4. Mikroökonomische Betrachtungsebene
4.2 Sourcingstrategien und Anforderungen der Automobilhersteller in China
4.2.12 Zusammenfassung der Sourcingstrategien der Automobilhersteller
4.2.12.4 Präferenzen der westlichen Partner
Die Interviews haben ergeben, dass in den nächsten Jahren weitestgehend eine Lokalisierung der Motoren für alle Modelle (ab einem lohnenden Minimalvolumen) erreicht werden soll.
Prinzipiell haben die OEMs keine Vorbehalte gegen die Verwendung chinesischer Zulieferer;
sie hoffen im Gegenteil aus Preisüberlegungen auf deren zunehmende technische Kompetenz, um sie in Zukunft vermehrt einsetzen zu können. Aus den oben genannten Gründen ist es den OEMs bei bestimmten technisch anspruchsvollen Schlüsselkomponenten jedoch derzeit nicht möglich, diese Teile durch chinesische Unternehmen zu beziehen, weil diese zu deren Entwicklung und Herstellung technisch und qualitativ nicht in der Lage sind. So hat BMW zwar die langfristige Strategie, aus Preisgründen zunehmend chinesische Zulieferer aufzubauen und einzusetzen. In der Realität sind zurzeit allerdings fast nur Joint Ventures als Zulieferer für das Werk in Shenyang aktiv, da nur sie die hohen Qualitäts- und Entwicklungsansprüche erfüllen können.
Da viele der Sourcing-Entscheidungen über die Verwendung von Komponenten in China montierter Fahrzeuge im Ausland getroffen werden, haben die lokalen Zulieferer einen strategischen Wettbewerbsnachteil. Ein Manager eines globalen Zulieferers in China sagte:
"You need links to centres like Wolfsburg to be able to get products through. Local suppliers will always struggle with that".74 Ein chinesischer Zeitungsartikel wies 2004 jedoch darauf
72 vgl. KPMG Transaction Services: China Automotive and Component Parts Market. Hongkong: August 2003 73 供好集团/Gonghao jituan, Dezember 2003, a.a.O., eigene Übersetung
74 Brown, Susan: „Chinese suppliers could emerge faster than expected", in: CHINAtalk, 4.April 2004, unter http://www.globalautoindustry.com/CHINAtalkAPR04articles.htm
hin, dass die ausländisch-chinesischen Automobilhersteller-Joint Ventures ihre Lieferanten-auswahl immer seltener auf Unternehmen innerhalb der eigenen Automobilgruppe (在整车集
团内, zai zhengche jituan nei) beschränkten und so unabhängige chinesische Zulieferer neue
Chancen für die Neukundengewinnung hätten. Auch chinesische Automobilhersteller, die neu in die Industrie eingestiegen sind, hätten in den meisten Fällen noch keine bestehende Zulieferbasis (成熟的供应商体系
, chengshu de gongyingshang tixi), was eine weitere Chance für chinesische Zulieferer darstelle.75 Mit dem Wachstum von chinesischen Automobilherstellern wie Geely und Chery, deren Pkw-Produktion im Jahr 2012 voraussichtlich insgesamt 400.000 Einheiten erreichen wird76, wird der Vorteil der lokalen Zulieferer weiter wachsen, da diese den neuen OEMs durch ihre Nationalität und Sprache enger verbunden sind.Als Alternative zu lokalen Lieferanten kooperieren alle globalen OEMs in China mit ausländischen Zulieferern, die die lokale Produktion aufgenommen haben. Die Präferenz der Herkunft dieser ausländischen Zulieferer variiert jedoch je nach kultureller Philosophie der Automobilhersteller.
Suzuki und andere japanische OEMs arbeiten ausschließlich mit japanischen Zulieferern. Sie bemühen und beschäftigen sich laut Eigenaussage nicht um Zulieferer aus anderen Regionen und unterstützen ihre langjährigen Partner aus Japan aktiv bei der Übersiedelung und Partnersuche in China.
Auch die französische PSA-Gruppe betont ihre Präferenz französischer Zulieferer. Sie bekundet, dass es eine Aufgabe ihrer Einkaufsteams für China sei, französische Unternehmen bei ihrem Eintritt nach China zu unterstützen. Obwohl andere westliche Zulieferer ebenfalls zur Abgabe von Angeboten aufgefordert werden, macht das Unternehmen durch kleine Gesten, wie z.B. die Verwendung ausschließlich französisch-chinesischer Angebotsformulare, seinen regionalen Schwerpunkt deutlich.
Die deutsche Volkswagen-Gruppe hat keine ausgesprochene Präferenz in Bezug auf seine westlichen Lieferanten in China. Sie übt jedoch Druck auf die bestehenden Zulieferer in Deutschland aus, sich möglichst schnell in China anzusiedeln und lokal zu beliefern und deutet an, dass eine Weigerung dieses Vorschlags den europäischen Zulieferern bei der Auftragsvergabe in Deutschland zum Nachteil werden kann. Diese Vorgehensweise resultiert aus dem Bedürfnis, dem wachsenden Einfluss seiner chinesischen Partner ein Gegengewicht entgegenzusetzen. Um seine Kontrolle über die Chinaaktivitäten zu verstärken, hat VW ein Sourcing Office in Beijing gegründet und führen deutsche VW-Einkäufer in China Sourcing-Workshops für – hauptsächlich – die traditionellen europäischen Zulieferer von VW durch, um diese zum Nachzug nach China zu bewegen.
75 vgl. "中国汽车零部件行业将在未来五年内重新洗牌/Zhongguo qiche lingbujian hangye jiang zai weilai wu nian nei chongxin xipai", in: 北京东方信邦投资顾问有限公司/Beijing dongfang xinbang touzi youxian gongsi: 汽车投资参考/qiche touzi cankao, 3.März 2004, S.13f
76 Berechnungen aus Daten von J.D.Power-LMC Automotive Forecasting Services: "Global Light Vehicle Produktion by Region, Group, Marque, Model and Source 2002-2012", Stand 2. Quartal 2005
Tabelle 17: Japanische Zulieferer der japanischen Automobilhersteller in China
Zulieferer Kunden Gründung Standort Form
Nichirin Nissan, Nissan Diesel, Honda, Suzuki 1997 Shanghai JV
Imasen Electric Mitubishi, Honda, Mazda, Nissan 2001 Guangzhou, Guangdong WOFE
Exedy Isuzu, Suzuki, Toyota, Nissan 1996 Chongqing JV
1992 Changchun, Jilin JV
1995 Wuxi, Jiangsu WOFE
2002 Wuxi, Jiangsu WOFE
2002 Wuxi, Jiangsu WOFE
2002 Shanghai WOFE
2002 Guangzhou, Guangdong WOFE Taiho Kogyo Toyota, Honda, Daihatsu, Nissan 2002 Yantai, Shandong Übernahme
2001 Tianjin JV
2001 Wuxi, Jiangsu JV
1998 Shenyang, Liaoning Kapitalbeteiligung
2000 Tianjin Kapitalbeteiligung
2003 Changzhou, Jiangsu WOFE
2003 Wuxi, Jiangsu WOFE
Mitsuba Honda, Nissan, Fuji HI, Mitsubishi 2002 Guangzhou, Guangdong JV
1995 Tianjin JV
2002 Tianjin WOFE
2003 Dalian, Liaoning JV Hitachi Unisia Automotive Nissan, Fuji HI, Nissan Diesel, Mitsubishi 2002 Shanghai JV
Mituboshi Belting Toyota, Nissan, Honda, Mitsubishi 1998 Tianjin JV
Matsushita Electric Works Toyota, Nissan, Honda, Mitsubishi 2001 Shanghai WOFE
1996 Shanghai JV
2001 Dongguan, Guandong JV Koito Manufacturing Toyota, Nissan, Mitsubishi, Mazda 1999 Shanghai JV
1995 Dongguan, Guandong WOFE
1998 Xiamen, Fujian WOFE
Kinugawa Rubber Nissan, Fuji HI 1996 Fuzhou, Fujian WOFE
Kasai Kogyo Nissan, Nissan Diesel, Isuzu, Honda 1995 Changzhou, Jiangsu JV 1992 Dalian, Liaoning JV 1995 Qinghuangdao, Hebei JV Nissan, Toyota, Mitsubishi, Honda
Asahi Glass
Bridgestone Toyota, Nissan, Fuji HI, Isuzu
Nifco Toyota, Nissan, Honda, Mitsubishi
Clarion Nissan, Fuji HI, Honda, Suzuki Tokay Rubber Toyota, Nissan, Mazda
Tokai Rika Toyota, Daihatsu, Hino, Mitsubishi, Nissan
NOK Toyota, Nissan, Mitsubishi, Honda
NTN Honda, Mitsubishi, Mazda, Nissan
Quelle: Fourin China Auto Weekly, Japan, 22. Dezember 2003, eigene Darstellung
Die amerikanische Ford-Gruppe und die italienische Fiat-Gruppe erscheinen in Bezug auf die Herkunft ihrer westlichen Zulieferer neutral zu sein und bestätigen, dass die Lieferantenauswahl aller Lieferanten (Ford) bzw. aller ausländischen Lieferanten (Fiat) ausschließlich nach den Kriterien Qualität und Preis verlaufe.
Generell haben ausländische Zulieferer, die den Markteintritt durch einen Fertigungsstandort in China vollzogen haben, die Chance, abgesehen von ihren traditionellen Kunden, denen sie in den Markt gefolgt sind, zusätzlich neue Kunden unter den westlichen OEMs zu gewinnen (Beispiel Shanghai Kolbenschmidt Pierburg und Brockhaus für VW). Die westlichen Automobilhersteller sind aus Qualitätsgründen generell an Angeboten westlich-chinesischer Gemeinschaftsunternehmen interessiert, selbst wenn sie vorher in ihrem Heimatmarkt keine Lieferbeziehungen zu den jeweiligen westlichen Partnern dieser Gemeinschaftsunternehmen unterhielten. Für japanische OEMs gilt dies nur in eingeschränktem Maße, da die Unternehmen ihrer traditionellen japanischen Lieferkette in enger Absprache mit den OEMs in den neuen Markt nachfolgen.