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IV. Als Protagonist der Ordnungszelle Bayern (1919–1924)

4. Im Netzwerk der Revisionisten

Wie sich bereits an Horlachers Engagement für die Einwohnerwehren zeigte, war Horlacher einer jener zahlreichen Akteure des revisionistischen Netzwerkes der Ordnungszelle Bayern, die zwar nicht im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit standen, die jedoch maßgeblich zur Stützung der Kahr’schen Ordnungspolitik beitrugen. Auf die Stellung Horlachers in diesem Netzwerk muss deshalb näher eingegangen werden. Der 31jährige Horlacher war während des Weltkrieges an der Heimatfront auf seiner Karriereleiter eine Sprosse nach der anderen vorangekommen. Mittlerweile gehörte er als Büroleiter des Zweckverbandes der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns zur politischen Elite im Freistaat. Als solcher wurde er eingeladen, neben dem nationalkonservativen Historiker Karl Alexander von Müller (1882–1964)184 und dem partikularistischen Publizisten Karl Graf Bothmer (1881–1947)185,

178 Karl Friedrich Speck (Vorsitzender der BVP) am 11. Juni 1920 zit. nach SCHÖNHOVEN, Bayerische Volkspartei, 40.

179 BayHStA, NL Kahr 51, Lebenserinnerungen Gustavs von Kahr, 871.

180 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 1, Sitzung am 6. November 1920, 1f.

181 BayHStA, MA 102147, Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Neuburg und Schwaben, 17.

Februar 1921.

182 Zur Auflösung der Einwohnerwehren vgl. SPECKNER, Ordnungszelle, 153–197; NUßER, Wehrverbände, 207–

210; LARGE, Politics, 66–76; KEßLER, Held, 423–427; vor allem auch SCHWEND, Bayern, 170, der die Rolle der BVP in seiner Geschichte der bayerischen Regierungspolitik zwischen 1918 und 1933 zwar stets zu beschönigen versucht, dessen Darstellung aufgrund des persönlichen Miterlebens jedoch einen – quellenkritisch zu würdigenden – hohen Informationswert besitzt.

183 Vgl. NUßER, Wehrverbände, 103f.; ZIEMANN, Front, 394–413.

184 Historiker, katholisch, geboren am 20. Dezember 1882 in München als Sohn des bayerischen Kultusministers Ludwig August von Müller, Studium der Geschichte und Rechtswissenschaften an der LMU, 1908 Promotion

als Dozent für die Aufklärungsabteilung des Bayerischen Reichswehrgruppenkommandos 4 tätig zu werden, um Vertrauensmänner zu schulen, welche die politischen Parteien überwachen und die Soldaten im antirevolutionären Sinne beeinflussen sollten186. Unter den von Hauptmann Karl Mayr (1883–1945)187, dem Leiter der Aufklärungsabteilung, ausgewählten Soldaten befand sich auch Adolf Hitler, der an dem ersten von zwei Kursen teilnahm, der vom 5. bis zum 12. Juni 1919 in den Räumen der Ludwig-Maximilians-Universität stattfand und die Vertrauensmänner auf ihre Aufgabe vorbereiten sollte188. Horlacher sprach während dieses Kurses am 10. und 11. Juni über „Unsere wirtschaftliche Lage und die Friedensbedingungen“189. Dabei hatte Horlacher den von Bothmer aufgestellten Richtlinien zu genügen. Er sollte „antibolschewistische Propaganda“ betreiben, um die Vertrauensmänner „im Dienste einer unpersönlichen Staatsordnung“ zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung gebrauchen zu können. Er sollte seinen Zuhörern die Bedeutung der wirtschaftspolitischen Autarkie für die außenpolitische Unabhängigkeit des Deutschen Reiches vermitteln und sie auf die Gefahren des Kapitalismus aufmerksam machen190. Horlacher war stolz darauf, von Mayr für diese Aufgabe ausgewählt worden zu sein, wie er auf der Generalversammlung des Zweckverbandes der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns deutlich machte: „Auf Veranlassung des Reichswehrgruppenkommandos hielt der

zum Dr. phil., seit Kriegsbeginn gemeinsam mit Paul Nikolaus Cossmann Herausgeber der Süddeutschen Monatshefte, 1917 Habilitation, Schwager des nationalsozialistischen Volkswirtes Gottfried Feder, der ihn mit Hitler bekannt machte, 1928 Berufung zum Ordinarius für bayerische Landesgeschichte an der LMU, Mai 1933 Beitritt zu NSDAP, als Herausgeber der Historischen Zeitschrift einer der einflussreichsten Historiker des Dritten Reiches, seit 1936 Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften nach der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten, 1945 Zwangsemeritierung und Entlassung aus allen außeruniversitären Ämtern, gestorben am 13. Dezember 1964. Zu Müller vgl. GOLLWITZER,Karl Alexander von Müller, 295–322.

185 Journalist, geboren am 28. März 1881, Studium der Nationalökonomie in München, Schüler Lujo Brentanos, vor dem Krieg Anhänger liberaler Ideen, während des Ersten Weltkrieges Abwendung von Brentanos Liberalismus und Hinwendung zu alldeutschen Zielen, nach dem Ersten Weltkrieg Mitglied der rechtsradikalen und antisemitischen Thule-Gesellschaft und Redakteur der rechtspopulistischen Münchener Zeitung, im

„Heimatdienst Bayern für Wiederaufbau“ für die Erhaltung der Einwohnerwehren tätig, 1919/1920 enger Kontakt mit Georg Heim, Protagonist einer engen Annäherung an Frankreich zur Durchsetzung radikalpartikularistischer Absichten, Kontakt mit rheinischen Separatisten, 1920 Beitritt zur BVP, nach dem Bruch mit Heim Übertritt zur Bayerischen Königspartei, seither Annäherung an die NSDAP, gestorben am 15.

April 1947. Zu Bothmer vgl. HOSER, Münchner Tagespresse, 40f. und 56–60; SCHWEND, Bayern, 66–68.

186 Zur Funktion dieser Vertrauensmänner vgl. DEUERLEIN, Eintritt, 178f.

187 Offizier, geboren am 5. Januar 1883 in Mindelheim, Besuch des humanistischen Gymnasiums, seit 1901 Fahnenjunker im 1. Bayerischen Infanterieregiment in München, 1903 Beförderung zum Leutnant, seit 1911 Oberleutnant, Kriegsteilnehmer an der Westfront, 1915 Beförderung zum Hauptmann, seit 30. Mai 1919 Leiter der Aufklärungsabteilung des Bayerischen Reichswehrgruppenkommandos 4, am 8. Juli 1920 wohl wegen seiner Verbindungen zu den Putschisten um Kapp Entlassung aus dem Militärdienst als Major, seit 1925 Mitglied der SPD, Redakteur beim Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, 1933 Emigration nach Frankreich, gestorben am 9.

Februar 1945 im KZ Buchenwald. Zu Mayr vgl. ZIEMANN, Wanderer, 273–285.

188 Die Zuweisung Hitlers zum ersten der beiden Kurse geht auf DEUERLEIN, Eintritt, 182 zurück. Danach ist die Teilnahme Hitlers an diesem Kurs zwar nicht eindeutig belegbar, da Teilnehmerlisten fehlen. Deuerlein stützt sich aber auf Karl Alexander von Müller, der sich an eine Begegnung mit Hitler anlässlich eines dieser Kurse erinnerte. Müller dozierte aber nur im ersten Kurs.

189 Vgl. JOACHIMSTHALER, Hitler, 242. Von Horlachers Vortrag ist nur der Titel, nicht aber der Inhalt überliefert, der jedoch mit demjenigen seiner zeitgleichen Publikationen übereinstimmen dürfte.

190 Erfahrungsbericht Bothmers vom 25. Juli 1919, in: JOACHIMSTHALER, Hitler, 235–240.

Hauptgeschäftsführer zur Instruktion der Mannschaften mit großem Beifall aufgenommene Vorträge über die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Landwirtschaft.“191

Glaubt man Hitlers Mein Kampf, so wirkte dieser Kurs nicht nachhaltig auf ihn192. Von den Dozenten wollte er sich allein an Gottfried Feder (1883–1941)193 erinnern194. Obwohl die Bedeutung des Kurses für die Ausprägung des politischen Weltbildes Hitlers deshalb umstritten ist, betont Ian Kershaw die Tatsache, dass Hitler in diesem Kurs erstmals politische Bildung professionell vermittelt wurde – und zwar mit nationalkonservativer und antisemitischer Tendenz195. In diesem Sinne konnte auch Horlachers Vortrag auf Hitler wirken. Wenn Hitler mit Judenhass und Antimarxismus auch bereits vorher in Berührung gekommen war, so bildeten doch rassistischer Antisemitismus und Antimarxismus erst seither eine Konstante in Hitlers politischem Weltbild, der sich sämtliche Politikfelder unterzuordnen hatten196. Hitler war deshalb nicht zuletzt von der antiliberalen politischen Kultur im damaligen München als Zentrum der Ordnungszelle geprägt, die aus politischer Verunsicherung zu ideologischen Überreaktionen im antimarxistischen und antisemitischen Sinne führte197 – und Horlacher war ein Teil dieser politischen Kultur, zu deren ideologischer Stabilisierung er mit seinen Publikationen beitrug, die in dieser Zeit von antimarxistischer Revolutionskritik, antisemitischen Phrasen und revisionistischer Verfassungspolemik geprägt waren198.

Horlacher war integriert in jenes sozial- und verfassungspolitisch revisionistische Netzwerk, in dessen Zentrum Georg Heim wie eine Spinne saß. Karl Alexander von Müller und Heim waren beide Mitglieder des Geheimbundes Gäa, der sich unter der Führung des zum Katholizismus konvertierten Juden Paul Nikolaus Cossmann (1869–1942)199 der

191 BBV-Herrsching, Landwirtschaftlicher Verein KC/Unterfranken 1.667, Generalversammlung des Zweckverbandes der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns am 13. April 1920.

192 HITLER, Kampf, 219. FEST, Hitler, 164f. gibt jedoch zu Bedenken, dass Hitler in seinem „durchgängigen Bestreben, alle bestimmenden Einflüsse zu leugnen oder doch abzuschwächen“ die Bedeutung der Veranstaltung bewusst heruntergespielt habe.

193 Bauingenieur und nationalsozialistischer Wirtschaftstheoretiker, geboren am 27. Januar 1883 in Würzburg als Sohn eines Regierungsdirektors, Studium an den Technischen Hochschulen in München, Charlottenburg und Zürich, seit 1918/1919 Mitglied des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes, der Thule-Gesellschaft, des Germanen-Ordens und der (NS)DAP, volkswirtschaftlicher Autodidakt, 1919 Veröffentlichung des antikapitalistischen und antisemitischen Manifests zur Brechung der Zinsknechtschaft, Mitverfasser des ersten Parteiprogramms der NSDAP, 1923 Teilnehmer am Hitlerputsch, 1924 bis 1936 MdR für die NSDAP bzw. den Völkischen Block, seither Mitglied der Reichsleitung der NSDAP als Wirtschaftsexperte, 1934 Reichskommissar für das Siedlungswesen, 1934 zur Aufgabe aller politischen Ämter gezwungen, gestorben am 24. September 1941. Zu Feder vgl. GBBE, 494f.

194 Hitler behauptete in Mein Kampf, dass nur Feders Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft für seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen prägend gewesen sei. Durch dessen Lektüre sei ihm die Notwendigkeit des Kampfes gegen das „internationale Finanz- und Leihkapital“ bewusst geworden (HITLER, Kampf, 220–226).

195 Vgl. KERSHAW, Hitler, 165–170; vgl. dazu auch JOACHIMSTHALER, Hitler, 240.

196 Vgl. JÄCKEL, Weltanschauung, 86 und 93; TYRELL, Trommler; FEST, Hitler, 296.

197 Zur politischen Kultur in der Ordnungszelle Bayern vgl. MENNEKES,Republik; NICHOLLS, Hitler, 99–128.

198 HORLACHER, Zukunft (1919).

199 Publizist, katholisch, geboren am 6. April 1869 als Sohn eines jüdischen Musikers, 1887 bis 1890 Studium der Naturwissenschaften, 1904 Begründer der Süddeutschen Monatshefte, 1905 Konversion zum katholischen Glauben, nach Kriegsende publizistisch hauptsächlich gegen den Kriegsschuldparagraphen tätig, propagierte die

Bekämpfung des Sozialismus und des Kriegsschuldparagraphen des Versailler Friedensvertrages widmete200. Cossmann gab gemeinsam mit Müller die verfassungs- und außenpolitisch revisionistischen Süddeutschen Monatshefte heraus201, die auch Horlacher als Publikationsorgan nutzte202. Müller war der Schwager des nationalsozialistischen Wirtschaftstheoretikers Gottfried Feder. Dessen antisemitisches sowie gleichermaßen antikapitalistisches wie antisozialistisches Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft, das auf die nationalsozialistische Wirtschaftsprogrammatik nachhaltigen Einfluss ausübte203, wurde im Josef C. Huber Verlag in Dießen am Ammersee veröffentlicht, in dem auch Horlacher publizierte204. Der Verlag bewarb Horlachers und Feders Publikationen mit einem gemeinsamen Werbeblatt205. In diesem Verlag publizierte auch der schillernde Bothmer206. Dieser hatte sich unter dem Eindruck des Kriegserlebnisses von seinem akademischen Lehrer Brentano abgewandt207 und schwankte nun zwischen der Sympathie zum Nationalsozialismus und offenem bayerischen Separatismus. Von Heim wurde er benutzt, um Kontakte zu rheinischen Separatisten aufzunehmen und ein partikularistisches Netzwerk zu spannen208. Bothmer war mit dem Publizisten Fritz Gerlich (1883–1934)209, einem fanatischen wirtschaftsliberalen Gegner des Sozialismus, dessen antisozialistischen Publikationen von Horlacher sehr geschätzt wurden210, für den Heimatdienst Bayern für Wiederaufbau – einer Propagandazentrale gegen die Auflösung der Einwohnerwehren211 – tätig. Diesen Heimatdienst unterstützte auch Horlacher als Geschäftsführer des Zweckverbandes der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns212.

Dolchstoßlegende, als nationalkonservativer Gegner Hitlers nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verhaftet, gestorben am 19. Oktober 1942 im KZ Theresienstadt. Zu Cossmann vgl. SELIG, Cossmann.

200 Zur Gäa vgl. SELIG, Cossmann, 46–58.

201 Zu den Süddeutschen Monatsheften vgl. SELIG, Cossmann; SCHÄFER, Gerlich, 62–70.

202 HORLACHER, Lage (1925), 19–27.

203 Vgl. MASER, Frühgeschichte, 185–188.

204 FEDER, Manifest; HORLACHER, Wiederaufbau (1919); HORLACHER, Wert(1920).

205 BBV-Herrsching, Landwirtschaftlicher Verein KC/Unterfranken 1.667, Rundschreiben des Josef C. Huber Verlages, 2. Juni 1919.

206 BOTHMER, Bayern.

207 Vgl. HOSER, Münchner Tagespresse, 65.

208 Vgl. RENNER, Heim (1961), 171–182; SCHWEND, Bayern, 66–68; FENSKE, Konservativismus, 117–123.

209 Journalist, geboren am 15. Februar 1883 in Stettin, Studium der Naturwissenschaften und der Geschichte an der LMU, Kommilitone von Karl Alexander von Müller, Promotion zum Dr. phil. im Fach Geschichte, anschließend im bayerischen Archivdienst tätig, an der gewaltsamen Niederschlagung der Räterepublik beteiligt, seit 1920 auf Betreiben Cossmanns Chefredakteur der MNN, 1923 Angehöriger des engeren Kreises um Generalstaatskommissar Kahr, 1928 Rückkehr in den Archivdienst, trat 1931 unter dem Einfluss der stigmatisierten Therese Neumann aus Konnersreuth zum katholischen Glauben über, seither widmete er sich vor allem mit der Zeitschrift Der gerade Weg dem Kampf gegen Hitler, nach der Machtergreifung von der SA verhaftet und am 30. Juni 1934 ermordet. Zu Gerlich vgl. SCHÄFER, Gerlich.

210 Sten. Ber. Bay. Landesbauernkammer Bd. 1, Sitzung am 11. März 1921, 103–105.

211 Zum „Heimatdienst Bayern für Wiederaufbau“ vgl. HOSER, Münchner Tagespresse, 205–209; SCHÄFER, Gerlich, 91–97.

212 BBV-Herrsching, Landwirtschaftlicher Verein KC/Unterfranken 1.667, Generalversammlung des Zweckverbandes der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns am 13. April 1920.

Gemeinsam mit Gerlich und Eugen Zentz (1870–1945)213, dem Vorsitzenden des

„Heimatdienstes Bayern für den Wiederaufbau“, war Horlacher Ende 1919 Mitglied des gegenrevolutionären Bürgerrates München214. Dieser war am 13. November 1918 von dem Rechtsanwalt Rudolf Meyer-Absberg (1877–1927)215 gegründet worden, um eine bewaffnete Widerstandsorganisation gegen die Gefährdung des bürgerlichen Eigentums durch die Revolutionäre aufzubauen216. Meyer-Absberg vertrat ein Programm, das verfassungspolitisch revisionistisch und antisozialistisch war. Gegen das Streikrecht postulierte er die Pflicht zur Arbeit. Gegenüber dem Klassenbewusststein der Arbeiter propagierte er die harmonisierende

„Gleichberechtigung aller Volksgenossen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“. Das Privateigentum galt ihm als unantastbar217. Nach der Revolution versuchte Meyer-Absberg in enger Zusammenarbeit mit Gerlich, den Bürgerrat München als überparteiliche und überkonfessionelle Sammlungsbewegung gegen die sozialpolitischen Forderungen der Gewerkschaften zu etablieren. Deshalb unterstützte der Bürgerrat München sowohl die Einwohnerwehren als auch die Technische Nothilfe, die der Streikabwehr diente218. Am 3.

Dezember 1918 schloss sich der Bürgerrat München mit verschiedenen Wirtschaftsorganisationen zum Bayerischen Bürgerblock zusammen219. Als Gerlich und Meyer-Absberg am 8. Februar 1920 die Bürgerräte erstmals zu einer landesweiten Tagung zusammenriefen, um den Bayerischen Bürgerblock über München hinaus auszudehnen, waren auch Vertreter der bayerischen Ministerien und des Bayerischen Reichswehrgruppenkommandos 4 anwesend. Der Bayerische Bürgerblock sollte zu einem antisozialistischen Dachverband der bayerischen Wirtschaft umgestaltet werden – wobei sie sich intensiv um die landwirtschaftlichen Organisationen bemühten. Horlacher, der als Vertreter der Landwirtschaft anwesend war, brachte dem Vorhaben großes Interesse entgegen. Denn er hielt die „Bildung eines antisozialistischen Massenblocks“ für unbedingt

213 Industrieller, geboren am 22. März 1870 in Mettingen in Elsaß-Lothringen, Inhaber mehrerer Zigarettenfabriken, 1917 Ernennung zum Geheimen Kommerzienrat, Freimaurer, Förderer der Einwohnerwehren, Vorsitzender des „Heimatdienstes Bayern für Wiederaufbau“, er war „wohl eine der wichtigsten Hintergrundfiguren“ der Ordnungszelle Bayern (NUßER, Wehrverbände, 148), Vorstandsmitglied des Bayerischen Industriellen-Verbandes, 1925 Ehrenbürger der LMU und der Technischen Hochschule in München, gestorben 1945. Zu Zentz vgl. SCHWEND, Bayern, 589; HOSER, Münchner Tagespresse, 80; NUßER, Wehrverbände, 148.

214 Zur Zusammensetzung der Vorstandschaft des Bürgerrates München vgl. BIEBER, Bürgertum, 252.

215 Rechtsanwalt, katholisch, geboren am 1. Juli 1877 in München, Besuch der humanistischen Gymnasien in Regensburg, Hof und München, Studium der Rechtswissenschaften, anschließend Niederlassung als Rechtsanwalt in München, als Reaktion auf die Revolution Initiator des Bürgerrates München, Mitbegründer des Reichsbürgerrates, Erster Präsident des Bürgerrates München, Vizepräsident des Reichsbürgerrates, beteiligt an der gewaltsamen Niederwerfung der Münchner Räterepublik, gestorben am 8. November 1927. Zu Meyer-Absberg vgl. StadtA München, ZA Personen Rudolf Meyer-Meyer-Absberg, Gedächtnisrede von Willy Hermann, 30.

November 1927; StadtA München, ZA Personen Rudolf Meyer-Absberg, Gedächtnisrede von Bertrand Bühler OFM, Stadtpfarrer von St. Gabriel in München, 30. November 1927; MNN vom 10. November 1927.

216 Zur Geschichte der Bürgerratsbewegung in Bayern vgl. KANZLER, Kampf, 69–72; HILLMAYR, Terror, 28–31;

KEßLER, Held, 478; BIEBER, Bürgertum; SCHÄFER, Gerlich, 125–130.

217 Vgl. das von Meyer-Absberg entworfene Reichsbürgerprogramm in: BSZ vom 10. Januar 1920.

218 MAAZ vom 9. Januar 1920 (Abendausgabe). Zur Technischen Nothilfe vgl. KANZLER, Kampf, 76–78.

219 Vgl. KANZLER, Kampf, 70.

notwendig. Seine Ausführungen wurden „sehr beifällig“ aufgenommen. Nach der einstimmigen Annahme einer Resolution, welche dagegen protestierte, den „politischen Verbrechern der räterepublikanischen Revolution“ Amnestie zu gewähren, wurde ein Landespräsidium des Bayerischen Bürgerblocks gewählt, in dem Horlacher als Beisitzer fungierte220. Wie sich Meyer-Absberg am 6. März 1920 beim Bund der Landwirte beklagte, war Horlacher jedoch der einzige der „führenden Männer der größten bürgerlichen Wirtschaftsverbände“, der sich zur Mitarbeit beim Bayerischen Bürgerblock entschließen konnte221. Erst der Kapp-Putsch und die ihm folgenden Unruhen führten zu einem reichsweiten Aufschwung der Bürgerratsbewegung zur Abwehr sozialistischer Streiks, weshalb diese nun auch für die landwirtschaftlichen Organisationen attraktiver wurde222. Seither bezeichnete sich der Bayerische Bürgerblock als „Einheitsblock der Bürger und Bauern“223. Mittlerweile war dem Bayerischen Bürgerblock jedoch im Bayerischen Ordnungsblock eine Konkurrenzorganisation entstanden, welche radikalere wirtschafts- und sozialpolitische Töne anschlug224. Nach heftigen publizistischen Auseinandersetzungen einigten sich die beiden konkurrierenden Organisationen in einem Abkommen zur Zusammenarbeit. Zur Kontrolle des Abkommens wurde ein „Zentralausschuß“ eingerichtet, dem neben Meyer-Absberg auch Horlacher angehörte225.

Durch vielfältige Fäden war Horlacher somit in das Netzwerk aus privaten und halböffentlichen Organisationen eingebunden, die sich dem außen- und verfassungspolitischen Revisionismus verschrieben hatten und die Ordnungszelle Bayern trugen. Während er als Vertreter des Zweckverbandes der landwirtschaftlichen Körperschaften Bayerns in diesen revisionistischen Organisationen – Einwohnerwehren,

„Zivilausschuß der Reichswehr“226, „Heimatdienst Bayern für Wiederaufbau“, Bürgerrat München, Bayerischer Bürgerblock – tätig und über ihre Aktivitäten informiert war, übernahm er jedoch nie eine derart exponierte Position, dass ihm ein Rückzug ohne Gesichtsverlust unmöglich gemacht worden wäre. Ob diese Zurückhaltung in einem Ratschlag Heims begründet war – denn Heim zog es vor, die Fäden aus dem Hintergrund zu ziehen, und Strohmänner vorzuschicken227 – muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls spricht es für die vorsichtige politisch-taktische Klugheit Horlachers.

220 MAAZ vom 9. Februar 1920.

221 BA Koblenz, NL Weilnböck N1327/33a, Meyer-Absberg an den Bund der Landwirte in Bayern, 6. März 1920.

222 Vgl. BIEBER, Bürgertum, 327–342.

223 MNN vom 22. April 1920.

224 Zum Bayerischen Ordnungsblock vgl. KANZLER, Kampf, 72–75; FENSKE, Konservativismus, 166.

225 MNN vom 20. April 1920.

226 Zur Mitgliedschaft Horlachers im „Zivilausschuß der Reichswehr“ vgl. HUNDHAMMER, Berufsvertretung, 128.

227 Vgl. SCHWEND,Bayern, 61–68.

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