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6 Theoretische Analyse der Determinanten der Produktivität

6.3 Reallokation der Ressourcen

Zur Reallokation der Ressourcen werden in dieser Untersuchung insbesonde-re der sektorale Strukturwandel sowie die insbesonde-regionale Mobilität gezählt, da von diesen Faktoren ein bedeutender Einfluss auf die Produktivitätsentwicklung der Bundesländer insbesondere in der Nachkriegszeit erwartet wird.

6.3.1 Sektoraler Strukturwandel

Unter sektoralem Strukturwandel wird die Entwicklung einer Volkswirtschaft von der Agrar- über die Industrie- hin zur Dienstleistungsgesellschaft verstan-den, wobei die relative Bedeutung der einzelnen Sektoren entweder anhand der Beschäftigtenanteile oder der Wertschöpfungsanteile an der gesamten Wirtschaft gemessen wird. Bereits Ende der 1940er Jahre entwickelte der französische Öko-nom Jean Fourastié ein Modell, das den sektoralen Strukturwandel erklärt.165 Fourastié (1949) kommt in seinem Modell zu dem Ergebnis, dass sich auf lange Sicht die Bedeutung der drei Sektoren in der Wirtschaft vom primären Sektor zunächst auf den sekundären Sektor und schließlich auf den tertiären Sektor ver-schiebt. Vor der Industrialiserung war der Großteil der Bevölkerung im primären Sektor beschäftigt. Um 1850 waren in Deutschland 56 Prozent der Beschäftigten im landwirtschaftlichen Sektor, 24 Prozent im produzierenden Gewerbe und 20 Prozent im Dienstleistungsbereich tätig.166 Im Zuge der Industrialisierung nahm die Bedeutung des sekundären Sektors immer weiter zu. Im Jahr 1929 waren nur noch 29 Prozent der Erwerbstätigen im primären Sektor, 40 Prozent im pro-duzierenden Gewerbe und 31 Prozent im Dienstleistungssektor beschäftigt.167 In der BRD gewinnt seit Mitte des 20. Jahrhunderts schließlich der tertiäre Sektor immer weiter an Gewicht. 1990 arbeiteten mit 58 Prozent über die Hälfte der Er-werbstätigen im tertiären Sektor.

Fourastié vertrat die Ansicht, dass der sektorale Strukturwandel durch das Zusammenspiel von technischem Fortschritt und Konsumentenverhalten erklärt werden kann.168 Dabei wirken der technische Fortschritt auf der Angebotsseite

165 Ein Modell, das Wirtschaftswachstum mit sektoralem Strukturwandel verbindet, ist zu finden bei Kongsamut, Piyabha; Rebelo, Sergio; Xie, Danyang (2001), Beyond balanced growth, in:

Review of Economic Studies, 68(237), S. 869-882.

166 Vgl. Hoffmann, Walter (1965), Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit Mitte des 19. Jahr-hunderts, Berlin, S. 204 ff.

167 Vgl. Hoffmann (1965), S. 454 ff.

168 Vgl. Fourastié, Jean (1969), Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts, Köln; sowie Lindner, Helmut (1987), Die De-Industrialisierungsthese: eine Analyse ihrer empirisch-statis-tischen Grundlagen, Tübingen, S. 25-38.

(Produktivitätshypothese) und die unelastische Nachfrage auf der Nachfrage-seite (Nachfragehypothese). Aufgrund eines unterschiedlich starken technischen Fortschritts in den drei Sektoren kommt es zu ebenso unterschiedlich starken Steigerungen der Arbeitsproduktivität. Zusätzlich erreichen die drei Sektoren unterschiedlich schnell eine Sättigung der Nachfrage. Die folgende Tabelle gibt wieder, wie stark der technische Fortschritt in den drei Sektoren ausfällt und mit welcher Geschwindigkeit es zu einer Sättigung der Nachfrage kommt.

Tabelle 24 Einteilung der Sektoren nach Fourastié

Sektor Intensität des technischen Fortschritts Sättigung der Nachfrage

Primär Mittel Schnell

Sekundär Stark Langsam

Tertiär Gering Sehr langsam

Quelle: Lindner, Helmut (1987), Die De-Industrialisierunsthese: eine Analyse ihrer empirisch-sta-tistischen Grundlagen, Tübingen, S. 30.

Der sektorale Strukturwandel kann folgendermaßen beschrieben werden: durch den technischen Fortschritt kommt es ceteris paribus zu einer erhöhten Arbeits-produktivität, die sich in einem erhöhten Angebot an Produkten widerspiegelt.

Dabei erhöht sich die Produktion im sekundären Sektor stärker als im primären Sektor. Hierzu kommt es aufgrund der getroffenen Annahme, dass die Intensi-tät des technischen Fortschritts im sekundären Sektor stärker als im primären Sektor ist. Gleichzeitig sehen sich die Produzenten des primären bzw. sekundä-ren Sektors einer relativ unelastischen Nachfrage gegenüber, die im primäsekundä-ren Sektor weniger elastisch ist als im sekundären Sektor. Diese Sättigung der Nach-frage tritt folglich zuerst bei den primären später bei den sekundären Gütern ein.

Die Sättigung im primären Sektor ist im Engelschen Gesetz begründet, wonach mit zunehmendem Einkommen der Anteil der Nahrungsmittelausgaben an al-len Konsumausgaben abnimmt.169 Es entsteht ein Überschussangebot an Gütern, das sich in fallenden Preisen ausdrückt. Die Arbeitskräfte wandern zunächst in den sekundären Sektor, da die Nachfrage nach Industiegütern (insbesondere im Zuge der Industrialisierung) weiter steigt. Kommt es im sekundären Sektor zu technischem Fortschritt, steigt auch hier die Produktivität und Arbeitskräfte wer-den freigesetzt. Gleichzeitig erhöht sich das Einkommen und die Nachfrage nach Dienstleistungen nimmt zu. Die Arbeitskräfte wandern letztlich in den tertiären Sektor ab. Die Übergangsphasen sind nach Fourastié von Überproduktion und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Diese krisenhafte Situation kann zudem durch die fehlende Mobilität der Arbeitskräfte verstärkt werden. 170

169 Vgl. Buchheim, Christoph (1997), Einführung in die Wirtschaftsgeschichte, München, S. 24.

170 Vgl. Fourastié (1969).

(Produktivitätshypothese) und die unelastische Nachfrage auf der Nachfrage-seite (Nachfragehypothese). Aufgrund eines unterschiedlich starken technischen Fortschritts in den drei Sektoren kommt es zu ebenso unterschiedlich starken Steigerungen der Arbeitsproduktivität. Zusätzlich erreichen die drei Sektoren unterschiedlich schnell eine Sättigung der Nachfrage. Die folgende Tabelle gibt wieder, wie stark der technische Fortschritt in den drei Sektoren ausfällt und mit welcher Geschwindigkeit es zu einer Sättigung der Nachfrage kommt.

Tabelle 24 Einteilung der Sektoren nach Fourastié

Sektor Intensität des technischen Fortschritts Sättigung der Nachfrage

Primär Mittel Schnell

Sekundär Stark Langsam

Tertiär Gering Sehr langsam

Quelle: Lindner, Helmut (1987), Die De-Industrialisierunsthese: eine Analyse ihrer empirisch-sta-tistischen Grundlagen, Tübingen, S. 30.

Der sektorale Strukturwandel kann folgendermaßen beschrieben werden: durch den technischen Fortschritt kommt es ceteris paribus zu einer erhöhten Arbeits-produktivität, die sich in einem erhöhten Angebot an Produkten widerspiegelt.

Dabei erhöht sich die Produktion im sekundären Sektor stärker als im primären Sektor. Hierzu kommt es aufgrund der getroffenen Annahme, dass die Intensi-tät des technischen Fortschritts im sekundären Sektor stärker als im primären Sektor ist. Gleichzeitig sehen sich die Produzenten des primären bzw. sekundä-ren Sektors einer relativ unelastischen Nachfrage gegenüber, die im primäsekundä-ren Sektor weniger elastisch ist als im sekundären Sektor. Diese Sättigung der Nach-frage tritt folglich zuerst bei den primären später bei den sekundären Gütern ein.

Die Sättigung im primären Sektor ist im Engelschen Gesetz begründet, wonach mit zunehmendem Einkommen der Anteil der Nahrungsmittelausgaben an al-len Konsumausgaben abnimmt.169 Es entsteht ein Überschussangebot an Gütern, das sich in fallenden Preisen ausdrückt. Die Arbeitskräfte wandern zunächst in den sekundären Sektor, da die Nachfrage nach Industiegütern (insbesondere im Zuge der Industrialisierung) weiter steigt. Kommt es im sekundären Sektor zu technischem Fortschritt, steigt auch hier die Produktivität und Arbeitskräfte wer-den freigesetzt. Gleichzeitig erhöht sich das Einkommen und die Nachfrage nach Dienstleistungen nimmt zu. Die Arbeitskräfte wandern letztlich in den tertiären Sektor ab. Die Übergangsphasen sind nach Fourastié von Überproduktion und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Diese krisenhafte Situation kann zudem durch die fehlende Mobilität der Arbeitskräfte verstärkt werden. 170

169 Vgl. Buchheim, Christoph (1997), Einführung in die Wirtschaftsgeschichte, München, S. 24.

170 Vgl. Fourastié (1969).

Fourastié bedenkt in seinem Ansatz jedoch nicht den Außenhandel, wobei durch den Export von Gütern die Sättigung insbesondere im sekundären Sektor weitaus langsamer oder gar nicht eintreten kann. Demgegenüber kann der Import von Gütern die Sättigung deutlich schneller vorantreiben.

Lindlar (1997) bezeichnet den raschen sektoralen Strukturwandel nach dem Zweiten Weltkrieg als zweiten Modernisierungsschub nach der Industrialisie-rung. Für den Rückgang der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit sieht Lindlar mehrere Gründe. Neben den Ursachen, wie sie bereits Fourastié erkannt hat, ist der zunehmende Import von Agrargütern ein weiterer Grund.171

Für die vorliegende Untersuchung war vermutlich der Rückgang des primä-ren Sektors von entscheidender Bedeutung für die Produktivitätsentwicklung der Bundesländer.

6.3.2 Regionale Mobilität

Neben dem sektoralen Strukturwandel kann ebenso die regionale Mobilität der Bevölkerung zu einer Reallokation und somit effizienteren Nutzung des Faktors Arbeit führen.

Allgemein können die Anreize für die regionale Mobilität von Erwerbstätigen auf zwei Faktoren zurückgeführt werden. Ein vergleichsweise hoher Reallohn in einer Region zieht Arbeitskräfte an. Demgegenüber führt eine vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit zur Abwanderung von Arbeitskräften.172 In der Nachkriegs-zeit wurde die Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit durch einen weiteren Fak-tor begünstigt. Wie bereits im Abschnitt 4.2.2 dargestellt wurde, lag eine regionale Fehlallokation des Produktionsfaktors Arbeit in Westdeutschland vor, die der be-sonderen Situation der Nachkriegszeit geschuldet war. Die Flüchtlinge und Vertrie-benen strömten in die ländlich geprägten Regionen Westdeutschlands. Dies führte dazu, dass in den ländlichen Regionen ein Überschuss an Arbeitskräften vorzufin-den war und in vorzufin-den industriellen Zentren ein Mangel an Arbeitskräften herrschte.

Als ein Hemmnis für den regionalen Ausgleich von Arbeitskräften in der Nach-kriegszeit kann die Wohnungssituation auf dem Gebiet der BRD gesehen werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren von 10,6 Mio. Wohnungen 2,3 Mio. völlig zer-stört und 2,3 Mio. schwer beschädigt. Gleichzeitig nahm die Bevölkerung um 11,5 Mio. Menschen zu. Mit der Gründung der BRD 1949 standen 14,6 Mio. Haushalten lediglich 9,4 Mio. Wohnungen und Behelfsunterkünfte zur Verfügung. Mit dem

171 Vgl. Lindlar (1997), S. 321.

172 Vgl. Südekum, Jens (2004), Selective Migration, Union Wage Setting and Unemployment Di-sparities in West Germany, in: International Economic Journal, 18(1), S. 33-48.

Ersten Wohnungsbaugesetz 1950 wurde der dringend notwendige Wohnungsbau schließlich vorangetrieben. In den 1950er Jahren wurden 4 Mio. Wohnungen durch den sozialen Wohnungsbau geschaffen.173 Mit dem Wiederaufbau und dem Entste-hen neuen Wohnraums in den 1950er Jahren war der Weg frei für einen Ausgleich des Arbeitskräfteungleichgewichts durch regionale Migration.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist jedoch nicht, die Ursachen der Migra-tion zu diskutieren, sondern ihre Auswirkungen auf die Produktivität abzuschät-zen.174 Durch die regionale Mobilität konnten zuvor brachliegende Produktions-kapazitäten in den industriellen Zentren wieder voll ausgelastet werden, wodurch die Produktivität dort gesteigert werden konnte. Ebenso wird vermutet, dass sich die Produktivität der ländlichen Regionen erhöhte, da die Überbeschäftigung ins-besondere in der Landwirtschaft durch die Abwanderung der überschüssigen Er-werbstätigen abgebaut wurde.

Darüber hinaus sank die Arbeitslosigkeit, wodurch zuvor völlig unproduktive Erwerbspersonen – die Arbeitslosen – nun in produktiveren Bereichen der Wirt-schaft eingesetzt werden konnten.

Zu beachten ist, dass rein formal eine Veränderung der Erwerbstätigenzahl durch Migration oder den Rückgang der Arbeitslosigkeit in der Cobb-Douglas Produktionsfunktion durch den Produktionsfaktor Arbeit (L) quantitativ erfasst wird. Verkörpern die neu hinzugekommenen Erwerbstätigen jedoch eine besse-re Qualität oder haben sie eine bessebesse-re Auslastung der Kapazitäten ermöglicht, dann spiegelt sich diese Veränderung in der Produktivität wider.

Somit wird im Rahmen der empirischen Analyse der Einfluss des sektora-len Strukturwandels – speziell der Rückgang der Erwerbstätigkeit im primären Sektor – sowie der regionalen Mobilität auf die Produktivitätsentwicklung der Bundesländer überprüft.