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3. Makroökonomische Betrachtungsebene

3.2 Reform- und Öffnungspolitik als Grundlage für die offene Lernphase ab 1978

3.3.1 Auslandsinvestitionen

Ursprünglich hatte die Zentralregierung Privatbürgern nicht den Erwerb von Kraftfahrzeugen für den Privatgebrauch25 erlaubt und die Pkw-Industrie war aufgrund der geringen Produktionsstückzahlen dementsprechend unterentwickelt. 1984 wurde die Restriktion von Privatkäufen aufgehoben und die Anzahl der Pkw für den Privatgebrauch begann dramatisch zu steigen. Da die chinesischen Automobilhersteller auf die Lkw-Produktion spezialisiert waren und es nur wenige Pkw-Hersteller gab, konnte die Pkw-Nachfrage lokal nicht befriedigt werden und der Import von Pkw nach China begann.26 In den späten Achtzigerjahren war die Anzahl der importierten Pkw 3,6-mal so hoch wie die lokale Produktion27 und für den Import von Pkw mussten jährlich Devisen in Höhe von über 600 Mio. USD aufgewendet werden.28 Die Regierung verhinderte jedoch nicht gänzlich den Import von ausländischen Pkw, wie es z.B. die südkoreanische Regierung bis in die Sechzigerjahre getan hatte,29 sondern bemühte sich um Importsubstitution, indem sie chinesische Autohersteller dazu anhielt, technische Unterstützung durch die Kooperation mit ausländischen Automobilherstellern zu erlangen und damit eine eigene Fertigungskapazität von Pkw aufzubauen.

1984 genehmigte die Zentralregierung die Gründung von Joint Ventures von ausländischen OEMs mit einer Gruppe großer, staatlicher lokaler Automobilhersteller und leitete damit die Phase der Auslandsinvestitionen in der chinesischen Automobilindustrie ein. Die Anteile der ausländischen Partner an den Joint Ventures wurden auf Minderheitsbeteiligungen beschränkt und die Anzahl der genehmigten Joint Ventures durch staatliche Pläne kontrolliert. 100%ige Tochtergesellschaften waren nicht erlaubt. 30 Durch diese Kontrolle von Auslands-beteiligungen hat die Automobilindustrie eine "enge Oligopolstruktur"31 entwickelt,

25 Die so genannten "offiziellen Pkw" (公车, gongche) wurden ausschließlich für den Regierungssektor hergestellt.

26 Im Jahr 1985 wurden 3500 Pkw importiert. Angesichts dieser Situation machte die Zentralregierung die Entwicklung der Pkw-Produktion zu einer Priorität. Die Jahresproduktion stieg von weniger als 50.000 im Jahr 1990 auf über 600.000 Einheiten 2000.

27 vgl. The National Academy of Sciences (Hrsg.), 2003, a.a.O.

28 vgl. Zhang, Wei and Taylor, Robert, 2001, a.a.O.

29 In den Sechzigerjahren ging die Regierung der Republik Korea von einer Entwicklungsstrategie durch Importsubstitution zu einer Industrialisierung durch Exportorientierung über und öffnete in diesem Zusammenhang ihre Wirtschaft. Vgl. Chowdhury, A. und Islam, I.: The Newly Industrialising Economies of East Asia, 1993: Routledge, S.1-45

30 Ausländische Automobilhersteller dürfen bis heute keine 100%ige Tochterunternehmen gründen. Seit 2004 dürfen sie jedoch Mehrheitsbeteiligungen an Joint Ventures mit ausländischen Partnern halten, wenn die Werke in "Export Processing Zones" angesiedelt sind und für den Export produzieren.

31 Liu, Shaojia und Woo, Wing Thye: "How will ownership in China's industrial sector evolve with WTO accession?", in: China Economic Review, Jg.12, 2000, S.137-161

innerhalb der einige Staatsunternehmen den Markt dominieren.32 Zwischen 1984 und 1989 wurden fünf große Projektabkommen abgeschlossen: Joint Ventures der Shanghai Automotive Industry Corporation (上海汽车工业集团, Shanghai qiche gongye jituan, SAIC) mit Volkswagen, den Beijing Automobile Works mit Chrysler, der Guangzhou Automobile Company mit Peugeot, der FAW mit Volkswagen-Audi sowie ein Lizenzabkommen für Technologietransfer zwischen Daihatsu und der Tianjin Automotive Industry Corporation (

天 津汽车工业集团

, Tianjin qiche gongye jituan).

Diese Joint Ventures begannen die Produktion mit der Montage von Pkw aus zerlegten Komponentenbausätzen, die aus dem Ausland importiert wurden. Diese Bausätze für die Montage von Pkw werden je nach ihrem Zerlegungsgrad als "completely-knocked down"

(CKD) bzw. "semi-knocked down" (SKD) bezeichnet. Diese Art der Montage bedeutete, dass die Schlüsselkomponenten nicht lokal produziert wurden.33

Die Automobilhersteller-Gemeinschaftsunternehmen halfen durch ihre lokale Fertigung, die finanzielle Belastung durch die Importe der teuren ausländischen Pkw zu erleichtern. Der relative Erfolg dieser Projekte, vor allem der Erfolg von Shanghai VW, verstärkte wiederum das Interesse und Vertrauen sowohl der Regierung als auch der Hersteller. Das Produktionsvolumen von Pkw stieg seit der Einführung der ausländisch-chinesischen Joint Ventures deutlich an. Im Zeitraum von 1983 bis 2003 wuchs die jährliche Automobilproduktion von 240.000 auf 3,25 Mio. Einheiten.34 Vor allem aber ermöglichten diese Joint Ventures es der chinesischen Automobilindustrie, von ausländischen Erfahrungen auf den Gebieten der Produktionstechnologie und des Management-Know-hows zu lernen.

Um die Streuungseffekte der Pkw-Produktion zu verbessern und den Import von Komponentenbausätzen zu reduzieren, entschied die Regierung, Kooperationen mit internationalen Zulieferern zu erlauben, um eine wettbewerbsfähige lokale Basis der Komponentenherstellung aufzubauen. Die Regierung beschränkte jedoch den ausländischen Investitionsanteil an Zulieferunternehmen zunächst auf maximal 50%. Seit 1998 dürfen ausländische Unternehmen jedoch 100%ige Tochterunternehmen ohne chinesischen Partner gründen.35 Die ausländischen Partner wurden gezwungen, einen festgelegten Anteil ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung zu investieren, und sowohl Zulieferer als auch OEMs mussten gewisse Local Content-Vorschriften erfüllen. Zwischen 1983 und 2003 investierten ausländische Komponentenhersteller in 616 Produktionsprojekte in China.36

32 1998 hatte der größte Automobilhersteller FAW einen Marktanteil von 17,8%, SAIC 14,5% und Dongfeng 12%. Die größten fünf OEMs haben ihren Marktanteil in den letzten Jahren durch Wettbewerb erhöht: 1994 betrug der insgesamt 49% und 1998 62%. Exporte waren mit einigen Hundert Pkw Ende der Neunzigerjahre außerordentlich gering.

33 vgl. Der Nutzfahrzeugmarkt in der VR China, Deutsche Industrie- und Handelskammer (Hrsg.), 2. Auflage 2004, S.41

34 vgl. "Supplying Local Auto Production and Eying Cost Savings for Global Supply”, in: Fourin China Auto Weekly, Japan, 4.November 2003

35 vgl. Hirn, Wolfgang: "China dreht auf", in: Manager Magazin, 20.August 2004 36 vgl. Fourin China Auto Weekly, 4.November 2003, a.a.O.

Von 1994 bis 2004 trat die Mehrzahl aller heute vertretenen multinationalen Zulieferer auf dem Weg der Joint Venture-Gründung mit einem lokalen Partner in den chinesischen Markt ein.37

In einer Studie des japanischen Beratungsunternehmens Fourin aus dem Jahr 2003 wurden die China-Investitionen von internationalen Zulieferern, hauptsächlich großen Tier 1-Zulieferern, untersucht.38 Nach der Studie tätigten nur drei Prozent der heute in China vertretenen westlichen Zulieferer ihre Investitionen in den Achtzigerjahren. 35% betraten den Markt in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre mit dem Hauptziel, strategische Standorte zu positionieren. Diejenigen 24% der Zulieferer, die in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre in China investierten, taten dies meistens, um die Lieferbeziehungen zu ihren traditionellen westlichen Kunden aufrecht zu erhalten, die ihrerseits in China investiert hatten. Die Mehrzahl der heute in China aktiven westlichen Zulieferer (38%) investierte von 2001 bis 2003 – also nach Chinas WTO-Beitritt – um ihre chinesischen Produktionsstandorte in ihr globales Produktionsnetzwerk zu integrieren.

Wenn man die jährliche Anzahl der neuen Investitionsprojekte betrachtet, dann war 1995 mit dem Markteintritt von 113 Zulieferern bisher das Jahr mit den meisten Neuprojekten. Ein neuer Investitionsschub erfolgte 2001, im Jahr von Chinas WTO-Beitritt. In den zweieinhalb Jahren danach erfolgten 204 neue Markteintritte, 32% der Gesamtsumme aus zwanzig Jahren.

Abbildung 13: Westliche Automobilzulieferer in China nach Eintrittsdatum

1980-1989 3%

1990-1995 35%

1996-2000 24%

2001-2003 38%

Quelle: "Supplying Local Auto Production and Eying Cost Savings for Global Supply", Fourin China Auto Weekly, Japan, 4. November 2003, eigene Darstellung

Wie oben aufgezeigt war der Beitrag von Auslandsinvestitionen zum Produktionswachstum der chinesischen Automobilindustrie substantiell. Doch wie erfolgreich war die Integration globaler Unternehmen in die chinesische Industrie gemessen an dem Ziel, durch

37 vgl. "汽配巨头在中国市场呈现非同速化起跑/Qipei jutou zai Zhongguo shichang chengxian feitong suhua qipao", in: 汽车配件行业咨询/qiche peijian hangye zixun, 14.Juni 2004, unter www.qipei.com 38 vgl. Fourin China Auto Weekly, 4.November 2003, a.a.O.

Technologietransfer eine Steigerung der Produktion, der Effizienz und des technischen Niveaus der lokalen Automobilunternehmen zu erreichen?