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Die Rezeption des Buches „Al- ¹amþ bayna raÿy al-½akÍmayn“

„DIE VERBINDUNG ZWISCHEN DEN ANSICHTEN DER BEIDEN WEISEN“

3.2.2. Die Rezeption des Buches „Al- ¹amþ bayna raÿy al-½akÍmayn“

War al-FÁrÁbÍ der Erfinder des Ausgleichs zwischen Religion und Vernunft, oder, in anderen Worten, war er der erste, der die Methode - die Erklärungsebene - verwendete, oder gab es schon vor seinem Versuch Quellenbelege für eben diese Methode?

Hier muss erwähnt werden, dass Plato der erste war, der die mythischen Elemente aus der Philosophie entfernte, d.h. mit Plato beginnt die Vernunft als Hauptmittel zur Erklärung von Phänomenen hervorzutreten. Aber sein Versuch war nicht ganz vollkommen. Bei Aristoteles findet man diese Idee umfassender und funktionsfähiger ausgestaltet. Bei ihm sind die Philosophie und die Religion auf derselben Betrachtungsebene angesiedelt. Mit anderen Worten: Plato blieb in der Nähe der Religion, Aristoteles aber rationalisierte die Religion beinahe. Es ist bekannt, dass Antiochus von Ascalon (c.a 68 v.Chr.) und Albinus (A.A.D.100-200) versuchten, die Philosopen der beiden Weisen zu harmonisieren oder zu verbinden.240 Der erste, der diesen Versuch systematisierte und vollkommen ausführte, war Philon aus Alexandria (25 v.Chr. - 50 n.Chr.). Mit Plotinus (203-269 n.Chr.) wurde dieser Versuch weiter entwickelt, und zwar unter dem Einfluss seines Lehrers Ammonuis al Sakas. Er konzentrierte sich auf die Rolle der Vernunft, nicht nur bei der Interpretation der Religion. Er wollte vielmehr die Vernunft als eine einzigen Träger in dieser Entwicklung darstellen.

238 Diese Gründe finden wir bei Mohammed Hassan Sahebozzamani, Das Verhältnis von Religion und Philosophie bei al-FÁrÁbÍ, S. 18-19.

239 Fr.Dieterici, Al-FÁrÁbÍ’s philosophische Abhandlungen, S.1-2.

240 F.E. Peters, Aristotle and the Arab, S.8.

Als Beispiel mag die folgende Betrachtung dienen: Philon verneinte alle Eigenschaften Gottes, außer der Eigenschaft der Existenz. Plotinus dagegen verneinte alle Eigenschaften Gottes ohne Einschränkung. Seine Philosophie wurde von seinen Nachfolgern übernommen und weiter entwickelt.

Einer, der diesem Traditionsstrang zuzurechnen ist, ist Iamblichus (gest 330 n.Chr.), der zur syrischen Schule dieser philosophischen Richtung gehörte. Er wollte die Philosophie der Religion unterordnen, d.h., er neigte mehr zur platonischen Richtung. Aber mit Proklus, der zur athenischen Schule des Neoplatonismus gehörte, wurde das Verhältnis zwischen Vernunft und Religion neu definiert. Ein weiterer Neoplatoniker, der eine sehr wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielte, war Simplicius. Er lebte im 6 Jahrhundert, es ist aber bekannt, dass er von der Seelenlehre des Iambachilus beeinflusst war. Simplicius schrieb ein Buch, das den Titel “Die Harmonie zwischen Plato und Aristoteles” trug. Er übernahm Titel und Inhalt dieses Buches von seinem Lehrer Ammonius - nicht zu verwechseln mit Ammonius Sackas, dem Lehrer von Plotinus, der auch ein Buch mit demselben Inhalt vorgelegt hat. Ibn al-NadÍm erwähnt, dass Simplicius ein Buch mit dem Titel

“Jﻥ>>>Sا />>> ," 0>>>را ها>>>ﻡ ح'>>>ﺵ“ (Der Kommentar der Lehren des Aristoteles über den Schöpfer – Gott -) schrieb, und man weisst, dass sein Buch, das ins Arabische übersetzt wurde, den Titel „ Jﻥ>>>>Sا ت>>>>ﺙا />>>> ن >>>>او ," 0>>>>را ها>>>>ﻡ ح'>>>>ﺵ“ (Der Kommentar des Aristoteles und des Plato über die Existenz –der Beweis- Gottes) trug241. Man bemerkt also, dass bei Ibn al-NadÍm der Name Plato im Titel fehlt.

Dieser Vorstellung folgent, müsste al-FÁrÁbÍ das o.g. Buch von Simplicius gekannt haben und müsste unter dem Einfluss dieses Buches von Simplicius stehen. Diese Beeinflussung müsste sich auch in seiner Schrift “)">>>>":ا يار )">>>>ﺏ J>>>>Gا„ (Die Verbindung zwischen den Ansichten der beiden Weisen) ihren Niederschlag gefunden haben.

Ein sehr entscheidender Punkt in dieser Behandlung, gemeint sind die Argumente, die die Ansicht unterstützen, Simplicius gehöre zur alexandrischen Schule und nicht zur athenischen Schule des Neoplatonismus, ist eben diese Frage. Es gab zwei Schulen des Neoplatonismus, eine in Alexandria und die andere in Athen. Die alexandrische Schule “...studied...“ K. Praechter zufolge “Aristotle for his own sake, interpreting him in his true sense, whereas the Athenian school applied a Neoplatonic interpretation to the few works of Aristotle in which they were

241 Ibn al-NadÍm, S. 253.

interested. These ideas have been accepted not only by philologists of classical languages and historians, but also by Arabists and Orientalists”.242

Um eine umfassende Vorstellung von diesem Themenkomplex zu geben, stelle ich die Gegenmeinung von I. Hadot dar. Hadot zufolge gibt es keinen Unterschied zwischen den beiden Schulen in ihrer Tendenz, die aristotelische Philosophie zu betrachten, der Unterschied liege, so Hadot, vielmehr in ihren Systemen. Der Grund für diesen Unterschied hat nichts mit dem Unterschied der beiden Schulen zu tun, sondern geht zurück auf die Verschiedenheit der zu ihnen gehörigen Persönlichkeiten.243 Ich werde nicht näher auf diese Annahme eingehen, weil sie unser Thema nicht direkt betrifft.

Aber mich interessiert bei der Betrachtung der Ansichten I. Hadots seine Mitteilungen über einen Teil der Simplicius-Biographie. Hadot versucht in seiner Untersuchung zu beweisen, dass Simplicius in ¼arrÁn war.244

Uns interessieren in diesem Artikel einige wichtige Informationen, die die Harran-Schule betreffen. Dadurch, daß er sich bei seiner Untersuchung auf arabische Quellen wie al-MasÚþdÍ und sein Buch ”KitÁb murÚº al-ªahab“ und „KitÁb al-tanbÍh wa-l-isrÁf“ oder al-KindÍ, der nach dem Buch “al-Fihrist“ des Ibn al-NadÍm zwischen zwei verschiedenen Gruppen, deren eine unter dem Namen “Harraner Sabäener” bekannt ist, unterscheidet, stützt, kann geschlossen werden, daß diese Gruppe mit der heischen Bevölkerung identisch ist. Die andere Gruppe ist unter der Bezeichnung ”die griechischen Sabianer”, also, die die ursprünglich Griechen sind, bekannt.

Al-MasÚþdÍs gibt an, daß er während seines Besuches in ¼arrÁn über der Tür des Hauses, in dem sich die Sabäener trafen, eine platonische Inschrift sah, die ihm vom Leiter dieses Hauses, MÁlik bin þUqbÚn “ ن >>>+D„, erklärt wurde. Diese Aussage lautet: ”Who ever knows his nature becomes a god“. Diese Aussage ist mit der Aussage Platos identisch, die besagt: “Man is a celestial plant. Indeed, man resembles an upside-down tree, whose roots are turned towards the heavens and

242 Richard Sorabji, Aristotle Transformed, Artikel von Ilseraut Hadot, The life and work of Simplicius in Greek and Arabic Sources, S. 275-276. I. Hadot stellt diese Meinung vor, wie sie in K. Praechters Buchs ”Grundriss der Geschichte der Philosophie, Part 1: K.Praechter, Die Philosophie des Altertums“, 12th edition, Berlin 1926 ausgeführt wird.

243 Ebd., S. 278.

244 Ilsetraut Hadot, Ebd., S. 278-289.

whose branches [plung] into the earth”.245 Eine andere Aussage, die an der Tür geschrieben stand, lautete: “Who knows his essence [who knows himself] becomes divine, resembling God“.246 Das erste Zitat findet sich in Timaois 90A7-B2, die andere in Alicibiades I 133C. Mittels dieser beiden Beschriftungen, die nach al-MasÚþdÍ mit Plato zu identifizieren sind, unterscheidet er dann zwischen den griechischen Sabianern, die beide Zitate kannten, und den ¼arrÁner Sabäener. Hadot sagt, dass das Zitat der griechischen Sabianer, das besagt: „wer sich kennt, kennt alles“ und das andere Zitat nichts anderes als platonisch oder fast neoplatonisch sind.247 Das Haus, in dem sich die griechischen Sabäener trafen hieß al-MasþÚdÍ zufolge „Maºmaþ – J>>Gا„- d.h. der Sitzungsaal, der Platz der Harraner Sabianer hieß dagegen MaºlitiyÁ. Die Gruppe, die zum Maºma þ gehörte, lehnte die rituelle und die geheime Lehre der “¼arrÁner Sabäener”ab.248 Hadot will nicht nur diesen Unterschied betonen, sondern auch die weitere Existenz der griechischen Schule, die von der platonischen, neoplatonischen Philosophie weiter profitierte und diese auch weiter tradierte. Der Beweis hierfür ist al-MasÚþdÍ. Al-MasÚþdÍ besuchte diese Schule im Jahre 943 n.Chr. und obwohl der paganische ¼arrÁner, d.h. die heimische Bevölkerung, die beiden Häuser besaßen, vertraten ihre MaºlitiyÁ und ihr al-Maºmaþ die platonische Schule.249 Die platonische ½arrÁnische Schule war in ihrer Tendenz, wenn man sie mit der Nisibis Schule vergleicht, paganisch, säkular und philosophisch, während die andere religiös, nestorianisch, kirchlich orientiert war.250

Nach diesen Angaben kommt I. Hadot zu dem Ergebnis, dass die griechischen Sabianer Neoplatoniker sind, und jeder Versuch, sie mit dem Hermismus oder mit der Gnosis zu verbinden, falsch ist.251

Die entscheidende Frage lautet folgendermaßen: Wohin ging Simplicius, nachdem er Persien verlassen hatte?. I. Hadot stellt verschiedene Argumentationsstränge vor.

Ihm zufolge soll Simplicius nicht nach Athen oder Alexandria gegangen sein.252 Vielmehr soll Simplicius mit seinem Lehrer Damascius und seinem Schüler die

245 Ebd., S. 281.

246 Ebd., S. 281-282.

247 Ebd., S. 282-283.

248 Ebd., S. 283; s. zu diesem Thema den Artikel von Gerhard Endres, Al-KindÍ über die Wiedererinnerung der Seele, S. 178, im Oriens, Volume 34.

249 Ebd., S. 283-28; s. auch Ebd., S. 178.

250 Ebd., S. 285.

251 Ebd., S. 286.

252 Ebd., S. 288-289.

Stadt ¼arrÁn als nächsten Aufenthaltsort gewählt haben, und zwar, nachdem er Persien verlassen hatte.253

Eigentlich sollte man al-KindÍ als ersten der islamischen Philosophen bezeichnen, der dieser Tradition folgte. Die Schrift, die unser Thema betrifft, trägt den Titel ”Die Wiedererinnerung der Seele”. Der allgemeine Inhalt dieser Schrift repräsentiert die Tendenz der Verbindung von Plato und Aristoteles.

Es ist kein Wunder, dass al-KindÍ diese Tendenz der „Verbindung“ übernahm, da er ja in ¼arrÁn war, wie ich schon vorher gezeigt habe, und zwar anhand des “al-Fihrist” des Ibn al-NadÍm.254

Man kann diese Angaben mit al-FÁrÁbÍ und Ibn SÍnÁ verknüpfen, und zwar hinsichtlich der Frage der Rezeption des Buches al-FÁrÁbÍs “Die Verbindung….”, das identisch mit dem o.g. ins Arabische übersetzten Buch des Simplicius ist. Seine Tendenz entspricht, wie der Titel schon vermuten läßt, dem Inhalt des Buches “Die Verbindung…” des al-FÁrÁbÍ. Wenn Simplicius in Harran war, d.h auch dort unterrichtete, dann sollte er dort auch seine philosophischen Spuren hinterlassen haben. Die Identifizierung dieser Schule als platonisch oder neoplatonisch – sie darf nicht mit der Weltanschauung der ¼arrÁner Sabäener verwechselt werden, die ja, wie oben erwähnt, gnostisch war – liegt als auf der Hand.

Dies erlaubt uns nun, die folgenden Ergebnisse zu übernehmen: Al-FÁrÁbÍ kannte das o.g. Buch des Simplicius. Folglich blieb al-FÁrÁbÍ der harranischen Schule treu, obwohl er sie verlassen hatte und danach nach Bagdad umsiedelte. Dies geschah nicht, weil er nicht mehr mit der Tendenz der harranischen Schule übereinstimmte, oder weil diese Schule geschlossen wurde, wie viele Forscher denken, sondern weil es ihn, wie ÕÁbit bin Qurra reizte, diese Entscheidung zu treffen.255 Mit anderen Worten wegen der besseren Möglichkeiten, die Bagdad in dieser Zeit bot, da es nicht nur ein Schmelztiegel der Kulturen war, der es erlaubte, seine philosophische Ausbildung in hohem Maße voranzutreiben, sondern auch, weil Bagdad in dieser Zeit aufgrund der günstigen sozioökonomischen Lage unter dem Kalifat der Abbassiden prosperierte. Die Mitteilung des Ibn AbÍ Usaibi’a, wie sie sich in seinem

253 Ebd., S. 289., s. auch S. 178, Gerhard Endres unterstützt diese Meinung auch. Er folgt der Studie von Michel Tradieus, “Sabiens und Simplicius et les calendriers.“ Er meint, dass Simpilcuis, der grosse Aristoteles-Kommentator, sich, statt nach Athen zurückzukehren, in ¼arrÁn niederließ.

254 Ebd., S. 174-221.

255 Ebd., S. 284.

Buch “FÍ ÓabÁqÁt al-aÔibbÁÿ” findet, zeigt uns, wie die islamische Sichtweise dieses Themas aussah.256

3.2.3. Die geschichtlichen Phasen des Aristoteles und der Schulen der

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