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Direktinvestitionen der westlichen Automobilindustrie in Emerging Economies

2. Die westliche Automobilzulieferindustrie – Strukturveränderungen und

2.7 Direktinvestitionen der westlichen Automobilindustrie in Emerging Economies

Kunden an Auslandsstandorte zu folgen, ist dieser Schritt mittelständischen Unternehmen oft verwehrt.138

Im chinesischen Kontext müsste der Trend, dass es die Hersteller auch an neuen Standorten vorziehen, mit ihren bewährten, global agierenden Zulieferern zusammenzuarbeiten, die Chancen der chinesischen Unternehmen, als Lieferanten ausgewählt zu werden, weiter verschlechtern. Ihre Lage wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sie selbst keine globale Präsenz vorweisen können und dadurch nicht als potenzieller Langzeitpartner für einen globalen Automobilhersteller in Frage kommen, sondern höchstens als Lieferanten in ihrem heimischen Markt.

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als Präzedenz- bzw. Vergleichsszenarien zu China dienen können. Brasilien und Indien haben mit China gemeinsam, dass sie bevölkerungsreiche Emerging Economies mit großen potenziellen Märkten sind, die nach Perioden des Protektionismus und Isolationismus ihre Wirtschaft liberalisiert und ausländische Investitionen sogar gefördert haben, in der Hoffnung, sie würden Technologie-Know-how und Finanzen in ihre unterentwickelten Industrien bringen. Es scheint daher interessant zu untersuchen, wie die lokalen Autozulieferindustrien in Brasilien und Indien seit dem Zusammentreffen mit ausländischem Wettbewerb und ausländischen Kooperationspartnern entwickelt haben.

2.7.1 Beispiel Brasilien

Die Automobilproduktion reicht in Brasilien bis in die Zwanzigerjahre zurück, als Ford (1919) und General Motors (1924) dort Werke errichteten. Nachdem in Brasilien seit den Dreißigerjahren eine Politik der importsubstituierenden Industrialisierung verfolgt wurde, begann das Militärregime in den Sechzigerjahren die Förderung von ausländischen Direktinvestitionen, Exportförderung und Subventionen für Schlüsselindustrien wie die – staatliche – Automobilindustrie. Nach dem 2.Weltkrieg gründeten Ford, General Motors und VW erneut Produktionsstätten in Brasilien.142 Parallel zur Fahrzeugindustrie entwickelte sich in den Fünfzigerjahren eine starke ausländische Zulieferindustrie. US-amerikanische, japanische und europäische Produzenten tragen seither dazu bei, dass alle für die Fahrzeugproduktion notwendigen Teile lokal hergestellt und nicht importiert werden.143 Die Jahre 1968 bis 1973 waren vom "milagre brasileiro", dem brasilianischen Wirtschaftswunder, gekennzeichnet. Der Rezession durch die Ölkrise 1973 folgte eine Phase des Protektionismus des Binnenmarktes, nach der Verschuldungskrise von 1982 erfolgte eine langsame Öffnung des Marktes. In den Achtzigerjahren stagnierte die noch rückständige Automobilindustrie, weil die globalen Automobilunternehmen mit Tochterunternehmen vor Ort aufgrund von Konflikten mit den lokalen Zulieferern und Arbeitern ihre Investitionen in Neuentwicklungen und neue Modelle auf ein Minimum reduzierten.144 Seit den Neunzigerjahren setzte die wirkliche Liberalisierung der Wirtschaft ein, 145 begleitet von einer spezifischen Förderpolitik, die ausländischen Investoren im Automobilbereich Steuerfreiheit und andere Vergünstigungen gewährte.146

142 vgl. Gennes, Michaela: Innovative Produktionskonzepte der Automobilindustrie in Brasilien-Industrielle Beziehungen im Transformationsprozess, Universität Bielefeld (Hrsg.) 2001

143 vgl. Brasilianische Botschaft in Deutschland: "Produktion nach internationalen Qualitätsstandards – Kraftfahrzeugteile Made in Brazil", in: BrasilienAktuell Nr. 3, Januar 2002

144 vgl. Laplane, Mariano und Sarti, Fernando: "Costs and Paradoxes of Market Creation – Evidence and Argument from Brazil", in: Competition & Change, 2002, Jg.6, Nr.1, S.127-141

145 vgl. Sacho Pernas, Jörg: Die importsubstituierende Industrialisierung in Brasilien seit der Ära Vargas, Universtität Tübingen (Hrsg.) 1999, http://tiss.uni-tuebingen.de/webroot/sp/spsba01_S99_1.paper3.htm 146 vgl. Gennes, Michaela, 2001, a.a.O.

Durch die Präsenz von globalen Komponentenzulieferern in Brasilien (34 der 41 weltgrößten Zulieferer hatten bereits 1996 Produktionsstätten dort)147 wurde den Autoherstellern die Durchsetzung der follow design/follow sourcing - Strategie erleichtert: z.B. waren 70 Prozent der Systemlieferanten von Mercedes Benz bereits im brasilianischen Markt vertreten, als das Unternehmen dort einen Standort aufbaute. Für die Zulieferung der verbleibenden Komponenten baute Mercedes Benz größtenteils Kooperationen mit anderen anwesenden Multinationals auf, mit denen das Unternehmen im Heimatmarkt keine Lieferbeziehungen unterhielt. Die Automobilhersteller vertrauen den Leistungen der Multinationals mehr als denen von unbekannten, kleineren lokalen Firmen. Dies gilt besonders im Zeitalter der Modulbelieferung, da dieses Verfahren gutes Supply Chain-Management erfordert, was wiederum Know-how sowie finanzielle und Management-Resourcen erfordert. 1995 waren zwölf der 25 größten brasilianischen Zulieferer ganz oder mehrheitlich im Besitz von Brasilianern. 1998 waren sieben dieser zwölf bereits von Multinationals aufgekauft worden.

Obwohl in den frühen Neunzigerjahren einige brasilianische Zulieferunternehmen technisches Know-how erworben hatten und sogar in westliche Märkte exportierten, waren sie unter den veränderten Bedingungen zu klein, um in den globalen Tier 1 aufzusteigen, da sie – trotz westlicher technologischer Standards – weder die finanziellen Ressourcen noch die globale Präsenz hatten, die die ausländischen Automobilhersteller erwarten.148 Im Jahr 2002 wurde der Anteil an ausländischen Unternehmen an den insgesamt rund 1.000 Zulieferern aller Tiers vom Verband der brasilianischen Autozulieferer Sindipeças, dem 95 Prozent aller brasilianischen Lieferanten angehören, mit 60 Prozent angegeben. In den kommenden Jahren werde eine Konzentration auf nur noch 300-500 Betriebe erwartet.149 Der Verband erwartet, dass der Großteil seiner Mitgliedsunternehmen, von denen viele Familienunternehmen sind, lediglich als Tier 2-Lieferanten, die an die globalen Systemlieferanten liefern, überleben kann.150 Heute gibt es in Brasilien – über ein Jahrzehnt nach der wirtschaftlichen Öffnung – keinen einzigen lokalen Tier 1-Zulieferer mehr. Alle Tier 1s im Pkw-Bereich sind Tochterunternehmen der multinationalen Zulieferer. Lokale Lieferanten liefern als Materiallieferanten auf Sub-Ebene Kunststoff- und Blechteile. Diese erreichen zwar eine sehr gute Qualität nach westlichen Standards. Es sind jedoch Produkte, die kaum Entwicklungskosten und Innovationsaufwand erfordern – Leistungen, die in Brasilien nur die ausländischen Unternehmen erbringen können.151

147 vgl. Humphrey, John: "Assembler-supplier relations in the auto industry: globalisation and national development", in: Competition & Change, Februar 2002, Jg.4, Nr. 3, S. 245-275

148 ebenda

149 vgl. Brasilianische Botschaft in Deutschland: "Produktion nach internationalen Qualitätsstandards – Kraftfahrzeugteile Made in Brazil", in: BrasilienAktuell Nr. 3, Januar 2002

150 vgl. "Brazil – Country & Industry", in: Country Monitor, 17.September 1997, Jg.5, Nr.37, S.2

151 vgl. Gespräch mit Alcemir Barbarini, Projektmanager für VW in Brasilien bei ThyssenKrupp Presta, Oktober 2003

2.7.2 Beispiel Indien

In Indien ist das Ziel der staatlichen Industriepolitik die Schaffung einer lokalen Automobilindustrie, die jedoch nicht unbedingt in indischem Besitz sein muss, solange sie einen hohen Local Content der Zulieferkomponenten realisiert. In den frühen Neunzigerjahren schaffte die Regierung viele der Restriktionen in Bezug auf Autoproduktion und direkte Auslandsinvestitionen (foreign direct investment, FDI) ab und gestattete so die Internationalisierung und Ausdehnung der Industrie. Allerdings werden neu investierenden Firmen Local Content- und Exportforderungen auferlegt, wie auch in allen ASEAN-Ländern bis auf Thailand. Diese Maßnahmen dienen der Entwicklung einer Autoindustrie mit einer breiten lokalen Basis durch "local linkages" in der Hoffnung, dies werde Beschäftigung, Produktivität und Technologie-Know-how in der Autoindustrie und verwandten Industrien fördern. Diese Regulierungen sind jedoch seit Indiens Beitritt zur WTO 1995 schwieriger durchsetzbar.

In den Neunzigerjahren war die indische Automobilindustrie klein und unterentwickelt. Mitte der Neunzigerjahre gab es nur 14 lokale Komponentenzulieferer mit Umsätzen von mehr als 50 Mio. USD. Der einzige Großkunde für die Zulieferindustrie war der indische Automobilhersteller Maruti, der in den Achtzigerjahren eine Zulieferbasis quasi aus dem Nichts aufgebaut hatte, indem er eine Kombination aus lokalen Firmen und Joint Ventures mit japanischen Komponentenherstellern benutzte. Allerdings gab es keine gestuften Tiers von Zulieferern.152

Aufgrund des noch kleinen Marktes für Pkw produzieren die meisten Automobilhersteller wie Suzuki, Ford und General Motors wegen der niedrigen Lohnkosten in Indien hauptsächlich für den Export. Auch die zwei indischen Automobilhersteller Mahindra und Tata planen den Export ihrer Modelle in die westlichen Märkte. 153 Von dem großen erwarteten Marktwachstum motiviert, haben auch General Motors, Daewoo und Peugeot in den letzten Jahren den Markteintritt durch Investitionen in Joint Ventures vollzogen.154

Durch die begrenzte Entwicklung der lokalen Zulieferindustrie verwendeten investierende Multinationals allerdings bisher fast ausschließlich follow sourcing und brachten so zahlreiche globale Zulieferer nach Indien, die meist im Rahmen von Joint Ventures mit indischen Firmen produzierten. Heute gibt es zahlreiche Joint Ventures – aufgrund ihres lokalen Vertriebs-Know-hows werden Joint Ventures mit indischen Partnern in dem als schwierig geltenden indischen Markt hundertprozentigen Tochterfirmen vorgezogen – zwischen ausländischen und indischen Firmen. Die ausländischen Partner halten allerdings fast durchgängig die Mehrheit der Anteile und versuchen, zum Leidwesen der indischen Partner, diese ständig zu erhöhen.155

152 vgl. Humphrey, John, 2002, a.a.O., S. 245-275

153 vgl. Gatam, Sen: "Four plan to ship Indian cars to Europe", in: Automotive News Europe, 16.Dezember 2002, Jg.7, Nr.24, S.18

154 vgl. Kumar, Anil und Turcq, Dominique: "Indian Automotive Components: The Competitive Realities", in:

McKinsey Quarterly, 1996, Nr.1, S.176 155 vgl. Humphrey, John, 2002, a.a.O., S. 245-275

Seit Indiens Beitritt zur WTO 1995 steht die lokale indische Zulieferindustrie vor einigen schwierigen Herausforderungen.

Erstens ist die Industrie durch staatlichen Protektionismus schwach und wird es schwer haben, dem ausländischen Konkurrenzdruck standzuhalten. Importtarife von 100 Prozent haben die lokalen Unternehmen bislang weder dazu gezwungen, ihre Preise wettbewerbsfähig zu machen, noch in neue Technologien zu investieren. Das Resultat waren hohe Preismargen.

Durch den Influx ausländischer Konkurrenz werden die Preise fallen und die Margen geringer werden, was Investitionen, die die Technologielücke zu den globalen Wettbewerbern schließen sollen, noch schwerer finanzierbar machen wird.

Zweitens haben Regierungsrestriktionen die Pkw-Nachfrage klein gehalten; der Gesamtumsatz der Zulieferindustrie beträgt daher lediglich 2,6 Mrd. USD, nur ein Prozent des globalen Zuliefermarkts. Durch eine so kleine Industriebasis ist es schwierig für lokale Zulieferer, die Economies of Scale zu erzielen, die für den regionalen und vor allem den globalen Wettbewerb unerlässlich sind.

Drittens hat die staatliche Förderung von kleinen Lieferanten zu einer Fragmentierung der Industrie geführt: die ca. 350 größten Zulieferer, die gemeinsam 96 Prozent des Marktes haben, generieren durchschnittlich nur vier Millionen USD Jahresumsatz. Die übrigen vier Prozent, Tausende Kleinstunternehmen, werden auf dem liberalisierten Markt in kurzer Zeit bankrott gehen.

Da die in Indien produzierte Fahrzeugpalette der Automobilhersteller nicht auf dem neuesten technologischen Stand war und es daher auch für die Zulieferer nicht notwendig war, in neue Fertigungstechnologien zu investieren, ist zusätzlich die Qualität in der Produktion schlecht.

Die indischen Direktlieferanten haben im Durchschnitt 2.900 fehlerhafte Teile pro Million Teile (zehnmal höher als im Westen) und ihre Sublieferanten liefern pro Million Teile sogar 31.500 Ausschussteile.156

Ein Hauptgrund für die Investitionen von globalen Zulieferern in Indien sind die Kostenvorteile im Lohnbereich, die für viele Unternehmen Qualitäts- und Technologie-schwächen aufwiegen. Andererseits sind die Kosten für Rohmaterialien wie Stahl z.T. durch Protektionismus höher als auf dem Weltmarkt. Logistikkosten können die Kostenersparnisse durch Niedriglöhne ebenfalls zunichte machen, vor allem im Fall eines Exports der gefertigten Komponenten.

Mit der Fertigung neuer aktueller Modelle der Automobilhersteller in Indien steigen die Anforderungen an die technologische Kompetenz der Zulieferer, was dazu führen wird, dass in Zukunft noch mehr internationale Zulieferer die Aufgaben von Direktlieferanten im indischen Markt wahrnehmen werden, da zahlreiche indische Wettbewerber dazu nicht in der Lage sein werden.157

156 vgl. Kumar, Anil und Turcq, Dominique, 1996, a.a.O., S.176

157 vgl. Kebschull, Dietrich: "Indien – der Wettlauf hat schon begonnen", Publikation des Indo German Export Promotion Project, Delhi, abrufbar unter: http://www.gfe.de/Publication/indien%20auto.html, Zugriff Juli 2005

2.7.3 Implikationen der Auslandsinvestitionen der westlichen Automobil-industrie auf die ZulieferAutomobil-industrie in Brasilien und Indien

Durch die Direktinvestitionen der westlichen Automobilindustrie in Brasilien und Indien hat sich für die lokalen Zulieferbetriebe folgende Situation ergeben:

1. Globale Automobilzulieferer bevorzugten an ihren neuen Auslandsstandorten follow design und follow sourcing-Strategien, was bedeutet, dass sie ihre global bewährten Tier 1-Zulieferer nachfolgen ließen.

2. Lokale Zulieferer konnten in Bezug auf Finanzierung von Innovationen, Entwicklungs- und Management-Know-how, Produktionstechniken und Preisen nicht mit den Standards der globalen Zulieferer konkurrieren, da sie aus einem Szenario aus staatlichem Protektionismus, Isolation und Subventionierungen hervorgegangen waren und daher rückständig, ineffizient, zu klein und allgemein nicht wettbewerbsfähig waren.

3. Als Tier 1-Lieferanten in den Emerging Economies wurden von den globalen OEMs fast ausschließlich globale Systemlieferanten ausgewählt.

4. Lokale Lieferanten konnten als Partner mit regionalem Markt-Know-how eine Minderheitsbeteiligung an einem Joint Venture mit einem ausländischen Unternehmen halten und dadurch Teil eines erfolgreichen Betriebs werden.

5. Wenn sie sich erfolgreich qualitativ, preislich und technologisch an westliche Standards anpassten, gelang es einigen lokalen Zulieferern, zu selbständigen Tier 2-Lieferanten im Lieferantennetzwerk eines globalen Automobilherstellers zu werden. John Humphrey geht sogar soweit, die These aufzustellen, dass unabhängige Tier 1-Lieferanten in Entwicklungsländern generell aufhören zu existieren.158

Es ist zu vermuten, dass die Situation für die chinesische Zulieferindustrie mit dem zunehmenden Influx an Direktinvestitionen durch die westliche Automobilindustrie einen ähnlichen Wandel durchlaufen wird wie die Industrien in Brasilien und Indien in der Vergangenheit (wie in den fünf Punkten oben zusammengefasst).