• Keine Ergebnisse gefunden

Die Definition der Seele ist bei Ibn SÍnÁ von der Funktion einer bestimmten Seelenstufe X oder einer bestimmten Seelenstufe Y abhängig.

Die Seele wurde manchmal als Fähigkeit ”ة >>K“ definiert, und zwar in Bezug auf die Tätigkeiten, die aus ihr heraus erzeugt werden. Auch gilt sie als Fähigkeit in Bezug auf die vernünftigen und sinnlichen Formen, die sie in sich selbst aufnimmt. Sie wird als Form ”ةر >>L“ definiert in Bezug auf die Materie, die sich in ihr befindet.

Die Seele als Form verbindet sich mit der Materie, um eine pflanzliche oder tierische Substanz zusammenzusetzen.

Bei Aristoteles sind diese Seelenstufen hauptsächlich in der ersten und der zweiten Abhandlungen seiner Schrift „De anima“ behandelt und definiert. Ibn SÍnÁ betrachtet die Seele auch als Vollkommenheit ”ل>>آ“, und zwar in Bezug auf „die Perfektion der Art“ - oder „der Perfektion des Genus“ ”,.>>Gا ل:>>ا“. Durch sie -

15 Vgl.: Ibn SÍnÁ, RisÁla fÍ al-nafs al-nÁÔiqa, S. 419.

d.h. durch die Seele - wird eine erlangte und erworbene Gattung erreicht oder entwickelt.16

Aber ähnlich wie Aristoteles bevorzugte Ibn SÍnÁ den Begriff “Vollkommenheit“

vor allen oben genannten Begriffen. Der Grund dafür ist, dass die Definition der Seele als Vollkommenheit alle ihre Stufen und Funktionen mitbeinhaltet.17 Er sagte:

„die Seele in Bezug auf die Fähigkeit, durch sie die Wahrnehmung des Lebewesens ergänzt, ist Vollkommenheit, und in Bezug auf die Fähigkeit, durch sie die Tätigkeit des Lebewesens erzeugt, ist auch Vollkommenheit, und die getrennte Seele ist Vollkommenheit, und die ungetrennte Seele ist Vollkommenheit.“18

Die Bedeutung des Begriffs „Vollkommenheit“ ist nach Ibn SÍnÁ das Ding “ >>>ه ء/>>>ا“, durch dessen Existenz das Lebewesen ein wirkliches Lebewesen, und die Pflanze eine wirkliche Pflanze wird.19 Mit anderen Worten: Die Vollkommenheit ist, was ein bestimmtes Lebewesen X als solches definiert und als solches in die Wirklichkeit treten lässt.

Ibn SÍnÁ betrachtete die Seele auch in Bezug auf die physiologische Ebene, d.h. die Seele wird auf dieser Stufe nicht in Bezug auf ihre Substanz definiert, sondern in Bezug auf ihre Funktion, nämlich als Verwalterin des Körpers und wird so ihm als Maßstab dienen - “ >> $>>"+ﻡو نا>>ﺏ ة'ﺏ>>ﻡ“. Als Verwalterin des Körpers besteht die Möglichkeit, dass sie von ihm getrennt existiert. Wird sie aber mit dem Körper assoziiert, so besteht auch die Möglichkeit, dass sie von ihm abhängig ist. Deswegen wird bei ihrer Definition der Körper in Betracht gezogen, ähnlich wie bei der Definition des Hauses das Haus in Bezug auf die Mauer definiert wird.20 Aufgrund dieser Erklärung ist die Untersuchung der Seele ein Teil der Naturwissenschaft.21 Ihre Beziehung zur Materie und zur Bewegung verleiht ihr diese Erklärungsart. Ich muss hinzufügen, dass diese Erklärung nicht alle Stufen der Seele umfasst, sondern nur ihre physiologische Stufe betrifft.

16Ibn SÍnÁ, þIlm al-nafs, S 10-13.

17 Ebd., S. 11-12.

18 Ebd., S. 12.

19 Ebd., S. 12.

20 Ebd., S. 14.

21 Ebd., S. 14.

Ibn SÍnÁ unterscheidet zwischen zwei Vollkommenheitsarten, einer primären Vollkommenheit und einer sekundären Vollkommenheit. Durch die primäre Vollkommenheit wird aus einer Gattung eine wirkliche Gattung. Beispiel hierfür ist das Verhältnis von bloßer Gestalt und Schwert. Die sekundäre Vollkommenheit bestimmt die Gattung eines Dinges, und zwar in Bezug auf seine Tätigkeiten und Reaktionen. Dieses Verhältnis ist dem Verhältnis zwischen dem Umstand des Schneides und dem Schwert selbst ähnlich. Es ist nämlich die Fähigkeit des Schneides an sich, die die „Schwertheit“ des Schwertes ausmacht und zu seiner klaren Definition beiträgt. Auch ist es dem Verhältnis der Wahrnehmung, des Sehens, der Aufnahmefähigkeit und der Bewegung zum Menschen ähnlich.22 Die Seele ist somit eine primäre Vollkommenheit des Körpers, aber nicht für jeden Körper, sondern für den organischen Körper, aus dem seine sekundären Vollkommenheiten durch Instrumente - oder Organe - erzeugt werden. Durch diese Instrumente wird der Mensch in die Lage versetzt, sein Leben zu verwirklichen.23

Aufgrund dieser Erklärung unterscheidet Ibn SÍnÁ zwischen drei Seelenstufen: Der vegetativen Seele, der tierischen Seele und der menschlichen Seele. Diese Unterscheidung ist die Folge ihrer Funktionen auf der jeweiligen Stufe. Die Funktion der vegetativen Seele beschränkt sich auf das Wachstum, die Ernährung und die Zeugung. Die Funktion der tierischen Seele ist es, Einzelheiten wahrzunehmen und die willentlichen Bewegungen umzusetzen. Die Funktionsarten der menschlichen Seele, d.h. die Vernunft, werden aus der willentlichen Entscheidung erzeugt. Diese Entscheidungen sind von syllogistischen Prozessen geprägt. Auf dieser menschlichen Stufe ist die Seele fähig, die allgemeinen Ideen wahrzunehmen.24 Der Begriff der „Vollkommenheit“ ist bei Ibn SÍnÁ nicht mit dem Begriff der „Form“ identisch, weil jede Form eine Vollkommenheit ist, aber nicht jede Vollkommenheit eine Form. Wir finden diese Definition der Seele auch bei Aristoteles. Es muss betont werden, dass diese Definitionsart der Seele bei Ibn SÍnÁ nur zur physiologischen Ebene der Seelenbehandlung gehört. In anderen seiner Schriften übernahm er die geistige - göttliche Ebene - der Seelendefinition. Die beiden Ebenen widersprechen sich nicht, wie viele Ibn SÍnÁ-Forscher behaupteten, sondern ergänzen sich, d.h. die Ebene der Erde braucht das Himmlische und umgekehrt. Auch bei Aristoteles ist seine Seelenlehre nicht nur in seinem Buch „De

22 Ebd., S. 14.

23 Ebd., S. 14-15.

24 Ibn SÍnÁ, KitÁb al-naºÁt, S. 158.

anima“ repräsentiert. „De anima“ ist nicht die einzige Schrift, in der Aristoteles seine Seelenlehre vorstellt. „De anima“ vertritt vielmehr eine der beiden Erklärungsarten der Seele; eben jene, die zur physiologischen Erklärungsebene passt, während seine Bücher „Eudemus“ und „Die Nikomachische Ethik“ die geistige ethische Ebene, die nichts anderes ist, als die göttliche Erklärungsebene des Plato, vertreten, jedoch in metaphysischer Form.

Die Schriften des Aristoteles, die als frühe Schriften bekannt sind, zeigen diese platonische Seite an ihm. Ob diese Schriften wirklich zu seinen frühen Schriften gehören oder nicht, ist nicht zu beweisen.

In seiner Schrift, die zur seiner Philosophie der Öffentlichkeit gehört, nämlich dem Buch „ÿIlm al-nafs“, das ein Teil seiner philosophischen Enzyklopädie „al-ŠifÁÿ“ ist, betont Ibn SÍnÁ nicht nur die physiologische Erklärungsebene, sondern auch die geistig-göttliche Ebene. Die Betonung dieser Erklärungsebene ist in den Schriften

„Die Hinweise und Ermahnungen“ nicht stark repräsentiert.

Auch wenn er die Seele in seinem Buch „þIlm al-nafs - Die Wissenschaft der Seele“

als primäre Vollkommenheit definiert, bedeutet dies nicht, dass sie eine Form eines Körpers ist, etwa im Sinne der Beziehung zwischen Form und Materie, wie es bei Aristoteles der Fall ist. Ibn SÍnÁ sagte deutlich: „Die Vollkommenheitsart, die vom Selbst getrennt ist“ - “تا>>ا قر>>-ﻡ“ ist in Wirklichkeit keine Form einer Materie oder in der Materie, weil die Form, die sich in der Materie befindet, diejenige Form ist, die ihr eingeprägt ist und die sie strukturiert. Aus dieser Erklärung geht klar hervor, dass, wenn wir die Seele als Vollkommenheit definieren, dies dann die beste Bezeichnung für ihre Bedeutung ”>>>>ه.ﻡ Q>>>>D لدا“ ist; Dies enthält auch alle Seelenarten in ihrer Gesamtheit, und die von der Materie getrennte Seele ist dieser Definition zugeordnet.25

Ibn SÍnÁ wollte durch diese Aussage die Trennung der Seele vom Körper betonen, um die Ewigkeit und die Unsterblichkeit der Seele zu verteidigen. Aristoteles betrachtete die Beziehung der Seele mit dem Körper ähnlich wie die Beziehung der Materie mit der Form, d.h. es gibt keine Trennung.

Die Schlussfolgerung des aristotelischen Gedankenganges ist die folgende: Die Seele ist sterblich, sie vergeht mit dem Körper. Diese Ansicht vertrat Aristoteles meiner Meinung nach nur in der ersten und zweiten Abhandlung von „De anima“,

25 Ibn SÍnÁ, þIlm al-nafs, S. 11-12.

nicht aber in der dritten Abhandlung. In der dritten Abhandlung identifizierte er die Seele mit dem Geist oder mit dem Licht. Der Begriff „Licht“ in der damaligen Zeit deutete in der damaligen Zeit schon auf eine himmlische Quelle hin.

Es ist mir klar, dass verschiedene Meinungen zu dieser Frage existieren, aber ich betrachte die Seelenlehre des Aristoteles nicht nur in „De anima“, sondern auch in seinen anderen Schriften, wie ich schon zuvor erwähnt habe.

Ibn SÍnÁ sah meiner Meinung nach alle Schriften des Aristoteles als Einheit an, so dass sie einander nicht widersprechen, sondern sich vielmehr ergänzen. Plato war für Ibn SÍnÁ immer hinter den aristotelischen Aussagen zumindest verborgen. Er konnte ihn entdecken und gleichzeitig auf derselben Ebene - oder Terminologie - des Aristoteles wiederherstellen. Er verwendete die geistig-göttliche Ebene der Seele wie sie bei Plato dargestellt ist, und zwar auf derselben physiologischen Ebene wie Aristoteles. Man könnte diese Lesart die Aristotelisierung Platons nennen.

Ibn SÍnÁ zufolge wird in dem Moment, in dem sich die Verbindung der Seele mit dem Körper vollzieht, der Körper ein Teil ihrer eigenen Definition, aber nicht als Form, die ihm eingeprägt ist, sondern als primäre Vollkommenheit, die für seine dauernde Existenz verantwortlich ist. Diese Art der Beziehung ist der Beziehung zwischen Mauer und Haus ähnlich. Die Mauer ist die Ursache für die Entstehung - Existenz - des Hauses, gleichzeitig aber ist sie von ihm unabhängig. Schon Aristoteles hat ein ähnliches Beispiel angeführt, und zwar dasjenige mit dem Kapitän und dem Schiff. In diesem Beispiel ist die Idee der Trennung der Seele vom Körper schon vorhanden, auch wenn er dieses Thema an jener Stelle nicht explizit behandelt hat.

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE