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Das Verhältnis zwischen den Neoplatonikern und Themistius

Zur Übersetzung der griechisch-hellenistischen Schriften zur Seelenlehre ins Arabische

2.2. DIE AUSLEGER DER ARISTOTELISCHEN SEELENLEHRE

2.3.10. Das Verhältnis zwischen den Neoplatonikern und Themistius

Henry J. Blumenthal stellt einige Punkte, die den Kommentaren der Neoplatoniker und des Themistius entnommen sind, nebeneinander, um ihre Unterschiede und Ähnlichkeiten zu zeigen.183 Wir erwähnen einige dieser Punkte:

1): Die Beziehung zwischen Körper und Seele (Wir erwähnen diese Punkte nicht als Wiederholung, sondern um die Rezeption der Seelenlehre des Aristoteles bei Ibn SÍnÁ darzustellen) .

Wenn Aristoteles von der aktuellen Tätigkeit der Seele redete, wurde diese Ansicht als Dualismus bei den Platonisten interpretiert, obwohl Aristoteles die Beziehung zwischen Seele und Körper als Einheit betrachtete, wie er die Beziehung zwischen Form und Materie formulierte. Aber bei der Diskussion über das Wesen der Seele treten Schwierigkeiten in der Interpretation auf. Die Platonisten verstanden diesen Punkt des Aristoteles in dem Sinne, als wäre die Beziehung der Seele mit dem Körper eine Beziehung zwischen der Seele und dem Körper, der eine Seele hat, und nicht mit einer bloßen Materie, oder als eine Beziehung der Seele, die die Materie zum Körper macht. Diese Erklärungebene finden wir bei Plotinus, Porphyrius und wahrscheinlich verwendete sie auch Themistius.

Nur die späteren Kommentare schrieben die Seele, die unter der Stufe der individuellen Seele eingeordnet ist, eine Einheit mit dem Körper zu; d.h. diese Stufe der Seele gibt die Form für die Materie und macht sie zu Körper und Aktuell.

Eine andere Art der Erklärungsebene finden wir bei Simplicius.184 Wenn er die Seele als erste Aktualität eines organischen Körpers zu definieren versuchte, verwendete er die aristotelischen Begriffe; d.h. die erste und zweite Aktualität. Sein Ziel war es, zu unterscheiden zwischen einer Stufe der Seele, die primär ist, die dem Körper eine Form und ein Leben verleiht, und zwischen der anderen Stufe der Seele, die die sekundäre Aktualität ist und die den Körper als Instrument benutzt, d.h. im Sinne der platonischen Lehre.

Diese Art der Erklärungsebene führt zu der Ansicht, die Seele bestehe aus einer Struktur von Hirarchien - Serien von Formen. Auch Philoponus folgte dieser Betrachtungsart. Den Kommentatoren, die diese Erklärungsebenen verwenden, gilt

183 Henry J. Blumenthal, (Artikel): Themistius: the last Peripatetic commentator on Aristotle? In Ebd., Richard Sorabji, Aristoteles Transformd,, S. 115- 123.

184 Ebd.,, S. 116-117.

die Form nicht als Wesen, das jede Lebensart ausmacht, d.h. die Form verleiht der Potentialität nicht die Aktualität.

Themistius bleibt in diesem Punkt der Ansicht Aristoteles’ nahe.185 Blumenthal sagt:

“...no sign of any such attempt to avoid the clear import of Aristotle’s text...”186 Die Vorwürfe, die gegen Themistius in seiner Interpretation der aristotelischen Idee vom Kapitän und dem Schiff gerichtet sind, sind die folgenden: Themistius hat die wahre Absicht Aristoteles’ in diesem Punkt nicht richtig verstanden. Laut H. J. Blumenthal kann man diese Vorwürfe nicht halten, weil seine Äußerung als platonische Interpretation gelesen werden kann. Ausgehend von Aristoteles sind zwei verschiedene Interpretationen möglich. Die eine bezieht sich auf die Phänomene der Seele, die andere beschränkt sich, wie Aristoteles in der dritten Abhandlung von „De anima“ entschieden hat, auf den Intellekt. Aristoteles unterscheidete also zwischen der Seele und dem Intellekt. Diese Erklärungsart wurde von Simplicius, Philoponus und durch die anderen Neoplatoniker übernommen.

Im Gegensatz dazu bleibt Themistius Aristoetles’ zögern treu. Er meint, es war die Absicht Aristoteles’, die Seele als eine Aktualität, wie es der Kapitän eine ist, vorzustellen, d.h. sie ist wie Nous, denn sie kann Aktualität sein aber auch trenbare Form. In der ersten Abhandlung von „De anima,“ in der die Aktivität der Seele behandelt wurde, scheint es, dass es keine Schwierigkeiten bezüglich des Inhalts gibt, besonders was die Frage nach der Trennung der Seele vom Körper angeht, d.h.

die Frage nach dem Unterschied zwischen Platon und Aristoteles in ihren Seelenlehren. Mit anderen Worten: Platon und Aristoteles haben fast dieselben Ansichten über die Tätigkeit der Seele und über die physiologische Seite der Seele.

Platons „Timaios“ bestätigt diese Annahme. Aber in der zweiten und dritten Abhandlung tauchen diese Schwierigkeiten, und zwar bezüglich der Aktivität der Seelenfähigkeiten, die in ihren Tätigkeiten nur teilweise eine Verbindung zum Körper benötigen, wie die Phantasiekraft, oder bezüglich der Fähigkeiten, die keine Verbindung zum Körper brauchen, wie die Vernunft und das Denken, wieder auf. In diesem Teil von „De anima“ wird Aristoteles’ Seelenlehre in verschiedenen Interpretationen erklärt, einmal als Platoniker, einmal als Revolutionär, der gegen seinen Lehrer aufbegehrt. Der Grund dafür ist, dass die Phantasiekraft Aristoteles’

Ansicht nach einerseits eine Beziehung zur Sinneswahrnehmung hat, andererseits

185 Ebd., S. 117.

186 Ebd., S. 117.

auch eine Beziehung zu den unkörperlichen Teilen der Seele. Die Vernunft hat überhaupt keine Verbindung zur körperlichen Seite.187 Laut Blumenthal behandeln die Neoplatoniker Aristoteles hier in unaristotelischer Weise.188

2) Ein anderer unklarer Punkt in der aristotelischen Schrift „De anima“ ist die Frage nach dem aktiven Intellekt. Themistius versuchte, den Status des aktiven Intellekts zu untersuchen; also, ob er mit der göttlichen Welt identisch ist oder nicht. Dabei konfortierte er sich mit der Ansicht Alexanders von Aphrodisias. Diese Ansicht besagt, dass der aktive Intellekt „nous poe’tikos“ ist, d.h. er ist nichts anderes als das oberste Prinzip. Themistius lehnte diese Ansicht ab. Seine Erklärungsalternative ist folgende: Der aktive Intellekt kann Gott (theos) sein, oder sollte sich auf einem Platz in der Hierrarchie der unbewegten Beweger befinden. Die späteren Kommentatoren, wie Simplicius und Philoponus, versuchten, dieses Problem zu lösen, indem sie behaupteten, dass der aktive Intellekt, wie er in der aristotelischen Schrift „De anima“ vorgestellt ist, ein Teil der individuellen Seele sei. Denn, wenn Aristoteles in

„De anima“ von der Seele spricht, dann meint er die rationale Seele und nicht die Allseele. Dem Themistius, der inmitten der Epoche des Neoplatonismus lebte, waren die Ansichten der Neoplatoniker in diesen Fragen bekannt. Er betont die Einheit der beiden Intellekte. Es scheint, dass er sich in diesem Punkt gegen die Ansicht von der Göttlichkeit des aktiven Intellekts stellt.189 Die Meinungen des Simplicius und Philoponus über den Status des aktiven Intellekts in „De anima“ des Aristoteles scheint der oben erwähnten Erklärungsebene angepasst.

Der Grund für diese Aussage ist, dass sie bemerkten, dass Aristoteles die Seele in

„De anima“ in ihren beiden Teile bearbeitete; d.h. die biologischen und die vernünftigen Teile, und zwar in Beschränkung auf die Beziehung des Menschen mit der irdischen Welt, d.h. in Beschänkung auf die physischen Phänomene. Der aktive Geist hat in „De anima“, obwohl Aristoteles seinen Ursprung im Licht erklärt und sein Ursprung ausserhalb des Menschen liegt, trotzdem zu einem Teil eine Verbindung mit der irdischen Sphäre. Die beiden Teile des Intellekts sind laut Themistius diskursive Intellekte, und das im Gegensatz zur Ansicht der Neoplatoniker, besonders zu Plotinus, der dem aktiven Intellekt einen transzindentalen Status verleiht.

187 Ebd., S. 117-118.

188 Ebd., S. 118

189 Ebd., S. 119.

H. J. Blumenthal stellt bei der Behandlung dieser Frage eine Meinung E. P.

Mahoneys dar, die besagt, dass Themistius einen neoplatonischen Einfluss in seiner Seelenlehre aufweist. Mahoney stützte sich auf die Erklärungsart des Themistius der Struktur der Seelenfähigkeiten, die eine hierarchische Struktur ist, die die Beziehung Form-Materie nach dem platonischen Modell vorstellt.190 Laut Blumenthal bedeutet dies, auch wenn Themistius einige neoplatonische Ideen adoptierte, noch nicht, dass er Neoplatoniker ist. Laut ihm liegt der Grund für die Behauptung Mahoneys in der neoplatonischen Sprache, die Themistius verwendete. Auch Aristoteles befreite sich nicht von der platonischen Sprache.191 In diesem Punkt müssen wir das betrahcten, was für Blumenthal und andere Forscher nur eine Frage der Sprache ist.

Der Versuch Mahoneys, Themistius als Neoplatoniker zu zeigen, und Blumenthals Antwort, weisen beide in die Richtung des oben erwähnten Mottos der Methode dieser Arbeit. Die Ideen des Themistius, wegen derer Mahoney ihn als Neoplatoniker bezeichnet, sind für Blumenthal normale peripatetische Ansichten.

Diese Ideen, die sich bei den Neoplatonikern und bei Themistius finden, sind:

1). Die Struktur der Fähigkeiten der Seele ist hierarchisch, d.h. eine Fähigkeit steht unter der anderen, wie es in der Beziehung zwischen Form und Materie der Fall ist.

2) Der Intellekt kann beide Stati sein, d.h. der Status der Einheit und der Status der Vielheit. Bei Alexander ist der aktive Intellekt eins, aber wenn er beginnt, aktiv zu sein, muss er auf eine konzeptionelle Weise Weise eine Vielheit sein.

3) Bei den Neoplatonikern finden wir die Vewendung der Begriffe „Erleuchtung“

und „beleuchtete Intellekte.“ Diese Begriffe der Neoplatoniker stehen nicht weit von Aristoteles’ Begriff „das Licht“ mit dem er den Intellekt in „De anima“ 3.5 verglichen hat. Deshalb finden wir diese Idee auch bei Themistius und Alexander.

Themistius verwendet den Begriff Erleuchtung, um den aristotelische Vergleich (Intellekt – Licht) zu erklären, und um zu zeigen, dass dieser aristotelische Vergleich besser als der platonische Vergleich (Intellekt – Sonne) ist. Dieser platonische Vergleich ist im Buch „Die Republik“ zu finden. Wir finden ihn in der aristotelischen Schrift „Über die Pflanzen.“ Aristoteles meint in dieser Schrift, dass die Sinneswahrnehmungen die Erleuchtung des Lebens verursachen (Pargraph:

190 Ebd., S. 119.

191 Ebd., S. 120.

815b33).192 Man versteht diese Idee folgendermassen: Die Sinneswahrnehmungen sind nicht der Ursprung der Erleuchtung, sondern sie sind nur Bedingung - “ طو'ﺵ„.

Die Ergebnisse, zu denen Blumenthal in seiner Untersuchung kommt und die auch für unsere Arbeit wichtig sind, sind Folgende: Themistius’ Kommentare zeigen uns, dass er „was predominantly a Peripatetiker. In this he stood out against the tendencies of his time [...] Thimistius may rightly claim to have been the last major figure in antiquity who was a genuine follower of Aristotle.“193

Ich möchte, um diese Annahme Blumenthals zu korrigieren, hinzufügen, dass Themistius Aristoteles in dem Sinne folgte, dass er eher der aristotelischen als der platonischen Erklärungsebene zuneigte. Mit anderen Worten: Er verstand den Inhalt des Buchs „De anima“ auf eine andere Weise, als es die Neoplatoniker taten. Sein Kommentar über „De anima“ bleibt im Rahmen der allgemeinen Tendenz des Aristoteles, d.h. im Rahmen der physikalisch-biologischen Erklärungsebene der Seele. Die Neoplatoniker adoptierten diese Tendenz nicht, d.h. die reine aristotelische Erklärungsebene, aber sie haben diese Tendenz mit der platonischen Erklärungsebene, d.h. mit der Metaphysik und der Religion verbunden.

Nach dieser Erklärung kommen wir zu folgendem Ergebnis: Die Schrift „De anima“

des Aristoteles ist von Is½Áq Ibn-¼unayn ins Arabische übersetzt worden, und zwar vollständig. Es muss hier erwähnt werden, dass Ibn-al-NadÍm Themistius einen eigenen Kommentar dieser Schrift zuschreibt, der aus zwei Abhandlungen besteht, ohne dass er Informationen über dessen Übersetzungen liefert. Es bleibt also unklar, ob diese Übersetzungen ins Arabische oder ins Syrische erfolgten.194

192 Ebd., S. 120- 121.

193 Ebd., S. 121.

194 Ibn al-NadÍm, S. 253.

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