Wittwer nicht ohne Erfolg geblieben war294.

Da die Stellung des Bundes der Landwirte innerhalb des landwirtschaftlichen Organisationswesens nicht zuletzt wegen der koalitionspolitischen Rücksichtnahmen zu schwach war, um die starke Stellung des BV in der Landesbauernkammer zu schwächen, konzentrierte sich Brügel nun darauf, Begrenzungen für Horlachers Handlungsspielraum durchzusetzen. Als dieser als Vertreter der Bayerischen Landesbauernkammer beim Deutschen Landwirtschaftsrat295 über die Zwangswirtschaft referieren sollte, forderte Brügel am 15. Januar 1921, „daß das Plenum der Landesbauernkammer über die Auffassung, die er dort vertreten soll, gewisse Richtlinien aufstellt, die bei der Beratung dort maßgebend sein sollen“. Denn Horlacher solle dort „nicht als Politiker, sondern als 1. Beamter unserer Körperschaft sprechen“. Heim gelang es zunächst noch, diesen Vorstoß abzuwehren, indem er eine Kommission zur Behandlung der Frage der Zwangswirtschaft anregte296. Am 3. Februar 1922 – die Bayerische Mittelpartei befand sich mittlerweile nicht mehr in der Koalition – gelang es Brügel dann durch ein schärferes Vorgehen im Plenum der Bayerischen Landesbauernkammer die parteipolitische Bindung des BV an die BVP bloßzustellen. Im Namen des Bundes der Landwirte stellte er den Antrag auf restlose Abschaffung der bei den

der LMU und in Halle, Promotion zum Dr. phil. mit einem Thema aus der Zeitungskunde, 1919 für die BVP hauptamtlich in Kempten tätig, mit Unterstützung Heims Redakteur bei der Allgäuer Zeitung in Kempten, seit Spätsommer 1920 mit Unterstützung Heims volkswirtschaftlicher Referent der Landesbauernkammer, 1925 auf Druck Heims Wechsel zum Milchwirtschaftlichen Verein im Allgäu, seither entwickelte er sich zum Milchexperten, Direktor der Milchwirtschaftlichen Hauptgenossenschaft in Kempten, 1929 Leiter der Abteilung B für Milch und Milchprodukte der Zentralstelle der Bayerischen Landesbauernkammer für Marktbeobachtung und Absatzfragen, maßgebliche Beteiligung an der Vorbereitung des Reichsmilchgesetzes. Zu Wittwer vgl.

StadtA Regensburg, NL Heim 2420, Bericht über die Wahltätigkeit der BVP im Allgäu, 6. Februar 1919; StadtA Regensburg, NL Heim 2420, Schlittenbauer an Wittwer, 22. September 1919; StadtA Regensburg, NL Heim 1225, Heim an Otto Weickmann, 14. Juni 1925; WITTWER, Zeitungswesen, 91; RATJEN, Bauernkammern, 183.

292 BA Koblenz, NL Weilnböck N1327/5b, Vorstandssitzung des Bundes der Landwirte in Bayern am 29.

Dezember 1923.

293 LAUERBACH, Landwirtschaft, 42.

294 StadtA Regensburg, NL Heim 1225, Heim an Otto Weickmann, 14. Juni 1925. Wittwer wechselte zum Milchwirtschaftlichen Verein im Allgäu (Mitteilungen der Bay. Landesbauernkammer vom 2. März 1925).

295 Dachverband der deutschen Landwirtschaftskammern. Zum Deutschen Landwirtschaftsrat vgl. GOTTWALD, Deutscher Landwirtschaftsrat, 167–183.

296 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 1, Sitzung am 15. Januar 1921, 67–72.

Bauern verhassten Zwangswirtschaft. Wie zu erwarten war, nahm Schlittenbauer als Sprecher des BV leidenschaftlich Stellung gegen diesen als reine Agitation empfundenen Vorstoß. Als Schlittenbauer zu bedenken gab, dass ein derartiger Beschluss Heims Verhandlungsposition als Reichstagsabgeordneter in Berlin schwäche, gab er Brügel einen Anlass, um Heims parteipolitische Tätigkeit für die BVP anzugreifen. Es würde, so Brügel, „zu unhaltbaren Konsequenzen führen, (sehr richtig!) wenn wir einen Herrn, der politisch in einer Partei tätig ist, immer berücksichtigen müßten, wenn wir wirtschaftliche Forderungen irgendwelcher Art beraten und annehmen wollen“. Geschickt erinnerte er dabei an Horlachers Diktum, wonach es die „heilige Pflicht“ der Landesbauernkammer sei, stets die landwirtschaftlichen Interessen

„in den Vordergrund zu schieben“ und nicht die parteipolitischen. Horlacher reagierte schwächlich und ungeschickt. Angesichts der Übereinstimmung zwischen Brügels Agitationsantrag und dem auch von Horlacher kolportierten Gründungsmythos vom unpolitischen Charakter der Landesbauernkammer konnte Horlacher gegen dessen Inhalt nicht vorgehen. Stattdessen versuchte er ihn mit Hilfe der Geschäftsordnung für ungültig zu erklären und goss damit Öl in Brügels geschickt geschürtes Feuer gegen die BVP. Denn Horlacher behauptete, dass die Annahme des Antrages im volkswirtschaftlichen Ausschuss am Vortag deshalb ungültig sei, da die Abstimmung nicht getrennt nach den vier in der Landesbauernkammer vertretenen Gruppen erfolgt war. Durch diesen ungeschickten Hinweis lieferte Horlacher selbst den Beweis für Brügels Vorwurf der primär parteipolitischen Orientierung der Tätigkeit des BV und brachte damit auch noch den Stellvertretenden Präsidenten Mittermeier (BBB) gegen sich auf: „Wenn der Herr Direktor meinte, ich hätte gestern nicht objektiv gehandelt, so möchte ich entschieden Verwahrung dagegen einlegen.

Was die Abstimmung nach Parteien anlangt, so müßte mir ein Verzeichnis vorgelegt werden.

Ich habe ja gar nicht gewusst, wer alles vertreten ist, da mir kein Verzeichnis von den Korporationen vorlag.“ Schließlich wurde der Antrag des Bundes der Landwirte gegen die Stimmen des BV angenommen. Ein Gesichtsverlust des BV konnte dadurch verhindert werden, dass ein Antrag Schlittenbauers gleichen Inhalts, aber von gemäßigter Sprache, ebenfalls angenommen wurde297.

297 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 2, Sitzung am 3. Februar 1922, 7–15. Aufgrund der geschilderten Auseinandersetzungen zwischen dem Bund der Landwirte und dem BV ist es nicht haltbar, wenn RATJEN, Bauernkammern, 140 behauptet, dass sich das Verhältnis zwischen dem BV und dem Bund der Landwirte während der ersten Wahlperiode der Landesbauernkammer in den Bahnen sachlicher Zusammenarbeit bewegt habe sowie harmonisch und ohne erkennbare Auseinandersetzungen verlaufen sei. Ratjens zutreffende Beobachtung, dass die Beschlüsse der Landesbauernkammer meist einstimmig gefasst wurden, ist nicht auf das Fehlen organisationspolitischer Auseinandersetzungen zurückzuführen, sondern auf den protektionistischen Konsens, der zwischen den maßgeblichen Wirtschaftsverbänden der bayerischen Landwirtschaft jenseits der parteipolitischen Rivalitäten herrschte.

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