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2. Die westliche Automobilzulieferindustrie – Strukturveränderungen und

2.6 Globalisierung

In einer Studie von Ernst&Young erwarteten 50 Prozent der befragten 130 deutschen Zulieferer, dass der Marktaustritt von Komponentenherstellern in erster Linie durch den Erwerb durch internationale Zulieferer erfolgen wird. 20 Prozent erwarten, dass es zu einer erheblichen Zahl von Insolvenzen kommen wird.122

Nach der Studie "Supplier Survival – Survival in the Modern Automotive Supply Chain" von PricewaterhouseCoopers werden bis im Jahr 2010 im Bereich der Tier 1-Zulieferer nur noch 35 von derzeit 800 Unternehmen am Markt bleiben.123 Dass die verbleibenden globalen Zulieferer über erhebliche Liefermacht verfügen, wird von den OEMs nicht nur positiv gesehen, da diese neue Struktur Abhängigkeiten nach sich zieht.124

Für China impliziert der globale Konsolidierungsprozess, dass auch dort einerseits die multinationalen Zulieferer kleinere, ineffizientere lokale Zulieferer übernehmen bzw. mit lokalen Unternehmen fusionieren oder als Joint Ventures zusammenarbeiten werden.

Andererseits ist auch zu erwarten, dass die größten und effizientesten chinesischen Zulieferer die kleineren übernehmen. Durch beide Entwicklungen wird sich die Zahl der lokalen Zulieferer drastisch reduzieren.

Rund 60 Prozent der deutschen Zulieferer wollen mittel- bis langfristig neue Standorte aufbauen. Kapazitätserweiterungen planen die Unternehmen außer in Asien vor allem in Osteuropa und Russland.128 Der Vorteil dieser Länder liegt vor allem bei den geringen Fertigungslöhnen. Bedeutsamer bei der Standortwahl als Lohnkosten sind für die Zulieferer jedoch Arbeitsqualität und die politische und wirtschaftliche Stabilität. Dies bedeutet klare rechtliche Rahmenbedingungen und Eigentumsverhältnisse, ein geringes Wechselkursrisiko und niedrige Kriminalitätsraten.

In einer Umfrage zur Standortplanung deutscher Automobilzulieferer nannten als Hauptgründe für eine Neueröffnung im Ausland:

Abbildung 9: Standortplanung deutscher Automobilzulieferer: Hauptgründe für eine Neueröffnung im Ausland

13,5%

11,3% 11,3% 9,9%

5,7% 5,7%

27,0%

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

Nähe zu Kunden/ Local Content- Forderung Allgemeine Kostenvorteile/ Ratiomaßnahmen Kostenvorteile im Lohnbereich Markterschließung/ Positionierung Geringerer Logistikaufwand/JIT Kapazitätserweiterung in der Produktion Internationalisierung

Quelle: Kranke, Andre: "Automobilzulieferer - Der Optimale Standort", in: Logistik inside, 21/2002 (zitiert eine Studie der Fachhochschule Gelsenkirchen)

Entgegen der häufig in den Medien verbreiteten Ansicht, dass geringere Lohnkosten der größte Anreiz für Auslandsinvestitionen westlicher Unternehmen seien, steht diese Überlegung bei der Standortentscheidung der Automobilzulieferer erst an dritter Stelle. Die Nähe zu Kunden und Local Content-Forderungen129 sind mit Abstand der wichtigste Grund für eine Lokalisierung im Ausland.

128 Nach einer Studie von KPMG erwarten 62 Prozent der deutschen Autozulieferer in den nächsten drei Jahren ein Wachstum, wobei sie China und Osteuropa als wichtigste Regionen mit Wachstumspotenzial ansehen; 81 Prozent der befragten Zulieferer gaben an, dass sie China als ihren größten Wachstumsmarkt sehen. (vgl. Bauer, Felix: "Suppliers: Most growth to be abroad", in: Automotive News Europe, 6.Februar 2003, Jg.8, Nr.11)

129 Ein "Local Content Requirement" ist die Forderung, einen bestimmten Anteil eines Produktes lokal herzustellen. Local Content Forderungen werden von vielen Entwicklungsländern benutzt, um den Schwerpunkt ihrer industriellen Produktion weg von der simplen Endmontage von im Ausland

Um den Automobilherstellern optimal zuzuarbeiten, rücken Tier 1-Lieferanten ihre Fabriken immer dichter an die ihrer Auftraggeber heran.130 "Kaum ein Lieferant wird sich der dringenden Einladung entziehen können, den Herstellern in ihre Zulieferparks zu folgen."131 Diese Aussage gilt auch für das Ausland; die Zulieferer sind gezwungen, ihre Unternehmen global auszurichten und an allen Standorten vertreten zu sein, an denen der Hersteller fertigt.

Das Produktionssystem des Direktlieferanten muss nahtlos mit Vorlieferanten und Kunden vernetzt werden.132 Die Hersteller erwarten heute, dass die Zulieferer ihnen weltweit folgen und Fertigungskapazitäten möglichst in der Nähe der Herstellerwerke aufbauen. Die Anzahl von Zulieferparks wird sich daher voraussichtlich in Zukunft noch verstärken.133

Die Ansiedlung von Werk- und Montagehallen von Ford und General Motors in Thailand in den Neunzigerjahren zog es z.B. nach sich, dass gleichzeitig für jedes Unternehmen an die 50 Systemlieferanten mit in den Markt folgten.134

Auch japanische Hersteller werden in der Regel von einem Großteil ihrer Keiretsu - Supply Chain an ihren neuen Auslandsstandort begleitet.135 Neuerdings gehen die japanischen OEMs allerdings auch Kooperationen mit lokalen Bauteileproduzenten ein.136

Die von Autoherstellern und Systemlieferanten erwartete internationale Präsenz und Ansiedlung in unmittelbarer Nähe der Autowerke ist besonders für mittelständische Zulieferer aufgrund der hohen finanziellen Belastungen eine große Herausforderung.137 Während die multinationalen Zulieferer die Kapitalkraft und das Managementpotential besitzen, um ihren

vorgefertigten Teilen hin zu einer kompletten Fertigung dieser Teile im Inland zu verlagern. (vgl. Hill, Charles W.L.: International Business – competing in the global marketplace. 3. Auflage 2002:

Washington, S.157). Wenn einem OEM in einem Entwicklungsland Local Content Forderungen auferlegt werden, kann er nur einen bestimmten Prozentsatz seiner Bauteile importieren. Den restlichen Teil muss er lokal beziehen – entweder von einheimischen Zulieferern, oder eben von nachgefolgten Zulieferern aus dem Ausland, die vor Ort Produktion aufbauen, um ihren Kunden weiter zu beliefern.

130 Die Frontendmodule des Beleuchtungsspezialisten Hella beispielsweise müssen im Umkreis von 50km zur Endmontage gefertigt werden. Die Großkunden wollen das genau passende Frontend innerhalb von 180 Minuten am Band haben. Noch einen Schritt weiter gehen jene Firmen, die den Autokonzernen auf ihr Fabrikgelände oder sogar direkt an die Produktionslinie folgen. Spektakuläre Modelle hierfür sind das Smart-Werk in Hambach und die SEAT-Fabriken in Spanien.

131 vgl. Viehöver, Ulrich: "Knecht und König zugleich – Die Rolle der Autozulieferer wächst. Schon bald sollen sie einen Wagen fast im Alleingang produzieren", in: Die Zeit, 6.Dezember 2001, Jg.50, S.34 132 ebenda

133 Dudenhöffer, Ferdinand, 2002, a.a.O.

134 vgl. Spöttl, Georg und Becker, Matthias, 1999, a.a.O., S.42-50

135 vgl. Ahmadjian, Christina und Lincoln, James R.: "Keiretsu, Governance, and Learning: Case Studies in Change from the Japanese Automotive Industry", in: Organization Science, Jg.12, Nr.6, November/Dezember 2001, S.638-701

136 vgl. Martin et al.: "Recreating and extending Japanese automobile buyer-supplier links in North America", in: Strategic Management Journal, Nr.16, 1996, S.589-619

137 vgl. Deutsche Industriebank (Hrsg.), 2002, a.a.O.

Kunden an Auslandsstandorte zu folgen, ist dieser Schritt mittelständischen Unternehmen oft verwehrt.138

Im chinesischen Kontext müsste der Trend, dass es die Hersteller auch an neuen Standorten vorziehen, mit ihren bewährten, global agierenden Zulieferern zusammenzuarbeiten, die Chancen der chinesischen Unternehmen, als Lieferanten ausgewählt zu werden, weiter verschlechtern. Ihre Lage wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sie selbst keine globale Präsenz vorweisen können und dadurch nicht als potenzieller Langzeitpartner für einen globalen Automobilhersteller in Frage kommen, sondern höchstens als Lieferanten in ihrem heimischen Markt.

2.7 Direktinvestitionen der westlichen Automobilindustrie in