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Vom Weltkrieg zum Wirtschaftskrieg

III. Eine Kriegskarriere an der Heimatfront (1914–1918)

5. Vom Weltkrieg zum Wirtschaftskrieg

Als sich die rivalisierenden bayerischen Agrarverbände gleichsam in Lauerstellung auf das Ende des Krieges und die zu erwartenden politischen Umbrüche vorbereiteten, hatte sich Horlacher als Wirtschaftsredakteur der MAAZ bereits seit Ende des Jahres 1917 Gedanken über die Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit gemacht. In der Weihnachtsausgabe der MAAZ drückte er die Hoffnung aus, dass es gelingen werde, durch die Friedensgespräche mit dem bolschewistischen Russland „eine gewaltige Bresche in das anglo-amerikanische System des Wirtschaftskrieges nach dem Kriege zu legen“. Berührungsängste mit dem revolutionären Regime in Russland zeigte er nicht. Horlacher war vielmehr der Meinung, dass sich das Deutsche Reich als Industriestaat und Russland als Agrarstaat handelspolitisch hervorragend ergänzten. Die Wiederaufnahme der deutsch-russischen Handelsbeziehungen sah er als die Voraussetzung für den „Wirtschaftsfrieden“ nach dem erhofften Sieg im „Wirtschaftskrieg“

gegen England. Wie diese wirtschaftspolitische Friedensordnung aussehen sollte, konnte aber auch Horlacher nicht sagen. An den protektionistischen handelspolitischen Positionen der Protagonisten eines Siegfriedens störte ihn die „Überspannung übertrieben alldeutscher Forderungen“ und die Vorstellung „eines sich selbst genügsamen und mächtigen nationalen Staatslebens“. Die freihändlerischen Verfechter eines Verständigungsfriedens kritisierte er, da sie immer noch der „spekulativen wirtschaftspolitischen Denkungsart von der Fortbildung

‚weltwirtschaftlicher Beziehungen‘“ anhingen, während er ihnen die „grundverschiedene Denkungsweise einer ,historisch-politischen‘ einzelstaatlichen Auffassung“ gegenüberstellte.

Darunter verstand Horlacher die Orientierung an der „Politik des ‚Möglichen‘, des

‚Erreichbaren‘“. Schließlich drückte er die Hoffnung aus, „daß die praktische Auffassung der weltwirtschaftlichen Notwendigkeiten im Leben der Völker allmählich zur herrschenden wird“197. Indem er die „Politik des ,Möglichen‘“ im Rahmen einer „historisch-politischen“

Staatsauffassung propagierte, wandelte er wissenschaftspolitische Kampfbegriffe, welche er dem Begriffsarsenal der „jüngeren historischen Schule“ zur Verteidigung der induktiven Methodik im „Methodenstreit“ entnahm, ab, um die herrschenden sozioökonomischen Verhältnisse zu verteidigen und dadurch zu ideologisieren.

Als Horlacher am 19. Januar 1918 seine Vorstellungen über die Nachkriegswirtschaft unter der Überschrift „Grundlinien der Übergangswirtschaft“ in der MAAZ präzisierte, zeigte sich, wie stark seine Wende zum Protektionisten vom Erlebnis der wirtschaftspolitischen Implikationen des Weltkrieges verursacht worden war. Denn angesichts des erwarteten Kriegsendes neigte er wieder mehr freihändlerischen Positionen zu. Er forderte nun eine stärkere Förderung der Exportindustrie, wobei er ganz selbstverständlich von einer gleichberechtigten Einbindung des Deutschen Reiches in die Weltwirtschaft nach dem Kriege

197 HORLACHER, Wirtschaftsfriede (25. Dezember 1917), 7.

ausging198. Diese ansatzweise Rückkehr zu wirtschaftsliberalen Positionen fand ihr Ende, als Horlacher die Geschäftsführung der „Handelspolitischen Vereinigung der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns einschließlich Müllerei und Mälzerei“

übernahm. In der Propaganda gegen die Zollunion mit Österreich-Ungarn war es seine Aufgabe, agrarprotektionistische Positionen zu vertreten. Die letztlich zutreffende Prognose des jüdischen Volkswirts Julius Wolf (1862–1937), wonach die Landwirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg wegen einer zu erwartenden Inflation ohnehin geschützt sei, Lebensmitteleinfuhren aber aus Gründen des Mangels notwendig sein würden, wies er als

„grundsätzlichen Fehler“ zurück. Angesichts der nicht mehr zu übersehenden Produktionsprobleme der Landwirtschaft handelte es sich deshalb entweder um Selbsttäuschung oder bewusste Fehlinformation der Öffentlichkeit, wenn Horlacher die These von der unvergleichlichen Leistungsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft nun im Hinblick auf das Kriegsende wieder nachdrücklicher vertrat und Ende September 1918 von einem zu erwartenden Überfluss an Nahrungsmitteln nach dem Krieg ausging, weshalb er an der Wiedereinführung der Schutzzölle festhalten wollte199.

Während der Misserfolg des uneingeschränkten U-Bootkrieges bereits abzusehen war200 und die erstaunten deutschen Soldaten in der erfolgreichen Frühjahrsoffensive die gefüllten Speisekammern der feindlichen Schützengräben eroberten201, wollte Horlacher am ernährungspolitischen Horizont geradezu verzweifelt den Schimmer eines durch den U-Bootkrieg verursachten „europäisch-nordamerikanischen Nahrungsmittelnotgebietes“

erkennen – wie er am 24. Juli 1918 in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung schrieb.

Beschwörend behauptete er, es „kann und muß einmal unerwartet jener Zeitpunkt eintreten, mit dem eine rapid sich entwickelnde Katastrophe in den Ententeländern eingeleitet wird“. Er hielt mehr hoffend als analysierend an der These fest, dass „die deutsche Landwirtschaft als die weitaus intensivste Landwirtschaft der ganzen Welt den Sieg über ihre Gegner erringen muß“. Da Horlacher jedoch zugeben musste, dass die Lage im Deutschen Reich „infolge der außerordentlichen Anspannung unserer heimischen Nahrungsmittelerzeuger nunmehr schon vier Kriegsjahre hindurch naturgemäß keine günstige sein“ könne, flüchtete er sich angesichts der drohenden militärischen Niederlage in die Hoffnung auf den Durchhaltewillen der deutschen Bevölkerung. Sollte es zu weiteren Einschränkungen in der Nahrungsmittelversorgung kommen, „so wird dies unsere Bevölkerung mit eiserner Willensstärke schon um deswillen ertragen müssen, weil ein anderer Weg zur Überwindung solcher Schwierigkeiten bei der Lage der Dinge nicht zur Verfügung steht“. Die Propagierung

198 HORLACHER, Grundlinien (19. Januar 1918), 4.

199 HORLACHER, Wirtschaftsbündnis (22. September 1918), 1f.

200 Vgl. MÄRZ, Weltkrieg, 123–125.

201 Vgl. MÄRZ, Weltkrieg, 214–218.

nationalistischer Stereotype und irrationaler Hoffnungen war nun vollends an die Stelle wissenschaftlicher Analyse getreten202.

Erst nach Kriegsende rang sich Horlacher zu einer nüchternen Betrachtung der deutschen Kriegswirtschaft durch, als er sich im Auftrag der Wirtschaftspolitischen Vereinigung der Landwirtschaft und Agrarindustrie Bayerns in einer statistischen Monographie mit dem Titel Der Wiederaufbau der deutschen Volkswirtschaft mit den Folgen von Krieg und Revolution beschäftigte203. Nun erkannte er, dass der Weltkrieg eine

„weltwirtschaftliche Krisis von ungeheurer Tragweite für Deutschland“ heraufbeschworen hatte. Denn er hatte die Verschärfung des Handelskrieges durch den uneingeschränkten U-Bootkrieg erkannt204. Es war den Vereinigten Staaten und Japan während des Ausbleibens deutscher Waren gelungen, eine eigene „Fertigfabrikateindustrie“ aufzubauen205. Die deutsche Volkswirtschaft aber sei durch den Krieg erschöpft, die Friedensvorräte aufgebraucht oder vernichtet, die Währung durch die kriegsbedingte Steigerung des Notenumlaufs, die Lohnforderungen der Arbeitnehmer und die Reparationen entwertet206. Da Horlacher den Weltkrieg stets als Defensivkrieg des Deutschen Reiches gegen die weltwirtschaftliche Aggression der Ententestaaten betrachtet hatte, interpretierte er die Friedensbedingungen der Entente als Fortsetzung des Wirtschaftskrieges gegen das Deutsche Reich. Während die „englische Einkreisungspolitik“ die wirtschaftliche Vernichtung Deutschlands auch nach dem Krieg zum Ziel habe207, sei der „rachedürstige französische Imperialismus“ für die Gebietsabtretungen und die Reparationen verantwortlich208. Bedroht sah Horlacher das Deutsche Reich auch durch ein „großes slavisches Wirtschaftsgebiet“ im Osten des Deutschen Reiches, welches die „kontinentale Abschnürung“ des deutschen Wirtschaftsgebietes zu vervollständigen drohte209. In dieser Situation hoffte Horlacher auf die wirtschaftspolitische Einsicht der Vereinigten Staaten in die Notwendigkeit eines deutschen Absatzmarktes, denn „letzten Endes dürfte der Vernichtungswille eines Volkes gegenüber einem anderen Volke an der Stelle Halt machen, wo der Vorteil des Siegers Schaden nehmen kann“210. Dabei stützte Horlacher seine Hoffnungen auf das vierzehn Punkte umfassende Programm, das der amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson (1856–1924) als Grundlage für einen Friedensschluss am 8. Januar 1918 vorgestellt hatte und in dem auch die zukünftige weltwirtschaftliche Gleichheit der Handelsbeziehungen gefordert worden war211. Dabei

202 HORLACHER, Nahrungsmittelbilanz (24. Juli 1918), 3, und HORLACHER, Nahrungsmittelbilanz (25. Juli 1918), 3.

203 Er stellte sie im März 1919 fertig (HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 3).

204 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 30.

205 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 37–49.

206 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 8–15.

207 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 8.

208 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 21–26.

209 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 33–36.

210 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 49.

211 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 49–51.

definierte es Horlacher als Ziel zukünftiger deutscher Wirtschaftspolitik, dass sich das Deutsche Reich „den ihm gebührenden Platz in der Welt“212 zurückerobere, den sich

„unermüdlicher deutscher Unternehmergeist“ vor dem Weltkrieg erobert habe213.

Während dieses Werk Horlachers in der von Heim herausgegebenen Volkswirtschaftlichen Beilage des Bayerischen Kurier als „zuverlässiges Gemälde unserer wirtschaftspolitischen Lage nach der Revolution“214 gelobt wurde, war es bald nach seinem Erscheinen überholt – als der Entwurf des Friedensvertrages der Entente bekannt geworden war215. Horlacher war bestürzt. Der Versailler Friedensvertrag wirkte als Schock, der ihn aus dem „Traumland der Waffenstillstandsperiode“216 herausriss. In der dem Deutschen Reich einseitig auferlegten Forderung nach handelspolitischer Meistbegünstigung sah er eine Umkehrung von Wilsons Forderung und eine „feindselige Ausnahmebehandlung des Deutschen Reiches auf dem Gebiete der inneren und äußeren Handels- und Wirtschaftpolitik, wie man sich dies nicht denken kann“. Dadurch werde versucht, das Deutsche Reich „nach dem Willen des Auslandes zu dirigieren“217. In den Gebietsabtretungen im Osten und Westen und den von Frankreich geforderten Viehlieferungen – allein 90.000 Milchkühe innerhalb drei Monaten – erblickte er den Versuch, das Deutsche Reich von ausländischen Lebensmittelimporten abhängig zu machen218. Horlacher urteilte deshalb, dass der Vertragsentwurf der „letzte und entscheidende Generalangriff der Entente gegen alle Glieder unseres Volkes und gegen alle Zweige unserer Volkswirtschaft“219 sei. Der Versailler Vertrag galt ihm deshalb als Fortsetzung des „schärfsten Wirtschaftskrieges“, da die Entente das Deutsche Reich als „Erzeugerland“ ausschalten und als „Verbraucherland“ ausbeuten wolle220. Als Hauptredner auf dem Verbandstag der bayerischen Raiffeisengenossenschaften kritisierte er am 29. Oktober 1919 den „Machtfrieden von Versailles“221, in dem er ein „bis ins kleinste ausgedachtes System der wirtschaftlichen Erpressung“222 und einen

„Vernichtungsplan unserer Feinde“223 sah. Das Ziel des Versailler Vertrages bestand für

212 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 118.

213 HORLACHER, Wiederaufbau (1919), 55–72.

214 Volkswirtschaftliche Beilage vom 13. Juli 1919.

215 Wirtschaftspolitische Relevanz besaßen in den Friedensbedingungen die umfangreichen Gebietsabtretungen im Osten und Westen, die Kontrolle des Verkehrs- und Nachrichtenwesens durch die Entente, die wirtschaftliche Angliederung des Saargebietes an Frankreich für einen Zeitraum von 15 Jahren, die militärische Besetzung des Rheinlandes, die Verkleinerung der Handelsflotte, umfangreiche finanzielle und materielle Reparationen und die vom Deutschen Reich abverlangte Einführung der Meistbegünstigung auf fünf Jahre. Vgl. MÄRZ, Weltkrieg, 253–283.

216 Ernst Troeltsch (1865–1923, evangelischer Theologe und liberaler Politiker) zit. nach BIEBER, Bürgertum, 232.

217 HORLACHER, Landwirtschaft (6. Juni 1919), 7f.

218 HORLACHER, Landwirtschaft (6. Juni 1919), 2–6.

219 HORLACHER, Landwirtschaft (6. Juni 1919), 8.

220 HORLACHER, Volksernährung (26. Juni 1919), 258.

221 HORLACHER, Zukunft (1919), 7.

222 HORLACHER, Zukunft (1919), 10f.

223 HORLACHER, Zukunft (1919), 16.

Horlacher darin, die „Hungerblockade“ fortzusetzen. Die wirtschaftspolitischen Restriktionen des Versailler Vertrages bedeuteten für ihn eine „gewaltige Verteuerung der Lebenshaltung, weil wir dann bei dem schlechten Stand der Valuta die hohen Weltmarktpreise für diese Zuschusslieferungen anlegen müssen“224. Nach dem Urteil Horlachers waren die Ausgangsbedingungen des Deutschen Reiches für die Weiterführung des Wirtschaftskrieges nach der Einstellung der Kampfhandlungen denkbar ungünstig: „Das angelsächsische Element ist zum Beherrscher Europas und der ganzen Welt geworden, der Deutsche kann und muß in Arbeit und Dienstknechtschaft sein Diener sein. Diese Ausblicke in unsere politische und wirtschaftliche Zukunft lassen einem die Ergebnisse von noch so vielen Hunderten von Untersuchungskommissionen über die Schuld am Weltkriege gleichgültiger werden.“225

War Horlacher im März 1919 noch in der Lage gewesen, eine deutsche Schuld zumindest an der Verschärfung des Handelskrieges einzugestehen, so führten die Friedensbedingungen zur Verhärtung seiner Überzeugung von der Unschuld des Deutschen Reiches am Weltkrieg. Horlacher war überzeugt, dass „englischer Handelsneid, französische Rachsucht und russisches Machtstreben“ es gewesen waren, die dem Deutschen Reich den Krieg aufgedrängt hätten, da es durch „seine geistige Führerrolle auf vielen Gebieten der Technik und der Wissenschaft sich ein naturgemäßes Anrecht auf erhöhte weltwirtschaftliche und koloniale Bedeutung erworben“ habe226. Empört wies er deshalb am 26. April 1923 im bayerischen Landtag den Kriegsschuldparagraphen des Versailler Friedensvertrages zurück.

Denn aus ihm „erwuchsen die Zahlungsultimaten, daraus erwuchsen die Reparationszahlungen und daraus erwuchsen naturgemäß die imperialistischen Bestrebungen Frankreichs, die wir heute in der Ruhrbesetzung vor uns sehen. Die Zerstörungswut unserer Feinde gegenüber dem deutschen Wirtschaftskörper ist eine systematische, eine geschlossene, ist ein wohldurchdachtes Ganzes.“227 Horlacher fällt mit dieser Argumentation nicht aus dem Rahmen des zeitgenössischen politischen Diskurses im Deutschen Reich. In der Weimarer Republik war die Ablehnung des Versailler Friedensvertrages „der dauerhafteste Kitt dieses Staatswesens“228, dem ein politischer und sozialer Grundkonsens ansonsten fehlte. Der Versailler Friedensvertrag einte die zerstrittenen politischen Lager in der Negation. Über die Parteigrenzen hinweg fühlte sich die deutsche Bevölkerung in ihrer überwiegenden Mehrheit von den Friedensbedingungen bestraft229. Die Revision des Versailler Vertrages war deshalb auch für Horlacher unumgänglich: „Beseitigung, Reinigung des Weltgewissens von der elenden Lüge der Alleinschuld Deutschlands am Kriege und damit Sturz des Versailler Diktates, das auf dieser Lüge aufgebaut ist, sind die Grundvoraussetzungen für ein

224 HORLACHER, Zukunft (1919), 14–16.

225 HORLACHER, Zukunft (1919), 21f.

226 HORLACHER, Wirtschaftslage (20. September 1919).

227 Verh. d. Bay. Landtags 1920–1924. Sten. Ber. Bd. 8, Sitzung am 26. April 1923, 212.

228 SALEWSKI,Revisionssyndrom, 15.

229 Vgl. SALEWSKI,Revisionssyndrom, 19; KRUMEICH, Aspekte, 915f.

Wiedergesunden des gesamten deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft.“230 Horlacher war ein Gegner jeder „Erfüllungspolitik“, jener Taktik, die Unerfüllbarkeit der Friedensbedingungen durch größtmögliche Anstrengungen um genaue Befolgung zu beweisen. Als das Ruhrgebiet durch Frankreich und Belgien im Januar 1923 besetzt wurde, nachdem das Deutsche Reich mit der Zahlung der Reparationen in Rückstand geraten war, bezeichnete es Horlacher als Fehler, durch „größtmögliche Leistungen unsere Gegner zur Nachsicht gegen uns zu bringen, ohne die politischen Ziele des rachedürstigen Feindes im Westen irgendwie aufzuhalten“. Horlacher stellte sich deshalb hinter den von der Reichsregierung propagierten passiven Widerstand der dortigen Bevölkerung. In der Landesbauernkammer äußerte Horlacher am 14. Februar 1923 die Ansicht, dass das Deutsche Reich nun einen „Abwehrkampf“ gegen Frankreich führen müsse231. Er war der Meinung,

„daß heute die wichtigste Frage in unserem Vaterlande ist, ob es gelingt, gemeinsam durch Verantwortungsgefühl und Opfersinn in der Etappe die Front im Westen aufrechtzuerhalten“232.

Horlacher war einer derjenigen, welche den Versailler Friedensvertrag als solchen nicht akzeptierten, und für die der Kriegszustand weiter bestand233. Horlacher interpretierte den Weltmarkt als permanenten Wirtschaftskrieg, auf dem sich das Deutsche Reich aufgrund seiner Schwächung durch Krieg und Friedensvertrag defensiv verhalten müsse. Das Deutsche Reich sollte deshalb den Industrieexport nicht forcieren, da dies „neue politische Verwicklungen mit dem Ausland bringen würde, das sich naturgemäß gegen eine solche Entwicklung zur Wehr setzen würde“234. Stattdessen sollte die deutsche Wirtschaft durch eine protektionistische Außenhandelspolitik geschützt werden: „Das deutsche Volk muß sich auch in seiner Wirtschaftspolitik von allen internationalen Einflüssen freimachen, wenn es wieder zu seiner alten Größe zurückkehren will.“235 So defensiv diese Vorschläge auch erscheinen, so drückt sich darin doch die latente Bereitschaft zu aggressiveren handelspolitischen Maßnahmen aus – wie Horlacher im Oktober 1919 hintergründig deutlich machte: „Nunmehr haben wir den Kampf um den Platz an der Sonne zunächst verloren.“236 Dagegen sprach Sebastian Schlittenbauer den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Interessen und militärischer Macht offen aus, als er am 22. September 1927 in der Bayerischen Landesbauernkammer äußerte: „[…] wenn wir Deutsche noch 22 Armeekorps hätten, dann

230 HORLACHER, Bedeutung (1923), XXVII.

231 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 2, Sitzung am 14. Februar 1923, 188.

232 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 2, Sitzung am 14. Februar 1923, 195.

233 Nach der Einschätzung Gottfried Niedharts endete die Nachkriegszeit vor allem für die Gegner der Republik erst 1932, als dem Deutschen Reich die prinzipielle Gleichberechtigung in Rüstungsfragen zugestanden wurde.

Vgl. NIEDHART, Anfang, 35.

234 Horlacher zit. nach Mitteilungen der Bay. Landesbauernkammer vom 2. März 1925.

235 HORLACHER, Erhaltung (1924), 5.

236 HORLACHER, Zukunft (1919), 22.

würden wir schnell mit dem Käsezoll fertig sein.“237 Da Horlacher den Kriegszustand nicht als beendet betrachtete, ist auch seine Sprache bis zum Ende der Weimarer Republik von einer starken Militarisierung geprägt. Als er 1925 seine Unzufriedenheit mit der Höhe der wieder eingeführten Agrarzölle ausdrücken wollte, mahnte er die „bei der Landwirtschaft fehlende Rüstung gegenüber dem Auslande“238 an. Dabei warnte er: „Wer durch eine falsche Wirtschaftspolitik dem deutschen Volke die wirtschaftliche Wehrhaftigkeit raubt, begeht Verrat am Vaterland und vernichtet Millionen von Existenzen, insbesondere auch aus den Reihen der Arbeiterschaft. Deutschlands Lage in Europa – meist umgeben von Feinden – erfordert die Erhaltung einer starken binnenländischen deutschen Volkswirtschaft.“239

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