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Die Frage nach der Originalität der aristotelischen Schriften

viertes Kapitel Aristoteles im Islam

4.4. PLATON UND ARISTOTELES IM ISLAM IN HINSICHT AUF DIE VERSCHIEDENEN MEINUNGEN

4.4.2. Die Frage nach der Originalität der aristotelischen Schriften

Die echten aristotelischen Schriften waren in römischer Zeit nicht bekannt. Mit Andronicus aus Rhodos, der 30 Jahre vor Christus lebte, müssen die Meinungen zurückgewiesen werden, die besagen, dass die islamischen Philosophen und vor ihnen die Neoplatoniker die griechische und besonders die aristotelische Philosophie verfälschten. Die Römer, die Neoplatoniker und die Muslime kannten die originären Schriften des Aristoteles nicht. Mit anderen Worten: Die aristotelischen Schriften, die wir heute besitzen, sind nicht der Massstab für unsere Beurteilung des Ausmasses der Bekanntschaft des Aristoteles bei den islamischen Philosophen. Die Rezeption der Philosophie des Aristoteles durch Andronicus, meint der Verfasser, gebe den „griechischen“ Aristoteles nicht wieder, d.h. wie Aristoteles in seiner Zeit in Griechenland bekannt war, sondern sei ein Versuch einer „römischen“

Bearbeitung seiner Schriften.

Eine weitere ausführliche Untersuchung liefert uns O. Gigon.363 Ihm zufolge besitzen wir alle Schriften Platons, also alles, was er geschrieben und veröffentlicht hat. Aber bei Aristoteles besitzen wir nicht alle seiner Schriften. Deswegen gibt es bei der Erforschung der platonischen Schriften keine Schwierigkeiten. Aber bei Aristoteles tauchen viele Schwierigkeiten auf. Die Gesamtausgabe der aristotelischen Schriften, die wir jetzt besitzen, ist „vom 2. Jhd .n. Chr. an nachweisbar, von der wir aber annehmen dürfen, dass sie in der Zeit Ciceros hergestellt worden ist. Die Spätantike, sowie das griechische und lateinische Mittelalter haben von Aristoteles nichts Anderes gekannt als eben diese Gesamtausgabe. Wir besitzen auch ein Verzeichnes der Schriften des Aristoteles, das aus dem 3 Jhd. v. Chr. stammt und das ein völlig abweichendes Bild

363 O. Gigon, Einführungsschriften, S. 40.

vermittelt.“364 Das Verzeichnes führt auf eine frühhellenistische Ausgabe, die mehr Titel enthält als die uns überlieferte Ausgabe.365

Eine andere Schwierigkeit in der Erforschung der aristotelischen Schriften, die die Frage nach der Echtheit seiner Schriften noch komplizierter macht, ist die Tatsache, dass die uns tradierten aristotelischen Texte sich nicht unbedingt in der Form befinden, in der Aristoteles sie publizierte.366

Es gibt geschichtliche Ereignisse, die zu diesen Umständen führten. Diese Ereignisse sind:

1.) Die gesamte Bibliothek des Aristoteles und seine Orginalmanskripte sind nach dem Tod Theophrasts bei Neleus (288 v. Chr) gelagert worden. Er war, wahrscheinlich, einer der letzten Peripatetiker, d.h. er war der letzte überlebende Schüler des Aristoteles.

2.) Er nahm alle Bücher von Aristoteles mit sich, als er in seine Heimat zurückgekehrt ist.

3.) Er vererbte diese Bücher an Menschen, die kein Interesse an der Philosophie hatten. Diese Bücher lagerten während etwa 200 Jahren in einem Keller, bis sie im ersten Jahrezehnt des ersten Jahrhunderts vor Christus von einem Gelehrten entdeckt und trotz ihres schlechten Zustandes aufgekauft wurden. Dann wurden sie nach Athen überstellt.

4.) Während des Kriegs zwischen Rom und Mithridates besetzte der römischer Feldherr Sulla die Stadt Athen (84 v. Chr.). Er hatte Interesse an der griechischen Kultur.

5.) Er transportierte die gesamten Schriften des Aristoteles nach Rom. So wurden sie sein Eigentum, und er beauftragte einen griechischen Gelehrte, Tyramion, damit, diese Manuskripte und Schriften zu edieren.

6.) Einige Jahre später ist dieser von Rhodos nach Rom gekommen und übernahm die Aufgabe, diese Schriften zu edieren. Er verfasste eine Einleitung für die ganze Ausgabe des Aristoteles. Diese Ausgabe besitzt den grössten Teil von ihr, und wahrscheinlich wurde diese Ausgabe auf eine neue Basis gestellt.367

Nach dieser Darstellung der Geschichte der aristotelischen Schriften kann man die Frage nach der Echtheit der Schriften, die wir besitzen, immer mehr in Frage stellen. D.h. die Vorwürfe gegen die islamischen Philosophen als Verfälscher der Philosophie des Aristoteles verlieren ihre Gültigkeit.

364 Ebd., S. 40–41.

365 Ebd., S 41.

366 Ebd., S. 41.

367 Ebd., S. 41-42.

Diese philosophischen Charaktere des Aristoteles übernahmen die islamischen Philosophen mit dem Neoplatonismus, d.h. die römisch-hellenistische Philosophie.368 Dieser Prozess geschah nach den Maßstäben der römischen Gedankenstruktur, die aus anderen historischen Ereignissen als die Griechischen hergeleitet und betrachtet wurden. Trotz der oben erwähnten historischen Tatsachen unterstützt der Verfasser die Meinung, dass die islamischen Philosophen Aristoteles verfälschten.369

Man bemerkt, dass F.E. Peter sich widerspricht, auch wenn er nicht die Repräsentation der aristotelischen Tradition im Neoplatonismus leugnete.370 Diese Ideen F.E. Peters sind ein Beispiel für das Missverständnis der oben erwähnten historischen Tatsachen, die er miteinander verknüpft. Er konzentriert sich nicht auf ihre oberflächliche Ebene, sondern dringt auf der Suche nach den Hintergründen tief in sie ein. Der Schlüssel zum Verständis liegt in dem Versuch, den Unterschied zwischen Platon und Aristoteles auch auf der Ebene der Formulierung, des sprachlichen Unterschiedes zu suchen. Dieser Unterschied ist als Folge ihrer unteschiedlichen Methoden zu betrachten.

Die Sprache Platons ist nicht nur metaphysisch, sondern enthält auch mythische Ideen, und dies trotz der Bemühungen Platons, die griechische Mythologie zu rationalisieren (Die alte kultische griechische Religion wird als mythisch bezeichnet). Aristoteles folgte der Tendenz seines Lehrer und machte damit den grössten Schritt in diese Richtung. Er gesteht der Vernunft mehr Spielraum zu, um dieselben behandelten Phänomene auf einer anderen Erkenntnisebene zu erklären.

Wenn wir diesen Prozess auf den Entwicklungsprozess der islamischen oder neuplatonischen Philosophen übertragen, dann könnten wir dies folgendermaßen formulieren: Die Offenbarung und die Philosophie. Die Offenbarung erklärt die Phänomene auf der Intuitionsebene, d.h. was als Gott oder der Ursprung des Lichts auf der Offenbarungsebene bezeichnet wird, oder was als der Erste oder der Unbewegte Beweger bezeichnet wird, oder was aus diesem Ersten erzeugt wird, wie die erste Vernunft –nous– oder die erzeugten Intellekte, die als Engel bei den islamischen Philosophen auftauchen.

Von der anderen Seite muss betont werden, dass Aristoteles einige Dialoge schrieb, die den platonischen Dialogen ähnlich sind. In diesen Dialogen verwendet er seinen

368 F. E. Peter, S. 14.

369 Ebd., S. 15.

370 Ebd., S. 14.

eigenen Stil. Einer dieser Dialoge trägt den Namen „Über die Seele.“ Dieser Dialog ist ein Gegenstück zum platonischen „Phaidon.“371 Nach O. Gigon “[scheint] der Dialog über die Seele [...] mit einem Mythos platonischer Art geschlossen zu haben.“372 O. Gigon stellt einige Gründe für die Vernachlässigung der Dialoge des

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