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Die falschen und echten Schriften des Aristoteles

Die Bedeutung des Buches; al-¹amþ bayna raÿy al-½akÍmayn“

3.1. L EBEN UND WERK DES Al-FÀRÀBÌ IN BEZUG AUF DIE FRAGE DER VERFÄLSCHUNG DES ARISTOTELES IM ISLAM

3.1.6. Die falschen und echten Schriften des Aristoteles

Die islamische Literaturgeschichte in der ersten und zweite Epoche der Abbasiden war der Beweis für diese Annahme. Ich finde z.B. in der Fihrist des Ibn al-NadÍm, den A¿bÁr al-þulamÁÿ des Ibn al-QifÔÍ und anderen Werken keine Belegstellen für die Zuschreibung der o.g. Schriften wie z.B: die „Theologie des Aristoteles”, „das Buch Vom Apfel - KitÁb al-tufÁ½a”, und die Schrift “Liber de Causis – KitÁb fÍ ÿͱÁ½ al-¿ayr al-ma½±”.209 Eine andere Schrift, die Aristoteles zugeschrieben wird, sind die Briefe, die an Alexander den Großen gerichtet sind.210 Die Annahme, z.B, dass die Schrift der „Theologie des Aristoteles” Aristoteles nur fälschlicherweise zugeschrieben und in Wirklichkeit den Enneaden 4-6 des Plotinus

209 Über diese Schriften siehe Majid Fakhry, A History of Islamic Philosophy, S. 19-31, unter dem Titel ”Neo Platonic Elements: The Apocryphal Theologia Aristotelis and the Liber de Causis”. Auch Mu½ammad þAbd al-Ra½mÁn Mar½abÁ, min al-falsafa al-yÚnÁniyya ilÁ al-falsafa al-islÁmiyya, S. 320-329 unter dem Titel “Al- Inti½Ál”; in dem Werk nennt der Verfasser andere Schriften, die Aristoteles zugeschrieben sind, wie das “KitÁb al-rawÁbÍþ“ und das „KitÁb Sirr al-asrÁr“; s. Moritz Steinschneider, Die arabischen Übersetzungen aus dem Griechischen: über die Übersetzung der „Theologie des Aristoteles“, S. 77-79, über die Übersetzung des Buches

“ vom Apfel“, S. 82-84, über die “De Causis“ S. 75, wo er erwähnt, dass das arabische Buch „Uttulujya“ nach Haneberg eigentlich ein Auszug aus den Elementen der „Theologie des Proklus“, welche vielleicht ganz ins Arabische übersetzt worden ist, sei.

210 Ibn ÆÁþid al-AndalusÍ, ÓabaqÁt al-ÿumam, S. 26-27.

entsprechen, wird z.B. von V. Rose vertreten.211 Man kann sie auf folgende Weise erklären: Es handelt sich um die Art, auf die Plotinus die aristotelische Philosophie verstanden hat, wie er seine Betrachtungsebene begriffen hat, die er der Ausdrucksweise seiner Zeit anpassen mußte, die - seine Ausdruckweise - in der damaligen Zeit die Dominierende war, und die nicht der unserer Zeit entspricht oder ihr angepaßt ist.212

Es entsteht bei manchen islamischen Philosophen der Eindruck, daß diese Bücher von Aristoteles geschrieben wurden - und zwar in der letzten Phase seines Lebens, wie es die Annahme des Ibn SabÍþn ist.213 Diese Angaben berichten, dass dieses Buchs ein Dialog des Aristoteles mit seinem Schüler vor seinem Tode zum Inhalt hat.214 Nach dieser Denkart ist das Buch “Ermahnungen an die Seele”, das unter verschiedenen Titel auf Arabisch geführt wurde - wie z.B. ” ,-.>>ا $>>ﻡ“215 - eine Beschreibung des Seelenphänomens, und zwar nach der mystischen Erklärungsform.

Diese Behandlung erklärt die Verbindung der Seele mit der göttlichen Welt, besonders ihr Schicksal nach dem Tod. Wenn ich der Lesung des Ibn SabÍþn folge, dann muß ich sagen, daß Aristoteles dieses Buch in den letzten Jahren seines Lebens verfasst haben könnte. Ich will damit sagen, dass die oben erwähnten Meinungen über die Unmöglichkeit der Zugehörigkeit dieser Bücher - wie die “Theologie des Aristoteles” und “Vom Apfel” – zum Werke des Aristoteles trotz der Informationen der arabischen Quellen nur Behauptungen sind. Diese Annahme in Bezug auf die Frage der Gültigkeit oder der Wahrheit befindet sich auf derselben Ebene des Ibn SabÍþn, dessen Behauptungen keine festen Urteile sind.

Es ist bekannt, dass al-KindÍ etwa 100 Jahre vor al-FÁrÁbÍ ein Buch verfaßte, in dem er alle Schrifen des Aristoteles mit kurzen Erklärungen erwähnte.216 In dieser Liste, in der die aristotelischen Schriften Erwähnung finden, findet man keine Spur von den o.g. Schriften. Al-KindÍ, der, wie ich vorher erwähnte, die Übersetzung des þAbd al-Masͽ ibn NÁiþma des Buches „Theologie des Aristoteles“ korrigierte, wußte meiner Meinung nach, dass diese Schrift und auch das Buch „Vom Apfel“

und die anderen Werke keine autochtonen aristotelischen Schriften waren. In vielen

211 M. Steinschneider, Die arabischen Übersetzungen aus dem Grieschen, S. 78.

212 Ich versuche in diesem Teil der Arbeit, im Sinne dieser Erklärungen zu argumentieren.

213 M. Steinschneider, Die Übersetzungen..., S. 79.

214 Ebd., S. 82-83.

215 Ebd., S. 23 und S. 84.

216 Al-KindÍ, RasÁiÿl al-kindÍ al-falsafiyya, Teil 1.

Themen des al-KindÍ, wie der metaphysischen, der physischen und der Seelenlehre, bewahrt er die aristotelische Tendenz, seine Philosophie in Bezug auf die natürliche und physische Erklärungsebene wie der erste Meister – Aristoteles selbst nämlich – zu formulieren. Al-KindÍ zum Beispiel wurde als der Begründer der Theorie des aristotelischen Intellekts in der islamischen Philosophie217 angeführt, weil seine Abhandlung über den Intellekt die erste ihrer Art, die ein arabischer Philosoph nach seiner eigenen Sprachformulierung schrieb und die auf seine Nachfolger, wie Ibn SÍnÁ, Einfluß gehabt hatte, war.218 Man könnte Ähnliches über al-FÁrÁbÍ sagen;

denn, wenn ich seine Schriften lese, entdecke ich, dass er die ursprünglichen Schriften des Aristoteles und Platons kannte. Als Beweis für diese Annahme kann uns sein Buch „al-¹amþ bayna raÿy al-½akÍmayn,“ „ Die Verbindung zwischen den Ansichten der beiden Weisen“ dienen. Die Vergleichsideen beider Philosophen in der Argumentation dieses werkes erlauben uns die Vermutung, dass er das Buch

„Theologie des Aristoteles“ nicht zu Aristoteles’ Werk zählte. Ein großer Gelehrter wie er kann in einem solchen Fall nicht irre gehen. Vor FÁrÁbÍ noch schrieb al-KindÍ ein Buch mit dem Titel “I½ÈÁÿ kutub ArisÔÚ - 0>>>را >>>آ ء>>>Sﺡا” (Die Aufzählung der Bücher des Aristoteles), das wie die restliche arabisch-islamische Literaturgeschichte die fragliche Bücher nicht zum Werke des Aristoteles zählt. Es stellt sich die Frage, ob al-FÁrÁbÍ hier irren konnte, wenn er doch tatsächlich einer der größten Gelehrten war und als der zweite Meister galt; kann man also davon ausgehen, dass die o.g. Werke falsch zugeschrieben wurdne und keine aristotelische Schriften sind?. Die oben erwähnten Quellen, von denen er sicherlich Kenntnis besaß, sind eine indirekte Antwort auf diese Frage.

Meiner Meinung nach wusste al-FÁrÁbÍ, dass z.B. die Schrift „Theologie des Aristoteles“ keine aristotelische Schrift war, versuchte aber, sie nach seiner Betrachtungsart dieser Schriften zu behandeln, d.h., wie ich vorher sagte, als wären es aristotelische Ideen, die auf platonische Weise vorgestellt würden.

Die Frage nach der Entfernung oder der Nähe dieser Schrift oder anderen Schriften von oder zu Aristoteles gehört dann zur Art der Betrachtung und des Verstehens der griechischen Philosophie durch die islamischen oder neoplatonischen Philosophen, d. h.. diese Frage bezieht sich auf die Methode des Verstehens dieser beiden Philosophen, die anders ist als die Betrachtungsweise moderner Methoden. Es kann sein in diesem Zusammenhang, zu

217 Mu½ammed AbÚ RayyÁn, ÿUÈÚl al-falsafa al-išrÁqiyyah þind al-suhrawardÍ, S.282.

218 Sayyid ¼usÍn NaÈir, ÕalÁÝat ½ukamÁÿ muslimÍn, S.24; s. bei ¼usayn Muuwrwa, al-NazÁþt al-mÁdiyya..., Zweiter Teil, S. 96.

erwähnen, dass al-FÁrÁbÍ die griechische Sprache kannte.219 Mit anderen Worten: Er brauchte bei seinem Studium der griechischen Philosophie nicht auf die arabischen Übersetzungen zurückzugreifen. Ibn ÆÁÿid al-AndalusÍ und Ibn al-QifÔÍ nannten die Titel der aristotelischen Schriften, die al-FÁrÁbÍ aus dem Griechischen übersetzte.220

Das bedeutet, dass er die aristotelischen Schriften im Orginal kannte, d.h. er brauchte zur Erweiterung seines Wissens nicht unbedingt auf die in altsyrisch oder arabisch abgefassten Kommentare zurückzugreifen.

Ein wichtiger Punkt, der unser Thema direkt berührt, bezieht sich auf die Bekanntschaft Ibn SÍnÁs mit den originalen Schriften des Aristoteles. Es ist bekannt, dass Ibn SÍnÁ die Zuschreibung der Schrift “Theologie des Aristoteles” zu Aristoteles bezweifelte. Er sagte „ )>>0ا )>>ﻡ >>" ﺙا />> >>ﻡ Q>>Dو“ - „trotz dem Zweifel (an der Echtheit) an der Theologie.“221 Man kann diese Bemerkung auch anders interpretieren, und zwar dahingehend, daß diese Zweifel sich auf den Inhalt des Buches „Theologie des Aristoteles“ beziehen; d.h. daß Ibn SÍnÁ mit der philosophischen Tendenz und dem philosophischen Denken, wie sie in diesem Buch dargstellt werden, nicht einverstanden ist. Diese Bemerkung bezieht sich auf die anderen Bücher, die fälschlicherweise Aristoteles zugeschrieben wurden.

Wie ich vorher erwähnte, interessierten sich die islamischen Gelehrten mehr für Aristoteles als für Plato, und zwar wegen der unterschiedlichen Gründe, die ich bereits dargestellt habe. Man kann diese Gründe in einem Satz zusammenfassen: Die Anpassung der Erklärungsebene (aber nicht die aristotelischen Ideen, weil sie den islamischen Philosophen zufolge den Platonischen ähnlich sind (d.h. es geht um die Erklärungsebene dieser Ideen)) des Aristoteles an die islamische Religion.

Aristoteles versuchte in seiner Erklärung, wie ich sagte, zwischen den beiden Polen der menschlichen Existenz zu vermitteln, zwischen Ideal und Realität, zwischen der Dialektik und der Naturwissenschaft, zwischen Allgemeinem und Einzelnem, zwischen Himmel und Erde. Diese Methode verwendete der Islam, der zwischen

219 Al-FÁrÁbÍ bevor er nach Bagdad kamm, war er lange Zeit in Harran, wo er Philosophie studierte nach der harranischen Richtung. Diese Schule kannte die Schriften in der griechischen Sprache. Die Sprache dort war kein Arabisch, was auf die Verwendung der griechischen Sprache im Studuim hinweist.

220 Über die Betrachtungstendenz, dass Aristoteles und Platon dieselbe philosophische Richtung vertraten s.: AbÚ NaÈr al-FÁrÁbÍ, Al-¹amþ bayna Raÿy al-½akÍmayn, gemeint sind die Vorbemerkungen von AlbÍr NaÈrÍ NÁdir, S.76; s. auch bei ¹amÍl ÆalÍbÁ, Min AflÁÔÚn ilÁ Ibn sÍnÁ, S. 57.

221 þAbd al-Ra½mÁn BadawÍ, ArisÔÚ þind al-þarab, bei der Abhandlung von Ibn SÍnÁ Schrift „Al-MubÁ½aÝÁt“, S.

221.

dem Leben vor und dem Leben nach dem Tod unterschied, der zwischen Seele und Körper vermittelte und der ein Gleichgewicht aus diesem Prozess erstellte.

Man findet diesen Vergleich zwischen Aristoteles und den islamischen Philosophen bei

¼asan ¼anafÍ. Er zeigt al-FÁrÁbÍ als selbständigen Philosophen, der seine eigenen Ideen entwickelte und der nicht nur die aristotelischen Schriften kommentierte. Dieser Vorstellung folgend kann man al-FÁrÁbÍs philosophische Interessen in einer Reihe oder einem Stufenmodell, oder aber einen Entwicklungsprozess ordnen: 1. an erster Stelle das Interesse an Aristoteles selbst, 2. und 3. dann das Interesse an Aristoteles und Platon, die Weise der Griechen sind, 4. und 5. das Interesse an Aristoteles und Platon, die nach al-FÁrÁbÍs Vorstellung die griechische Kultur in ihrer Gesamtheit vertraten, 6. das Interesse an der griechischen Kultur als einer Stufe der Kulturentwicklung und Historie der Menschheit, 7. das Interesse an der menschlichen Kultur, die die islamische Kultur miteinschloß und 8.

schließlich als letzte Stufe dieses Prozesses die Schriften al-FÁrÁbÍs im Kontext seiner eigenen Kultur:222 ¼. ¼anafÍ stellte auch die Methode des al-FÁrÁbÍ, die er in seiner Erklärung seines Buches „Al-¹amþ bayna raÿy al-½akÍmayn“ „ Die Verbindung zwischen...“ verwendete, dar.

Die erste Methode heißt „al-kalÁm fÍ ...,” d.h. „die Sprache in...“. Nach dieser Methode wurden die griechischen Texte rein theoretisch, eben um sie zu erklären, vorgestellt. Die zweite Methode heißt „auf die Art der Vorbemerkungen”, oder auf Arabisch „þalÁ ºihat al-taþlÍq - >>"ا $>> Q>>D“ d.h. in Bezug auf die Bemerkungen.

Bei dieser Methode werden die griechischen Texte mit Vorbemerkungen des Kommentators dargestellt. Al-FÁrÁbÍ adaptierte nicht alle Kommentare seiner Vorgänger über die aristotelischen Schriften, sondern kritisierte, was nicht mit seinen eigenen Ideen korrespondierte.223

¼. ¼anafÍ versucht, durch diese Erklärungen aufzuzeigen, dass al-FÁrÁbÍ den wahren Aristoteles kannte, und sich der Falschheit der Zuschreibung von Schriften wie „Die Theologie des Aristoteles“ bewußt war.224 In seiner Schrift „I½sÁÿ al-þulÚm - ء>>Sﺡا م >>ا“ (Die Aufzählung der Wissenschaften), stellt er seine Bekanntschaft mit den aristotelischen Schriften deutlich unter Beweis. Über die unterschiedlichen Erklärungsmuster, die ich in dieser Arbeit als Hauptpunkte vorzustellen versuche, finde ich auch einige wichtige Äußerungen bei H. ¼anafÍ, der sich dahingehend äußert, daß al-FÁrÁbÍ in seiner Behandlung der Methoder der Kommentatoren

222 ¼asan ¼anafÍ, DirÁsÁt islÁmiyya, S. 147-149.

223 Ebd., S. 151-154.

224 Ebd., S. 154-155.

zwischen den Ausdrücken selbst und ihren Bedeutungen unterschieden habe. Nach al-FÁrÁbÍs Ansicht verwendeten die Kommentatoren zwar unterschiedliche Ausdrücke; diese Inkonsistenzen aber hatten keinen Einfluß auf das Produkt, also die Ergebnisse der Texte an sich. ¼anafÍ merkt zu al-FÁrÁbÍs Sichtweise dieses Problemkreises an: Was wichtig ist, sind nicht die Namen, sondern die Ideen, auf die sich diese Namen beziehen. Er unterscheidet zwischen den Ausdrücken, die Aristoteles verwendete, und dem, was er wollte – will heißen, was al-FÁrÁbÍ mit dem Lesen dieser Texte beabsichtigte -, nämlich, ihnen eine Bedeutung zu verleihen.225

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