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IV. Als Protagonist der Ordnungszelle Bayern (1919–1924)

10. Monarchist aus Opportunismus

Während in Bayern schon bald nach der Novemberrevolution Bemühungen zur Restauration der Wittelsbacher unternommen wurden411, führte der Schock, den die Revolution und ihre gewaltsamen Weiterungen in den bisherigen staatstragenden Kreisen hinterlassen hatten, bei Horlacher nicht zum Ruf nach der Rückkehr zur Monarchie. Ohne sich über die Frage der Staatsform auszulassen, drängte Horlacher bereits wenige Wochen nach dem Umsturz auf die Herstellung geordneter verfassungsrechtlicher Zustände mit Hilfe einer Nationalversammlung, denn „jeder Zeitverlust führt an den wirtschaftlichen Abgrund“412. Wenn ihn das Landauer Volksblatt Küblers (BBB) im August 1920 wegen seiner Propaganda gegen die Revolution als „monarchisch u. königlich angehauchten Volksparteiabgeordneten“

bezeichnete413, dann ist dies lediglich als parteipolitische Propaganda zu werten. Sein angeblicher Monarchismus wurde von seiner Nähe zur BVP abgeleitet. Denn Horlacher war zu diesem Zeitpunkt mit monarchistischen Stellungnahmen nicht hervorgetreten. Es ist denkbar, dieses mangelnde monarchistische Engagement auf die oberflächliche Vermittlung bayerisch-monarchischer Gesinnung während seiner Schulzeit in dem protestantisch-reichsorientierten Nürnberg zurückzuführen, vor allem aber standen bei der Beurteilung der Revolution durch Horlacher wirtschaftspolitische Überlegungen eines Angehörigen der bayerischen agrarpolitischen Funktionselite im Vordergrund. Die Revolution lehnte er

407 Vgl. ALTENDORFER, Schäffer, 245–268; KEßLER, Held, 473–483.

408 Vgl. Kapitel IV.5.

409 In der BVP herrschte Führungsmangel, seitdem Heim die alten Eliten des Zentrums bei der Gründung der BVP ausgeschaltet hatte und prominente Parlamentarier wie Speck, Stang und Wohlmuth Führungsschwäche zeigten. Deshalb bot die Landtagsfraktion gute Profilierungsmöglichkeiten für junge, karrierebewusste Politiker.

Vgl. KEßLER, Held, 360; ALTENDORFER, Schäffer, 169.

410 Vgl. ALTENDORFER, Schäffer, 401–407.

411 Zur Geschichte der monarchischen Bewegung in Bayern zwischen 1918 und 1933 vgl. ARETIN, Regierung, 65–93; ENDRES, Heimat- und Königsbund, 415–436; GARNETT, Lion; WEIß, Geschichte, 9–54; FÖRSTER, Harnier-Kreis, 57–122.

412 HORLACHER, Wiederaufbau (1. Dezember 1918), 5.

413 Landauer Volksblatt vom 15./16. August 1920.

aufgrund der durch sie hervorgerufenen wirtschaftspolitischen Turbulenzen ab414. Horlacher war Gegner der Revolution nicht als Monarchist, sondern als antisozialistischer Agrarpolitiker. Darin stimmte er mit seinem politischen Mentor Heim überein, der der Bayerischen Königspartei im Februar 1920 mitteilte, dass ihm die Integration republikanisch gesinnter Elemente in die als antisozialistische Sammlungspartei verstandene BVP vordringlicher erschien als die Frage der Staatsform415.

Wenn Heim seine Mitarbeiter aufforderte, dem Bayerischen Heimat- und Königsbund beizutreten416, dann ist dies vor dem Hintergrund seiner Bemühungen um die Herstellung dieser antisozialistischen Einheitsfront zu sehen; infolgedessen wurde auch Horlacher Mitglied des Bayerischen Heimat- und Königsbundes417. Horlacher blieb bloßes Mitglied, organisatorische Tätigkeit entfaltete er nicht418. Für Horlacher bestand der Zweck seiner Mitgliedschaft in der bloßen Demonstration seiner antirevolutionären Gesinnung, sie war seiner Zugehörigkeit zum Umfeld Heims geschuldet, die Monarchie als solche war für ihn bedeutungslos. Deshalb fiel es ihm auch leicht, sich zu ihr zu bekennen, wenn er glaubte, einer monarchistischen Gesinnung seiner Zuhörer nachgeben zu müssen. Während der Tod König Ludwig III. die Erwartungen auf eine baldige Restauration der Monarchie durch Kronprinz Rupprecht genährt hatte419, gedachte Horlacher auf der Jubiläumsveranstaltung des oberpfälzischen BV im Herbst 1921 nur am Rande und auf eine höchst unbestimmte Art und Weise „der Leichenfeierlichkeiten in München, die Momente zutage treten ließen, die nicht ohne weiteres geleugnet werden können“420.

Auf der Kundgebung des Bayerisch-Patriotischen Bauernvereins von Tuntenhausen im Herbst 1927 machte Horlacher aus seinem Desinteresse an der Wiedereinführung der Monarchie keinen Hehl: „Für die christliche und katholische Auffassung ist nicht die Staatsform das oberste, sondern die christliche Führung der Politik das Leitmotiv.“ Da er aber auf die monarchistische Gesinnung seiner Zuhörer eingehen zu müssen glaubte, betonte er dabei, ohne verfassungspolitische Forderungen zu erheben, „daß wir zwar dem neuen Staate

414 Vgl. Kapitel III.6.

415 StadtA Regensburg, NL Heim 2510, Heim an Joseph Mayer-Koy, 14. Februar 1920.

416 Vgl. GENGLER, Monarchisten, 122.

417 In Treue fest! vom 31. März 1924 und vom 26. April 1924.

418 Horlacher nutzte den Bayerischen Heimat- und Königsboten, der zwischen 1920 und 1933 unter wechselnden Namen erschien, nicht als Publikationsorgan. Ebenso kann ein ehrenamtliches Engagement Horlachers im Bayerischen Heimat- und Königsbund ausgeschlossen werden. Weder in BayHStA, Einwohnerwehren 18, noch in StA München, AG München Registergericht 19184 – worin Dokumente über die Landesleitung des Bayerischen Heimat- und Königsbundes im Zeitraum zwischen September 1921 und August 1933 aufbewahrt werden – findet sich ein Hinweis auf eine ehrenamtliche Betätigung Horlachers im Bayerischen Heimat- und Königsbund. Die Zurückhaltung Horlachers als Monarchist passt zu dem dilatorischen Engagement des Bayerischen Heimat- und Königsbundes für die Unterstützung von Horlachers Landtagskandidatur 1924.

Während der Bayerische Heimat- und Königsbund seine Mitglieder aufforderte, die Kandidatur von Ludwig Rieß „mit allen Kräften“ zu unterstützen, wurde Horlachers Name lediglich kommentarlos in einer Liste mit monarchistischen Abgeordneten geführt (In Treue fest! vom 31. März 1924).

419 Vgl. WEIß, Kronprinz Rupprecht, 203f.

420 Regensburger Anzeiger vom 21. November 1921.

dienen, daß wir uns aber auch das Andenken an das angestammte Haus Wittelsbach nicht aus dem Herzen reißen lassen sollen, so sehr wir Verständnis dafür haben, daß im Norden des Reiches republikanische Neigungen mehr Platz greifen, angesichts der liebenswürdigen Behandlung der Katholiken durch das Haus Hohenzollern“421. Nach der innenpolitischen Stabilisierung seit dem Hitlerputsch hatte die Frage der Staatsform für die BVP zugunsten der Behauptung der Länderrechte an Bedeutung verloren422. Die monarchistische Bewegung kann zu diesem Zeitpunkt für Horlacher nur ein Minimum an Attraktivität besessen haben.

Horlacher ordnete die Frage der Staatsform eindeutig wirtschafts- und parteipolitischen Erwägungen unter. Während er als Reichstagsabgeordneter aus taktischen Erwägungen die Annäherung der BVP an das deutlich republikanischere Zentrum forcierte423, wurden diese Annäherungsversuche von Enoch Freiherr von Guttenberg (1893–1943), der 1927 die Führung des Bayerischen Heimat- und Königsbundes übernommen hatte und der DNVP nahe stand, misstrauisch beobachtet424. Deshalb ist es auch fraglich, ob Horlacher neben Schäffer und Alois Hundhammer (1900–1974)425 tatsächlich zu den jüngeren Politikern der BVP gehörte, die nach Karl-Otmar von Aretins Darstellung seit 1930 die Annäherung an den Bayerischen Heimat- und Königsbund betrieben hatten426 – zumal er dem Kreis um Schäffer, dessen Monarchismus zu dieser Zeit über jeden Zweifel erhaben schien427, distanziert

421 BK vom 19. September 1927.

422 Vgl. WIESEMANN, Vorgeschichte, 208f.; KRAUS, Umtriebe, 635–655; GARNETT, Lion, 137–148.

423 BayHStA, NL Held 517, Merck an Schlittenbauer, 18. Oktober 1926.

424 Vgl. ARETIN, Regierung, 67f.

425 Bauernvereinsfunktionär und Abgeordneter der BVP, katholisch, geboren am 25. Februar 1900 in Forstinning als Sohn eines Bauern, Besuch des erzbischöflichen Knabenseminars in Scheyern, anschließend Besuch des humanistischen Gymnasiums in Freising, seit Sommer 1918 Kriegsteilnehmer, im Frühjahr 1919 als Mitglied eines Freikorps bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt, seit 1919 Studium der Geschichte und Nationalökonomie an der LMU, 1923 Promotion zum Dr. phil. bei dem Historiker Karl Alexander von Müller (Thema der geschichtswissenschaftlichen Dissertation: Die Geschichte des Bayerischen Bauernbundes), 1926 Erwerb des volkswirtschaftlichen Doktortitels (Thema der volkswirtschaftlichen Dissertation: Die landwirtschaftliche Berufsvertretung in Bayern), 1923 bis 1927 Referent bei der Kreisbauernkammer Oberbayern, 1928 Berufung zum hauptamtlichen Stellvertretenden Generalsekretär des BV, seit 1932 MdL als jüngster Abgeordneter der BVP, Vorsitzender der Agrarpolitischen Studiengesellschaft München, im Frühjahr 1933 Mitglied der Reichsführergemeinschaft des deutschen Bauernstandes, welche die Gleichschaltung der Agrarorganisationen vorbereiten sollte, kurz vor der drohenden Gleichschaltung des BV Ernennung zu dessen Generalsekretär, 1933 Internierung im KZ Dachau und Verlust der beruflichen Stellung, seit 1939 Kriegsteilnehmer am Zweiten Weltkrieg, nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft Mitglied der CSU, in den parteiinternen Flügelkämpfen auf Seiten Schäffers gegen den Bauernflügel um Michael Horlacher und den Flügel um Josef Müller, 1945 Übernahme des Landwirtschaftsministeriums durch Horlacher vereitelt, 1946 Mitglied der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946 bis 1950 bayerischer Kultusminister, 1946 bis 1970 MdL für die CSU, 1946 bis 1951 Fraktionsvorsitzender der CSU, 1951 bis 1954 Landtagspräsident, l957 bis 1969 bayerischer Landwirtschaftsminister, 1964 bis 1969 Stellvertretender Ministerpräsident, gestorben am 1. August 1974. Zu Hundhammer vgl. BRAUN, Existenz, 47–69.

426 Aretin nennt jedoch keine Quellen für seine Information. Vgl. ARETIN, Regierung, 71; ferner WEIß, Geschichte, 23, ENDRES, Heimat- und Königsbund, 428 und FÖRSTER, Harnier-Kreis, 91f., die Horlacher unter Berufung auf Aretin zu den Protagonisten der Annäherung zwischen BVP und Bayerischem Heimat- und Königsbund zählen und Horlachers monarchistischen Ruf dadurch verfestigten.

427 Vgl. ARETIN, Regierung, 67.

gegenüber stand428. Die Frage der Monarchie gewann für Horlacher erst wieder als Alternative zur nationalsozialistischen Diktatur an Bedeutung429.

Tatsächlich besaß Horlacher keine emotionale Bindung an das Haus Wittelsbach. Als er 1931 für eine Sonderausgabe der Zeitschrift Das Bayerland zur Erinnerung an den letzten bayerischen König über dessen Beziehungen zur Landwirtschaft schreiben sollte, kam er seiner Aufgabe pflichtgemäß nach. Er würdigte zwar dessen agrarpolitische und landwirtschaftlich-technische Verdienste, blieb jedoch distanziert und kühl. Stereotypisch schrieb er von der „Verbundenheit des bayerischen Volkes mit dem Wittelsbacher Herrscherhaus“, erinnerte daran, dass Ludwig als ausübender Landwirt „den Herzen unseres Bauernvolkes“ besonders nahe gestanden sei und erläuterte die Vorbildlichkeit des agrarpolitischen Wirkens Ludwigs. Nirgends ging sein Artikel über die monarchistische Phraseologie hinaus, die er seinen Lesern zu schulden glaubte430. Nach dem Zweiten Weltkrieg erblickte er in monarchistischen Plänen jedoch nicht nur eine politische Träumerei, sondern auch eine potentielle Gefährdung der innenpolitischen Stabilität. Nachdem er sich zunächst noch abwartend und zurückhaltend verhalten hatte, kam er schließlich zu einer eindeutig ablehnenden Haltung431. Horlacher stellte die Stabilität des Staates über die Frage der Staatsform – nur ein innenpolitisch stabiler Staat konnte die Gewähr für eine ruhige wirtschaftliche Entwicklung bieten.

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