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München, Konzert- und Ballhaus der Firma Pschorr, 1894, (Entwurf)

Für die Neubebau eines Grundstücks in der Neuhauserstraßei 1 "hatte der Brauereibesitzer Commercienrath G. Pschorr eine Anzahl einheimischer und auswärtiger Architekten zu einem Wettbewerb eingeladen."454 Zu den neun eingeladenen Architekten resp. Architektenge­

meinschaften wurden auch zwei Berliner, H. Seeling und Bruno Schmitz gemeinsam mit Dülfer, Neckelmann, Seidl und Thiersch u.a. eingeladen. Das genaue Datum der Aufforderung zur Teilnahme ist nicht bekannt, dürfte wohl aber in den Anfang des Jahres zu datieren sein, da die Abgabe für den 31. Mai 1894 vorgeschrieben war.

Das "in grossem Stile geplante Konzert- und Ballhaus" sollte "lediglich den Veranstaltungen dienen, welche der Besitzer selbst in den Räumen desselben abzuhalten gedenkt, in erster Linie grossen und feinen Konzerten mit und ohne Restauration, grossen Festen, Bällen usw. Wie die Veranstaltungen, so sollen auch die Räume sowohl in technischer wie künstlerischer Beziehung

452Deutsche Konkurrenzen, 3. Jg., Leipzig 1894, S. 10 453CB, 14. Jg., Berlin 1894, S. 91

454CB, 14.Jg., Berlin 1894. S. 251

allen Anforderungen entsprechen, welche man an moderne, grosstädtische Unternehmungen dieser Art zu stellen berechtigt ist. Dem Neubau der Häusergruppe liegt der Gedanke zugrunde, dass das Konzert- und Ballhaus sowohl gegen die Neuhauserstrasse wie auch gegen das Altheimereck eine Fassade erhält. Im Erdgeschoss des an die Neuhauserstrasse gelegenen Vorderhauses soll eine feinere Restauration in grossem Stil errichtet werden. An sie schliessen sich ein geräumiger Wintergarten mit Tageswirthschaft, sowie grosse Garderoberäume mit be­

sonderem Zugang. Ein in stattlichen Abmessungen zu haltendes Treppenhaus soll zu dem im ersten Obergeschoss gedachten Hauptsaal von etwa 700 m2 Fläche führen, dem die prächtigste Ausstattung zugedacht ist, ein Foyer vorgelagert und der mit Bühne, Gallerien, Balkon usw.

versehen werden soll. Der gegen das Altheimereck gelegene Theil der Baugruppe soll einer Gruppe von Restaurationsräumen mit allen Nebenräumen erhalten."455 Diese Beschreibung des Programms läßt erkennen, daß der Bauherr eine sehr genaue Vorstellung seines Vorhabens be­

reits besessen hat. Vermutlich haben die Juroren die Auswahl der Teilnehmer getroffen. Alle Juroren hatten ihren Sitz in München: Oberbaurat W. Rettig, Baurat A. Voit und Prof. H. v.

Schmidt. In Abänderung der Ankündigung wurden vier erste Preise zu 2.000 M. (Dülfer, Pfann & Blumentritt, Seeling, Thiersch), und zwei Preise zu 1.000 M. (Müller, Ziebland &

Kellmus sowie Neckelmann)vergeben. Der Entwurf Bruno Schmitz' wurde zwar von der Jury als "tüchtige Arbeit"456 bewertet, wurde jedoch "wegen nicht programmmässiger Grösse des Konzertsaales" mit den Entwürfen von Lincke & Vent und demjenigen Seidls "ausser

Konkurrenz gesetzt."457

Das relativ schmale, leicht gebogene Grundstück (Abb. 230, 233) war sicherlich nicht der idea­

le Grundriß für die geforderten Räume. Bruno Schmitz legte den großen Saal quer ungefähr in die Mitte des Grundstücks, fügte zur Neuhauserstraße den über drei Stockwerke reichenden Wintergarten an und auf der anderen Seite den kleinen Saal. In der Reproduktion des

Längsschnitts (Abb. 231) ist gerade noch zu erkennen, daß er im großen Saal eine Orgel an der Stirnwand vorsah, und daß in den vier Ecken große Figurennischen angebracht waren, eine Anordnung, die er schon ganz ähnlich in der Züricher Tonhalle verwendet hatte. Der inneren Prachtentfaltung entsprach die Fassadengestaltung nicht (Abb. 232). Diese hatte Bruno Schmitz sehr schlicht gehalten. So war die Fassade der Neuhauserstraße lediglich im Erdgeschoß durch sechs Rundbögen betont, die drei Obergeschosse hatten jeweils fünfzehn einfache

Rechteckfenster in profilierter Rahmung und einer waagrechten Verdachung in den beiden er­

sten Obergeschossen. Die schmalere Fassade zu sieben Achsen am Altheimereck war dagegen nur dreigeschossig. Die drei linken Achsen der Fassade waren im Erdgeschoß vereinheitlicht, die zweite Achse war im Erdgeschoß mit der rund- oder segmentbogigen Öffnung des Eingangs

455DBZ, 28. Jg., Berlin 1894, S. 304 456DBZ, 28. Jg., Berlin 1894, S. 304

457Deutsche Konkurrenzen, 4. Jg, Leipziog 1894, S. 3

versehen, über der sich eine erkerartige Ausschwingung der Fassade anschloß, die in Höhe des Traufgesimses durch einen gesprengten und geschweiften Giebel und im Dach durch ein kleines Dachhaus etwas aufwendiger gestaltet war. Im Erdgeschoß schloß sich rechts daran die Eingangshalle an, über der sich im ersten Obergeschoß ein Gesellschaftsraum mit drei rundbo- gigen Fenstern befand. Über den drei Achsen der Eingangshalle bedeckte ein Vordach die Wagenanfahrt. So weit es die kleinen Reproduktionen der "Deutschen Konkurrenzen"

zulassen, kann man erkennen, daß Bruno Schmitz hier die Architektur des 18. Jahrhunderts zu Wort kommen ließ, und man wird dieselbe Stilrichtung auch für die Inneneinrichtung

anzunehmen haben.

Berlin, Gebäude für die "Gewerbe-Ausstellung", 1896

Der Anlaß für diese "Gewerbe-Ausstellung" war ursprünglich ein großer: Zum fünfundzwan­

zigjährigen Bestehen des Deutschen Reichs war in Berlin die Abhaltung einer Weltausstellung ins Auge gefaßt worden.458 Als sich herausstellte, daß dieses Vorhaben nicht zu realisieren war, "dachte man zunächst an eine deutsch-nationale Ausstellung, ließ aber auch diesen Plan fallen, um sich schließlich auf eine Berliner Gewerbeausstellung zu einigen. Diese ist freilich weit aus dem ihr ursprünglich zugedachten Rahmen herausgewachsen. "459 Mit dieser ambitiö­

sen Vorgeschichte war die Ausstellung sicherlich mehr als eine der vielen Gewerbeaus­

stellungen, "die in Deutschland die erst spät einsetzende Industrialisierung begleiteten und ihr werbewirksamen Ausdruck gaben; sie war ihr Höhepunkt, obwohl sie nur ein Ersatz war, allerdings ein monumentaler, ein durch und durch wilhelminisches Produkt. Der Industrie­

kaiser bot dem Geltungsbedürfnis der deutschen, im wesentlichen der Berliner Unternehmer Ersatz für die Absage einer deutschen Weltausstellung, mit der (man) nach Paris, London, Wien, Philadelphia, Sydney nun Berlin zur Jahrhundertwende wirtschaftliche Leistungs­

stärke und politisches Selbstbewußtsein vorführen wollte.’’460 Daß diese Ausstellung eine besondere Gewerbeausstellung war, belegt auch die Tatsache, daß eine "Kolonial-Ausstellung"

angegliedert war. Der "Verein Berliner Kaufleute und Industrieller", das "Ältesten-Collegium der Berliner Kaufmannschaft", der "Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes" und der

"Verein für deutsches Kunstgewerbe" hatten sich zur Durchführung dieser Ausstellung zusammengeschlossen und neben dem Vorstand auch einen geschäftsführenden Ausschuß eingerichtet, dem die drei Ausstellungsarchitekten Hans Grisebach, Karl Hoffacker

458Hans Kraemer: Berliner Ausstellungs-Epilog, in: Moderne Kunst, 1896. XI. S. 54-56, hier S. 54 459CB, 16. Jg., Berlin 1896. S. 201

460Klaus Strohmeyer: "Berliner Gewerbe Ausstellung". Annotationen zu einem Text von Georg Simmel, in:

Ästhetik und Kommunikation. Jg., 18, Berlin 1987, Heft 67/68 (Kulturgesellschaft, Inszenierte Ereignisse), S. 107-109. hier S. 107

und Bruno Schmitz angehörten. Es wurde darüber diskutiert, ob das Ausstellungsgelände in den Westen Berlins mit den Villenvierteln oder aber in den Südosten, nach Treptow, gelegt werden sollte, wo bereits ein See vorhanden war. Die Wahl fiel auf Treptow.

Über die Auswahl der Ausstellungsarchitekten durch die Veranstalter ist nichts bekannt.

Anscheinend legte man auf den künstlerischen Rat Bruno Schmitz' schon während der Vorbereitungsphase großen Wert, denn er wurde 1895 in die Jury berufen, die über das

"Ankündigungsblatt” der Gewerbeausstellung zu entscheiden hatte.461 Dieses Plakat wurde schließlich von Ludwig Sütterlin (1865-1917) entworfen und zeigt eine aus dem Boden vor der Silhouette Berlins hervorbrechende Faust, die kraftvoll einen Hammer packt.462 Die

Entwicklung des modernen Plakats in Deutschland fand zu einem großen Teil in der Gattung der Ausstellungsplakate statt, die zwar auf einem traditionellen symbolischen Verständnis be­

ruhten, aber in der Bilderfindung völllig neue Wege gingen. Der Ausgangspunkt ist wohl in dem Plakat für die Secessions-Ausstellung von Franz von Stuck aus dem Jahr 1893 zu sehen, das einen stilisierten Minervakopf zeigte. Sütterlins Plakat (Abb. 234) ist aber nicht mehr so

"bildmäßig" aufgefaßt, sondern geht einen Schritt weiter in der Konzentration auf den gewerbli­

chen Aspekt der Produktpräsentation.463

Bruno Schmitz hatte den Auftrag zur Ausführung der Hauptgebäude des Ausstellungsgeländes erhalten, worunter die zentrale Baugruppe mit der großen Ausstellungshalle und dem Restaura­

tionsgebäude zu verstehen ist.

An die beiden Schmalseiten eines ungefähr 350 Meter langen Wasserbeckens stellte Bruno Schmitz die beiden Gebäude, die aus einer Eisenkonstruktion errichtet waren und nach der Aus­

stellung im Herbst wieder abgeschlagen wurden. Die Fassade des Austellungsgebäudes (Abb.

235) gestaltete er folgendermaßen: Als dominantes Motiv wurde eine Kuppel von zwei Türmen flankiert. Dieser Bauteil bildete den Abschluß der sich anschließenden Ausstellungshallen, die allerdings nicht neu geschaffen worden waren, sondern von einer älteren Ausstellung stamm­

ten. Die Türme über quadratischem Grundriß haben an ihrem oberen Ende halbrund geschlos­

sene Öffnungen, darüber befindet sich die Aussichtsplattform, deren flaches Dach vorspringt und über einem sehr flachen Tambour eine ovaloide Haube mit Laterne trägt. Die Gestaltung der Turmabschlüsse greift das an der großen Hauptkuppel bereits entwickelte Motiv auf, denn hier ist um den Tambour auf allen vier Seiten ein flaches Dach in Form eines Gevierts gelegt, das einen möglicherweise begehbaren Umgang deckte. Vor die Türme ist ein niedriger über­

461CB, 15. Jg, Berlin 1895, S.207.

462Klaus Strohmeyer: "Berliner Gewerbe-Ausstellung". Annotationen zu einem Text von Georg Simmel, in:

Ästhetik und Kommunikation. Jg. 18, Berlin 1987, Heft 67/68 (Kulturgesellschaft. Inszenierte Ereignisse), S. 107-109

463Vgl. Rainer Schoch: Plakate und kleine Gebrauchsgraphik, in: Ausstellungskatalog "Darmstadt. Ein Dokument Deutscher Kunst 1902-1976, Band 2: Kunst und Dekoration 1851-1914", Darmstadt. Hessisches Landesmuseum. 22. Oktober 1976 bis 30. Januar 1977, S. 159-194, Kat. Nr. 347 (Abb. S. 177). Vgl. auch Harald Olbrich (Hg.): Geschichte der deutschen Kunst 1890-1918, Leipzig 1988, S. 413, Abb. 315.

kuppeiter Portalbau mit drei nmdbogigen Eingängen gelegt, die von zwei Türmchen eingefaßt werden. Die Eingänge tragen aneinanderstoßende Satteldächer und markieren mit diesem auf­

fälligen dreifachen Zickzackrhythmus den Zugang zum Hauptbau der Ausstellung. Einen Hinweis auf die Gestaltung der Portalzone gibt die Beschreibung des Fenstergemäldes im Kup­

pelraum, wo sich Männer und Frauen nach dem von Berolina gehaltenen Lorbeer strecken, "ein Gedanke dem man in ornamentaler Behandlung bereits an den vergoldeten Eingangspforten begegnet ist, wo in den Giebelfeldern über den Thorbögen Wissen und Ruhm versinnbildlicht sind durch strahlenumgebene Häupter - Athene in der Mitte, Posaunenbläser zu den Seiten -, nach denen sich Menschenhände begehrlich ausstrecken. "464

Seitlich dieses Portalbaus schwingen zwei Arme mit Pfeilerarkaturen weit aus. Diese Bogen­

gänge endeten in Kopfbauten, die eine Kuppel mit Laterne trugen und durch kleine Vorbauten an jeder Seite den Eindruck eines kleinen Zentralbaus erweckten. Neben diesen Kopfbauten en­

den auch die Terrassen, deren Brüstungen an ihrem Abschluß durch große plastische Arbeiten von Nikolaus Geiger betont werden, "Versinnbildlichungen der geistigen und körperlichen Arbeit, deren kühner Aufbau den Rhythmus der architektonischen Massen und Linien mit leb­

hafter Bewegung abschließt."465 Von der Portalanlage bis in Höhe der Kopfbauten erstreckt sich eine flache Kaskade.

Das Innere der Haupthalle (Abb. 236) zeigt im Entwurf eine reiche, im Stil des 18. Jahr­

hunderts gehaltene Dekoration. Möglicherweise hatte Bruno Schmitz über den stark profilierten Gurtbögen einen Umgang im Inneren der Kuppel geplant, eine aufwendige

Brüstungsarchitektur spricht meines Erachtens dafür. Dieser kreisrunde Umgang erhält Licht durch den Fensterkranz der Kuppel, der ebenso für die Belichtung der Kuppeldekoration sorgt.

Dieses Prinzip von Konstruktion und Lichtführung ist der illusionistischen Architek-tur der Asam-Brüder nachempfunden, auch wenn diese z.B. in Weltenburg den Umgang nicht für Publikumsverkehr angelegt haben. In den "Kuppelpfeilem" sind große Nischenfiguren zu er­

kennen, die auch zur Ausführung gelangten, wie der Beschreibung im "Cenbtralblatt" zu ent­

nehmen ist, die auch das Kuppelgemälde erwähnt und das ikonographische Programm schil­

dert: "Ueber gedrungenem Unterbau schwingen sich von den abgestumpften, mit

Brunnenanlagen geschmückten Ecken des Grundvierecks mächtige, reich ausgebildete Zwickel zu dem weiten, mit vergoldeter Brüstung besetzten Schlußringe empor, der den Einblick in die Kuppel ffeigiebt. Die Kuppelfläche - Dach und Decke sind eins - ist durch den Düsseldorfer Klein-Chevalier mit einem in riesigem Maßstabe gehaltenen realistisch-sinnbildlichen Gemälde bedeckt: Kraftvolle Männergestalten, Ackerbauer und Fischer, ringen der Erde und dem flüssi­

gen Elemente ihre Gaben ab und veranschaulichen den Gedanken des Spruches, den in großen goldenen Buchstaben der Spannring trägt: >ARBEIT IST DES BÜRGERS ZIERDE, SEGEN 464CB, 16. Jg„ Berlin 1896, S. 297

465CB, 16. Jg., Berlin 1896, S. 296

IST DER MÜHE PREIS<. Ein Werk des selben Künstlers ist die Bemalung des gewaltigen Rundbogenfensters der Ostseite: Vor azurblauem Hintergründe thront eine Frauengestalt, durch den Bär zu ihren Füßen als Berolina gekennzeichnet, Lorbeerzweige in den erhobenen Händen, welche in eiligem Laufe heranstürmende Männer und Frauen zu ergreifen streben (...) Der Hauptschmuck der großen Kuppel ist auf den vier Hängezwickeln vereinigt. Sie sind der

>Kunst<, der >Industrie<, dem >Gewerbe< und dem >Handel< gewidmet."466 467 Diese Stückarbeiten stammten von dem Bildhauer August Vogel, der auch am Kyffhäuser-Denkmal mitgearbeitet hatte.

Am gegenüberliegenden Ende des künstlichen Sees stand der Wasserturm mit dem >Festsaal<, der auch als >Hauptrestaurant< genutzt wurde (Abb. 237). Festsaal und Wirtschaftsräume ver­

bergen sich hinter den "im Viertelkreis geschwungenen Erfrischungshallen", an deren

Rückwänden "Speisezimmer" liegen, die durch verschiedene Berliner Firmen ausgestattet wor­

den waren und als deren Ausstellungsbeiträge galten. Die geschwungenen Flügel enden in Musikpavillons. Im Turmfuß ist eine Halle untergebracht, die durch eine im Turmschaft sit­

zende Kuppel überwölbt ist und das Licht aus den Fenstern im Turmschaft erhält. Die Aussichtsplattform am oberen Ende des Turmes kragt leicht vor und ist mit einem flachen Ziegeldach bedeckt, worüber sich zunächst ein sehr flacher Tambour und darüber dann der kuppelartige Helm mit vorspringendem unteren Rand erheben. Eine schlanke Laterne bildet den Abschluß. Nach vome und zu den Seiten hin befinden sich an der Aussichtsplattform

altanartige Ausbuchtungen, die durch zwei Stützen eingefaßt sind. Über dem Ziegeldach finden diese Stützen ihre Fortsetzung im Gewände einer halbrund geschlossenen Luke, die in einem geschweiften Giebel mit Zierspitze endet. Dieser, die Senkrechte betonende Akzent schafft auf einfache und einfallsreiche Art eine Verbindung zwischen dem einfachen, nur am Fuß ornamen­

tal eingefaßten Turmschaft und dem auffälligen, bewegt konturierten Turmhelm. An der Rückseite des Turms ist ein "Aufzugtürmchen" angebracht.

Auch dieser Teil der Ausstellungsarchitektur enthält Schmuckanlagen und "Programm": "Vor dem Fuße des Thurmes ist eine reiche Wasserkunst angelegt. Sie besteht aus zwei dreistufigen, leider zu spärlich gespeisten Wassertreppen zu Seiten des Canaleinfahrtbogens, welcher mit ei­

ner großen, von Professor Widemann geschaffenen, Bildwerkgruppe gekrönt ist. Auf dem Wappenthiere der Reichshauptstadt sitzt Berolina, den rechten Arm auf einen mit der

Kaiserkrone geschmückten Schild gelehnt, in der emporgehobenen Linken das Lorbeerreis hal­

tend, den Ehrenpreis der Sieger in friedlichem Wettkampfe. Zu ihren Füßen sind jugendliche Gestalten gelagert, die ihr die Gaben der Erde und des Wassers darbringen, ein Fischer den eben dem Netze entnommenen Fisch, ein anmuthiges Weib, die Erde, das mit Früchten reich gefüllte Horn.1,467

466CB, 16. Jg., Berlin 1896. S. 297 467CB, 16. Jg.. Berlin 1896. S. 320

In die Beschreibung der Schmitzschen Ausstellungsgebäude kann auch die farbliche Gestaltung mit aufgenommen werden, die nicht nur durch Beschreibungen, sondern auch durch freie Wiedergaben in der Zeitschrift "Moderne Kunst" festgehalten ist, wobei die Illustrationen (Abb.

238, 239) allerdings nur einen andeutenden Eindruck zu vermitteln in der Lage sind. Allein die Tatsache, daß die farbige Gestaltung in die Besprechung aufgenommen wurde, zeigt deren Wirkung und Wichtigkeit. Allerdings hatte Bruno Schmitz in der Gestaltung der

Außenarchitektur auch zu einem spektakulären Mittel gegriffen, das - nach meiner Kenntnis - hier überhaupt zum ersten Mal angewendet wurde. Alle größeren sphärischen Flächen glänzten silbern, da sie aus Aluminium gefertigt waren: "Aus den Hallen des Erfrischungsgebäudes schweift der Blick über die Wasserfläche hinüber zum Hauptgebäude, das, je nach der Tageszeit, im leuchtenden Schimmer seiner weißen Architektur, seiner rothen Dächer und seiner glitzernden Aluminiumkuppeln aus dem umrahmenden Baumgrün hervortaucht oder sich als bezauberndes Umrißbild dunkel von einem in Gold und Purpur erglühenden Abendhimmel abhebt."468 Die Baugruppe des Wasserturms war in den Farben entsprechend gehalten, bei ihrer Beschreibung nennt der Rezensent auch ein weiteres Gestaltungsmittel, das nicht neu, aber reizvoll war, nämlich die Spiegelung der Bauten in der Oberfläche des Wassers: "Wieder geben das ungebrochene Weiß der Architekturtheile, das Braunroth der Ziegeldächer und der Silberton der Aluminiumhaube den Grundaccord. Wenig gemaltes Ornament, in der

Hauptsache das den Thurmschaft umziehende grüne Inschriftband, und die roth und weiß gestreiften Zeltdächer der geschwungenen Seitenhallen treten nebensächlicher begleitend hinzu, und dunkles Baumgrün bildet auch hier den Rahmen des Bauwerks, das seine vollendeten Formen in dem vor ihm ausgebreiteten glitzernden Wasserbecken spiegelt."469

Zu dem Stil dieser Bauten ist zu bemerken, daß zumindest ihr Äußeres nicht aus einer einzigen, bestimmten kunsthistorischen Epoche abgeleitet ist. Selbst die Einzelformen scheinen unter­

schiedlich ableitbar zu sein, doch ist der Gesamtanlage wie den Details auch ihre Neuzeitigkeit anzumerken. Diese Besonderheit wurde in einer Besprechung des "Centralblatts" so umschrie­

ben: "Der breit hingelagerte Bau hat, wenn der Gewöhnung, nach geschichtlich-stilistischen Verwandtschaften zu suchen, nachgegeben werden soll, orientalisch-italienisches Gepräge.

Dabei zeigt er aber volle Ursprünglichkeit der künstlerischen Erfindung. Schmitz hat, mit seinen Mitteln richtig rechnend, den Ton des Fremdländischen, Märchenhaften

angeschlagen."470 Hinsichtlich des Stils wurde in der neueren Literatur bemerkt, daß diese Bauten "eine weiß geputzte Architektur in orientalisierend-jugendstiligen Stilformen" seien.471

468CB, 16. Jg., Berlin 1896, S. 294 469CB, 16. Jg., Berlin 1896, S. 320 470CB, 16. Jg., Berlin 1896, S. 294

4/ iQeorg Friedrich Koch: Die Bauten der Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung in Düsseldorf 1902 in der Geschichte der Ausstellungsarchitektur, in: Ekkehard Mai, Hans Pohl, Stephan Waetzoldt (Hg.): Kunstpolitik

Auch hier ist zu erwidern, daß der Begriff "Jugendstil-Architektur" bei Bruno Schmitz nicht angewendet werden kann. Annäherung an die Formen des Jugendstils sind erst in der Zeit nach

1900 eindeutig nachweisbar und bleiben, bis auf eine Ausnahme (Ausstellungshalle in Düsseldorf 1902), auf untergeordnete Dekorationssysteme beschränkt.

Georg Friedrich Koch stellte die Architektur der Gewerbeausstellung in direkte Tradition der Chicagoer Bauten, da sie wie diese "den wachsenden Repräsentationsanspruch öffentlicher Architektur des Späthistorismus auf die ephemeren Ausstellungsbauten überträgt und dadurch gewissermaßen die Hülle bedeutender erscheinen läßt als ihren Inhalt, um den es ja eigentlich bei Ausstellungen geht."472 Meines Erachtens ist der Stil der Ausstellungsarchitektur aber wohl absichtlich vom Architekten gewählt worden, um den zivilen Charakter zu unterstreichen, und insofern wich er von den Stilprinzipien seiner Entwürfe für offizielle< Architektur und der di­

rekten Orientierung an historischen Vorbildern ab, ohne jedoch sich der "Jugend"-Bewegung anschließen zu wollen. In einem zeitgenössischen Bericht wird gerade betont, daß sich die Berliner Bauten von den Chicagoer Tempelfronten (Abb. 239) unterschieden. Es wurde lobend hervorgehoben, daß Bruno Schmitz die Ausstellungsgebäude nicht als protzig-imposante Säulenarchitektur quasi mit Ewigkeitsanspruch errichtet habe: "Der architektonische Werth die­

ser ganze Composition beruht in erster Linie darin, daß das Gepräge des Ausstellungsbaues richtig getroffen ist. Der andernorts, so zum Beispiel in Chicago, gemachte Fehler, mit den ver­

gänglichen Mitteln der auf die Lebensdauer weniger Monate berechneten Ausstellungs­

baulichkeiten monumentale Architekturen vorführen zu wollen, die doch den Stempel des Scheinwesenes an der Stirn tragen, ist hier glücklich vermieden worden. "473 Mag dieses Urteil auch durch plötzliche Bescheidenheit angesichts der abgesagten Weltausstellung gefällt worden sein, so ist doch unabhängig davon zu konstatieren, daß Bruno Schmitz diesen Bauten sehr zivilen Charakter gegeben hatte, obwohl das Interesse des Kaisers die Ausstellung auch mit na­

tional-repräsentativen Ansprüchen überzogen hatte. Man kann daraus auch ersehen, daß Bruno Schmitz die Fähigkeit besaß, den Stil seiner Bauten an ihrem Hauptzweck zu orientieren, daß

tional-repräsentativen Ansprüchen überzogen hatte. Man kann daraus auch ersehen, daß Bruno Schmitz die Fähigkeit besaß, den Stil seiner Bauten an ihrem Hauptzweck zu orientieren, daß