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Die Charakterisierung der Seele als immaterielle Wesenheit

1.2. EXISTENZBEWEIS DER SEELE

1.2.5. Die Charakterisierung der Seele als immaterielle Wesenheit

Aufgrund dieser Beweise und Definitionen kommt Ibn SÍnÁ zu dem Ergebnis, dass die Seele eine immaterielle Wesenheit ist, eine Wesenheit, die nicht vom Körper abhängig ist. Er nimmt dieses Ergebnis an und zwar, obwohl er ansonsten beton, dass der Mensch aus zwei Teilen zusammengesetzt ist und Materie ohne Form nicht existieren kann. Die Existenz der Materie ohne Form ist nur im Denken möglich, aber nicht in der Natur. Die Seele ist kein Akzidens eines Körpers, weil sie von ihm unabhängig ist; sie ist eine Vollkommenheit in ähnlicher Weise wie die Wesenheit, aber nicht wie der Akzidens. Man muss sagen, dass aus dieser Aussage nicht notwendigerweise hervorgeht, dass die Wesenheit - oder die Seele - vom Körper getrennt oder mit ihm vereint sein muss - “ نا وا 'ه ﻥا ﺏ Wذ )ﻡ لآ .K اذا .:

'ه Gﺏ X"“, d.h. Ihm zufolge müssen also weder Wesenheit und Materie, noch Form und Materie voneinander getrennt sein.33 Ich bin der Meinung diese Art der Erklärung betrifft vornehmlich die physiologische Erklärungsebene der Seelenphänomene, die auch mit dem Leben identifiziert ist. Ibn SÍnÁ sagte: „Sie ist in unserer Welt [er meint die Seele].“ Wir müssen auf den Ausdruck „in unserer Welt“ aufmerksam machen. Er sagt deutlich “ / /ه ;ﺏ .D„ - eine Vollkommenheit eines natürlichen Körpers, aus dem seine sekundäre Vollkommenheiten durch Instrumente oder Organe erzeugt werden, die er (er meint den) Körper benötigt, um die Tätigkeiten des Lebens auszuführen.“34

Diese Identifizierung der menschlichen Seele mit dem Leben unterscheidet sich von den Planetenseelen, die kein Leben wie der Mensch besitzen.35 Das Leben in diesem Sinne weist auf die Verbindung zwischen zwei Welten hin, der irdischen und der himmlischen, der physikalischen und der metaphysischen. Die Planeten besitzen diese Art des Lebens nicht. Es fehlt Ihnen die physikalische Dimension. Der Mensch

33 Ebd., S.12 .

34 Ebd., S. 15-19.

35 Ebd., S. 15-16.

besteht aus dieser Mischung. Dieselbe Art der Identifikation der Seele mit dem Leben finden wir bei Aristoteles in der ersten und der zweiten Abhandlung seiner Schrift „De anima“

In seinem Buch “ $">>>-.ا ى >>>+ا />>> >>>ﻡ“ „Die Untersuchung der Seelenfähigkeiten“

betont Ibn SÍnÁ diese physiologische Ebene der Seele sehr. In seiner Schrift “ />>

,-.>>ا“ „Über die Seele“ und in seinem Buch “ة>>G.ا“ „Die Rettung“ bekräftigt er die Ansicht von der Mischung der physiologischen Ebene und der ethisch-geistigen Erklärungsebene. Außer den oben erwähnten Zitaten, die sich auf die physiologische Ebene beziehen und aus seinem Buch „Die Wissenschaft der Seele“ entnommen sind, zeigte er in diesem Werk auch die geistige Ebene der Seele auf, die die Unabhängigkeit der Seele vom Körper erklärte.

Im 2. und 4. Kapitel der 5. Abhandlung im 2. Kapitel seines Buches „Über die Seele“ stellt Ibn SÍnÁ die andere Erklärungsebene der Seele vor, gemeint ist damit die geistige, getrennte Seele. Er nennt diese Seele “ $>>>+.ا ,-.>>>ا“. Wenn dieser Ausdruck wörtlich übersetzt wird, dann bedeutet er „die sprechende Seele.“ Die Sprache ist das Merkmal, durch das man zwischen Tieren und Menschen unterscheiden kann. Dieses Merkmal wurde schon zuvor behandelt, als wir den Unterschied zwischen Tier und Mensch aufzeigten - und zwar bezüglich des Phänomens der Stimme.

Ich werde diese Behandlung im Zusammenhang mit dem Ausdruck „die sprechende Seele“

wiederholen. Ibn SÍnÁ sagte über die Funktion der Sprache: ” جﺡا ﻡ... ى'ﺥا باو ب9ا 7 ZS ﻡ ﺥا نآو $"[و $ﻡﺏ @-ﻥ / ﻡ @:'ﺵ ه يا 'ﺥ9ا نا QD ةرK @" / @ ن : نا نﻥ9ا

فو'ﺡ Qا . @ﻥ9 ت Sا ه W

.. “36, Übers.: „Wegen dieser Gründe und wegen anderen Gründen...was der Mensch in seiner Natur braucht, ist eine Fähigkeit, um den anderen, der sein Partner ist, über das, was in seinem Selbst geschieht, zu unterrichten, und zwar durch eine konventionelle Bezeichnung. Das Beste, das als richtig für diese gilt, ist die Stimme, weil sie aus Buchstaben zusammengesetzt ist…“ Ibn SÍnÁ zufolge gebrauchen Tiere ihre Stimme ihrem Instinkt folgend. Sie weist auf ihre Konvergenz und auf ihre Divergenz, je nach ihrer Natur, hin: “ة'.او $+ا ا )ﻡ $ QDو J"0ﺏ ل ﻥا“.37

Ibn SÍnÁ beweist die Unkörperlichkeit der vernünftigen Seele durch das Altersphänomen. Die Seele wird durch das Alter nicht negativ beeinflusst, sie wird

36 Ebd., S. 199-200.

37 Ebd., S.200.

nicht geschwächt, unabhängig vom Alter, das sie erreicht. Im Gegensatz zu ihr, wird der Körper mit der Zeit alt und schwach. Ibn SÍnÁ sagte, dass, wenn die Fähigkeit der Vernunft eine körperliche Fähigkeit wäre, dann würden wir keinen Menschen finden, der diese Jahre erreicht hätte – er meint älter geworden wäre - ohne dass seine Kraft nachgelassen hätte. Aber wir bemerken bei vielen Menschen in diesem Alter, dass sie noch eine klare Vernunft besitzen, und mehr als das, bei einigen älteren Menschen ist die Denkfähigkeit besser geworden. Das bedeutet, die vernünftige Seele ist eine selbständige Fähigkeit, die vom Körper unabhängig ist.38

Er nannte die vernünftige Seele auch “'ه >>>“ - Wesenheit. Durch diesen Begriff versucht Ibn SÍnÁ die Unkörperlichkeit der vernünftigen Seele zu erklären. Er sagte;

die Wesenheit sei der Platz der Intelligibels, sie sei überhaupt kein Körper, und sie befinde sich nicht in einem Körper - und zwar in dem Sinne, dass sie eine Fähigkeit oder eine Form sei.39 Diese vernünftige Seele als solche kann die abstrakten Formen wahrnehmen. Diese Formen sind nicht materiell geteilt, obwohl sie durch die Vernunft analysierbar sind. Wenn die vernünftige Seele der Platz des Intelligibels - der Formen - ist, dann sollte sie dieselben Eigenschaften wie das Intelligibel haben, d.h., sie sollte wie sie ebenfalls ungeteilt sein. Ibn SÍnÁ zufolge kann das Allgemeine nicht allgemein sein, und das Gedachte kann nicht gedacht sein, ohne dass es vom Raum oder aus den materiellen Eigenschaften abstrahiert wurde. Ibn SÍnÁ erklärt diesen Beweis durch die Verwendung logischer Argumente.40

Man könnte diesen Beweis modern formulieren: Die physikalischen Phänomene sind bestimmten physikalischen Gesetzen untergeordnet. Diese Phänomene sind nur durch diese Gesetze erklärbar. Die Eigenschaften eines physikalischen Phänomens sind entweder räumlich oder zeitlich, d.h., sie sind messbar, während die vernünftig-seelischen Phänomene - oder was heutzutage mit dem Terminus Bewusstsein bezeichnet wird – auf diese Weise nicht fassbar gemacht werden können.

Eine weitere Stärkung dieses Argumentes ist folgende Überlegung: Wenn die vernünftige Fähigkeit in einem Körper eingeprägt wäre, wie z.B. im Gehirn, dann sollte diese Seele entweder stets und unentwegt an diesen Körper denken, oder überhaupt nicht an ihn denken. Diese Möglichkeiten sind, Ibn SÍnÁ zufolge,

38 Ebd., S. 216.

39 Ebd., S. 206.

40 Ebd., S. 206-218.

unwahrscheinlich; daher ist die Seele nicht in einen Körper eingeprägt.41 Dieses Argument erinnert mich an die Aussage eines modernen Philosophen, nämlich an John Sierl; der sagte, es gebe bis jetzt keinen einzigen Neurologen, der den Kopf eines Mensch geöffnet hätte und dort eine Seele oder eine Vernunft vorgefunden hätte. Die Tatsache, dass die Denkprozesse durch verschiedene Prozesse des Nervensystems ausgeführt werden, bedeutet noch nicht, dass dieses Nervensystem mit dem Denken – oder mit der Vernunft - identisch ist. Es weist nur auf die Verbindung zwischen den beiden hin, mehr nicht.

41 Ebd., besonders drittes Kapitel der fünften Abhandlung S. 206-218.

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